Der böse Geist Lumpazivagabundus

In den siebziger Jahren ging es zunächst um Suche, Entdeckung und Eroberung der Nestroyschen Sprachwelten und des Raumes, in dem sie sich entfalten sollten. Bald schon gelang es, einen eigenen Spielstil zu finden, der sich wohltuend von den oft konzeptlosen, ‚menschelnden‘ Allerwelts-Aufführungen abhob.

Die uneitle, überbordende Spiellaune des unbekannten Ensembles begeisterte Publikum und Presse ebenso wie Schärfe und Genauigkeit der Interpretation. Nestroy pur in der Vorstadt von Wien. Der Gegenwartsbezug beschränkte sich auf kleine Ergänzungen und Zusatzstrophen. Neben Stücken, die lokalen Bezug hatten, standen hauptsächlich Einakter und Interpretationen von sogenannten ‚Klassikern‘ auf dem Programm

4. NESTROY Spiele Schwechat
Der böse Geist Lumpazivagabundus

Regie

Peter Gruber

Bühne

Hans Robert Seitl

Kostüme

Herta Mock, Roswitha Meisl

Hüte

Gertrude Pfertner

Inspizienz

Karl Chovanec, Josef Sehnal, Rudolf Stonawski

Masken und Frisuren

Michaela Mock, Mariëtte Michielsen

Souffleuse

Herta Mock

Technische Einrichtung und Beleuchtung

Alfred Stepan, Karl Gauster, Franz Schulcsik
STELLARIS
Horst Werner Gaigg
FORTUNA
Erika Stepan
LUMPAZIVAGABUNDUS
Franz Steiner
AMOROSA
Gertrude Pfertner
BRILLANTINE
Helli Meissl
DIE VÄTER
Fritz Pfertner, Karl Hamernik, Martin Hofböck
DIE SÖHNE
Wolfgang Mock, Robert Herret, Guido Salzer
LEIM
Walter Sailer
KNIERIEM
Walter Mock
ZWIRN
Horst Kummerfeld
DER WIRT
Karl Chovanec
KELLNERINNEN
Grete Seitl, Martina Tschiderer
MUSIKER
Josef Schulter
FASSL
Josef Sehnal
SEINE BEGLEITUNG
Brigitte Uhlmann
TISCHLERGESELLE
Kurt Kratky
GERTRAUD
Mariëtte Michielsen
RESERL
Christa Liegl
HOBELMANN
Dietmar Liegl
PEPPI
Cordula Reisch
STRUDL
Andreas Stonawksi
ANASTASIA
Christine Burger
GESELLEN BEI HOBELMANN
Georg Docar, Michael Rosner, Kurt Kratky, Guido Salzer
HACKAUF
Fritz Pfertner
MALER
Johannes Franz Pretzl
WINDWACHEL
Rudolf Stonawski
SIGNORA PAPLITI
Viktoria Seefried
CAMILLA, LAURA ihre Töchter
Silvia Smaha, Michaela Mock
GESELLEN UND DIENER BEI ZWIRN
Georg Docar, Peter Müller-Uri, Bruno Reichert, Michael Rosner
FURIEN
Peter Müller-Uri, Bruno Reichert

1. Akt
Chor der alten Zauberer I, 1. – Im Feenreich herrscht Aufruhr: Die alten Zauberer beschweren sich bei Stellaris über Lumpazivagabundus. Er habe ihre Söhne vom rechten Weg abgebracht und zur Liederlichkeit geführt. Zwar verbannt Stellaris Lumpazivagabundus aus dem Feenreich, doch die Söhne wollen ihren Lebenswandel nicht mehr ändern. Schließlich gibt Stellaris ihnen mit Fortunas Hilfe das verpraßte Vermögen zurück. Lumpazivagabundus glaubt jedoch nicht, daß dies das Leben der Söhne tatsächlich ändern wird. Lediglich Hilaris will auf den Pfad der Tugend zurückkehren, wenn er Brillantine, Fortunas Tochter, zur Frau erhält. Lumpazivagabundus gesteht, daß Hilaris damit unter Amorosas Macht steht und für ihn verloren ist. Doch Fortuna weigert sich, ihre Zustimmung zu dieser Hochzeit zu geben. Stellaris weist sie darauf hin, daß Fortuna kein Recht habe, ihre Zustimmung endgültig zu verweigern. Allerdings darf sie eine schwere Bedingung stellen. Schließlich einigt man sich auf folgende Vorgehensweise: Fortuna wird drei Anhängern des Lumpazivagabundus Glück schenken. Sollten diese das Glück zum Fenster hinauswerfen, wird Fortuna es ihnen noch einmal aufdrängen. Sollten dann immer noch mindestens zwei von ihnen das Glück mit Füßen treten, hat Fortuna verloren und muß in die Hochzeit einwilligen. Fortuna hält es für unmöglich, daß zuteilgewordenes Glück nicht zu einembeständigen Leben führt. – Chor I, 3.Auftrittslieder Knieriem („Es kommen d’ Stern, es wird schon spät“), Zwirn („D’ Stadt ist in der Näh“) I, 4. – Vor der Stadt treffen sich der Schustergeselle Knieriem, der Tischlergeselle Leim und der Schneidergeselle Zwirn. Alle drei sind auf der Wanderschaft und besitzen nichts. – Gesang alle I, 4 („Wir wollen in die Stadt marschiern“). – Gemeinsam gehen sie in die Stadt, um zu feiern. Dabei treffen sie auf Fassel, den sie um einen Lotteriegewinn von 1000 Talern beneiden. – Gesang I, 5 („Eduard und Kunigunde“). – Jedoch ist Leim der Meinung, daß das Geld allein nicht glücklich mache. Daraufhin prahlt Zwirn mit seinen vielen Liebesabenteuern. Leim berichtet seine Geschichte: Er war Geselle in Wien und hatte sich in die Tochter seines Meisters Hobelmann verliebt. Eines Tages hat er ihr das Leben gerettet, als ihr Vater vor Zorn mit einem Stemmeisen nach ihr warf. Leimwurde verletzt. Nach seiner Gesundung wurde die Verlobung des Wirts Strudl mit einer Hobelmannschen Tochter bekanntgegeben. Enttäuscht schrieb Leim in einem Abschiedsbrief, er würde nun seinerseits heiraten, und zog von dannen. Knieriem berichtet, seine Schwierigkeiten im Leben seinen stets durch seine Trinkerei entstanden. Im Schlaf sendet Fortuna den drei Gesellen den Tip, das Los mit der Nummer 7359 zu kaufen. Tatsächlich gewinnen sie mit diesem Los 100.000 Taler. Überglücklich feiern alle drei ein Fest. Leim beschließt, nach Wien zu reisen und, falls noch möglich, seine Peppi zu heiraten. Ansonsten will er ein Spital bauen. Zwirn will nur noch ein Don Juan sein. Knieriem beschließt, statt Bier nur noch Wein zu trinken. So gehen alle drei ihres Weges, jedoch nicht ohne das Versprechen, sich im Unglück gegenseitig beizustehen und sich bei Meister Hobelmann in einemJahr erneut zu treffen. Falls Leimkein Glück habe, sollen seine Freunde dort erfahren, wo er zu finden sei. – Chor I, 10.

2. Akt
Als Leim in Wien bei Meister Hobelmann eintrifft, wird dort gerade Hochzeit gefeiert. Zudem erzählt Hobelmann, er hätte Leim Peppi zur Frau gegeben, wenn er nur ein Wort gesagt hätte, doch mit Leims Brief schien ihm die Sache beendet. Leimist am Boden zerstört, bis sich herausstellt, daß nicht Peppi, sondern ihre Cousine Anastasia heiratet. Überglücklich hält Leim sofort um Peppis Hand an. Hobelmann gibt seine Zustimmung: Er habe aus Dankbarkeit seinerzeit 500 Dukaten für Leimzurückgelegt. Sobald dieser seinen Meisterbrief habe, könne die Hochzeit stattfinden. Erst jetzt zeigt Leim seinen großen Gewinn. Zwirn, der sich nun „von Zwirn“ nennt, lebt in Prag. Arbeiten will er überhaupt nicht. Statt dessen gibt er sich als Weltmann aus. An seinen ursprünglichen Beruf will er deshalb nicht mehr erinnert werden. Lediglich seinem Freund Windwachel zuliebe greift er noch einmal zum Maßband. Ausgerechnet in diesem Moment erscheint Signora Palpiti mit ihren Töchtern. Windwachel hat diese Bekanntschaft zwischen Zwirn, Camilla und Laura, die sich als Italienerinnen ausgeben, vermittelt. Die Damen sind jedoch nicht an Zwirn, sondern lediglich an seinem Geld und seiner Stellung interessiert. Chor der Gesellschaft II, 17. – Quodlibet-Terzett Zwirn, Laura, Camilla II, 17.

3. Akt
Am ersten Jahrestag treffen sich Zwirn und Knieriem wie verabredet in Wien bei Meister Hobelmann. Knieriem erzählt, er habe sein Geld vertrunken und durch verschiedene Händel und Diebstahl verloren. Sogar im Arrest sei er gewesen. Auch Zwirn hat alles Geld durchgebracht. Meister Hobelmann berichtet, Leim habe sein ganzes Geld verloren und sei fortgegangen. Den beiden Gesellen gibt er einen Brief von Leim. Darin schreibt dieser, er könne nicht kommen, weil er krank in Nürnberg im Spital liege. Er habe jedoch 100 Taler bei Hobelmann zurückgelassen für den Fall, daß einer ein Reisegeld brauche. Sofort beschließen Zwirn und Knieriem, Leim dieses Geld auf Heller und Pfennig zu bringen. In diesem Moment erscheint Leim in elegantem Anzug. Mit dem Brief wollte er lediglich die Treue seiner Freunde testen, von der er nun überzeugt ist. Leim will beide aufnehmen und für sie sorgen. Von Peppis Idee, er solle die Schustermeisterwitwe heiraten und ein ordentliches Leben führen, hält Knieriem jedoch überhaupt nichts. – Lied Knieriem III, 8 (R: „Die Welt steht auf keinen Fall mehr lang“). – Auch Zwirn ist unzufrieden mit dem ordentlichen Leben. Deshalb will er gemeinsam mit Reserl durchgehen. Obwohl er ungehalten ist über Zwirns Ansinnen, wieder auf Wanderschaft zu gehen, legt Leim 100 Taler für ihn für den Fall zurück, daß Zwirn doch noch ein ordentliches Leben führen wolle. Den völlig betrunkenen Knieriem sperrt Leim im Haus ein, um ihn an einem erneuten Wirtshausbesuch zu hindern. Doch Knieriem flüchtet durch ein zerschlagenes Fenster. Wenig später treffen Knieriem und Zwirn sich wieder in einem Wirtshaus, von Stellaris beobachtet. Beide Gesellen betteln sich durchs Leben, scheinen dabei aber sehr glücklich zu sein. Keinesfalls sind sie gewillt, ihr Leben zu ändern. Im Feenreich muß Fortuna ihre Niederlage eingestehen und ihre Einwilligung zur Hochzeit von Brillantine und Hilaris geben. Hilaris lädt aus Dankbarkeit zur Feier auch Zwirn, Knieriem und Leim ein. Nachdem sie Lumpazivagabundus’ Macht im Feenreich gebrochen hat, indem sie die Söhne der Zauberer durch die Macht der Liebe auf den Weg der Tugend zurückgeführt hat, will Amorosa auch Knieriem und Zwirn noch auf den rechten Weg bringen und stellt ihnen liebe Frauen zur Seite. – Chor III, 17.

Aus dem „Nestroy-Schauspielführer“ von Jürgen Hein und Claudia Meyer, Verlag Lehner

Original-Stückfassung | Historisch-kritische Ausgabe (HKA 5 Friedrich Walla)