Charivari

49. NESTROY Spiele Schwechat
29. Juni bis 31. Juli 2021

„Charivari“ – Die Wiederentdeckung und Rehabilitierung eines völlig vergessenen schrägen Verwirrspiels, das alle Elemente der Nestroy’schen Komödienkunst enthält.
Ein Mann, gescheitertes Überbleibsel der revoltierenden 1848er-Generation, völlig mittellos und ohne jegliche Zukunftsperspektive, bekämpft in einer Art Privatrachefeldzug einen skrupellosen Repräsentanten des selbstgerechten, neureichen Großbürgertums. Er entlarvt dessen Doppelmoral, deckt seine finanziellen Machenschaften auf und wird schlussendlich zu seinem Albtraum, indem er sich in irrwitzige Karikaturen und bizarre Gestalten verwandelt.

Regie

Peter Gruber

Regiemitarbeit

Christine Bauer

Musik

Otmar Binder

Couplet-Zusatzstrophen

Peter Gruber, Oliver Baier

Bühne & Kostüm

Andrea Költringer

Kostümassistenz

Lea Maria Nickel

Bühnenrealisation

Günter Lickel

Lichtdesign

Harald Töscher

Licht- und Tontechnik

Harald Töscher, Alexander Wanko

Video

Bernadette Dewald
MUFFINGER Kapitalist
Rainer Doppler
ISIDOR sein Sohn
Marc Illich
MARIE sein Mündel
Ines Cihal
ADOLF FLAMM ein Student
Lukas Aschenreiter
KAJETAN Hausknecht bei Muffinger
Robert Herret
KATHI Köchin bei Muffinger
Michelle Haydn
JERIEL FINKL
Oliver Baier
FRAU SANDEL Greißlerin
Gabriele Herbsthofer
HERR PRIMSEN Geißler
Franz Steiner
FRAU KRÜGL Wirtin
Bella Rössler
HERR KRÜGL Wirt
Erwin Leder
RÖHRL Wachter
Andreas Herbsthofer
NOTARE, KNECHTE, LANDLEUTE
Sabine Axmann, Sophie Hörlezeder, Peter Koliander, Marko Knezevits, Peter Kuno Plöchl, Anna Slavicek, Sissy Stacher, Richard Strauss, San Trohar

1. Akt
Muffinger will Marie mit seinem Sohn Isidor verheiraten, um nicht das von ihm verwaltete Vermögen Maries offenlegen zu müssen. Unter Hinweis auf das von ihm unter Verschluß gehaltene väterliche Testament verweigert er Marie und Adolf seine Einwilligung zu einer Hochzeit. Isidor ist über die geplante Hochzeit unglücklich, weil er in Kathi verliebt ist. Diese hat Muffinger für sich selbst als Braut erkoren, nicht wissend, daß sie bereits verheiratet ist. – Auftrittslied Finkl I, 8 („Oft hört man sag’n: Der is in sein’n Element.“). – Da sein Wirtshaus für 3000 Gulden gepfändet wurde, hatte Finkl sich auf Reisen begeben, um das nötige Geld zu verdienen. Seine Frau Kathi dagegen hatte eine Stellung als Köchin angenommen. Dafür hatte sie sich als ledig ausgeben müssen, so daß sie den mit leeren Händen zurückkehrenden Finkl nicht bei sich aufnehmen kann. Schließlich kommt Kathi die Idee, Finkl solle die Hochzeit von Marie und Isidor verhindern. Aus Dankbarkeit würde sich Marie sicherlich sehr großzügig zeigen. Finkl ist von dem Vorschlag begeistert. Unterdessen hat Muffinger bei dem Notar einen Ehevertrag für Marie und Isidor aufsetzen lassen, während dieser noch immer nach einem Ausweg sucht. Doch sein Vater droht mit Enterbung, sollte er sich der Hochzeit verweigern. Beinahe treffen Muffinger und Finkl aufeinander, weil Finkl im Hinausgehen aus Versehen in Muffingers Zimmer gelangte. Doch im letzten Moment konnte Finkl sich als Linzer Köchin verkleiden und tritt Muffinger als Kathis Mutter entgegen. Isidor und Muffinger zeigen sich hocherfreut über diese Bekanntschaft, doch in Finkl nährt dieses Gespräch den Verdacht, Kathi sei ihm während seiner Abwesenheit untreu gewesen. Unter vier Augen stellt er sie zur Rede, doch gelingt es ihr, ihn von ihrer Unschuld zu überzeugen. Dann jedoch gesteht Muffinger seine Liebe zu Kathi und bittet deren angebliche Mutter um ihren Segen. Obwohl Kajetan die Aufgabe hat, Marie zu überwachen, gelingt es Kathi, Marie von Finkls Plan zu erzählen, den er mit Adolf abgesprochen habe. Adolf lasse ihr ausrichten, sie solle sich durch nichts erschrecken lassen. Finkl ist der Meinung, „so ein trockener Geschäftsmann muß durch extravagante Erscheinungen turbiert werden, damit er das terrain verliert.“ Gerade als Muffinger Marie auffordert, sich für das Verlobungsfest bereitzumachen, erscheinen Finkl und Adolf. Sie spielen einen Streit, in dessen Verlauf Adolf von Finkl scheinbar erstochen wird, weil er dessen Schwester nachgestellt habe. Dem erschrockenen Muffinger stellt Finkl sich als Barnabas Wühlhuber vor. Er sei Maries Geliebter und entschlossen, Muffinger umzubringen, sollte er Marie nicht zur Frau bekommen.

2. Akt
Im Greislerladen haben Finkl und Adolf ein Zimmer bekommen, in dem sie ihr weiteres Vorgehen planen können. Finkl fragt die Greislerin, ob Kathi „brav“ sei. Diese weiß von Kathi nur das Beste zu berichten, obwohl sie ein „fesches Madl“ sei. Das bestürzt Finkl zutiefst. Mit dem Ruf: „[…] die Gattin meiner Wahl ist fesch!“ stürzt er davon. Erstaunt hört das Greislerpaar, daß Kathi verheiratet ist. Muffinger weigert sich weiterhin, von einer Hochzeit Maries mit Isidor abzusehen. In einer Verkleidung als „unglückliche Romanheldin“ erscheint Finkl als von Wühlhuber angeblich verlassene Frau. Adolf tritt als deren Bedienter auf. Um dem Zorn ihres Vaters zu entgehen, bittet die Unglückliche Muffinger um Unterschlupf, denn sie habe von dessen „Menschenfreundlichkeit g’hört“. Isidor findet auf der Stelle Gefallen an der jungen Frau. Diese stellt sich jedoch schwerhörig, so daß Isidor sein Liebesbekenntnis laut herausschreien muß. Damit zieht er sich den Zorn seines Vaters zu. Muffinger hofft, daß Marie durch die Erzählungen der Frau erkennt, welch schlechten Charakter ihr Geliebter habe. Als nächstes erscheint Finkl in der Verkleidung des „Heulmaier“, angeblich auf der Suche nach seiner Tochter. Er zeigt sich entschlossen, sie für ihr Verhältnis mit Wühlhuber umzubringen. Zwar versucht Muffinger, ihn umzustimmen, doch scheinbar kann erst Kajetan ihn zu einer Versöhnung bewegen. In diesem Moment wird Marie, angeblich einer Ohnmacht nahe, von Kathi hereingeführt. Beide berichten, die fremde Frau sei mit Wühlhuber geflohen. Muffinger eilt sogleich auf das Gericht, um den Flüchtenden nachstellen zu lassen. Die Abwesenheit Muffingers nutzen Finkl und Adolf, um Marie zu Adolfs Tante zu bringen. Zwar alarmiert Kajetan Isidor, doch dieser zeigt sich hocherfreut über Maries Flucht. Nach einem Streit zwischen Adolf und Finkl wird beschlossen, daß Kathi zunächst bleiben soll, um Muffinger weiterhin in die Irre zu führen. Kajetan, der die Flüchtenden aufzuhalten versucht, bekommt von Finkl zunächst eine Ohrfeige und einen Brief an Muffinger und zur Belohnung eine Geldbörse. In dem Brief gesteht Finkl, Muffinger an der Nase herumgeführt zu haben. Muffinger ist außer sich vor Wut. Da erscheinen bereits die zur Verlobung geladenen Gäst. In dieser Situation gesteht Isidor seine Liebe zu Kathi, woraufhin Muffinger Kathi als seine eigene Braut vorstellt. Doch Finkl, der sich als Kathis Urgroßvater verkleidet hat, verhindert durch seinen Einspruch eine Verlobung.

3. Akt
Adolf hat Marie zu seiner Tante gebracht. Er selbst steigt mit Finkl und Kathi in einem Gasthaus vor der Stadt ab. Da Adolf die minderjährige Marie nicht ohne Einwilligung des Vormundes heiraten kann, hat Finkl Isidor ein Wiedersehen mit Kathi versprochen, falls er eine Testamentsabschrift mitbringe. Tatsächlich erscheint Isidor, doch hat ihm Muffinger, als er von Maries und Kathis Aufenthaltsort erfahren hat, das Testament wieder abgenommen. Im Gasthaus erkundigt Muffinger sich nach den Gästen. Zwar geben sich Finkl und Adolf als Exzellenz und Bedienter aus, doch Muffinger schenkt ihnen keinen Glauben. Er ist sich seiner Sache sicher. – Lied Finkl III, 16 (R: „Zu spät! zu spät! zu spät! zu spät!“). – In ihren Rollen haben Finkl und Adolf den Wirt darauf aufmerksam gemacht, daß es sich bei Muffinger und Kajetan um Mitglieder einer Räuberbande handle, die es dingfest zu machen gelte. Gegen eine gute Bezahlung sind die Knechte bereit, diese Aufgabe zu übernehmen. Als „Staats-Haemorhoidarius“ verkleidet erscheint Finkl, um den angeblichen Räuber zu verhören. Bei Muffinger soll es sich um den Verbrecher Sóbri handeln. Der von Adolf bestochene Kajetan gesteht, die schrecklichsten Gewalttaten mit seinem Anführer begangen zu haben. Um sich zu legitimieren, verweist Muffinger auf das Testament, das von Finkl laut verlesen wird. Darin wird ausdrücklich erwähnt, daß Marie nach freiem Willen heiraten dürfe und nach der Hochzeit Anspruch auf die Erbschaft von 150.000 Gulden habe. An dieser Stelle gibt Finkl sich zu erkennen. Am Ende muß Muffinger nicht nur der Hochzeit von Adolf und Marie zustimmen, sondern auch erkennen, daß Kathi seit zwei Jahren mit Finkl verheiratet ist. 

Aus dem „Nestroy-Schauspielführer“ von Jürgen Hein und Claudia Meyer, Verlag Lehner

Online Merker, 26. Juni 2021
Charivari
Wenn jemand wie Johann Nestroy über 70 Theaterstücke hinterlassen hat, dann finden sich auch nach einem halben Jahrhundert noch „Novitäten“: Tatsächlich werden die von Peter Gruber unerschütterlich verantworteten Nestroy Spiele Schwechat nächstes Jahr 50 (!!!), was möglicherweise dann auch ihr Ende bedeutet. In all den Jahren hat man neben dem Bekannten immer wieder sehr viel Unbekanntes hervorgezaubert. Vor dem Abschied gibt es nun eine komplette Rarität, denn mit einiger Sicherheit ist „Charivari“ seit der Uraufführung am 1. April 1850 nie wieder gespielt worden.

Damit steht dieses Stück unter Nestroys Misserfolgen (und er hatte viele) an der Spitze – es kam über die Premiere nicht hinaus. Die Kritiken waren vernichtend, als wollte man den Autor zu Tode knüppeln. Das bedeutet allerdings nicht, dass dieses „Karrikaturen-Charivari mit Heurathszweck“, wie es im Original heißt, für uns nicht ganz amüsant sein kann. Sicher, die karikierten Figuren aus den satirischen Zeitschriften der damaligen Zeit, die Nestroy hier seinerseits satirisch auf die Bühne brachte, können wir nicht mehr in ihrem einstigen Zusammenhang erkennen. Aber Peter Gruber erweist einmal mehr, wie viel in Nestroys Stücken thematisch und in den Figuren zu finden ist.

In diesem Nach-Revolutionsstück gibt es griffige Gestalten und Situationen, vor allem den versatilen Helden Finkl, von Nestroy mit keinem Beruf versehen, sondern als „Pfiffikus“ charakterisiert. Der Proletarier, dem die Revolution nichts gebracht hat, der aber auf hohem Niveau zu räsonieren versteht. Beruflich bekommt er mit innovativen wirtschaftlichen „Ideen“ keinen Boden unter den Füßen, seine Frau muss sich als Köchin verdingen, darf aber nicht zugeben, verheiratet zu sein, denn natürlich muss sie ein Objekt der Begierde für die Herren des Haushalts darstellen – und das sind die Kapitalisten, die sich (einst wie heute) nicht verändert haben, immer noch glauben, alles stünde ihnen zu und alles sei mit Geld zu kaufen. Logisch, dass Nestroy Lust hat, ihnen den „Prozeß“ zu machen (er tut’s im letzten Akt), eine Lust, die Regisseur Peter Gruber mit Nestroy’schem Groll im Bauch offensichtlich teilt und mit aller Schärfe zugreift.

Neben den Armen, die keine Chance haben, den Reichen, denen doch nichts passiert, neben der absoluten Selbstverständlichkeit der sexuellen Belästigung (eigentlich Ausbeutung), geht es natürlich wie immer und ewig ums Geld. Wenn der Kapitalist ein reiches Mündel hat, wird er gegen den Willen beider versuchen, seinen Sohn mit ihr zu verheiraten, um die Verfügung über ihr Vermögen zu behalten – das sind Zwangsehen, die es auch in Europa immer gab. Das Motiv der Flucht, das bei Nestroy hier humoristisch eine Rolle spielt, muss man in Bezug auf heute nicht überbewerten, der Rest der Motive gibt genügend her.

Und doch ist das Stück die übliche turbulente Verwechslungs-Posse mit Gesang, nur toller als meist, weil der Held Finkl gleich in sechs Verkleidungen auftritt, davon zweimal in Frauenkleidern. Das erfordert einen souveränen Komödianten, und die Aufführung in Schwechat hat diesen in Gestalt von Oliver Baier gefunden, der nach eigener Aussage zwischen Moderation und Kabarett immer zu wenig zum Theaterspielen gekommen ist. Das kann er hier nun reichlich nachholen – als der mit der Welt, den Menschen und den Zuständen hadernde Zeitgenosse, der außerdem noch Eifersuchtsanfälle bezüglich seiner herzigen (und treuen) Köchin-Gattin zu bewältigen hat. Die drolligsten Verkleidungen sind natürlich jene, wenn er als Linzer Köchin auftaucht und wenn er eine verfolgte Schöne spielt, bei Nestroy „Romanheldin“ genannt und hier eine zusätzliche Parodie auf die wohl schon halb vergessene Dagmar Koller. Als angeblich aufgeregter Vater (seinen originalen Glatzkopf zeigend, der sonst unter der Proletarier-Mütze des Finkl steckt), als Waldbauer, der hier zum wahren Wurzelsepp übersteigert ist, und als „Actuarius“, der Alptraum eines selbstgerechten Beamten, liefert er präzise verblödelte Studien. Es ist ein Vergnügen, einem körperlich und geistig so gelenkigen Schauspieler zuzusehen.

Nur bei einer Figur hat sich Peter Gruber verfahren. Gewiß, wenn Finkl als „Wühlhuber“ Radau macht, hat man es mit dem Prototyp des damaligen Bürgerschrecks zu tun, der rücksichtslos an Revolution denkt. Und ein ähnlicher Schreck ist für ein braves Theaterpublikum von heute sicher der islamische Terrorist, den Gruber auf die Bühne bringt. Trotzdem kann man die Parallele einfach nicht ziehen, weil eine solche Figur zu ernst und bedrohlich ist, um lustig zu sein – da wird das Stück für einige Zeit regelrecht gesprengt, bevor es wieder in die komödiantische Schiene einbiegt. Baier meistert auch das, er ist großartig in den Verwandlungen, den Differenzierungen, in der sprachlichen Ausleuchtung der Figuren.

Auch der Rest der Besetzung ist nicht nur glänzend, sie alle agieren, als stünden sie unter Strom, und das ist nötig, um das Stück weiter zu treiben. Brillant ist Rainer Doppler als der Kapitalist Muffinger in seinem unerschütterlichen Selbstbewusstsein, komisch zappelt Marc Illich seinen Sohn Isidor, der auch zu wissen meint, dass ein Reicher Anspruch auf alles hat. Eine prachtvolle Studie liefert Robert Herret als Hausknecht / Faktotum, der sich genau ausrechnet, wie er sich zu verhalten hat, um bestmöglich über die Runden zu kommen.

Der Rest sind die armen Leut’, die bei Nestroy ganz selten bemitleidenswert sind, weil er ihnen meist die Kraft gibt, sich selbst zu helfen. Das gilt für die Frauen – Michelle Haydn als geplagte Köchin Kathi und Ines Cihal als keinesfalls dumme reiche Erbin, die in ihrer Abhängigkeit von gierigen Männern auch arm ist. Lukas Aschenreiter ist ein Liebhaber ohne Geld, und die haben es immer schwer. Unter dem flankierenden „Personal“ ragt Erwin Leder als Wirt hervor. Auch die Nebenrollen fügen sich in ein prächtiges Ensemble.

Der Musikanteil (Otmar Binder) ist gering gehalten, die Ausstattung (gestrige Räume, heutige Kostüme: Andrea Költringer) gibt dem Abend Atmosphäre, und Gruber und Baier haben die aktuellen Zusatzstrophen verfasst – Mangel an Themen gibt es in der österreichischen Innenpolitik ja wahrlich nicht. Genau so hätte Nestroy nach allen Seiten ausgeteilt, aber der hatte ja die Zensur im Nacken…

Welch traurige Idee, dass dies das vorletzte Nestroy-Jahr in Schwechat sein soll. Aber jede vorzeitige Melancholie wird durch den absolut nicht oberflächlichen Spaß vertrieben, den man hier vorgesetzt bekommt. (Renate Wagner)

Kultur & Wein, 28. Juni 2021
Charivari - 1848er Katzenmusik tönt herüber in unsere Zeit

Wenn’s ums Geld geht, fängt bei Nestroy der Spaß erst richtig an

Was ist den eigentlich Charivary? Es gibt nur wenige Wörter im Deutschen, die so vielseitig mit negativem Sinn belegt sind, wie der Ausdruck für die Schmuckkette am männlichen Trachtenanzug. Allein die Vorstellung eines Bierbauches, eingezwängt in einer Lederhose, überragt vom feisten, rotbrezerten Gesicht eines Gscherten, der seinen Wohlstand über der Wampe klimpern lässt, birgt für sensible Gemüter bereits einiges an Grauen, wenngleich es sich hier um die ursprüngliche Bedeutung handelt. Erfunden muss diese kleidsame Verwendung ein witziger, jedoch belesener Geist haben, denn im Spätlateinischen bedeutet „caribaria“ gleich wie das altgriechische „χαρηβαρέω“ Kopfschwere, beziehungsweise Kopfschmerzen. Aus der Antike herauf haben uns die Franzosen das Vokabel „charivari“ gerettet. Dort benennt es schlicht den Radau oder, nicht uninteressant, eine in der Haut cuisine offenbar nicht geschätzte Variante des Erdäpfelsalates. Womit wir wieder beim ausgefressenen G’stopften rustikaler Prägung wären. In unseren Landen ist daraus im 19. Jahrhundert die Katzenmusik geworden, der Lärm, den unzufriedene Untertanen im Rahmen von Demonstrationen veranstaltet haben. Zum Großeinsatz kam diese Form des Protests anno 1848, als sich sogar die an sich nur raunzenden Wiener zur Revolution entschlossen hatten und dank dieses Aufstands nichts, aber schon gar nichts verbessern konnten. Sie haben es viel mehr Johann Nestroy übel genommen, wenn er sich in seinen Possen darüber lustig gemacht hat. So musste auch das 1850 uraufgeführte „Charivari“ nach der Premiere umgehend abgesetzt werden.

Offenbar konnte damals niemand darüber lachen, wenn ein hintertriebener Geldsack von findigen Habenichtsen um seinen Reichtum geprellt wird. Gott sei Dank war Peter Gruber anderer Meinung. Der Nestroy-Spezialist und treue Intendant wagte es, in der 49. Auflage der Nestroy-Spiele Schwechat „Charivari“ auf den Spielplan zu setzen und hat uns damit einmal mehr eine Rarität aus dem Schaffen unseres allseits geliebten Bühnenautors neu entdeckt. Wenn Gruber Regie führt, dann ist das in diesen Possen verspottete Biedermeier ungeschminkte Gegenwart, über die man sich dennoch köstlich amüsieren kann. Mit drehbaren Elementen wird die Bühne in der Rothmühle zum vielgestaltigen Schauplatz dieser Komödie, in der ein gewisser Muffinger, seines Zeichens Ex-Kürschner und aktuell Anlagenjongleur fremden Geldes, sein Mündel zwecks Erhaltung des Vermögens an seinen Sohn verheiraten will. Rainer Doppler ist dieser – laut eigener Ansicht – ehrsame Kapitalist, was an sich ein Scherz ist. Sein Wappentier ist der Sauschädel und Muffinger wird diesem Adel voll gerecht. Dass Isidor (Marc Illich), sein schüchterner Nachwuchs, ein Auge auf die resche, fesche Köchin Kathi geworfen hat, stellt für den Alten kein Problem dar, zumal er selbst die junge Dame zu ehelichen gedenkt. An der erfrischend natürlich in ihrer Küche werkenden Michelle Haydn beißen sich aber beide die Zähne aus. Schließlich ist Kathi verheiratet, wenn’s auch niemand wissen darf. Das gibt ihrem von einer langen Asphaltierer-Reise zurückgekehrten Gatten Jeriel Finkl die Möglichkeit, im Hause Muffinger Ordnung zu schaffen.

Oliver Baier beginnt seine Tour de Force durch eine Reihe von abenteuerlichen Verkleidungen mit der Feststellung „S’is ka Element für die Menschennatur!“ und hat auch später genügend Möglichkeiten, in den Couplets mit Politik und anderen Unerfreulichkeiten abzurechnen, quasi ein Karikaturen-Charivari mit Heurathszweck, so der Originaltitel, zu fertigen. Mit trickreichem Mummenschanz schafft er es, die beiden Liebenden, das Mündel Marie (Ines Cihal) mit dessen Geliebten, dem mittellosen Medizinstudenten Adolf Flamm (Lukas Aschenreiter) zu vereinen und sogar einen in die Jahre gekommenen „Security“, den Hausdiener Kajetan (Robert Herret) auf seine Seite zu ziehen. Das alles wäre nicht möglich, ohne das Zutun einer Reihe von respektablen Nebendarstellern wie Gabi Herbsthofer als Greislerin Sandl, deren Kollegen Primsen (Franz Steiner), der Wirtsleute Herrn und Frau Krügl (Erwin Leder, Bella Rössler), deren Keller sich im Wandumdrehen zur finsteren Folterkammer – und das nicht nur des sauren Weines wegen – verwandelt. Für die wahrhafte Unmenge an gelungenen Kostümen immer am richtigen Schauspieler sorgt Andrea Költringer und Otmar Binder für die fein begleitenden Klavierklänge, weit abseits von besagter Katzenmusik.

Wiener Zeitung, 28. Juni 2021
"Charivari" in Schwechat: Vom Schweinischen im Menschen
Radetzkymarsch, Geschützlärm, Kaiserhymne. „Capitalism ist the virus“ und „Revolution“ steht auf der Bühnenwand, die sich öffnet und den Blick auf einen Schweinskopf freigibt – ein Bild, das am Ende ähnlich wiederkehrt und etwas verstörend einen unsympathischen Menschen zur Sau degradiert. Die Nestroyspiele Schwechat spielen heuer das bald nach der Revolution von 1848 anonym veröffentlichte Stück „Charivari“, mit dem Nestroy bei der Uraufführung beim revolutionsmüden Publikum durchfiel. Das Wort „Charivari“ kann vieles bedeuten, es steht auch für eine satirische Zeitschrift dieser Zeit. Intendant Peter Gruber serviert temporeich eine politische Satire, die mit den „ehrsamen Kapitalisten“ abrechnet. Der Inhalt – gieriger Vormund erleidet mit seinen Plänen Schiffbruch – ist Nebensache.

Für unterhaltsames Sommertheater sorgen mehrere – an den „Fliegenden Blättern“ des Vormärz orientierte – Verkleidungen, Nestroy’scher Wortwitz und viele aktuelle politische Anspielungen.

Ein urkomödiantischer Oliver Baier führt in der Nestroy-Rolle des Pfiffikus Finkl, brillierend mit bissigen Zusatzstrophen zu einem geistreichen Couplet über den richtigen Zeitpunkt, ein Ensemble ohne Schwachpunkt an, das überschwängliche Nach-Corona-Spielfreude ausstrahlt. In den Hauptrollen bewähren sich Rainer Doppler als Kapitalist Muffinger, Marc Illich als dessen dümmlicher Sohn Isidor, Michelle Haydn als „fesche-resche“ Köchin Kathi, Ines Cihal als aufbegehrendes Mündel Marie, Lukas Aschenreiter als deren Liebhaber Adolf und Robert Herret als um seinen Broterwerb bangender Hausknecht Kajetan. (Heiner Boberski)

Österreich, 28. Juni 2021
"Charivari" als Schwechat-Hit
Wegen der Corona-bedingten Absage 2020 begehen die Nestroy-Spiele in Schwechat heuer ein Comeback. Mit Charivari, eine Rarität, die Intendant Peter Gruber wiedererweckt hat, feierten die Festspiele Auftakt. Jubel. Standing Ovations gab es für Oliver Baier, der als Jeriel Finkl brillierte.

NÖN, 28. Juni 2021
Sommertheater-Kritik: Charivari
Ein „Durcheinander“ war’s schon. Eine „Karikatur mit Heurathszweck“, wie sie schon ihr Autor nannte, auch. Aber ein „Katzenlärm“? War’s gar nicht, was Peter Gruber da im 49. (!) Jahr seiner Nestroy-Spiele im Schloss Rothmühle auf die Bühne brachte.

Im Gegenteil. So komisch, so musikalisch und – auch – so politisch war Nestroy schon lange nicht. Das Hin und Her rund um einen „Haustyrannen“ (grandios und despotisch Rainer Doppler als Muffinger), seine Köchin (resch und fesch: Michelle Haydn als Kathi), deren arbeitslosen Gatten (wunderbar und wandelbar: Oliver Baier als Finkl) und noch ein paar Heirats(un)willige war dagegen tatsächlich ein heilloses, der Abstecher zu den Dschihadisten ein verzichtbarer, das Happy End ein höchst ersehntes.

Fazit: Ein grandioses Durcheinander von kuriosen Herren und grandiosen Katastrophen. (Michaela Fleck)

Falter, 01. Juli 2021
Posse mit protzigem Pelz
„Fuck your property“ und „Capitalism is the virus“ hat jemand auf das Gebäude des ehemaligen Kürschners Muffinger gesprayt. Nicht einmal der tattrige Hausknecht verhehlt seine Verachtung des reichen Herrn. Der, im protzigen Pelz, will seinen verklemmten Sohn partout mit dem Bücherwurm von Mündel verheiraten, gegen beider Willen. Doch die vife Köchin und ihr genialischer, aber krankhaft eifersüchtiger Ehemann bringen Muffinger mit einer haarsträubenden Intrige zur Strecke. Soweit der Plot von „Charivari“, das die Nestroyspiele mit dem ihnen eigenen Mix aus literaturwissenschaftlichem Interesse und politischer Griffigkeit zur zweiten Realisierung seiner Geschichte bringen. Bei der Uraufführung kurz nach der gescheiterten Revolution 1848 fiel Nestroys Stück nämlich nachhaltig durch.

Angesichts der Wiederentdeckung lässt sich das zwar gut nachvollziehen, aber Regisseur Peter Gruber packt die krude Posse mit Tempo und Respektlosigkeit an. Neben virtuosen Travestienummern von Oliver Baier glänzt durch unverkrampft resches Nestroy-Spiel Michelle Haydn als Köchin Kathi. Die von Gruber und Baier gedichteten Zusatzstrophen der Couplets fallen besonders bissig aus. Über den Reim vom Kanzler und seinem Schwanzier lachte bei der Premiere sogar die Landeshauptfrau. (Martin Pesl)

Kronenzeitung, 05. Juli 2021
Wo bleibt der Biss?
Viel hat Nestroy geschrieben, Bekanntes, weniger Glänzendes, mit Karacho Durchgefallenes. Die Nestroy-Spiele in Schwechat, seit bald 50 Jahren eine Institution, knöpfen sich auch die weniger überzeugenden Werke vor. Und spielen nun die durchsichtige Posse „Charivari“ mit gelindem Sommerschmäh. Figurenbetont!

Tja, welch ein Stoff. Ein Alter, der seiner jungen Köchin nachsteigt und das Geld seines Mündels jagt … Dazu lustige Nebenfiguren, am Ende … das obligate Happy End. Ahnliches wurde x-mal dramatisiert, mal besser, mal schlechter. Nestroy machte aus diesem Schnittmuster eine Posse, die mit viel Verkleidungsshow aufwartet, aber kaum Handlungsstoff bietet. Viel Theater für wenig Inhalt.

In Schwechat strickt Regisseur Peter Gruber einen Abend rund um Oliver Baier, der mit gelenkigem Blödeln vor allem eines macht: sich verkleiden. Das zieht immer, vor allem unter lauem Sommerhimmel, und das macht ja auch Spaß. Solange man sich nicht versteigt und zum Beispiel platte Islamisten-Klischees auf die Bühne zerrt. Man klamaukt also kräftig, politisiert simpel (Huch! Kapitalismus!). Man setzt auf Figuren und Typen. Und bleibt zahm.

Nestroy schrieb wider die Zensur, schrieb, was nicht gesagt werden durfte. In Schwechat kichert man über Chat-Protokolle (Aber wer hatte das Thema noch nicht im Repertoire?) und macht sich Sorgen ums Klima (Machen wir uns alle). Aber ist das schon Nestroy-like? Hat das wirklich schon Biss?

Grandios das Bühnenbild mit grau-unfreundlichem Beton (Andrea Költringer), unterhaltsam Oliver Baier, lnes Cihal, Rainer Doppler, Lukas Aschenreiter. (AN)

Kurier, 05. Juli 2021
DIe unbekannte Nestroy-Posse "Charivari" in Schwechat
Verblüffend wie treffend sich die Texte Nestroys, des großen Analytikers menschlicher Abgründe und gesellschaftlicher Kalamitäten des 19. Jahrhunderts, auf unsere Zeit beziehen lassen. Das kann man bis 31. Juli im pittoresken Innenhof des Schlosses Rotmühle bei Schweehat erleben, wo Peter Gruber seine Nestroy-Spiele abhält. Für die aktuelle Ausgabe hatte der Intendant und Regisseur die unbekannte Posse „Karikaturen-Charivari mit Heurathszweck“ bearbeitet. Keine leichte Aufgabe, denn das Original fiel schon bei der Uraufführung 1850 durch und wurde sofort abgesetzt. Gruber gelingt es, den Wirrwarr um einen erbschleicherischen Kapitalisten als sehenswertes Sommertheater zu zeigen, weil er den Volksdichter Nestroy beim Wort nimmt, der in dem Stück Persönlichkeiten des damaligen gesellschaftlichen Lebens karikierte.

Gruber legt das in seiner „Charivari“ – das bedeutet Lärm, Chaos – genannten Fassung auf heutige Verhältnisse auf Andrea Költringers liebevoll eingerichteter Bühne um. Die Rolle des Finkl hat Oliver Baier übernommen. Ein glänzender Komödiant, ein echter Spielmacher ist da am Werk. In seinen Gstanzln lässt er von Corona, Klimawandel und U-Ausschuss kaum etwas aus. Rainer Doppler zeigt den Kapitalisten und Kürschner Muffinger extra unsympathisch im echten Fuchspelz. Robert Herret ist dessen famoser Hausknecht Kajetan. Marc Illich zeigt den reichen Sohn Isidor als Kunstfigur. Ines Cihal, Michelle Haydn und Adolf Flamm komplettieren das Ensemble ausgezeichnet. Dem ausgiebigen Applaus kann man nur zustimmen. (Susanne Zobl)

Die Presse, 09. Juli 2021
Hilfe, ich wurde gefellnert!
Ein unbekanntes Stück des Possendichters gekonnt und unaufdringlich modernisiert – mit Anspielungen auf Kurz, Dagi, Fellner und viele mehr.

Die falsche Blondine schreit los, als sich der Sohn des Hauses ihr unsittlich nähert: „Hilfe, ich wurde gefellnert.“ Auch von „SMS an den Kanzler vom Schwanzler“, die besser hätten gelöscht werden sollen, oder von bei der Impfung eingesetzten Chips wird gesungen. Bei den Nestroy-Spielen Schwechat hat man das unbekannte Stück „Charivari“ ausgegraben. Das originale Verwirrspiel allein wäre noch nicht den Ausflug in den Innenhof von Schloss Rothmühle wert. Doch wäre es ein falsches Verständnis von Nestroy, würden nicht – mit großem Respekt für den Possendichter – Anspielungen und Aktualitäten eingebaut. Intendant und Regisseur Peter Gruber schafft diese Gratwanderung, der Posse ebenso gerecht zu werden wie dem Amüsierbedürfnis der Zuschauer.

Doch erst zum Original: Katzenmusik, Durcheinander, Lärm, aber aucuh Schmuckkette am Männertrachtenanzug sowie eine franuzösische Art des Kartoffelsalats – das alles seien Bedeutungen des Stücktitels, lernt man im Programmbuch. Und ein wahres Durcheinander wird in dieser 1850 uraufgeführten Posse, die nach der damaligen Premiere verschwand und nun modernisiert wurde, tatsächlich kreiert. Da will ein kapitalistisch denkender Witwer sein Mündel Marie mit seinem leiblichen Sohn verheiraten, damit ihr Vermögen in der Familie bleibt – was der eigentliche Verehrer Maries verhindern möchte. Unterstützung bekommt er dabei vom Mann der Köchin des Witwers, die ihrerseits von Arbeitgeber und Sohn verehrt wird, welche von ihrer Ehe nichts wissen. Ihr heimlicher Gatte – einst Nestroys Rolle – hat nicht nur allerhand Ideen, wie er durch seine Erfindungen die Welt verbessern könnte, sondern auch Einfälle, wie man das Mündel und seine eigene Frau vom Witwer schützen könnte.

Und hier setzt man in Schwechat bei dem an, was nicht bei Nestroy steht und das Publikum umso mehr amüsiert. Die Vorstellung baut ganz auf den Facettenreichtum Oliver Baiers, der die Nestroy-Rolle spielt. Da wird er, um den Vormund zu verwirren, zum frauenverführenden Alibaba, „Sohn von Alibabapapa“, mit langem Bin-Laden-Bart, der „Ich mach’ dich AKH“ droht und nach einem Schuss aus seiner Pistole fragt: „Was ist tödlicher: ein Querschläger oder ein Querdenker?“ Auch von jahrzentelanger provisorischer Erstaufnahme ist in der Flüchtlingsepisode die Rede – und von „unerschöpflicher Politikersprache. Wenn man nicht merken soll, wie grausam etwas ist, erfinden sie einen blumigen Ausdruck dafür.“

Manches ist an der Grenze des guten Geschmacks, geht sich aber gerade noch aus. Unbeschwerter lachen kann man über Oliver Baier als Dagmar-Koller-Parodie – die nach einem Annäherungsversuch des Sohnes des Hauses eben auf die eingangs erwähnten Vorwürfe gegen den heimischen Medienmacher anspielt. Außerdem tritt Baier als herrlicher Bergfex Luis auf, der den Heiratsplänen des alten Witwers gegenüber der Köchin, also seiner Frau, eine resche Abfuhr erteilt: „Goa kana kriagt’s.“

Womit man in die Pause geht und eigentlich denkt, das Stück könnte zu Ende sein. Tatsächlich ist er zweite Akt eher entbehrlich, wäre da nicht das von Baier vorgetragene – und von ihm und Gruber verfasste – Couplet mit Seitenhieben auf Impfstoffe, Testen, Masken, Computerchips und den Ibiza-Ausschuss, bei dem sich „die Engerl die Klinge in d’ Hand geben“. Auch die Klimakrise mache die Menschen „nicht gescheiter, sie tun einfach weiter“. Man sehe „an den Schaltstellen so viele Luschen und die Medien sollen guschen“. Schließlich bleibt die Erkenntnis: „Die Welt g’hörat g’setzt auf a Menschendiät, sonst ist alles zu spät.“

All die Aktualisieurngen sind gut mit Nestroys Verwirrspiel, das vor verschiebbaren Wandelementen abläuft, verquickt. Mit Rainer Doppler fand Intendant Gruber einen souveränen Darsteller für den Kapitalisten und Mündelreichtumsverwalter Muffinger. Als dessen Sohn gefällt Marc Illich. Als Kathi ist Michelle Haydn eine resolute, höchst präsente Köchin. Vor allem ist es Oliver Baier mit seiner großen Wandlungsfähigkeit, der die Vorstellung trägt. In seinen verschiedenen Rollen zwar so dick aufzutragen wie nötig, aber nie zu sehr zu outrieren, das ist wahre Nestroy-Kunst. (Therese Steininger)

NÖN, 03. August 2021
Gruber: "Das Risiko hat sich ausgezahlt"
So viele dunle Wolken wie heuer schwebten in der 49-jährigen Geschichte noch selten über den Schwechater Nestroy-Spielen. Vor allem die Corona-Situation machte eine Planung im Vorfeld zu einer Herausforderung, zumal eine virusbedingte Absage stets im Bereich des Möglichen lag. Doch: „Das Risiko hat sich ausgezahlt“, atmet Regisseur und Intendant Peter Gruber im Gespräch mit der NÖN durch.

Das lässt sich auch in Zahlen ausdrücken – mehr als 4.000 Besuche wurden bei den 19 Vorstellungen gezählt. Lediglich zwei von 21 geplanten Spieltagen mussten wegen Regens abgesagt werden. Als bestes Beispiel für das „Wetterglück“ dient der letzte Spieltag am vergangenen Samstag. „Es begann erst zu nieseln, als sich die Darsteller auf der Bühne verbeugt haben“, schmunuzelt Gruber.

Die Auslastung lag letztlich bei 76 Prozent – ein beachtlicher Wert, wenn man bedenkt, dass erst ab Juli eine 100-prozentige Auslastung zugelassen war. Zum Vergleich: In normalen Spielzeiten liegt die Auslastung bei über 90 Prozent. Das Stück „Charivari“, ein bisher selten aufgeführtes und im Grunde unbekanntes Nestroy-Schauspiel, kam jedenfalls gut an. Nicht nur die Kritiken waren positiv, auch die Rückmeldungen der Zuseher. „Manche sagten sogar, es hätte ihnen von allen Stücken am besten gefallen“, erzählt Gruber. Der Regisseur war zwar von Anfang an begeistert, wählte das Stück aber aus einem anderen Grund aus: So konnte es aufgrund der Bühnenspiel-Struktur in Kleingruppen und damit corona-konform geprobt werden.

Nestroy-Spiele feiern nächstes Jahr den 50er

Auch wenn das Ensemble auf der Bühne weniger groß war als sonst, spielten natürlich auch heuer wieder zahlreiche Laiendarsteller mit. Das wird sich im kommenden Jahr ebenso wenig ändern, wenn auch die Hoffnung auf eine corona-freie Spielzeit besteht.

Immerhin steht dann das 50-Jahr-Jubiläum der Nestroy-Spiele Schwechat am Programm. Was gespielt wird, steht noch nicht fest – Gründer Peter Gruber (74) wird jedenfalls an Bord sein. Danach sei alles offen, sagt er. Zudem soll es eine Festveranstaltung geben, in welcher Form ist aber noch offen.