Verwickelte Geschichte!

Posse mit Gesang in 2 Acten
Uraufführung
22. Juni 1850, Carl-Theater (4 Aufführungen)
Nestroy-Rolle
Wachtel (Rollenverzeichnis 760)
Musik
Carl Franz Stenzel
Nachweise: Hilmar S. 63
HKA Stücke 29, S. 383–384
Überlieferung
Gladt S. 47
Hadamowsky 1934, S. 151
SW Bd. 5, S. 740–749
HKA Stücke 29, S. 311–374
Werkausgaben (Stücktext)
CG Bd. 2, S. 127–154
SW Bd. 5, S. 529–578
HKA Stücke 29 (Hg.: Obermaier), S. 109–146 und 149–156 (einaktige Fassung)
Musik (erhältlich)
Literatur
HKA Stücke 29, S. 10
Kessel Bräuhaus-Inhaber
Pauline seine Mündel
Mathilde seine Schwägerin
Faß Bierführer
Agnes Geldeinnehmerin im Bräuhauslokale
Franz ein Anverwandter Kessels und dessen Oberkellner
Staub ein Gelehrter
Stern ein Architekt
Wachtl
Bräuhausknechte

Die Handlung spielt in Kessels Bräuhaus-Lokale in der Nähe einer großen Stadt.

 

1. Akt

Franz möchte Pauline heiraten, doch diese soll nach dem Wunsch ihres verstorbenen Vaters den Sohn eines Jugendfreundes ehelichen. Dieser ist Architekt in Rom und Pauline nicht persönlich bekannt. Aufgrund seiner Briefe hat sie sich in ihn verliebt. Weil er selbst sein Mündel heiraten möchte, will Kessel nicht in eine Hochzeit von Pauline und Franz einwilligen. Faß, der von sich sagt „seit zwei Jahren is Deutschland meine einzige Liebe“, soll in Kessels Auftrag jemanden finden, der sich für Pauline als deren unbekannter Bräutigam ausgibt, jedoch so „fad, ungebieldet, z’wieder“ ist, daß Pauline jegliches Interesse an ihm verliert. Für seine Hilfe verspricht Kessel Faß eine gute Belohnung. Dieser verlangt vor allem, daß einst deutsche Eichen auf sein Grab gepflanzt werden. Mit Mathilde spricht Pauline über die für den heutigen Tag von Kessel angekündigte Ankunft ihres Bräutigams, den sie in acht Tagen heiraten soll. Um seine Gefühle einer Prüfung zu unterziehen, bittet Pauline Mathilde, ihre Rolle zu übernehmen. Pauline selbst will sich als einfache Dienerin ausgeben. Zwar weist Mathilde auf die Gefahren einer solchen Verwechslung hin, ist mit dem Vorschlag aber einverstanden. Franz ist außer sich vor Verzweiflung über die bevorstehende Ankunft von Paulines Bräutigam. Er droht sich zu erschießen, doch als Agnes ihm die vermeintliche Pistole aus der Hand reißt, hält sie nur ein Metallrohr in der Hand. Pauline verbittet sich daraufhin jede weitere Belästigung. Angesichts dieses Mißerfolgs glaubt Franz sich aller Hoffnung beraubt, doch Agnes hat Mitleid mit ihm. Sie schlägt ihm vor, jemanden zu suchen, der Pauline den unbekannten Bräutigam auf eine abstoßende Weise vorspielt. Dankbar nimmt Franz die Idee auf, die Agnes nicht ohne Stolz entwickelt. Faß hat Wachtl für die Rolle des Bräutigams ausgesucht. Allerdings muß er nun in Wachtl einen eingefleischten Philister erkennen, der nichts von dem frisch projektierten Deutschland hält. Er beschließt deshalb, kein Wort mehr mit diesem Mann zu reden. Von Kessel erhält Wachtl letzte Anweisungen und entsprechende Kleidung. Nun erfährt der angebliche Bräutigam, daß er für 100 Gulden einen aus Rom kommenden Architekten namens Stern mimen soll, der sich Pauline gegenüber äußerst aufdringlich verhalten soll. Allerdings ahnt Kessel nicht, daß es sich bei Wachtl um Sterns Bedienten handelt. Mathildes und Paulines Verwechslungsspiel scheint Kessel für seinen eigenen Plan durchaus passend. Wie verabredet überschüttet Wachtl Mathilde, von Pauline und Kessel belauscht, mit Komplimenten über ihre Schönheit und erkundigt sich nebenbei nach ihrem zu erwartenden Erbe. Pauline ist über diesen Auftritt sehr befremdet. Kessel ist hoch zufrieden. Wachtl wird zwar von dem Gedanken geplagt, seinen Herrn zu verraten, aber angesichts der guten finanziellen Aussichten dieser Braut hegt er bereits eigene Pläne. Doch als Faß die Ankunft von Stern meldet, muß Wachtl Kessel gestehen, dessen Diener zu sein. Um die Verwechslung Pauline gegenüber aufrechtzuerhalten, befiehlt Kessel Wachtl gegen gute Bezahlung, die Rolle von Stern weiterzuspielen. Tatsächlich ist Stern wütend über das Betragen seines Bedienten. Als er ihn züchtigen will, tritt Kessel dazwischen und behauptet, Wachtl als Stern gut zu kennen. Auch Wachtl faßt Mut und behauptet, es handle sich hier um einen betrunkenen Diener. Schießlich läßt Kessel Stern von seinen Bräuknechten hinauswerfen.

2. Akt

Pauline weiß nicht recht, was sie von dem Erscheinen des zweiten Stern halten soll, doch Mathilde ist davon überzeugt, mit dem rechten Herrn gesprochen zu haben. Zudem ist sie sich sicher, daß der Herr sich in sie verliebt habe und sich auch von dem nicht vorhandenen Geld letztlich nicht abschrecken lassen werde. Pauline fürchtet dagegen, der zweite, den sie nicht zu Gesicht bekommen hat, sei der Richtige gewesen. Im Garten trifft Pauline auf Stern, der sie für eine Dienstbotin hält und sich bei ihr nach den Gefühlen seiner Braut ihm gegenüber erkundigt. Wahrheitsgemäß erklärt Pauline, diese habe sich über die Diskrepanz zwischen den Liebesbriefen und seinem langen Ausbleiben gewundert. Sie freut sich über Sterns Antwort, er habe erst den glücklichen Ausgang eines Prozesses abwarten wollen, um seiner reichen Braut nicht in beengten finanziellen Verhältnissen gegenübertreten zu müssen. Paulines Behauptung, bei Mathilde handle es sich um die erwartete Braut, weist Stern entschieden als Irrtum zurück. Dagegen sieht er in Pauline eher seine Erwartungen erfüllt. Um sich nicht zu verraten, flüchtet Pauline ins Haus. Von Faß erfährt Stern von den vorangegangenen Verwechslungen, was ihn seinerseits auf die Idee für eine kleine Rache bringt. Unterdessen sieht Wachtl Schwierigkeiten auf sich zukommen. Während er sich bereits als Bräutigam einer reichen Erbin sieht, ist ihm in Gestalt von Agnes eine seiner einstigen Freundinnen begegnet. Doch wider Erwarten ist Agnes sehr freundlich. In ihren Augen wird es für Wachtl die größte Strafe sein zu erkennen, daß seine reiche Braut nur ein armes Stubenmädchen ist. – Lied Wachtl II, 6 (R: „Und ich weiß nicht, warum!“). – Franz hat Staub als angeblichen Bräutigam engagiert. Während dieser in der Wirtsstube auf Onkel und Mündel wartet, trifft er auf Wachtl und Mathilde. Zwar ist Staubs mit lateinischen Brocken gespicktes Deutsch nur schwer verständlich, doch wird deutlich, daß er ebenfalls vorgibt, der Architekt Stern zu sein. Sogleich macht Wachtl ihm klar, daß der richtige Stern bereits vor ihm stehe. Auch Pauline und Kessel, die hinzutreten, sind über den dritten vermeintlichen Bräutigam sehr erstaunt. In Begleitung von Faß erscheint Stern, als Bedienter verkleidet, und bittet Wachtl als seinen Herrn um Verzeihung für sein Verhalten. Zwar weiß Wachtl nicht, wie ihm geschieht, läßt sich aber dennoch auf das Spiel ein. Des weiteren bittet Stern Wachtl, für ihn um Paulines Hand anzuhalten. Zunächst zögert Pauline einen Moment, dann reicht sie Kessel entschlossen die Hand und erklärt sich mit einer Hochzeit mit ihrem Vormund einverstanden. Als Franz eintritt und Pauline anspricht, kommt Wachtl der Verdacht, das Opfer eines Betrugs zu sein, was Faß ihm gleich bestätigt. Schroff wendet er sich von Mathilde ab, die gesteht, nur für Pauline gehandelt zu haben. Da Wachtl ihr vor dieser Entdeckung im Falle einer Verarmung finanzielle Unterstützung versprochen hatte, ist Agnes bereit, ihm zu verzeihen, und reicht ihm die Hand. Auch das Verhältnis zwischen Herrn und Diener bringt Wachtl wieder in Ordnung. Dabei muß Stern sich zu erkennen geben. Durch Paulines Liebesbriefe kann er sich als deren rechtmäßiger Bräutigam legitimieren. Pauline schlägt ihm gegenseitige Vergebung vor, so daß Kessel letztlich leer ausgeht. Am Ende bleibt für Faß die ernüchternde Feststellung: „Der Herr heirat’t das Fräulein, der Diener die Dienerin – wo is die allgemeine Standesvermischung! O Deutschland, du bist noch weit vom Ziele!“