Theaterg'schichten

Nestroy wirft einen höchst amüsanten Blick hinter die Kulissen eines sommerlichen Theaterbetriebs einer vazierenden Theatertruppe, die auf teilweise theaterbegeisterte und teilweise höchst kritische eingestellte Einwohner einer Kleinstadt trifft.
Eine Vorstellung der Produktion „Sappho“ muss wegen eines Unwetters abgebrochen werden, und der Theaterdirektor flüchtet vor der finanziellen Misere ins Irrenhaus – ein turbulentes Spektakel und eine köstliche Selbstpersiflage, vor allem wenn Verrückte, die beim Theater sind oder unbedingt zum Theater wollen, auf Verrückte treffen, die glauben, sie seien normal, nur weil sie dort nicht sind.
Die turbulente Realsatire Theaterg’schichten als musikalisches Spektakel und köstliche Selbstpersiflage im stimmungsvollen Ambiente des Schlosshofs Rothmühle – wie immer in Szene gesetzt von Peter Gruber, der 2014 für seine Nestroy-Interpretationen mit dem NESTROY-Theaterpreis ausgezeichnet wurde.

43. NESTROY Spiele Schwechat
Theaterg'schichten
27. Juni bis 01. August 2015

Regie

Peter Gruber

Regiemitarbeit

Christine Bauer

Musik

Reinhard Steiner

Musikalische Einrichtung Quodlibet

Herbert Ortmayr

Bühne

Tina Prichenfried, Günter Lickel

Kostüme

Okki Zykan

Maske

Andrea Zeilinger

Lichtdesign

Harald Töscher

Licht- und Tontechnik

Thomas Nichtenberger
STÖSSL Apotheker und Kulturstadtrat
Franz Steiner
KONRAD sein Sohn
Eric Lingens
PHILIPPINE seine Tochter
Carina Thesak
MATTHIAS DAMISCH sein Mündel
Valentin Frantsits
FLEBER ein Kunde
Peter Kuno Plöchl
SCHOFEL Theaterdirektor und Schauspieler
Bruno Reichert
ROSAURA seine "Nichte"
Anna MItterberger
INSLBULL ein englischer Lord
Maximilian Gruber-Fischnaller
SPORNHOFER Schauspieler
Ottwald John
MAXNER Bühnenmeister
Andreas Herbsthofer-Grecht
KATHARIN seine Frau
Bella Rössler
LISI deren Tochter
Theresa Renner
MALI deren Tochter
Julia Kampichler
KRAMMER Inspizient
Sandro Swoboda
SPINDL Souffleuse
Gabriele Holzer
SEDLACZEK Bühnen-Feuerwehrmann
Peter Koliander
OBERBAURAT
Karl Schleinzer
STATISTEN
Melina Rössler, Patrick Sieber
ELEVINNEN
Theresa Groß, Mona Rieger, Marie Seelke, Simone Wawra
THEATERBESUCHERINNEN
Sabine Axmann, Christiane Körner, Sissy Stacher, Elias Unger, Jana Unger
PROF. RINGERL Primar einer Irrenanstalt
Peter Gruber
DR. DR. ZAHND Oberärztin
Maria Sedlaczek
KRANKENSCHWESTER
Yasmin Öztürk
WÄRTER
Harald Schuh, Patrick Sieber, Sandro Swoboda
IRRE
Ensemble

1. Akt
Apotheker Stössl hat seinem Neffen und Mündel Mathias Damisch seine Tochter Philippine und auch seine Apotheke bestimmt. Zu seinem Verdruß drängt es diesen aber zum vom Vormund verabscheuten Schauspielerberuf. Mit den Gedanken mehr beim Theater als in der Apotheke, verwechselt er häufig die Medikamente für die Kunden. Stössls Sohn Conrad, der selbst vor drei Jahren der Komödiantenleidenschaft verfiel und Mathias damit ansteckte, kehrt, über sein Talent und die Theaterwelt desillusioniert, nunmehr als Porträtmaler reumütig zu seinem Vater zurück. – Auftrittslied Conrad I, 3 (R: „Der Jugend verzieht man ja All’s auf der Welt.“). – Gemeinsam mit seiner Schwester Philippine versucht er, Mathias die Schauspielerberufung auszureden. Dieser aber ergibt sich anläßlich des Gastspiels einer durchreisenden Theatertruppe, deren Anwesenheit sein Vormund als Ratsvorstand des Ortes widerwillig genehmigen mußte, ganz dem Banne der Bühne. – Couplet Damisch I, 12 (R: „Auf was er sich Alles hinauswachsen kann.“). – Als der Hauptdarsteller der Truppe wegen eines lukrativeren Angebots heimlich abreist, darf Damisch als begabter und reicher Laie dessen Rolle als Phaon in „Sappho“ übernehmen, deren Rolle von der umschwärmten Rosaura gespielt wird. Ein Gewitterregen beendet vorzeitig die Vorstellung in dem Arena-Theater. Damisch wird vom Publikum, darunter auch von seinem Vormund, erkannt und zur Rechenschaft gezogen, weil er sich seinen Apotheker- und Bräutigamspflichten durch einen eiligen Theaterkontrakt entzogen hat.

2. Akt
Die Theatertruppe mit Damisch befindet sich in einer anderen Stadt. Der Theaterdirektor Schofel hat sich vergeblich um eine Spielstätte bemüht und ist in größter Geldverlegenheit. Der Theatertischler Maxner, mit ihm seine schauspielerisch mäßig begabten Töchter Mali und Lisi, hoffen, durch ihr Gegenangebot die Direktion der Truppe an sich zu bringen. Conrad schmiedet mit ihm und seiner Familie ein Komplott, um Damisch, der sich in Schofels Nichte Rosaura verliebt hat, von dieser unerwiderten Leidenschaft zu heilen und zur Rückkehr nach Hause zu bewegen. – Lied Conrad II, 17 (R: „Da kann man sich denck’n was die Lehrbub’n [variiert] erst sag’n.“). – Frau Maxner und ihre Töchter laden Damisch zu einem vermeintlichen Rendezvous mit Rosaura ein; Conrad verkleidet sich als Rosaura und soll ihn, ihm den gemeinsamen Liebestod anbietend, abschrecken. Zugleich bietet Inslbull, ein englischer Rentier und Verehrer der echten Rosaura, der falschen eine Shakespeare-Rolle an, was wiederum die echte, ehrgeizig und egoistisch, hinzutretend annimmt, während die falsche sich unerkannt zurückziehen kann. Damisch ist – scheinbar – so bestürzt, daß er dem ihm ins Gewissen redenden Conrad nachgibt und vorgibt, zu Braut und Vormund zurückzukehren. Theaterdirektor Schofel bietet sich, um von seinerTruppe nicht finanziell belangt werden zu können, als Narr dem Irrenhaus an. Dorthin wird kurze Zeit später Damisch eingeliefert, weil er wie wahnsinnig die abtrünnige Rosaura bis in ihr neues Theater verfolgte. – Quodlibet II, 22. – Maxner, Lisi und Mali sowie der Vormund und Conrad bitten um seine Freilassung, Damisch selber aber beschließt, Rosaura zu heiraten, um an sein väterliches Vermögen zu kommen, das ihm bei der Eheschließung zufallen soll. Schofel sieht sich als Rosauras Onkel nun wieder in Geldbesitz und geistig normal. Gleichzeitig macht aber Maxner seine Geldaußenstände für Kost und Logis Damischs geltend. Stössl schiebt entsetzt die Schuld an dieser Wendung seinem Sohn Conrad zu, der aber einen listigen Ausweg zu finden verspricht. Die Schauspieler erwarten ihre Gage von Maxner und bieten ihm dafür die Direktion an. Schofel hofft im letzten Augenblick, alle für sich zu gewinnen. Rosaura, von ihrem Gönner, aber auch ironischen Betrachter Inslbull enttäuscht, stimmt der Geldheirat mit Damisch zu, entlarvt aber ihren Onkel Schofel als nur vorgegeben, so daß er keine Aussicht auf das Vermögen hat. Da Damisch sich dem Zureden seines Vormunds verschließt, löst Conrad sein Versprechen ein. Er geht zu Rosaura, die vor der Ankunft Stössls geflohen ist. Auf ihren Entsetzensschrei glauben alle, Conrad habe die unangenehme Nebenbuhlerin seiner Schwester ermordet. Zur Überraschung gibt er sich als ihr Gatte zu erkennen, der sie verließ, um sich angeblich zu ertränken, als er ihre Gefühlskälte erkannte. Rosaura entzieht sich der für sie unangenehmen Situation und hofft – ebenso wie Conrad – auf gänzliche Scheidung. Der über den Gegenstand seiner Leidenschaft aufgeklärte Damisch ist von dieser wie von seiner Theaterleidenschaft geheilt und drängt darauf, die vernachlässigte Philippine zu heiraten: „Jetzt aber nur g’schwind, mein halbes Vermögen für einen Separat-Train in die Arme meiner Braut!“

Aus dem „Nestroy-Schauspielführer“ von Jürgen Hein und Claudia Meyer, Verlag Lehner

Original-Stückfassung | Historisch-kritische Ausgabe (HKA 33 Jürgen Hein)

41. Internationale Nestroy-Gespräche 2015 
Patriotismus, Politik und Parodie „Die edelste Nation unter allen Nationen is die Resignation“
(„Das Mädl aus der Vorstadt“ I,12)
 

Dienstag, 7. Juli 2015 
Anreise nach A 2320 Schwechat, Justiz-Bildungszentrum (Schloss Altkettenhof), Schloßstraße 7 (Tagungsbüro im Gästehaus, 14:30 bis 18:30 Uhr geöffnet)
18:30 Begrüßung
20:30 Schwechat, Schloss Rothmühle, Rothmühlstraße 5, Aufführung, 43. Nestroy-Spiele: Theaterg’schichten (Regie: Peter Gruber)

Mittwoch, 8. Juli 2015
9:00 Begrüßung und Einführung – Gedenken an Jürgen Hein
9:30 Johann Sonnleitner (Wien, A): Der Staatsbankrott 1811 und seine Effekte auf das Wiener Vorstadttheater
Pause
10:40 Matthias Mansky (Wien, A): Österreichische Finanzkatastrophen und Unterhaltungsdramatik im 19. Jahrhundert
11:20 Theaterg’schichten – Diskussionsrunde über Stück und Aufführung. Moderation: Johann Hüttner (Wien, A)
Mittagspause
15:00 Clara Gallistl (Wien, A): Schulden und Währung. Theatertexte Adolf Bäuerles im Spiegel der Finanzpolitik unter Franz II./I.
15:40 Franz Leander Fillafer (San Domenico di Fiesole, I): Der ‚innere‘ Feind. Zur Sozial- und Metapherngeschichte der Restauration
Pause
16:40 Lukas Bieniasz (Wroclaw, PL): „… nichts in politischer und staatskluger Hinsicht (man ist hiernoch verdammt vorsichtig)“ – Louis Angely im Briefwechsel mit den Theatermenschen Wiens
17:20 Cornelius Mitterer (Wien, A): Lustiges Elend und affirmative Rebellion. Der Theatermacher Emanuel Schikaneder und seine (a)politischen Komödien
19:00 Buchpräsentation: Johann Nestroy. O, ich Quintessenz! Ausgewählte Stücke und Briefe, herausgegeben und mit einem Nachwort von Antonio Fian. Salzburg: Jung & Jung 2015 (= Österreichs Eigensinn) Einführung und Moderation: Ulrike Tanzer (Innsbruck, A) Lesung: Antonio Fian

Donnerstag, 9. Juli 2015
9:00 Diskussionsrunde: Volkstheater: Pathos in der Politik – Politik in der Posse Statement und Moderation: Walter Pape (Köln, D) und Antje Arnold (Köln, D)
Pause
10:40 Caroline Herfert (Wien, A): Die Okkupation Bosniens (1878) – ‚Dramatisierte Zeitungsberichte‘ im Spannungsfeld zwischen Patriotismus und Parodie
Mittagspause
15:00 Besuch der Ausstellung „Idee Europa – 200 Jahre Wiener Kongress“ im BKA Begrüßung und Eröffnung der Führung für die Nestroy-GesprächsteilnehmerInnen durch Sektionschef Dr. Manfred Matzka Treffpunkt: 15:00: Ballhausplatz 1, 1010 Wien (Dauer der Führung: ca. 1,5 Stunden)

Freitag, 10. Juli 2015
9:00 Diskussionsrunde: Gespräch mit Peter Gruber, Julia Danielczyk (Wien, A) und W. Edgar Yates (Exeter, GB)
Pause
10:40 Alice Le Trionnaire-Bolterauer (Graz, A): Freiheit ist nicht oder Krähwinkel und Derrida
11:20 Federica Rocchi (Perugia, I): Die Theatralisierung des politischen Verhaltens. Zwei Politiker ‚von Beruf‘ im Vergleich: Hyginus Heugeign und Eberhard Ultra
Mittagspause
15:00 Oliver Pfau (St. Petersburg, RUS): Nestroys Nur Ruhe und seine russische Adaption
15:40 Artur Robert Bialachowski (Wroclaw, PL): Aktuelle Gesellschaftskritik in modernen Aufführungen der szenischen Werke Johann Nestroys
Pause
16:40 Henk J. Koning (Putten, NL): Das Alte hat abgetan, eine neue Zeit der Realistik auf der Bühne ist angebrochen. Einige zerstreute Bemer-kungen zu Nestroys Parodien Holtei’scher Stücke
17:20 Helmut Herles (Königswinter, D): Sprachsignale und Inszenierungen. Was Journalisten und Politiker von Nestroy lernen könnten. Anmerkungen eines politischen Publizisten und Buchautors
Gemeinsames Abendessen 

Samstag, 11. Juli 2015
Abreise 

Konzeption: Walter Pape, Johann Sonnleitner, Ulrike Tanzer
Organisation: Christine Bauer, Susanne Lindlar

Chansons, Couplets und Lieder und ein Frühstücksbuffet im Garten von Schloss Rothmühle

Mit: Theresa Groß, Julia Kampichler, Eric Lingens, Anna Mitterberger, Yasmin Öztürk, Teresa Renner, Patrick Sieber, Sandro Swoboda
Musikalische Leitung Reinhard Steiner

Sonntag, 5., 12., 19., 26. Juli 2015, jeweils 10:30 Uhr Schlosshof Rothmühle
Einlass und Frühstück ab 9 Uhr

Es war einer der schönsten und erfolgreichsten Sommer in der Geschichte der Nestroy-Spiele: traumhaftes Wetter, eine tolle Athmosphäre, ein hochmotiviertes, homogenes Ensemble in einer von Publikum und Presse bejubelten Produktion. Besser konnte es nicht laufen.
Und dann mittendrin ein Schock: einer von uns war plötzlich nicht mehr dabei! Harald Schuh, seit über 15 Jahren bewährtes, markantes und wohlvertrautes Mitglied unserer bunt gemischten Truppe, hatte die heißeste Nacht dieses Juli nicht überlebt. Er war wenige Stunden nach der Vorstellung zu Hause im Alter von 60 Jahren an einem Herzinfarkt gestorben. 

Bescheiden, hilfsbereit und immens verlässlich war er, unser „Harry“: hochintelligent, manchmal ein wenig kompliziert, scheinbar immer auf Distanz, in Wahrheit aber ehrlich, geradeheraus und kommunikativ. Als Schauspieler uneitel, diszipliniert, stets Stück und Inszenierung verpflichtet. Ein unverwechselbarer Typus, wie man ihn nur selten findet; ein ernsthafter Komiker, der in seiner schrägen, eigentümlichen Spielweise mitunter an den großen Ulrich Wildgruber erinnerte. Unvergessen sein Herr von Brauchengeld in „Die beiden Nachtwandler“, sein Comifo in „Der confuse Zauberer“ und sein dekadenter Marquese Vincelli in „Liebesg’schichten und Heiratssachen“. 

Nach einer schweren Operation, die ihn 2011 dazu gezwungen hatte zu pausieren, trieb es ihn im Jahr darauf schon wieder auf die Bühne. Auch heuer war er mit dabei, vorsichtshalber nur in einer kleineren Rolle, aber wie immer mit Leib und Seele. 

Als während der Serie ein Kollege krankheitsbedingt ausfiel, sprang er ohne zu zögern für ihn ein. Als dieser wieder einsatzfähig war, trat er ebenso selbstverständlich wieder zurück und konzentrierte sich in der ihm eigenen Bescheidenheit auf jenen großartigen Moment im Narrenhaus-Quodlibet, wo er auf die Frage, wie denn der Mensch sei, bei der rasanten Aufzählung menschlicher psychischer Verbiegungen mit dem (an sich unpassenden, aber letztlich sehr wahren) Ausruf „zirkulär-quadratisch!“ einen absurden Höhepunkt setzte.

Dieses einsame „zirkulär-quadratisch“ war das letzte Wort, das er auf der Bühne von sich gab. Es wird uns allen, glaube ich, immer in Erinnerung bleiben, denn irgendwie beschreibt es Haralds Leben und vor allem ihn selbst stimmiger als jeder noch so detaillierte Nachruf.

Harald, du warst einfach liebenswert „zirkulär-quadratisch“! Wir werden Dich vermissen.

APA, 28. Juni 2015: Heller Wahnsinn: Nestroys „Theaterg’schichten“ in Schwechat

Der helle Wahnsinn ist in Schwechat ausgebrochen: Bei den 43. Nestroy-Spielen auf Schloss Rothmühle in Rannersdorf hat sich Langzeitintendant Peter Gruber mit den „Theaterg’schichten“ selbst übertroffen. Der Premierenbeifall am Samstagabend war auch durch einen Platzregen kaum zu bremsen.

Dem „Begeisterungstempel“ Theater ist dieses selten gespielte Stück gewidmet, und Gruber ergreift die Gelegenheit, seine jahrzehntelange Erfahrung als Bühnenmensch kritisch zu reflektieren, wie es eben auch Nestroy selbst getan hat. Sarkastische Seitenhiebe auf den eitlen Kulturbetrieb und die schikanösen Behörden können da nicht ausbleiben. Schließlich landet das turbulente Geschehen in der Psychiatrie, und Gruber selbst mimt exzellent den Primar der Irrenanstalt. Wie schade, dass er sich sonst so rar auf den Bühnen macht.

Alles beginnt sehr gutbürgerlich in der Apotheke zum Hl. Nepomuk, wo es sogar einen Granderwasser-Spender gibt. Der selbstgefällige Apotheker Stössl (Franz Steiner) ist zugleich Kulturstadtrat und verteilt Wahlzettel mit dem Slogan „Für uns. Der einzig Richtige“. Sein exaltiertes Mündel Matthias Damisch drängt zum Theater (ganz ausgezeichnet Valentin Frantsits) und vernachlässigt Stössls Tochter (tapfer die kniemäßig lädierte Carina Thesak) zugunsten der kapriziösen Schauspielerin Rosaura (Anna Mitterberger). Aus der wunderbaren Schwechater Darstellerriege ragen noch Bruno Reichert als bedrängter Theaterdirektor Schofel, Maximilian Gruber-Fischnaller als englischer Lord und Eric Lingens als wackerer Stössl-Sohn Konrad hervor.

Der sich steigernde Wahnwitz äußert sich auch musikalisch in einem ebenso grandiosen wie aberwitzigen Quodlibetfinale zwischen Phantom der Oper, Offenbach-Cancan, Pink Panther und Rocky Horror Picture Show. „Uns ist nicht z’helfen, wir sind unheilbar. Wir sehen uns wieder nächstes Jahr“. Darauf darf man sich schon jetzt freuen – und hoffen, dass die finanzielle Unterstützung in ausreichendem Maß gewährleistet ist.

Kurier, 30. Juni 2015: Purer Backstage-Wahnsinn in Schwechat

Mitreißend. Die Vorstellung fällt buchstäblich ins Wasser. Nein, nicht die „Theaterg’schichten“ bei den Nestroy-Spielen Schwechat, sondern das Theater auf dem Theater, eine Freiluftaufführung von Grillparzers „Sappho“, bei der der theaterbegeisterte Wirrkopf Damisch – eine Studie des dilettantischen Zwänglers liefert Valentin Frantsits – sein Debüt gibt.

Intendant Peter Gruber lässt uns Backstage-Wahnsinn pur miterleben: die schikanöse Bühnenabnahme durch einen bornierten Behördenvertreter (Karl Schleinzer), die intriganten Tratschereien des ambitionierten Nachwuchses, den Despotismus des Direktors Schofel CBruno Reichert hektikelt brillant durch das Chaos), die Allüren seiner Diva Rosaura CAnna Mitterberger), deren skrupellose Ego-Strategie sie noch ans Burgtheater führen wird. Da entfacht Gruber einen Platzregen über der Bühne, dessen Folgen Schofel in den Ruin treiben – übermütiges Kokettieren mit den Fährnissen des Sommertheaters.

An der Rückführung Damischs ins Bürgerliche arbeitet sein Vormund Stössl (Franz Steiner als konservativer Kleinstadt-Kulturpolitiker, der Kultur eigentlich verabscheut). Als Schofel und Damisch im Irrenhaus landen, zeigt sich, wo der wahre Wahnsinn sitzt: Den Primar Dr. Ringerl, einen ausgebrannten Alt-Hippie mit ausgeprägten Ticks, hat sich Gruber selbst maßgeschneidert. Die Szene gipfelt in einem entfesselten Quodlibet, die dramaturgischen Schwächen des Stücks werden mit Elan niedergespielt.

Zur mitreißenden Musik von Reinhard Steiner steigert sich das Riesenensemble in wahren Enthusiasmus. Ein Juwel: Ottwald John in seinen Siebzigern als Schauspieler, der noch immer den jugendlichen Liebhaber spielen muss. Theater, oh Theater …! (Barbara Pálffy)

Der neue Merker, 28. Juni 2015: Theaterg’schichten

Fulminant war’s, eine Riesenhetz war’s, und Wetterglück gab es auch noch: Obwohl es auf der Bühne (wie es vorgesehen ist) das Stück auch einmal verregnete – im wahren Leben hatten die 43. Nestroy-Spiele in Schwechat heuer an einem „unsicher“ aussehenden Abend Wetterglück: Gerade fünf Minuten vor Schluß begann es zu regnen, und da ließ sich niemand abhalten, noch bis zum guten Ende dabei zu bleiben und den verdienten reichen Beifall zu spenden.

Nestroys „Theaterg’schichten“, wie sie hier in verkürzter Form heißen (die Langfassung wäre: „Theaterg’schichten durch Liebe, Intrige, Geld und Dummheit“, womit zentrale Nestroy-Themen zusammen gefasst sind), zählen heute nicht zu denn erfolgreichsten Werken des Autors. Schade eigentlich, denn die Selbstbespiegelung des Theaters ist bei aller schwankhafter Wirkung – dem berühmten „Raub der Sabinerinnen“ kaum nachstehend – doch mit einiger Genauigkeit ambivalent ausgeleuchtet.

Bei aller satirischen Überzeichnung haben die Charaktere absolut ihren harten realen Kern – der Theaterdirektor, der nicht zu Unrecht „Schofel“ heißt (Nestroy erlebte in Karl Carl einen solchen Typ am eigenen Leib), die Diva, die zwischen Rollen und Verehrern (beide gleich wichtig für ihre Existenz) schwankt und jene Exzentrik bietet, die zu ihrem „Rollenprofil“ gehört, der ehrgeizige Bühnenmeister, der alles besser zu machen glaubt, die Nebenrollendarstellerinnen, die neidvoll in ihrer eigenen Galle köcheln, der männliche „Star“, dem kein Trick zu mies ist, um aus einem Engagement auszusteigen zu können, um ein lukrativeres anzunehmen, die Souffleuse, die dem jeweils gerade Mächtigen so schamlos in den Allerwertesten kriecht… Theaterleute werden da die besten, kenntnisreichsten Zuseher sein, und den Rest des Publikums „unterhalt’s“.

Zentrales Anliegen dieses Stücks, das Nestroy dramaturgisch wacklig nach einer Vorlage von Dumas dem Älteren zusammen geschustert hat, ist die „Theaterverrücktheit“ junger Leute, die es ja gleichfalls heute noch geben soll, wenn man auch nicht mehr mit voller Brust und Pathos die hehren Klassiker deklamieren kann, was einst das Ziel der Wünsche war. Nestroy stellt da zwei junge Männer gegen einander – Konrad ist, zutiefst enttäuscht von der Hohlheit der Theaterwelt, wieder mehr oder minder in die Bürgerlichkeit der väterlichen Welt heimgekehrt, während Damisch, der Bräutigam seiner Schwester, sich nichts Herrlicheres vorstellen kann, als in eben diese Theaterwelt zu echappieren – zumal, wenn man sich gleich in die Diva verliebt und durch die glücklichen Umstände eines abgereisten Stars selbst auf die Bühne gestoßen wird… die klassischen Werke hat Damisch natürlich „drauf“!

Eine Freilichtaufführung von Grillparzers „Sappho“, die über kurz oder lang im Regen ertrinkt, ist ein komischer Höhepunkt des Stücks, das dann nach kurzem Umweg im Irrenhaus landet – nicht ganz logisch, aber mit doch sehr brillanten Möglichkeiten.

War die Inszenierung von Peter Gruber schon bis dahin eine Komödie, bei der auch die schwankhaften Elemente immer noch fest im Griff gehalten wurden, machte er dann das Irrenhaus (Theater als Irrenhaus – welch stimmiges Gleichnis) wahrlich zu seinem solchen: Was hier zu einem Monster-Quodlibet von Gruber gedichtet und von Herbert Ortmayr vor allem zu Bernstein (Westside-Story) und Co. in Musik gesetzt wurde, ist ein selten erreichter Höhepunkt an Brillanz und adäquater Umsetzung. Freilich sind die „Schwechater“, die hier seit Jahr und Tag unter Grubers Peitsche sommerlich Theater spielen, keine „Laien“ mehr – aber hier so exakt professionell agieren, dass sie sich vor keinen Musical-Profis verstecken müssten, das überrascht doch und kann nicht genug bewundert und akklamiert werden.

Dass Peter Gruber als Irrenarzt „Prof. Ringerl“ selbst auf die Bühne geht und inmitten seiner entfesselten Schar ausflippt (am Ende sogar in erotischem schwarzem Leder-Outfit unter dem Ärztemantel) – das krönt einen Abend, der wieder einmal besonders gut besetzt ist und besonders scharf und klar gespielt wird. An der Spitze erneut von Valentin Frantsits, der nun schon das dritte Jahr die jugendlichen Nestroy-Rollen spielt und an Sprachbeherrschung, Körpersprache und punktgenauer Pointierung besser nicht sein könnte, ein Wirbelwind, dem Dummheit und Naivität nur so aus den Augen blitzen. Neben seinem theaterwütenden Damisch gibt Eric Lingens als der lebenserfahrene, aber gleicherweise temperamentvolle Konrad dem zweiten jungen Mann Gewicht – wenn er sich in Damians Angebetete verwandelt, könnte er jeder Drag-Queen Paroli bieten.

Bruno Reichert ist der schofle Schofel, der niemandem etwas vormachen kann, so gern er es möchte. Auf der bürgerlichen Seite ist Franz Steiner als der solide Onkel Apotheker das durchaus nicht leichte Gegengewicht.

In der Theaterwelt gibt Anna Mitterberger der Diva Rosaura mit ungarischem Akzent das Flair der eingebildeten Diva, die in Maximilian Gruber-Fischnaller einen Lord mit englischem Zungenschlag und dem schönen Namen „Inslbull“ zum Verehrer hat (und dass er „ihr Tampon“ sein will, ist nur eine der zahllosen aktuellen Anspielungen, die Peter Gruber hemmungslos und Nestroy-gerecht ins Geschehen einfließen lässt). Der Schauspieler Spronhofer, der hier nicht umsonst die Vornamen „Klaus Maria“ erhalten hat, spielt Ottwald John: Die köstliche Parodie eines „Piefke“ im schönen Österreich, der dennoch zu den Fleischtöpfen Berlins zurück will…

Wild geht es zu in der Familie des Bühnenmeisters Maxner (Andreas Herbsthofer-Grecht), den seine Maxn, sprich, das Geld, später zum Direktor machen – und Gattin (Bella Rössler) und die schrillen Töchterchen (Teresa Renner und Julia Kampichler) tragen entschieden zum weiblichen Aufputz des Abends bei. Da hat es die „brave“ Verlobte von Damisch, die nur warten kann, dass er zurück kommt, weniger gut – diese Philippine (Carina Thesak) muss meist nur weinen. Nicht zu vergessen in der Damenwelt: die Ärztin im Irrenhaus, von Gruber frei schwadronierend Dr. Dr. Zahnd genannt (Dürrenmatt wird’s verzeihen): Da darf Maria Sedlaczek loslegen.

Fulminant war’s, eine Riesenhetz war’s, und möge das Wetterglück dem Unternehmen treu bleiben und sich viel Publikum zu diesem ebenso komischen wie brillanten Nestroy einfinden. (Renate Wagner)

NÖN, 29. Juni 2015: Theaterg’schichten

Das Leben ist ein weites Land, mit Wahnsinn gefüllt bis an den Rand! Regisseur Peter Gruber paraphrasiert seinen Nestroy auch auf Arthur Schnitzlers Kosten.

Und zeigt – besonders im mitreißenden Quodlibet –, dass die Welt mindestens so geisteskrank ist, wie es die Irren auf der Baumgartner Höhe sind.

Eigentlich handelt diese Posse vom Widerspruch zwischen Theaterwelt und bürgerlichem Leben. Aber Peter Gruber weiß, dass sich bei Nestroy hinter allen vordergründigen Intrigen, Romanzen und Irrsinnigkeiten eine ganze Welt verbirgt, mit all den Gegensätzen, die sie am Laufen halten.

Das zeigt und sagt er deutlich. Mit dem wunderbaren Ensemble hat er beeindruckend gearbeitet und spielt selbst einen Irrenarzt im Dominakostüm.

Fazit: Großartig: Immer wieder einer der besten Nestroys, die man um Geld kaufen kann.

„Die Welt ist ein Irrenhaus“ (Interview)

Am Samstag fand im Schloss Rothmühle die umjubelte Premiere von Johann Nepomuk Nestroys „Theaterg’schichten“ statt. Das 1854 im Carl-Theater uraufgeführte Stück überzeugte Premierengäste und Kritiker. Die NÖN sprach mit Christine Bauer, dem Herzstück der Nestroyspiele, über die Entwicklung der nun schon 43. Produktion und mit Regisseur Peter Gruber über Hintergründe und Philosophie des Stücks.

NÖN: Wie hat sich das Stück während der Probenarbeit aus Ihrer Sicht entwickelt?

Christine Bauer: Es war ein bisschen schwierig, nach dem letzten Jahr ein Stück zu wählen. Nach Krähwinkel, einem politischen Stück, war es notwendig, wieder zum Theater zurückzufinden. Da hat sich dann „Theaterg’schichten“ angeboten.

Also zurück auf die Bühne?

Bauer: Wir haben heuer eine ganz neue Bühnenform gewählt. So haben wir den Hof noch nie bespielt. Perspektivisch einmal ganz anders. Und es gibt Möglichkeit mit großem Ensemble, wir haben heuer 32 Leute auf der Bühne, zu arbeiten. Dazu sei gesagt, dass wir auch einige Neuzugänge haben. Es vermischt sich aber gut. Neben der Regiearbeit spielt Peter Gruber auch wieder mit. Er spielt den Irrenhausprimar, zu dem sich der Theaterdirektor wegen finanzieller Schwierigkeiten hinflüchtet. Ein sehr verständliches Problem für Theaterdirektoren. Für mich war es eine angenehme Arbeit. Nicht zuletzt auch wegen der Chemie untereinander, die absolut gepasst hat.

Warum ist dieses Stück so in Vergessenheit geraten?

Peter Gruber: In der ersten Zeit waren die „Theaterg’schichten“ sehr erfolgreich. Warum das Stück dann nicht mehr auf den Spielplan kam, hat wahrscheinlich ganz banale Gründe. Es ist ein sehr personenreiches Stück, das mit der Zeit aus ökonomischen Gründen nicht mehr auf den Spielplan gesetzt wurde. Es wirkt nur, wenn viele Leute mitspielen.

Was hat Sie bewogen, dieses Stück, das schon 1994 hier auf dem Spielplan stand, nochmals aufzugreifen?

Gruber: Durch diesen wunderschönen Nestroy-Preis (der spielt übrigens auch mit), den ich bekommen habe für die vielen Jahre Arbeit, habe ich mich gefragt: was spiele ich denn jetzt? Da habe ich mir gedacht, dass es Zeit wird, sich mit dem Theater selbst, mit der Situation der Schauspieler und natürlich mit Ehrungen für Theater, die kein Geld haben.

Gibt es bei dieser Produktion einen Unterschied zu 1994?

Gruber: Es ist schon bisschen anders. Aber ich habe sehr viel davon verwenden können. Weil sich schon 1994 abgezeichnet hat, dass diese Zeit, in der Schauspieler nicht außerhalb der Gesellschaft stehen sollen, sondern in die Gesellschaft eingegliedert werden, und auch von dem leben können, was sie am Theater verdienen, sowie die Verbürgerlichung des Berufes in den 90er Jahren begonnen hat, wieder abzubeuteln. Wir befinden uns heute in der Situation, wo Schauspieler leben wie im Biedermeier. Und das macht das Stück total aktuell.

Der Schwerpunkt liegt also auf der Situation der Schauspieler und Theater?

Gruber: Ja. Es geht im Stück um eine Sommerbühne, die in einen kleinen Ort hineinkommt, um hier Theater zu spielen. Und ein Amateur, der noch nie beim Theater war, ist so theaterbegeistert, dass er von der Seite zuschauen möchte . Ein Schauspieler fällt aus und er springt ein. Ab diesem Moment glaubt er, er wird nun ein großer Star. Sein Cousin kommt eben vom Theater zurück, gibt Theater auf, wo er drei Jahre war, und die Nase voll hat von dem, was er dort erlebt hat. Aus diesen gegensätzlichen Positionen ergibt sich ein Spannungsfeld im Stück. Das Ganze endet quasi im Irrenhaus. Schließlich sammeln sich dort die ganze bürgerliche Welt, die Theaterwelt und die „normale“ Welt, und lassen sich kaum mehr voneinander unterscheiden. Die ganze Welt ist ein Irrenhaus! Das ist die Hauptaussage.

Wiener Zeitung, 29. Juni 2015: Die Welt von heute ist im Grunde ein Irrenhaus

Wo Johann Nestroy draufsteht, ist viel Scherz, Satire, Ironie und tiefere Bedeutung drinnen, auch in seinen weniger bekannten Werken. Auch aus einem solchen, den „Theaterg’schichten“ (Original: Theaterg’schichten durch Liebe, Intrige, Geld und Dummheit), lassen sich publikumswirksam Funken schlagen. Das beweisen einmal mehr die Nestroy-Spiele im Schwechater Schloss Rothmühle.

Die Posse von 1854 ist eine Persiflage auf die Sommertheater jener Zeit – daher kommt die Selbstironie nicht zu kurz. In der Nestroy-Rolle des Matthias Damisch, der aus Theaterbesessenheit – gegen den Willen seines Vormunds – in der „Sappho“-Aufführung einer Sommerbühne einspringt, brilliert Valentin Frantsits. Quirlig und temperamentvoll, nicht nur beim Couplet gekonnt die Pointen setzend, liefert er auch eine grandiose Tanzeinlage.

Theaterleute und -kritiker, Kulturpolitiker und Behördenvertreter werden schonungslos durch den Kakao gezogen. Die hemmungslose Theaterfreude und die Musical-Qualitäten des ganzen Ensembles offenbart das aktualisierte Quodlibet aus „West Side Story“, „Mary Poppins“, „Phantom der Oper“ et cetera.

Die Welt ist im Grunde ein Irrenhaus, sagt diese Inszenierung von Peter Gruber, der passenderweise als „seit vierzig Jahren“ amtierender Chef einer Irrenanstalt auftritt (seit 1973 leitet er die Schwechater Nestroy-Spiele).

Als längst kein Auge mehr trocken war, setzte bei der Premiere – knapp vor dem Ende – der Regen ein. Das Publikum ließ sich aber dadurch weder vertreiben noch an einem ausgedehnten Schlussapplaus hindern. (Heiner Boberski)

Kronenzeitung, 29. Juni 2015: Liebe, Intrige und viel Klamauk

In Schwechat nehmen es in diesem Sommer die Nestroy Spiele von der leichten, sehr spaßigen Seite. Mit den „Theaterg’schichten“ lässt man es im Schloss Rothmühle ordentlich und leider auch ordentlich flach und deftig-krachen – bis der Arzt kpmmt. Aber: Einen „Nestroy“ (den Theaterpreis) wird Prinzipal Peter Gruber für diese „Theaterg’schichten“ wohl nicht einheimsen …

Aber jener metallene „Nestroy“, den Gruber 2014 für seine Nestroy-Inszenierungen erhalten hat, darf hier zumindest mitspielen. Stolz schleppt ihn die mit ungarischem Akzent daklamierende, frischgebackene Burgschauspielerin Rosaura – hübsch drall: Ensemblemitglied Anna Mitterberger – auf die Pawlatschen im Hof von Schloss Rothmühle: (Sommer-)Theater auf dem Theater ist bei Nestroys heiter-schräger Possen-Rarität „Theaterg’schichten durch Liebe, Intrigue, Geld und Dummheit“ angesagt.

Da hat sich Nestroy einiges von der Seele geschrieben und mit Spott übergossen: Aptheker-Mündel Matthias Damisch, den Valentin Frantsits als herrlichen Trottel anlegt, zieht es magisch zum Theater. Also springt er als Faun in einer „Sappho“-Aufführung ein. Der Rest: wilder Klamauk, Liebeswirren, ein Theaterbankrott und anderes, bis sich alles im Irrenhaus trifft

Regisseur Peter Gruber hat für sein vor Spiellust sprühendes Ensemble Nestroys Vorlage sommerleicht tiefer gelegt und bietet einen Freiluftjokus, der nichts auslässt, was sich für eine Pointe oder auch nur eine Anspielung anbietet: von der Kulturpolitik bis zum Traiskirchen-Problem, von der (Burg-)Korruption bis zur Bankenkrise … Selbst den allzu kinderfreundlichen Michael Jackson oder den „Tampon-Sager“ von Prinz Charles kramt man lustvoll hervor.

Natürlich betreibt man auch lustvolle Selbstbespiegelung. Das beschert dem Abend die hübscheste Idee: Die herzhaft geschmierte Freiluft-„Sappho“ geht in einem mächtigen Wolkenbruch unter.

Gruber drückt fest auf die Spaß-Tube, bis es mit ihm in einer überlangen Ensemble-Gesangsnummer in der Irrenanstalt durchgeht und er selbst als Anstaltsleiter zum hüpfenden Frank’n’Furter-Double mutiert.

Da können Bruno Reichert als Theaterdirektor, Eric Lingens als verlorener Künstlersohn, Franz Steiner als Apotheker und visionsloser Kulturstadtrat noch so überzeugend spielen.

Diesem Gruber-Nestroy hätten weniger irrlichternder Slapstick und mehr Geist gut getan. Unters Sommtheaterniveau muss Sommertheater halt nicht gehen. Sommer hin oder her. (Stefan Musil)

Der Standard, 17. Juli 2015: Nestroyspiele Schwechat: Alle wollen zum Theater

In der Backstage-Posse „Theaterg’schichten“ treibt Regisseur Peter Gruber die Selbstironie der Theaterzunft bis zum Exzess.

In der Apotheke zum Heiligen Nepomuk hängt der Haussegen schief, weil der Schwiegersohn in spe weniger der Pharmazie als der Muse der Thalia zugewandt ist. Er will Schauspieler werden – heute wie auch zu Nestroys Zeiten eine riskante Berufswahl.

In der Backstage-Posse Theaterg’schichten treibt Regisseur Peter Gruber die auf viel beklagenswerter Realität gründende Selbstironie der Theaterzunft bis zum Exzess: Kostümhorror (Wespenkleid), Amtsvorschriften (Belüftung, sogar Open Air), Starmimentum (Klaus Maria Spornhofer).

Im Vorjahr erhielt der Impresario der Nestroyspiele Schwechat für seine verdienstvolle Dramenpflege einen Nestroypreis, heuer hat sein mit Laien aufgemischtes Ensemble tief in die Klamottenkiste gegriffen und – vor allem im zweiten Teil – mehr auf ein närrisch-plattes Treiben hingearbeitet.

Die „Sappho“-Szene unter dem professionell verregneten Schnürboden möchte man aber nur ungern missen. (afze)