Der confuse Zauberer

„Seitdem ich Nestroy kenne, ist mir dieses Zauberstück als eines der in seiner Leichtigkeit und Luftigkeit gewichtigsten erschienen …“, schreibt Karl Kraus über dieses Frühwerk Nestroys, das auch zu den Lieblingsstücken Helmut Qualtingers zählte. Und Nestroypapst Franz Mautner bezeichnet es als „absurdestes Theater vor dem absurden Theater“.

Dennoch wurde das groteske Verwirrspiel um Treue und Flatterhaftigkeit, in dem Nestroy mit der ihm eigenen unverkennbaren genialen Handschrift noch einmal das biedermeierliche Zaubertheater mitsamt seinen allegorischen Figuren temperament- und lustvoll auf die Bühne brachte, in Österreich seit der Uraufführung nie mehr gezeigt.

Jetzt ist diese vergessenene Rarität als Wiederentdeckung bei den Nestroy-Spezialisten in Schwechat zu sehen.

33. NESTROY Spiele Schwechat
Der confuse Zauberer
29. Juni bis 30. Juli 2005

Regie und Bühne

Peter Gruber

Regiemitarbeit

Christine Bauer

Musik

Thomas Hojsa, Helmut Emersberger

Maske

Wiltrud Derschmidt

Bewegungscoach

Sigrid Reisenberger

Bühnenrealisation

Günter Lickel

Bühnenmalerei

Viktoria Riemer

Lichtdesign

Robby Vamos

Lichttechnik

Thomas Nichtenberger
SCHMAFU
Bruno Reichert
EIGENSINN
Franz Steiner
TREUE
Esther Potesil
FLATTERHAFTIGKEIT
Regine Rieger
MELANCHOLIE
Maria Sedlaczek
ARGWOHN
Willibald Mürwald
EIFERSUCHT
Sissy Stacher
AMOROSO
Harald Schuh
AMANDA
Sabine Stacher
PEPPI
Bella Rössler / Michaela Mock
GRUND
Peter Koliander
WACHEN
Horst Salzer, Peter Kuno Plöchl
CONFUSIUS STOCKFISCH
Christian Graf
SEERÄUBERHAUPTMANN
Willibald Mürwald
WÜNSCHELTRUD
Elisabeth Strache
FIAKER
Bella Rössler / Michaela Mock
LORD PUNSCHINGTON
Franz Steiner
MISS BETTY
Esther Potesil
BENOIT COMIFO
Harald Schuh
AMALIE COMIFO
Sabine Stacher
SEERÄUBER, DIENER, GEISTER, WCHEN, ARTISTEN
Peter Koliander, Alexander Lainer, Flo Lang, Lukas Pillwein, Peter Kuno Plöchl, Horst Salzer, Christoph Schmelzinger, Thomas Trabitsch, Andreas Tichy
MAGISCHE PALMEN, GENIEN, MÜTTER, KAPITALTÖCHTER, ZIRKUS-TÄNZERINNEN
Marie-Theres Bayr, Denise Braun, Rebecca Alice Döltl, Viktoria Fazekas, Magdalena Haschka, Martina Hinterleitner, Alena Koliander, Ricarda Leiner, Lea Molnar, Truc Pham, Rita Posch,...

1. Akt
Chor der dienstbaren Geister I, 1. – Die Treue, Amoroso und Amanda bitten den Zauberer Eigensinn um seine Hilfe, weil Schmafu seine Einwilligung zu einer Hochzeit von Amoroso und Amanda verweigert. Mittels eines Zauberrings war es der Treue vor 25 Jahren gelungen, Schmafu zu ihrem Verlobten zu machen. Doch dann verliebte er sich in die Flatterhaftigkeit. Mit Hilfe des Talismans bannte die Treue die Flatterhaftigkeit in einen Zauberschlaf und gab sie in Eigensinns Obhut. Aus Rache verweigert Schmafu jetzt sein Einverständnis zur Hochzeit. Amoroso bittet die Treue, Schmafu den Ring zu geben, damit er seine Geliebte wecken könne, doch diesen Vorschlag lehnt die Treue ebenso entschieden ab, wie Amoroso die Idee, eine andere Frau zu heiraten. Diese Dickköpfigkeit gefällt Eigensinn, weshalb er seinen Schutz verspricht. In diesem Moment erscheint Schmafu. Zu Eigensinns Freude kann auch er die Treue nicht umstimmen. Wie jeden Tag steigt Schmafu zu seiner Geliebten in eine unterirdische Grotte hinab. Trotz des Verbotes von Eigensinn ist er entschlossen, sie zu küssen. Er sorgt dafür, daß die Wachen verschwinden, und küßt die Schlafende. Von einem lauten Donner erschreckt, prallt Schmafu zurück. Im selben Augenblick schließt sich ein Eisengitter vor der Grotte. Eigensinn rügt Schmafu für das Überschreiten seines Verbotes. Zu dem einsamen Schmafu tritt die Melancholie und begleitet ihn mit einem melancholischen Fiaker nach Hause. – Chor der Seeräuber I, 11. – Confusius ist „teils aus unglücklicher Liebe, teils aus Kommodität“ einst zu den Seeräubern gekommen. Er ist allerdings ein äußerst schlechter Seeräuber, sowohl zu Wasser als auch zu Land, so daß der Anführer ihn an einen Baum binden läßt, damit man ihn findet und erhängt. Als erster kommt Eigensinn an den Baum. Gemäß seiner Natur weigert er sich, Confusius auf dessen Bitten hin zu befreien. Als sich der Räuber gleichgültig zeigt, ist er jedoch dazu bereit. Er beschließt, Confusius glücklich zu machen, und da dem Dummen das Glück bekanntlich im Schlaf kommt, soll Confusius sich zum Schlafen hinter eine Rasenbank legen. Der versteht zwar diese Anweisung nicht, tut aber, wie ihm geheißen. In der Nacht trifft sich die Treue mit der alten Hexe Wünscheltrud, die ihr für 50 Goldstücke klares Wasser als Liebestrank für Schmafu andreht. Auf dem Heimweg wird die Treue von den Seeräubern angegriffen. Sie schleudern die Fee zu Confusius auf den Boden, ergreifen aber die Flucht, als sie hören, wer sie ist. Bei dem Überfall hat die Treue ihren Talisman, den Zauberring, verloren, den Confusius findet und an sich nimmt. Wenig später trifft Confusius zufällig auf Amoroso, der ihn zum Schloß der Treue bringen will.

2. Akt
Allmählich versinkt Schmafu ganz und gar in seiner melancholischen Stimmung. Alles um ihn herum scheint ihn an seine geliebte Flatterhaftigkeit zu erinnern. Erst der Nymphe Peppi, die zuvor als Stubenmädchen bei der Fröhlichkeit angestellt war, gelingt es, Schmafu von der Melancholie zu befreien. – Lied Schmafu II, 3 („Die hat mich erheitert“). – Amoroso besucht mit Confusius seinen Onkel. Confusius, der glaubt, vor einem Räuberhauptmann in „seiner prächtigen Höhle“ zu stehen, ermahnt Schmafu, sich zu bessern und sein „schändliches Handwerk“ aufzugeben. Wütend weist Schmafu seinen Neffen für diesen Besuch aus dem Haus. Confusius eröffnet er, ein mächtiger Magier zu sein, der ihn vernichten könnte. Ängstlich fällt der Räuber auf die Knie. Dabei entdeckt Schmafu den Talisman an dessen Hand. Er verlangt die Aushändigung des Rings, doch Confusius will den Talisman nur dem „Talisweib“ zurückgeben. Mit Gewalt kann der Ring niemandem entrissen werden, und gegen Geld gibt Confusius ihn nicht her. So macht Schmafu dem Räuber einen Vorschlag: Confusius soll den Ring auf keinen Fall seiner vorherigen Besitzerin geben, sondern ganz nach Schmafus Willen gebrauchen. Im Gegenzug lehre Schmafu ihn, wie er sich mit Hilfe des Rings alle Wünsche erfüllen könne. Begeistert willigt Confusius ein. Als erstes soll die Flatterhaftigkeit erweckt und Schmafu in „den schönsten, liebenswürdigsten, pfiffigsten, jungen Menschen“ verwandelt werden. – Quodlibet-Duett Schmafu, Confusius II, 4.Chor der dienstbaren Geister des Eigensinns II, 5. – Durch eine falsche Handbewegung hat Confusius bei der Verzauberung von Schmafu einen Fehler gemacht und fürchtet nun, Schläge zu bekommen. Doch statt dessen ist Schmafu begeistert von seinemAussehen und schenkt Confusius 1.000 Dukaten. Nach Schmafus Anweisungen gelingt es Confusius, die Flatterhaftigkeit zu wecken, allerdings nicht, wie verlangt, auf Schmafus Schloß. – Lied der Flatterhaftigkeit II, 7 („Ha, wie durchglühet“). – Auch das Herbeizaubern der Treue bereitet Confusius Schwierigkeiten, weil er ein ums andere Mal eine falsche Handbewegung macht. Zum Ärger von Eigensinn schließt Schmafu seine Geliebte in die Arme. Für den prächtigen Palast, den Confusius herbeizaubert, läßt Eigensinn den Argwohn und die Eifersucht als Mitbewohner erscheinen. – Chor der Geister II, 7.

3. Akt
Nach seiner Hochzeit mit der Flatterhaftigkeit hat Schmafu sich sogleich in zahlreiche Liebesabenteuer gestürzt. Über einen Brief, in dem ihm Amalies Mutter ankündigt, Amalies Bruder wolle sich an ihm rächen, amüsiert er sich köstlich. Unter anderem hat er sich auch in Miß Betty verliebt, die gerade zusammen mit Lord Punschington zu Besuch ist. Die Miß reagiert sehr kühl auf seine Avancen und kündigt ihre Abreise nach Amerika an, worauf Schmafu sogleich seine Begleitung anbietet. Diese Idee scheint Miß Betty freundlicher zu stimmen, und sie bestellt Schmafu für neun Uhr in den Garten. Voller Begeisterung eröffnet Schmafu Confusius seine Reisepläne und bittet ihn mitzukommen, doch Confusius will sich nicht zu weit von seiner unglücklichen Liebe entfernen. Schmafu erinnert sich,amAbend unbedingtmitAmaliesprechen zumüssen.UmpeinlicheZusammentreffen zu vermeiden, bittet er Confusius, die Miß „drei Meilen nach links“ und seine Frau „drei Meilen nach rechts“ zu zaubern. Unerwartet erscheintComifo bei Schmafu und verlangt Geld. Die Ähnlichkeit mit Amalie bringt Schmafu auf die Idee, ihren Bruder vor sich zu haben. Einmal erkannt, beschließt Comifo, sich für die Behandlung seiner Schwester zu rächen. Kategorisch erklärt er: „Geld verachten wir, nur Kapitalien nehmen wir an“. Schmafu ruft nach Confusius, schleudert ihm Comifo in die Arme und verschwindet. Comifo bittet Confusius, die Flatterhaftigkeit an das abendliche Treffen zu erinnern. Da Comifo ihm beschrieben hat, in welchem Kostüm er auftrat, als die Flatterhaftigkeit sich in ihn verliebte, kommt Confusius auf die Idee, mit Hilfe seiner Zauberkräfte in diesem Aussehen am Abend bei der Flatterhaftigkeit zu erscheinen. Schmafu möchte zu Amalie gezaubert werden, doch durch einen Fehler von Confusius erscheint Amalie bei Schmafu. Sie ist sehr in Eile, weil sie in einer Viertelstunde auftreten muß. Sie verspricht Schmafu, im Zirkus einen Treffpunkt vorzuschlagen. Durch einen weiteren Fehler von Confusius erscheint auch Comifo. Es gelingt Schmafu, ihm zu erklären, daß eine unsichtbare Fee ihre Hände imSpiel hat. Obwohl er nur Comifo verschwinden lassen soll, zaubert Confusius auch Amalie wieder in den Zirkus. – Lied Confusius III, 12 („Ein schönerArtikel, dieTreu, das ist gwiß“). – Im Zirkus erhält Schmafu einen Zettel, in dem Amalie um ein Treffen um neun Uhr im Garten bittet. Auf dem Heimweg wird Schmafu vom Argwohn und der Eifersucht angesprochen. Der Argwohn bringt ihn auf die Idee, daß seine Frau ein Verhältnis mit Comifo haben könnte. Die Eifersucht rät, beide zu überraschen und zu ermorden. – Lied Flatterhaftigkeit III, 15 („Heute diesen,morgen den“). – Zum vereinbarten Zeitpunkt trifft der als englischer Reiter verkleidete Confusius die Flatterhaftigkeitund überschüttet sie mit Komplimenten. Da sie ihm sehr distanziert begegnet, erzählt Confusius ihr von der Untreue ihres Mannes und bittet sie, mit ihm zu fliehen. – Duett Flatterhaftigkeit, Confusius III, 17. – Plötzlich kommt Comifo herein. Verwundert sieht die Flatterhaftigkeit die beiden englischen Reiter vor sich. Zwar gesteht Confusius sofort, der Falsche zu sein, doch hört man bereits Schmafu nahen. Comifo ist entschlossen, ihn niederzuschlagen. Um ein Unglück zu verhindern, zaubert Confusius Comifo und die Flatterhaftigkeit fort. Durch den Argwohn angestachelt, wird Schmafu um so wütender, als er niemanden zu Hause antrifft. Doch als Confusius den Argwohn und die Eifersucht verschwinden läßt, erkennt Schmafu, daß er im Unrecht war. Auf der Stelle eilt er zu Amalie in den Garten. Durch einen Zauberfehler von Confusius erscheinen auch Betty und Comifo, der vor der Flatterhaftigkeit kniet, an diesem Ort. Vor Schreck ergreift Amalie die Flucht. Die Flatterhaftigkeit fällt in Ohnmacht, und Comifo eilt davon, umihr eine Erfrischung zu holen. Auch Confusius läuft, aus Angst vor Schlägen, davon. Die Miß überschüttet Schmafu, dieser wiederum die Flatterhaftigkeit mit Beschimpfungen. Dem zurückkehrenden Comifo gibt die Flatterhaftigkeit eine Ohrfeige, was ihn noch mehr für sie einnimmt. Wütend und verzweifelt überlegt Schmafu, was zu tun sei. Punschington rät ihm, sich zu erschießen. Als Schmafu ablehnt, gibt ihm der Engländer ein Fläschchen, das ihm „die rechte Richtung geben“ soll. Begeistert liest Schmafu die Aufschrift „Extractus spleniticus“, also „echt englischer Spleen“. Auf einen Zug trinkt er die Flasche leer, greift zur Pistole und schießt sich vor die Stirn. – Chor der Nymphen und Geister der Treue III, 24. – Die Treue hat ihre helle Freude an dem, was Confusius ihr berichtet. Schmafu habe sich die schönste Gestalt, die zu zaubern war, weggeschossen und erscheine nun als der alte Schmafu. Da die Flatterhaftigkeit verschwunden ist, fällt Schmafu der Treue tatsächlich zu Füßen und gibt Amoroso und Amanda die Einwilligung zur Hochzeit. Da Confusius bereit ist, den Talisman abzugeben, wird er von der Treue in den Tempel der Treue und des Glücks eingeführt. 

Aus dem „Nestroy-Schauspielführer“ von Jürgen Hein und Claudia Meyer, Verlag Lehner

Original-Stückfassung | Historisch-kritische Ausgabe (HKA 3 Sigurd Paul Scheichl)

31. Internationale Nestroy-Gespräche 2005 
„Mit Gwalt muß der Mensch Melancholisch da werdn“
Raimund und Nestroy im kulturellen Gedächtnis

Samstag, 2. Juli 2005
Anreise und Begrüßung
18.30 Schwechat, Justizschule, Schloßstraße (Tagungsbüro ab 14.30 Uhr geöffnet)
20.30 Schwechat, Schloss Rothmühle: Aufführung 33. Nestroy-Spiele: Der confuse Zauberer (Regie: Peter Gruber)

Sonntag, 3. Juli 2005
9.00 Martin Stern (Basel, CH): Die Raimund- und Nestroy-Rezeption Hofmannsthals, mit einem Seitenblick auf Josef Nadler, Heinz Kindermann und Herbert Cysarz
9.45 Urs Helmensdorfer (Zuoz, CH): Der „Ausüber“ als Schöpfer
Diskussion und Pause
11.15 W. Edgar Yates (Exeter, GB) : „… So arbeitete Carl!“ Nestroy im Jahr 1832
12.00 Sigurd Paul Scheichl (Innsbruck, A): Schmafu und Schmamock, Sprachkomik als Mittel der Figurendarstellung in Der confuse Zauberer
Mittagspause
14.30 Der confuse Zauberer: Diskussion über Stück und Aufführung; mit einem Beitrag von Fred Walla (Newcastle, AUS) zur Entstehung des Stücks
16.00 Podiumsdiskussion: Raimund und Nestroy im kulturellen Gedächtnis (Elisabeth Schabus-Kant, Daniela Strigl, Heiner Boberski, Peter Gruber, Hans Höller, Walter Obermaier)
20.00 Lesung: Alois Brandstetter Einführung: Ulrike Tanzer (Salzburg, A)

Montag, 4. Juli 2005
9.00 Johann Hüttner (Wien, A): Provinztheater der Habsburger Monarchie während der „Wanderjahre“ von Raimund und Nestroy
9.45 Horst Jarka (Missoula, USA): Raimund und Nestroy für Papier- und Puppentheater Diskussion und
Pause
10.45 Elke Brüns (Berlin, D): Die beiden Nachtwandler oder Das Notwendige und das Überflüssige: Libidoökonomie und Mangelwirtschaft des ökonomischen Menschen
Mittagspause
14.30 Walter Obermaier (Wien, A): „Grab ein appartes, ja nicht unter Creti und pleti in ein Dutzendgrab hinein“ – Ein literarischer Spaziergang auf dem Wiener Zentralfriedhof rund um Johann Nepomuk Nestroy

Dienstag, 5. Juli 2005
9.00 Marc Lacheny (Paris, F): Das „Dreigestirn” Grillparzer, Raimund, Nestroy im Urteil von Karl Kraus
9.45 Arnold Klaffenböck (Strobl, A): Ferdinand Raimund und das „Alt-Wiener-Antlitz“
Diskussion und Pause
10.45 Klaus Kastberger (Wien, A): 200 Jahre Bosheit: Nestroy und Horváth – Ein forcierter Vergleich
11.30 Johann Sonnleitner (Wien, A): Ferdinand Raimund und die österreichische Avantgarde
Mittagspause
14.30 Bernhard Doppler (Berlin u. Paderbon, D): Peter Handke als Rappelkopf. Zitate des Wiener Volkstheaters in den Dramen
15.15 Rudi Schweikert (Mannheim, D): Raimund und Nestroy bei Arno Schmidt
Diskussion und Pause
16.15 Franz Schüppen (Herne, D): Das kulturelle Gedächtnis der Germanistik: Friedrich Sengles Sicht auf Raimund und Nestroy
17.00 Ausklang

Mittwoch, 6. Juli 2005
Abreise

Der Standard, 12. Juli 2005: Emotionelle Wechselbäder bei Nestroy-Spielen Schwechat – „Der confuse Zauberer“ im Schlosshof Rothmühle

Karel Gotts „Babitschka“ musste genauso herhalten wie Rod Stewards „I am Sailing“ oder eben die Bänkelgesänge des guten alten Adolf Müller: Helmut Emersberger, Thomas Hojsa und Horst Mayr untermalten das Nestroy’sche „Original Zauberspiel“ Der confuse Zauberer zu jeder Szene mit der passenden Musik. Wichtig dabei war nur das gewisse Potenzial an Schunkeltauglichkeit.

Mit jenem Frühwerk um den Magier Schmafu (virtuos: Bruno Reichert) und den Zauberer Eigensinn (brillant: Franz Steiner), um die Feen Treue (Esther Potesil), Flatterhaftigkeit (Regine Rieger) und Melancholie (Maria Sedlaczek), welches mit einem fragmentarisch erhaltenen Vorläufer erweitert wurde, läutete Regisseur und Bühnenbildner Peter Gruber erfolgreich die 33. Nestroy-Spiele in der repräsentativen Rothmühle Schwechat ein.

Skurril, schrill und schräg plagt sich der glatzköpfige Protagonist Schmafu, und nicht nur er, mit seinen sexuellen Nöten und Verstrickungen. Konnte er doch in all seinen langen Lebensjahren nie seine Flatterhaftigkeit wirklich ausleben. Plötzlich – um den Preis enormer Konfusion – erhält er dazu Gelegenheit und stürzt sich in gefühlvolle Wechselbäder.

Nicht nur zu Zeiten Metternichs wollte über die Stränge geschlagen werden, auch heute hagelte es Extempores und Anspielungen auf politische Konfusionen. Schon deshalb einen Besuch wert. (henn)

Die Furche, 7. Juli 2005: Treue und Laster – Nestroy-Ausgrabung auf Schloss Rothmühle in Schwechat: „Der confuse Zauberer“

Peter Gruber hat es wieder einmal geschafft. Für die von ihm seit drei Jahrzehnten geleiteten Schwechater Nestroy-Spiele holte er diesmal ein seit der Erstinszenierung von 1832 nicht mehr professionell gespieltes Stück des „wienerischen Aristophanes“ auf die Freilichtbühne. „Der confuse Zauberer oder Treue und Flatterhaftigkeit“ geriet unter seiner Regie zu einem manchmal – auch weil einzelne Akteure zwei Rollen übernahmen – verwirrenden, aber alles in allem unterhaltsamen Abend. Für das ständige Nestroy-Repertoire dürfte diese tiefenpsychologisch interessante Rarität aber kaum zu gewinnen sein.

Allegorien wie Eigensinn (Franz Steiner), Treue (Esther Potesil), Flatterhaftigkeit (Regine Rieger), Melancholie (Maria Sedlaczek), Argwohn (Willi Mürwald), und Eifersucht (Sissy Stacher), aber auch realistische Figuren bestimmen die Handlung, die unverholen unterdrückte sexuelle Triebhaftigkeit zum Inhalt hat. Durch ins Pornografische gehende Aquarelle von Peter Fendi, aber auch aus Nestroys Biografie weiß man ja, dass das Biedermeier gar nicht so bieder war, wie die Bezeichnung dieser Epoche vermuten ließe.

Der Magier Schmafu (Bruno Reichert) sehnt sich nach einem freizügigen Leben, hat sich von der mit ihm verlobten Treue losgesagt und stellt – 25 Jahre lang vergeblich – der von ihrer Rivalin in Schlaf versetzten und von Geistern des Eigensinns in einem tiefen Kellergewölbe bewachten Flatterhaftigkeit nach. Als sich der Naivling Confusius Stockfisch (Christian Graf), dem ein Zauberring in die Hände gefallen ist, in Schmafus Dienste begibt – und dann im blauen Anzug einen mit H.C.St. bezeichneten Laptop bedient , bekommt Schmafu freie Bahn, um seine Gelüste auszuleben. Das Geschehen mündet in eine zügellose Spaßgesellschaft, die, aufgrund konfuser Zaubereien, aber auch dank des Auftretens von Argwohn und Eifersucht, letztlich nicht zu Schmafus Glück führt. Am Ende landet er doch wieder an der Seite der Treue, was, wie Gruber das Publikum deutlich erkennen lässt, kein „Happy End“ sondern eine sehr fade Zukunft bedeutet.

Das in Bruno Reichert, Christian Graf, Franz Steiner, Esther Potesil und Maria Sedlaczek seine stärksten Stützen besitzende Amateurensemble überzeugt durch ungeheure Spielfreude und den richtigen Nestroy-Ton, der auch in den Couplets mit einigen frechen Zusatzstrophen getroffen wird. Überraschend gut werden auch die bühnen- und zaubertechnischen Erfordernisse des Stückes bewältigt. Das Premierenpublikum dankte mit lange anhaltendem, herzlichen Applaus. (Heiner Boberski)

Niederösterreichische Nachrichten (NÖN), 30. Juni 2005: Nestroys „Der confuse Zauberer“ in Schwechat

Die Nestroy-Spiele auf Schloss Rothmühle in Rannersdorf bei Schwechat bieten mit „Der confuse Zauberer“ wieder einmal eine veritable Nestroy-Rarität.

Seit dem Uraufführungsjahr 1839 war das Stück nicht mehr auf der Bühne zu sehen gewesen. Kein Wunder also, wenn auch Altmeister wie Gerhard Bronner und Elfriede Ott am Mittwoch zur Premiere nach Schwechat pilgerten.

Schloss Rothmühle zählt wohl zu den im besten Sinne volkstümlichen Spielstätten des Theaterfests NÖ. Schon vor der Aufführung verwandelte sich der große Garten in einen rustikalen Heurigen, wo sich Jung und Alt am G’spritzten labten, ganz ohne Krawattenzwang und Schickeria-Getue. Keine Stätte der Selbstdarstellung für Promis, wohl aber seit Jahrzehnten ein Ort für Freunde hervorragenden Theaters.

Dem langjährigen Intendanten und Ideen sprühenden Regisseur Peter Gruber gelang es, das frühe Fundstück aus dem immerhin 166 Jahre währenden Dornröschenschlaf zu erwecken und mit neuem Leben zu füllen. Zumindest während der ersten Hälfte des Abends. Dann lässt langsam, doch leider spürbar, der anfängliche Hochdruck nach, und die Titel gebende Konfusion scheint tatsächlich überhand zu nehmen. Ob es an zu großzügiger Erweiterung durch Textstellen aus dem fragmentarisch erhaltenen Vorläufer „Treue und Flatterhaftgkeit“ liegt? Jedenfalls hätten ein paar energische Striche sicher nicht geschadet.

Wie eh und je beeindruckend ist die schauspielerische Qualität des vorwiegend aus Laien bestehenden Ensembles. Derart flottes, witziges und überzeugendes Spiel würde man mancher Profibühne wünschen. Grubers zahllose Anspielungen, unbekümmert kalauernde Gags und schräge Details tun ein Übriges, um kurzweilige Skurrilität und zusätzlich unterhaltsamen Gegenwartsbezug herzustellen.

Wenn zum Beispiel der Laptop des blau gewandeten Aufsteigers Confusius Stockfisch (Christian Graf) mit dem schillernden Schriftzug „H.C.St“ überzogen ist, muss kein Name mehr fallen, um politische Querverbindungen zu evozieren. Wenn in einem Couplet darauf hingewiesen wird, dass die Mischung von Blau und Orange die Farbe Braun ergibt, ist auch alles klar. Und die Allegorien, sonst eher mit Raimund als mit Nestroy verknüpft, treten nicht mit dem moralisierenden Zeigefinger auf, sondern outen sich als gesellschaftlich bedingte Parameter. Ja, in Schwechat ist Nestroy noch bissig, brisant und stets aktuell.

Ein portugiesischer Abend mit Sandra Pires, Filmtage und ein Sommernachtsfest ergänzen die Nestroy-Spiele bis in den August hinein. Und von 2. bis 5. Juli tagen – ausgerechnet im Schwechater Justiz-Bildungszentrum – internationale Literaturwissenschaftler zum Thema „Mit G’walt muss der Mensch / Melancholisch da werdn“.

Kronenzeitung, 1. Juli 2005: Confusius Stockfischs Theaterwerkel

Man muss den Nestroy-Spielen Schwechat selbst bei einem Misserfolg dankbar sein: Seit Jahrzehnten arbeitet sich Peter Gruber durch das Nestroy-Repertoire, bringt engagiertes Theater, und das auch mit wenig bekannten Werken. So heuer mit dem „Confusen Zauberer“!

Wenn die Gelsen bei der Premiere den Stechrüssel einziehen und seltsam wenig Aggressionspotential zeigen, neigt der gelernte Schwechat-Besucher zu Sorgen. Nestroy ohne Stiche(leien)? Kann’s das geben? Ja, es kann.

Diesmal nahm Gruber sich eines kraftlosen Werkes an, das sich im Humor schwachbrüstig und in der Handlung recht wirr gibt. Vor allem aber ist der Spannungsbogen flach, der Verlauf der verwickelten Geschichte uninteressant, ja leider auch die Inszenierung Peter Grubers in ihrem Verlauf vorhersehbar.

Mitunter, wenn Herr Eigensinn zum x-ten Male „Just nicht!“ sagt oder wenn schon wieder eine Zauberei von Confusius Stockfisch (Christian Graf) misslingt, dann merkt man plötzlich: Es ist zu viel Konvention im Getriebe. Und es beschleicht einen das merkwürdige Gefühl, alles schon einmal im Schloss Rothmühle gesehen zu haben. Und alles etwas besser!

Engelsflügerln da, Trachtenjäckchen dort, vor der Bühne sitzen Kasperl und das Krokodil einträchtig zusammen und sorgen für die Hintergrundmusik: Wieso sie sich plötzlich so gut verstehen? Weil’s diesmal eben so grundsolide zugeht, weil alles so überschaubar ist.

„Geiz ist geil“, „Oh, it’s a Feh“ oder dergleichen Geistvolles mehr müssen einfach vorkommen, die politischen Anspielungen kennt man schon seit langem. Sei’s drum. Schwechat hat in den vergangenen Jahren so viele Sympathiepunkte gesammelt, dass man ruhig, ein paar auch wieder verspielen kann. Immerhin: Das Publikum lernt, wie’s ist, wenn der „Confuse Zauberer“ im Theater werkelt … Und wer weiß: Vielleicht ist 2006 wieder ein gutes, „bissiges“ Gelsen-Jahr? (Oliver A. Láng)

Kurier, 12. Juli 2005

Die Nestroy-Spiele Schwechat zeigen auf Schloss Rothmühle Nestroys nicht zu Unrecht unbekanntes Frühwerk „Der confuse Zauberer“. Peter Gruber hat inszeniert und das Stück in die Gegenwart transportiert. Der wirren Handlung aber kommt Gruber trotz vieler Pointen nicht ganz bei. Das aus Laien bestehende Ensemble sorgt für Tempo und Witz; Bühne und Kostüme betonen das Märchenhafte des Zauberspiels, in dem Geister, Seeräuber und Magier ihr Unwesen treiben. (Petra Mühlgassner)