Frühere Verhältnisse
Josephine und Scheitermann sind ohne Bedienung, weil sie gerade ihre beiden Dienstboten entlassen haben. Scheitermanns größte Angst ist stets, daß seine Frau, eine Professorentochter, von seinen „früheren Verhältnissen“ erfahren könnte. Er ist als Sohn eines Schusters geboren worden und war früher ein Hausknecht. – Auftrittslied Peppi, 3 („Theater! O Theater, du“). – Peppi war früher Köchin bei Josephines Vater und spielt nun die erste Liebhaberin bei einem Wandertheater. Allerdings war ihr kein größerer Erfolg beschert, weshalb sie nun zu ihren „früheren Verhältnissen“ zurückkehren will. Sie hofft, bei Josephine erneut eine Anstellung zu finden. Tatsächlich nimmt Josephine sie freudig auf und erzählt sofort von ihren Sorgen: Sie hege den Verdacht, daß ihr Mann ein Geheimnis vor ihr habe, und fürchte, es könne mit einem Verbrechen zusammenhängen. Peppi soll helfen, das Geheimnis zu lüften. – Auftrittslied Muffl, 5 (R: „So giebt’s viel’ gute Mensch’n, aber grundschlechte Leut’.“). – Muffl hat ein trauriges Schicksal hinter sich: Er hatte ein Material-Geschäft, das durch einen Kompagnon zugrunde gerichtet wurde. Er konnte 10.000 Gulden retten. Bei einer Kur lernte er jedoch eine Schauspielerin kennen, mit der er sich verlobte. Wenig später verließ sie ihn wegen zweier reicher Ausländer. Er begann umherzureisen und zu trinken, bis er, völlig verarmt und heruntergekommen, beschloß, Hausknecht zu werden. Bei Scheitermann bewirbt er sich nun um diese Stellung. Beide Männer sind nicht wenig erstaunt, als sie einander erkennen: Scheitermann war früher Hausknecht bei Muffl gewesen. Zwar leugnet Scheitermann zunächst seine Identität, gesteht Muffl dann aber seine Situation. Verzweifelt versucht er Muffl loszuwerden, doch der verlangt eine Anstellung. Ansonsten droht er Scheitermanns „frühere Verhältnisse“ überall herumzuerzählen. Schließlich gibt Scheitermann nach, woraufhin Muffl verspricht, kein Wort zu sagen. Dafür verlangt er eine gute Bezahlung. Ängstlich läßt Scheitermann ihm seinen Willen. Als Muffl auf Peppi trifft, erkennt er in ihr seine frühere Geliebte. Allerdings glaubt er, sie sei die gnädige Frau. Peppi läßt ihn in diesem Glauben, um ihm nicht ihre wahre Stellung offenbaren zu müssen. Aufgrund ihrer Position versucht sie, Muffl aus dem Haus zu werfen, doch er droht auch ihr, ihre „früheren Verhältnisse“ auszuplaudern. Josephine ist verärgert darüber, daß ihr Mann einen hergelaufenen Hausknecht aufgenommen hat, ohne sie zu fragen. Peppi berichtet, daß Muffl offensichtlich etwas von Scheitermanns Geheimnis weiß. Sogleich verkündet Josephine Scheitermann ihr Wissen darüber, daß Muffl ein Geheimnis über ihn hütet. Sie verlangt von Scheitermann, Muffl fortzuschicken. Ansonsten will sie ihn verlassen. Obwohl Scheitermann Muffl von den Problemen mit seiner Frau erzählt, bleibt dieser unerbittlich. Statt nachzugeben, eröffnet er Scheitermann, daß auch seine Frau nicht die Vergangenheit hat, die sie vorgibt. In Wahrheit sei sie keine Professorentochter, sondern die Tochter eines Kellners und einer Wäscherin. Früher sei sie Dienstbotin und Köchin, dann Schauspielerin gewesen. Er selbst sei mit ihr verlobt gewesen, bevor sie ihn wegen zweier Liebschaften verlassen habe. Allerdings liebe sie ihn noch heute. Scheitermann will diese Enthüllungen nicht glauben. Doch Muffl versichert, daß auch die angebliche Tante bezahlt sei und die Manieren und die Bildung seiner Frau nur Verstellung seien. Entschlossen erklärt Scheitermann, er wolle sich scheiden lassen. Insgeheim hat Peppi das Gespräch belauscht und glaubt, verstanden zu haben, daß Scheitermann einen Mord und einen Raub begangen hat. Dies berichtet sie Josephine. Umgehend stellt Scheitermann seine Frau über ihre Vergangenheit zur Rede. Doch auch Josephine will das Geheimnis von ihrem Mann erfahren. Es kommt zu Mißverständnissen, so daß Scheitermann glaubt, Josephine tatsächlich entlarvt zu haben, während Josephine beginnt, am Verstand ihres Mannes zu zweifeln. Erst als sich Muffl und Josephine gegenüberstehen, wird allmählich deutlich, daß es sich um eine Verwechslung handelt. Doch nur durch Peppis Erscheinen und ihr Geständnis, sich als gnädige Frau ausgegeben zu haben, kann die Situation endgültig geklärt werden. Es stellt sich heraus, daß Josephine schon lange von den „früheren Verhältnissen“ ihres Mannes wußte. Zum glücklichen Schluß verkündet Josephine, daß Muffl und Peppi mit ihrer Hilfe in einer fernen Stadt ein Handelsgeschäft eröffnen werden und somit heiraten können.
Aus dem „Nestroy-Schauspielführer“ von Jürgen Hein und Claudia Meyer, Verlag Lehner
Zeitvertreib
Für drei Monate kann Feldern mit seinem Diener Bumml in der Wohnung seiner verreisten Tante, der Witwe Stiegenberg, wohnen. Beide haben ein Rendezvous in Aussicht. Allerdings läßt Stockmauer Feldern wegen seiner Schulden unter Hausarrest stellen. Zwar ist sich auch Stockmauer sicher, daß die Tante nach ihrer Rückkehr die Schulden des Neffen zahlen wird, doch hatte Feldern ihm in der Vergangenheit des öfteren die Geliebte abspenstig gemacht. Nun hat Stockmauer zur Zeit zwei neue Liebschaften und will verhindern, daß der Kontrahent ihm erneut einen Strich durch die Rechnung macht. Um zum Zeitvertreib einige Frauen in die Wohnung zu locken, diktiert Feldern ein Plakat, mit dem die Witwe Stiegenberg nach Modistinnen sucht. Bumml erhält den Auftrag, das Plakat zu vervielfältigen und aufzuhängen. Dabei ändert er „Modistinnen“ eigenmächtig in „Weißnähterinnen“, da seine ehemalige Geliebte Sali diesen Beruf ausübt und er hofft, sie auf diesem Wege wiederzufinden. Es dauert nicht lange, bis sich Netti bei Bumml, der sich als Stubenmädchen verkleidet hat und sich Rosa nennt, nach der Anstellung erkundigt. Sie beschließt, mit allen Kolleginnen wiederzukommen, um sich der Witwe selbst vorzustellen. – Chor der Mädchen 13. – Sieben Weißnähterinnen, unter ihnen auch Sali, stellen sich bei Feldern vor, der sich ebenfalls als Frau verkleidet hat. Um den Frauen Arbeit zu verschaffen, zerreißen Feldern und Bumml kurzerhand einige Hemden aus der Wäschetruhe der Tante. Da sie sich gegenseitig beim Anknüpfen von Bekanntschaften behindern, beschließen Feldern und Bumml, die Mädchen in zwei Gruppen einzuteilen. Zwar teilt Feldern sich nur drei, Bumml dafür vier Mädchen zu, dennoch fühlt der Diener sich übervorteilt, zumal Sali nicht in seiner Gruppe ist. – Chor der Mädchen 15. – Während Feldern noch überlegt, welche zwei Mädchen er unter einem Vorwand wegschicken könnte, stürzt Netti aufgeregt herein. Die Mädchen haben entdeckt, daß das angebliche Stubenmädchen ein Mann ist. Feldern gibt vor, einer Ohnmacht nahe zu sein, und setzt Bumml vor die Tür. Dort trifft dieser auf Stockmauer, dem er die Rolle eines unschuldigen Mädchens vorspielt. Schon um sich an Feldern zu rächen, sucht Stockmauer die Bekanntschaft des Mädchens. Als er hört, daß noch weitere Mädchen in der Wohnung sind, plant er bereits einen interessanten Abend. Doch muß er nicht nur erkennen, daß es sich bei dem unschuldigen Mädchen um einen Mann handelt, er findet zusätzlich seine zwei Geliebten in der Wohnung. Zum Erstaunen der Mädchen entpuppt sich auch die Witwe als Mann. Da Stockmauer indirekt an diesen Verwechslungen Schuld ist, ist er angesichts der netten Gesellschaft gerne bereit, ein Diner zu stiften. Zwar ist Bumml unzufrieden, daß so viele angefangene Geschichten noch kein rechtes Ende gefunden haben, trotzdem stellt er fest: „Daran hängt das Heil von Europa nicht! […] das Ganze war ja nur ein – Zeitvertreib.“
Aus dem „Nestroy-Schauspielführer“ von Jürgen Hein und Claudia Meyer, Verlag Lehner