Zu ebener Erde und erster Stock

Liebe Nestroy-Freunde!

Heuer zeigen wie Ihnen ZU EBENER ERDE UND ERSTER STOCK ODER DIE LAUNEN DES GLÜCKS, ein Stück, aus dem Jahr 1835, das wie gschaffen scheint für den Hof von Schloss Rothmühle und den merkwürdigen Holzbau, der zum Theaterspielen auf zwei Ebenen geradezu einlädt.

In diesem Sinne wünschen wir Ihnen einen vergnüglichen Theaterabend! Peter Gruber

9. NESTROY Spiele Schwechat
Zu ebener Erde und erster Stock
03. Juli bis 31. Juli 1981

Regie

Peter Gruber

Bühne

Peter Gruber, Robert Herret

Kostüme

Herta Mock

Hüte

Gerttrude Pfertner

Masken und Frisuren

Brigitte Kraft

Requisiten

Robert Herret

Technische Leitung und Beleuchtung

Alfred Stepan, Franz Schulcsik

Souffleuse

Herta Mock

Einstudierung

Herbert Ortmayr

Werkelfrau

Edeltraud Selinger
HERR VON GOLDFUCHS Spekulant und Millionär
Peter Bolaffio
EMILIE seine Tochter
Helene Meissl
MONSIEUR BONBON
Georg Wertnik
HERR VON STEINFELS
Eduard Maciejovsky
FRAU VON STEINFELS
Victoria Posch
HERR VON WACHSWEICH
Andreas Bauer
FRAU VON WACHSWEICH
Mariëtte Michielsen
WERMUTH Buchhalter eines Großhandelshauses
Eduard Maciejovsky
JOHANN Bedienter bei Goldfuchs
Robert Herret
FANNY Kammermädchen bei Goldfuchs
Silvia Smaha
ANTON Diener bei Goldfuchs
Leopold Selinger sen.
FRIEDRICH Diener bei Goldfuchs
Ernst Schüller
RUDOLF Diener bei Goldfuchs
Christoph Stepan
ALFRED Diener bei Goldfuchs
Kurt Muhr
MERIDON Koch bei Goldfuchs
Karl Krumpholz
WÄCHTER
Andreas Bauer
SCHLUCKER ein armer Tandler
Willibald Mürwald
SEPHERL seine Frau
Gertrude Pfertner
ADOLPH Tagschreiber bei einem Notar
Walter Pober
CHRISTOPH
Reinhard Charvath
NETTEL
Barbara Woller
SEPPERL
Herbert Woller
POLDI
Leopold Selinger jun.
DAMIAN STUTZEL Frau Sepherls Bruder
Peter Wittberger
SALERL eine entfernte Anverwandte Schluckers
Susanne Urban
GEORG MICHAEL ZINS Hausherr
Friedrich Pfertner
WILL Sekretär eines Lords
Alfred Cicek
GERICHTSBEAMTER
Karl Krumpholz
GROB Tandler
Walter Mock
TRUMPF Tandler
Alfred Cicek
PLUTZERKERN ein Greißler
Karl Krumpholz
ZUWAG ein Aufhackknecht
Alfred Cicek
ZACH ein Kellner
Renate Abt

1. Akt
Die Bühne stellt unten die ärmliche Wohnung der Familie Schlucker und im ersten Stock die elegante Wohnung des Herrn Goldfuchs dar. – Chor I, 1. – Während sich die Bedienten im ersten Stock auf das bei einem Festessen zu erwartende reichliche Trinkgeld freuen, weiß Sepherl nicht, womit sie ihre Kinder ernähren soll. – Auftrittslied Damian I, 3 („[…] Ich hätt’ kein Tandler werden soll’n.“) / Auftrittslied Johann I, 3 („[…] Denn Haluncken giebt’s unter d’ Bedienten, ’s g’wiß, / Das kann der nur beurteil’n, der selb’r einer is.“). – Johann ist stolz darauf zu wissen, wie man als Bedienter eines reichen Herrn selbst reich werden kann: „Man nehme Keckheit, Devotion, Impertinenz, Pfiffigkeit, Egoismus, fünf lange Finger, zwei große Säck und ein kleines Gewissen, wickle alles in eine Livree, so gibt das in zehn Jahren einen ganzen Haufen Dukaten.“ Eifersüchtig beobachtet Damian, wie Bonbon seiner geliebten Salerl Avancen macht. Doch Salerl gelingt es, ihn wieder zu beruhigen. Schlucker hat erfahren, daß Adolph ein heimliches Verhältnis zu Emilie hat. Um jeden Ärger mit dem reichen Herrn Goldfuchs zu vermeiden, will Schlucker für ein sofortiges Ende dieser Beziehung sorgen. Unterdessen hat Zins bei Goldfuchs um Emilies Hand angehalten, jedoch nur ein lautes Lachen geerntet. Besonders Johann behandelt den verhinderten Bräutigam mit Hochmut. Mit letzter Hoffnung bittet Zins Emilie selbst um ihre Hand, doch diese lehnt ab und gesteht ihm ihre Liebe zu Adolph. Erzürnt verläßt Zins das Haus: „Der Sohn einer Zu-ebener-Erd-Partei soll über einen Hausherrn triumphieren? Nein, das darf nicht sein!“ Emilie schreibt einen Liebesbrief an Adolph, den Fanny wie verabredet an einer Schnur zur unteren Wohnung hinabläßt. Gleichzeitig läßt Damian Adolph einen fingierten Liebesbrief von Salerl an Bonbon schreiben, in dem sie ihn um ein Rendezvous bittet. Als Adolph endlich Emilies Brief in der Hand hält, tritt Schlucker ein, entreißt ihm das Papier und liest es. Wütend schreibt er für Adolph einen unverschämten Antwortbrief. In der Zwischenzeit knotet Damian seinen Brief an die Schnur, die er für Bonbons Schnur hält. Wenig später erhält jedoch Bonbon mit Hilfe seiner Schnur den von Schlucker verfaßten Antwortbrief Adolphs. Während im oberen Stock die Gesellschaft festlich tafelt, sitzt die Familie zu ebener Erde bei Wasser und Brot. Zu Emilies Entsetzen gibt ihr Vater ihre Verlobung mit Bonbon bekannt. – Chor der Gäste I, 19.

2. Akt
Chor II, 1. – Zins ist bereit, der Familie Schlucker die Miete zu erlassen, wenn Damian und Schlucker im Gegenzug dafür sorgen, daß Adolph Emilie fernbleibt und Zins sie selbst heiraten kann. Um diese Aufgabe zu erleichtern, will Zins Adolph eine weitentfernte Stelle als Schreiber verschaffen. Freudig nehmen Schlucker und Damian das Angebot an. Wilm fragt nach einem Rock, den ein Bedienter seines Herrn an Damian verkauft hatte. In dem Rock befinden sich 1.000 englische Pfund, die auch gefunden werden. Als Belohnung erhalten Damian und Schlucker 300 Gulden, über die sie sich sehr freuen. – Chor II, 7. – Johann legt das Geld, um das er Goldfuchs betrügt, bei diesem wieder an und behauptet, es gehöre seinem Vetter. Auf diese Weise bekommt er für das ergaunerte Geld noch Zinsen. Goldfuchs glaubt, eine Million seien „eine schußfeste Brustwehr, über welche man stolz hinabblickt, wenn die Truppen des Schicksals heranstürmen wollen.“ Umso mehr ärgert ihn die Nachricht, daß sein Sohn in Hamburg als „mutwilliger Schuldenmacher“ festgenommen werden soll, falls Goldfuchs ihm nicht eine Summe von 100.000 Gulden anweist. – Lied Salerl II, 14 („Die Lieb’ ist ein Rausch allemahl bey die Männer“). – Emilie bittet Johann um Hilfe, da nur eine Entführung durch Adolph sie vor einer Hochzeit mit Bonbon retten kann. Zwar warnt Fanny Emilie vor diesem Helfer, doch ist Emilie auf ihn angewiesen, zumal er sie mit seinem Wissen um ihre heimliche Liebe erpressen könnte. Fanny beschließt, gemeinsam mit Emilie zu fliehen, weil Johann sich von ihr losgesagt hat, da sie seine Einstellung zum Geld nicht teilt. – Lied Johann II, 21 (R: „Da finden d’Leut’ dran a Vergnüg’n; / Ich, offen g’sagt, nit, i müßt’s lüg’n.“). – Nach einem Festessen im Wirtshaus, das sich die Familie Schlucker von den 300 Gulden geleistet hat, eröffnet Schlucker Adolph, daß er am nächsten Tag fortgeschickt werde. Außerdem werde Zins Emilie heiraten. Zudem sei Adolph gar kein Sohn der Familie, sondern ein angenommenes Kind. Wütend entschließt sich Adolph, seine eigenen Wege zu gehen. Über seinen Vater erfährt er nur, daß dieser irgendwann gestorben sei. Während bei Goldfuchs ein Ball gefeiert wird, nutzt Emilie die Gelegenheit, für einen Moment zu Adolph zu eilen. Sie verabreden, am nächsten Tag gemeinsam zu fliehen. Mitten in der Nacht erscheinen Grob und Trumpf und überbringen die Nachricht, daß Sepherl 800 Gulden in der Lotterie gewonnen hat. Zugleich erhält Goldfuchs die Nachricht, daß er bei einer Spekulation, an der auch der Bruder Bonbons beteiligt war, sein Vermögen verloren hat. Ohnmächtig sinkt er in die Arme seiner Bedienten. – Chor der Gäste II, 35.

3. Akt
Bonbon wird in der Goldfuchschen Wohnung bewacht, weil er durch die fehlgeschlagene Spekulation seine Schulden nicht bezahlen kann. Goldfuchs selbst ist am Boden zerstört. Johanns Verhalten gegen ihn ändert sich auf der Stelle. Entschieden fordert er die angelegten 6.000 Gulden zurück, die Goldfuchs von einem noch vorhandenen Vermögen von 80.000 Gulden bezahlen soll. Nebenbei erzählt Johann von Emilies Beziehung zu Adolph, was Goldfuchs’ Zorn schürt. Bei Schlucker und Damian erscheint ein Gerichtsbeamter, der sich nach Adolphs Herkunft erkundigt. Da seine Informationen mit den Angaben der beiden Männer übereinstimmen und Adolphs Identität auf diese Weise zweifelsfrei geklärt ist, kann er eine gute Nachricht überbringen: Adolphs Vater ist keineswegs tot, sondern hat es in Ostindien auf ein beträchtliches Vermögen gebracht. Er hat seinen Sohn zu seinem alleinigen Erben eingesetzt und verfügt, daß ihm bereits jetzt 30.000 Dukaten ausgezahlt werden. Die Familie ist überwältigt von diesem Glück. In seiner Freude verzeiht Adolph Schlucker und Damian ihr Verhalten. Damian hegt allerdings einen Verdacht: „Die Fortuna muß sich den Fuß überstaucht haben, daß s’ nit in den ersten Stock auffisteigen kann, sonst kehret s’ gewiß nit zu ebner Erd ein.“ Um ihrem Vater keinen weiteren Kummer zu machen, hat Emilie sich entschlossen, auf die Entführung zu verzichten. Damian versucht Fanny zu erobern, während Johann ein Auge auf Salerl geworfen hat. – Quartett Salerl, Johann, Fanny, Damian III, 10. Beide Frauen weisen die Männer ab. Johann ist entschlossen, sich dafür an Salerl zu rächen, während Damian Fanny bittet, Stillschweigen zu bewahren. Damian und Schlucker sind natürlich nicht mehr bereit, Adolph fortzuschicken, weshalb sie Zins hinauswerfen wollen. Dieser kann zuvor einen Blick auf das auf dem Tisch liegende Papier von Adolphs Vater werfen. Zudem versichert er der Familie, Adolph habe bereits die Wohnung im ersten Stock gemietet, worüber alle in Jubel ausbrechen. Damian will sich noch immer an Bonbon rächen. Grob und Trumpf sagen ihm Hilfe zu. Zins verspricht Friedrich und Anton eine Belohnung, wenn sie Johann für dessen hochmütiges Verhalten verprügeln. Unterdessen haben Johann und Bonbon die Kleider getauscht, um Bonbon eine Flucht an den Wärtern vorbei zu ermöglichen. In dieser Verkleidung beziehen beide die Prügel für den anderen. Erst im nachhinein erkennt man die Verwechslung. Bei der Rückgabe der Kleider entdeckt Johann in Bonbons Rock einen Geldbeutel, den er an sich nimmt. In diesem Moment erzählt Zins Goldfuchs, daß auch die 80.000 Gulden verloren sind, weil das Bankhaus bankrott gemacht hat. Somit sind auch Johanns 6.000 Gulden verloren. Dagegen kann Bonbon sich wieder frei bewegen, weil ein Freund seines Bruders seine Schulden bezahlt hat. Als er den Verlust seiner Geldbörse bemerkt, hat Bonbon sogleich Johann in Verdacht. Tatsächlich findet man den Beutel bei ihm und nimmt ihn fest. Zins eröffnet Goldfuchs, daß seine Möbel bereits gepfändet sind und die Wohnung anderwärts vermietet ist. Er könne jedoch für einige Tage in die Wohnung zu ebener Erde ziehen. Über die Hintertreppe verlassen Goldfuchs und Emilie die Wohnung. Traurig blicken sie sich in ihrem neuen Quartier um, als Adolph zur Tür hereinkommt. Als reicher Mann bittet er um Emilies Hand. Doch bevor Goldfuchs antworten kann, meldet sich Zins zu Wort. Aus demzufällig gelesenen Papier hat er erkannt, Adolphs Onkel zu sein. Adolph zuliebe verzichtet er auf seine Heiratsabsichten. Am Ende ist Goldfuchs gerne bereit, Adolph und Emilie seinen Segen zu geben. – Chor III, 34. 

Aus dem „Nestroy-Schauspielführer“ von Jürgen Hein und Claudia Meyer, Verlag Lehner

Original-Stückfassung | Historisch-kritische Ausgabe (HKA 9 Johann Hüttner

Niederösterreichische Nachrichten, 8. Juli 1981:
Premiere des Nestroy-Stückes: Zu ebener Erde und erster Stock

Peter Gruber, ein bereits von sehr vielen Inszenierungen her bekannter, junger Regisseur, ließ mit seiner quicklebendigen Inszenierung des Stückes „Zu ebener Erde und erster Stock“ von Johann Nestroy, mit der aus seiner Wahl getroffenen, sehr gut typisierten Besetzung einen wienerischen Kontrapunkt auf die schweizerische Konzeption folgen. Neben der sehr flott geführten Regie sind, wie bei der Premiere dieses Nestroystückes am vergangenen Freitag, dem 3. Juli, zu sehen war, auch Bühnenbild, Kostüme, Hüte und Requisiten zu akklamieren, und ist weiters dem Nestroy-Genre durch die in die Inszenierung eingebauten Pointen mit untermalender Werkelmusik bestens entsprochen worden.

Die schauspielerischen Leistungen der Akteure dieser Laienspielertruppe: Robert Herret als Bedienter Johann, Peter Wittberger als Damian Stutzel, Susanne Urban als Salerl, Sylvia Smaha als Kammermädchen Fanny, Peter Bolaffio als Herr von Goldfuchs, Friedrich Pfertner als Hausherr G. M. Zins, Georg Wertnik als Monsieur Bonbon und anderer sowie das große Engagement der mitagierenden Kinder: Walter Pober, Reinhard Charwath, Barbara und Herbert Woller, Leopold Selinger sind besonders zu erwähnen. Es ist deshalb der österreichische Kultursenat und das gesamt österreichische Volk zu beglückwünschen, daß dank der Initiative aller Nestroyaner der Geist des „philosophierenden“ Volksdichters und Schauspielers Johann Nestroy lebendig geblieben ist und weiter überliefert wird.

Kurier, 11. Juli 1981: Drehorgel, Spielautomat und Jets

Wenn blinde Zufallslaunen das Leben der Leut’ – meist zum Schlechteren – drehen und wenden, ertönen Beethovens Schicksalsschläge aus der „Fünften“.

Lacht ihnen jedoch das Glück und schüttet Fortunas Füllhorn über sie aus, blinklichtert, klingelt und rattert die ganze Bühne wie ein becherner Spielautomat.

Couplets begleitet leiernd die Drehorgel, und wenn dröhnend landende Jets vom nahen Flugplatz die Dialoge kreuzen, hebt einer die fatalistische Tafel: Pech.

Mit derlei fröhlicher Verfremdung und wurstelpraterischen Attraktionen spaßettelt sich Peter Grubers Inszenierung von Nestroys „Zu ebener Erde und erster Stock“ direkt in die Gemüter der Zuschauer. Alle Lustigkeit und alle Klugheit des sozialkritischen Wiener Possenreißergenies Nestroy werden damit heuer bei den Nestroy-Spielen im Schwechater Schloß Rothmühle mobil, wirksam und deutlich.

Zu ebener Erde und im ersten Stock trennen ein paar Stufen Welten: Armut der Schlucker, Reichtum der Goldfüchs’. Die Örtlichkeit im Schloßhof scheint für das nämliche Stück wie geschaffen: Der einstöckige Holzbau bietet die zwei sozialen Spielebenen von sich aus an, die Bühnenbildner (Gruber, Herret) brauchten nur zuzugreifen.

Im Stil greller Jahrmarktskomödiantik – vielleicht Savarys Grand Magic Circus lustig abgeschaut – ereignet sich Nestroys vormärzenes Stück ganz famos, satirisch, ironisch. Allerdings:

Die Charaktere sind zu ebener Erde derb, volksnah, im ersten Stock als Karikaturen und Zerrbilder angelegt. Das paßt manchmal nicht recht zusammen. Etwa wenn der auf Dracula und Brunnenvergifter geschminkte Diener Johann in mehreren Gstanzeln soziales Gewissen Zeigt (imponierend: Robert Herret).

Durch den Verzicht auf feinere Nuancierung werden die Darsteller nie überfordert, dürfen hergeben, was sie haben: das ist nicht wenig. Peter Wittberger als handfester, stimmiger Damian hat ebenso die Sympathien des freiluftig im Hof wie auf einem Marktplatz sitzenden Publikums wie der mutig in häßlicher Stutzerlarve scharwenzelnde Georg Wertnik die (gewollte) ungeteilte Abneigung.

Übel stößt einem kein einziger auf im gut geführten Ensemble: herzhafter Nestroy von herzhaften Leuten. Herz, was willst du mehr! (Rudolf John)

Die Furche, 8. Juli 1981: Gutes Jahr in Schwechat

Was der Berufsregisseur Peter Gruber mit den Laiendarstellern von Schwechat seit vielen Jahren mal besser, mal weniger gut zustandebringt, hat manchen durchwegs mit Vollprofis besetzten Produktionen der Sommerzeit immerhin eines voraus: Jeder Darsteller gibt sein Bestes.

Die Schwechater Laien machen in ihren besten Jahren echtes, volkstümliches Vorstadt-Theater – wobei ihnen ihr Teamgeist, ihre Zuammengehörigkeit übers ganze Jahr, zugute kommt.

Mit der „Freiheit in Krähwinkel“ im Vorjahr konnte ich mich nicht anfreunden: Es hat keinen Sinn, Nestroy falsche Zähne einzusetzen, wenn er dabei seinen Biß verliert.

Die Produktion 1981 ist anspruchsloser, ohne interpretatorischen Ehrgeiz und gerade darum besser. Die sozialkritische Schärfe kommt schon, bei aller Lustigkeit, von selber zum Tragen.

Es wäre ungerecht, einzelne Ensemblemitglieder hervorzuheben. Es können nicht alle gleich viel, aber niemand macht es sich leicht. (H. B.)

Arbeiterzeitung, 7. Juli 1981: Vorbildliches Sommertheater in Schwechat

Seit der ausgezeichnete junge Regisseur Peter Gruber allsommerlich in Schwechat am Werk ist, haben sich die Nestroy-Spiele vom amüsanten Laientheater zum Modellunternehmen entwickelt. Fern von ältlichem Kurtheater leistet die Amateurtheatergruppe St. Jakob Bemerkenswertes für die kulturelle Infrastruktur der Gemeinde. Nestroys „Zu ebener Erde und erster Stock“ ist noch besser gelungen als im Vorjahr die „Freiheit in Krähwinkel“.

Vom Szenario ist dieses kuriose Stück beinahe eine Brechtsche Parabel: Oben und unten, reich und arm, Druck ausübend und den Druck irgendwie ertragend, diese dialektischen Gegensätze sind auf der Bühne in verfremdeter Form sichtbar gemacht.

Andererseits ist „Zu ebener Erde und erster Stock“ noch ein typisches Exemplar vormärzlicher Resignationsliteratur, ein Stück Vertröstung auf das ausgleichende Schicksal, das der Mensch besser nicht selbst in die Hand nimmt. Etwas wie Aufbegehren und Rebellion zeigt sich lediglich in der Gestalt des scheinbar schurkischen Dieners Johann, der das üble Spiel durchschaut und gelernt hat.

Gruber inszeniert diesen Zwiespalt des Stücks mit einem simplen Meistertick. Die Bühne ist von bunten Glühbirnen eingesäumt,, und die sorgen für die erforderliche Distanz, indem sie – wie bei Savary – aufleuchten, wenn die vormärzliche Moral oder das unberechenbare Fatum zuschlagen.

Den Gestalten erlaubt er einen komödiantischen Realismus ohne jede Verzuckerung. Wo die degenerierte bessere Gesellschaft ihre Feste feiert, tauchen unversehens gespenstische Fellini-Fratzen auf. Was Gruber mit dem Amateurensemble gelungen ist, grenzt an eine Sensation. (Heinz Sichrovsky)

Volksstimme, 7. Juli 1981: Zugang zu Nestroys Vitalität

Wer lebendigen, unverfälschten Nestroy sehen will, sollte nach Schwechat in den Schloßhof der Rothmühle kommen. Dort zeigt seit nunmehr neun Jahren die Amateurspielgruppe St. Jakob unter der verdienstvollen Regie von Peter Gruber, was Nestroy sein kann – und soll. Und stellt sich damit bewußt gegen jeglichen Burgtheaterplüsch-Nestroy in synthetischer Sprache.

Nestroys „Zu ebener Erde und erster Stock“ gehört zu den vorrevolutionären Stücken des großen Wiener Volksdichters. Wiewohl es noch in der Tradition des Biedermeier-Unterhaltungstheaters steht, sind erste sozialkritische Züge unverkennbar: die Familie Schlucker zu ebener Erd und er Spekulant Goldfuchs im ersten Stock.

Auch dramaturgisch ist das Stück reizvoll: Die kontrapunktische Handlung, das simultane Spiel auf zwei Ebene, für das dieser Schloßhof geradezu geschaffen ist, zeigen die Möglichkeiten, den Inhalt durch die richtige Umsetzung noch zu betonen.

Das stellt sowohl an Regie wie an Schauspieler große Anforderungen, in Schwechat werden sie gemeistert.

Peter Gruber gibt dieser Posse in drei Aufzügen den Rahmen einer Prater-Illusionsbühne, wo drumherum die Automatenlichter aufflackern, wann immer das „Glück“ zu den Schluckers kommt. Gruber erreicht dadurch eine Zurücknahme der Illusion beim Publikum bei gleichzeitigem Ablauf der Illusion auf der Bühne.

Und geht so weit, daß das Automatenglück am Ende in knatterndem Feuer zerstiebt.

Das Amateurensemble bietet einen geschlossenen Eindruck, von gelegentlichen Unsicherheiten im dritten Aufzug abgesehen. Besonders imponierend die schauspielerischen Leistungen von Peter Bolaffio (Goldfuchs), Willibald Mürwald (Schlucker), Peter Wittberger (Damian) und Robert Herret (Johann).

Vortrefflich besetzt wurden auch die Frauenrollen: Susanne Urban schafft in ihren Couplets sowohl die ironische Distanz wie auch die Identifikation. Gertrude Pfertner gestaltet Schluckers Frau Sepherl ganz groß, und auch Sylvia Smaha als Kammermädchen Fanny gibt einen ganz ausgezeichneten Part, ebenso wie Edeltraud Selinger (Werkelfrau). Zu diesem Gesamteindruck trägt gewiß auch die musikalische Einstudierung von Herbert Ortmayr bei, dessen „Leierkastenmotive“ den Eindruck der Illusion noch vielfach verstärken.

Was auf dem Schloßhof der Rothmühle geschaffen wurde, ist nichts anderes als die Satire auf die bestehende Gesellschaftsordnung: das Vorzeigen zwischen dem, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Da „Fortunas Glücksbude“ am Ende zerstiebt, ist die logische Konsequenz. Und die wird zu ebener Erd und im ersten Stock herausgearbeitet. Dafür gilt allen Mitwirkenden in Schwechat Dank. (Günther Stockinger)

Neue Kronenzeitung, 5. Juli 1981: Das Glück der Automaten

„Fortunas Glücksmühle – Die Launen des Glücks“, prangt über der Pawlatschen, die im Hof des Schlosses Rothmühle aufgebaut ist. Im Stil Altwiener Volkstheaters hat Regisseur Peter Gruber Nestroys tragische Posse „Zu ebener Erde und erster Stock“ in Schwechat aufgezogen.

So werden weder Zuschauer noch die Schauspieler der Laienbühne St. Jakob überfordert. Und wer aufmerksamer hinsieht, wird manch sorgfältiges Detail an diesem Glücksspielautomaten des Lebens entdecken, den Peter Gruber mit viel Liebe gebastelt hat.

Sein Glück geht über die pessimistische Ironie Nestroys hinaus. Es ist Glück der Spielhallen. Letzen Endes gewinnt der Automat, oder vielmehr der, der ihn aufgestellt hat. Sein Unglück wird sich so lange nicht „über einen Millionär traun“, bis wir dafür sorgen, daß „Fortuna hinkt“. Denn sonst hält Goldfuchs wie bei Gruber immer wieder den Geldsack in der Hand.

Und das sind die tapferen Protagonisten: Goldfuchs Peter Bolaffio, seine Emilie Helene Meissl, Damian Peter Wittberger, Salerl Susanne Urban, der Böse Johann Robert Herret. (A. W.)