Eisenbahnheiraten

51. NESTROY Spiele Schwechat
01. Juli bis 05. August 2023

Im Zentrum dieser Komödie steht, wie schon der Titel verrät, die Eisenbahn.
 
Und diese führt zu allerlei Verwirrungen:
Denn was passiert, wenn die Ehstandskandidaten keine Ahnung haben, ob sie nun im Zug Richtung Süden – nach Wiener Neustadt – oder Richtung Norden – nach Brünn – sitzen…? Und was, wenn die, die heiraten sollen, eigentlich ganz andere wollen…? Und was hat es mit dem schauderhaften Tunnel in Gumpoldskirchen auf sich…?

In bewährter Nestroy-Manier gibt es Verwechslungen und Missverständnisse, bevor die unterschiedlichen Paare, nach einigen Zugfahrten und emotionalen Entgleisungen, in den Bahnhof der Ehe einfahren können.
Skurril, komisch und im Eilzugstempo verspricht diese Posse einen amüsanten Abend im wunderschönen Ambiente des Schlosshofes Rothmühle in Schwechat-Rannersdorf.

Eisenbahnheiraten Plakat © Barbara Pálffy
Christian Graf @Barbara Pálffy

Regie

Christian Graf
Andrea Költringer © Barbara Pálffy

Bühne & Kostüm

Andrea Költringer
Otmar Binder © Barbara Pálffy

Musik

Otmar Binder
Florian Haslinger © Barbara Pálffy

Regieassistenz

Florian Haslinger
Isabella Koppensteiner © Barbara Pálffy

Maske

Isabella Koppensteiner
Harald Töscher © Barbara Pálffy

Lichtdesign

Harald Töscher
Sophia Plätzer © Barbara Pálffy

Regiehospitanz

Sophia Plätzer
Maria Chternberg © Barbara Pálffy

Bühnenrealisierung

Maria Chternberg

Autor

Johann Nestroy

Kostümassistenz

Barbara Fratzl

Kostümhospitanz

Severin Kolb

Licht & Ton

Alexander Wanko

Tonmischung

Max Antoniades

Music Programming

Otmar Binder, Hannes Oberwalder

Additional Programming

Wolfgang Tockner

Drum Loops

Robert Peres

Maske

Stefanie Saliterer, Nina Haider, Nina Sophie Ploiner

Bühnenbau

Roland Renner, Christoph Weiß, Stefan Puffer, Bernadette Dewald, Judith Utner

Graffiti

Stefan Ehrenreich, Thomas Zimbo Zimmermann

Transporte

Viki Riemer

Böhmisch / Tschechisch Coach

Šimon Voseček

Video

Bernadette Dewald

Grafik

Lori Trauttmansdorff

Fotos

Barbara Pálffy
IGNAZ STIMMSTOCK Guitarre - und Geigenmacher in Wien
Mario Santi
PETER STIMMSTOCK Blasinstrumentenmacher aus Krems
Rafael Schuchter
EDMUND erster Arbeiter bei Ignaz Stimmstock
San Trohar
PATZMANN Zimmermaler und Graffitikünstler
Markus Weitschacher
ZOPAK Bäckenmeister in Brünn
Bella Rössler
BABETTE seine Tochter
Sophie Hörlezeder
NANNY sein Mündel
Michelle Haydn
KIPFL Bäckenmeister in Neustadt
Franz Steiner
THERES seine Tochter
Maria Sedlaczek
BRANDENBURGER erster Gesell bei Kipfl
Stefan Rosenthal
FRAU ZASCHELHUBERINN Buchclub-Vertreterin aus Neustadt
Susanne Adametz
JACOB Packträger auf dem Neustädter Bahnhof
Andreas Herbsthofer
CHRIS LOHNER Ikone der Bahn
Gabriele Herbsthofer
HANZIZEK Bäckergeselle bei Zopak
Peter Koliander
JUSEPH junger Altgeselle bei Zopak
Sascha Nikodym
FRAU VON SCHNORRER
Angela Vogelsang
FRAU HUST
Sylvia Eckstein
FRAU SCHNUPF
Sabine Axmann
AMALIE Lehrerin
Melina Rössler
FRAU FERSENSPORN
Sissy Stacher
SCHAFFNER
Peter Koliander
KIOSKVERKÄUFERIN
Sissy Stacher

1. Akt
Die Vettern Peter und Ignaz wollen heiraten. Peter will seine ihm noch unbekannte Braut in Brünn besuchen, Ignaz seinerseits will mit der Heiratsvermittlerin, Frau Zaschelhuberinn, zu seiner Braut Theres Kipfl nach Neustadt reisen. Die Freunde Patzmann und Edmund haben vor einiger Zeit im Theater in Brünn zwei Mädchen gesehen. Patzmann hat das eine der Mädchen, Zopaks Mündel Nanny, mittlerweile nach Wien entführt, gibt sie als seine Schwester aus und hofft, sie als Wirtschafterin bei Ignaz unterzubringen. Über das andere Mädchen, Zopaks Tochter Babett, stellt sich heraus, dass sie sowohl die Angebetete von Edmund als auch die Braut von Peter ist. Auf der Suche nach Nanny erscheinen Babett und Zopak in Ignaz’ Wiener Laden. Während Zopak auf der Straße weitersucht, macht Edmund Babett einen Heiratsantrag, den sie jedoch mit Hinweis auf den ihr noch unbekannten Peter abschlägt. Da Babett von dem eintretenden Peter entsetzt ist, gibt Patzmann Peter zu erkennen, dass dies Ignaz’ Braut ist. Um diesen Betrug nicht auffliegen zu lassen, nutzt Patzmann Peters Ahnungslosigkeit gegenüber dem Eisenbahnfahren aus und bringt ihn nach Neustadt, wobei er Peter glauben macht, er befinde sich auf dem Weg nach Brünn. Auch Ignaz und die Zaschelhuberinn machen sich auf den Weg nach Neustadt, ebenso wie Zopak, der Nannys Spur verfolgt.

2. Akt
Jacob verwechselt Peter mit Ignaz und bringt ihn deshalb vom Neustädter Bahnhof direkt in Kipfls Haus, das Peter für Zopaks Bäckerladen in Brünn hält. Aus diesem Grund ist Peter auch überaus erbost, als er von der Beziehung seiner mutmaßlichen Braut Theres zu dem Gesellen Brandenburger erfährt. Als Brandenburger ihn jedoch zum Duell fordert, beschließt Peter zu flüchten. Er trifft jedoch auf Zopak, sodass es zu einigen Missverständnissen kommt. Als Nanny erscheint, macht Patzmann ihrem Onkel weis, er habe sie hilflos in Wien gefunden und vor einem Unglück bewahrt. Um ihr zu helfen, habe er sie als seine Schwester ausgegeben. Durch Kipfls Erscheinen kommt es zwischen ihm, Peter und Zopak zu weiteren Missverständnissen. Über das Verhältnis zwischen seiner Tochter und dem Gesellen ist er so erbost, dass er Theres verstoßen will. Erst der mit der Zaschelhuberinn erscheinende Ignaz kann die Zusammenhänge endgültig klären, indem er Peter davon überzeugt, dass er sich tatsächlich in Neustadt und nicht in Brünn befindet. Als Ignaz von Theres’ Liebschaft hört, reist er sofort wieder ab.

3. Akt
Auf dem Brünner Bahnhof trifft Patzmann auf Kipfl, Theres und die Zaschelhuberinn. Kipfl bittet Patzmann, bei Ignaz ein gutes Wort für Theres einzulegen. Auch Brandenburger und Edmund bitten Patzmann um Hilfe in ihren Liebesangelegenheiten. Zopak und Nanny brauchen ebenfalls einen Rat, denn Babett ist zu einer Verwandten geflüchtet und droht, sich etwas anzutun, wenn Zopak die Zustimmung zu einer Hochzeit mit einem noch ungenannten Mann verweigern sollte. In Zopaks Haus trifft Patzmann auf Peter, der ihm gesteht, in Nanny, die er noch immer für Patzmanns Schwester hält, verliebt zu sein. Als Nanny erscheint, bringt Patzmann ihn dazu, ihr sofort einen Heiratsantrag zu machen und sich Zopak gegenüber als Nannys Entführer zu erkennen zu geben. Babett ist über Peters Verhalten empört und zufrieden damit, dass ihr Vater ihn hinauswirft. Als entdeckt wird, dass Peter nicht der Entführer gewesen sein kann, bittet Patzmann um Nannys Hand, doch Zopak hält ihn für einen zu guten Menschen. Schließlich treffen alle Beteiligten im Brünner Bahnhof zusammen, und Patzmann ist bemüht, vor der Abfahrt des Zuges nach Wien so viele Ehen wie möglich zu stiften. So führt er zunächst Babett und Edmund zusammen. Auch Theres und Brandenburger kann er glücklich machen, indem er Kipfl mit dem Vorschlag überrumpelt, Brandenburger zum Meister und so zu einem ebenbürtigen Bräutigam zu machen. Zopak ringt er das Versprechen ab, Nanny als Frau zu bekommen, wenn er ihren Entführer beibringen könne, was natürlich ein Leichtes ist. Da Ignaz und die Zaschelhuberinn sich nicht auf Anhieb zu einer gemeinsamen Zukunft entschließen können, gibt Patzmann ihnen Bedenkzeit bis Lundenburg, und so steigen alle in den abfahrenden Zug. Lediglich Peter bleibt allein mit der Erkenntnis zurück: „In Wien und in Neustadt haben s’ mich für einen Narren g’halten und mir scheint in Brünn auch.“

Aus dem "Nestroy-Schauspielführer" von Jürgen Hein und Claudia Meyer, Verlag Lehner

„Dieser schreckliche Druck / Halt’t im Wachsthum uns z’ruck!?“ (Die schlimmen Buben in der Schule) Kinder, Kindheit und Kindisch-Sein bei Nestroy und Raimund

Dienstag, 04.Juli 
18:30 Begrüßung
20:30 Besuch der 51. NESTROY Spiele Schwechat „Eisenbahnheiraten“ in der Rothmühle (Regie: Christian Graf)

Mittwoch, 05.Juli
09:15 Begrüßung und Einführung
09:30 Hugo Aust (Köln, D): Das Kind im Korb. Nestroys Figuren, Bilder und Requisiten des jungen Lebens in Der alte Mann mit der jungen Frau und anderswo
10:15 Bernhard Doppler (Berlin, D): Schlimme Buben im Theater
PAUSE
11:30 Nestroy: „Eisenbahnheiraten“ Diskussionsrunde über Stück und Aufführung. Vorstellung der neuen Leitung Christian Graf und Florian Haslinger – Moderation: Johann Hüttner (Wien, A) MITTAGSPAUSE
14:30 Sebastian Hauck (Leipzig, D): Lauter arme Teufel? Harlekins Kinder und Bernadons Schubkarren
15:15 Sebastian Kugler (Wien, A): Kinder der Zeit. Zur Allegorisierung des Kindlichen und der Kindlichkeit der Allegorie bei Nestroy
PAUSE
16:30 Matthias Mansky (Wien, A): Ich bin ein Wesen leichter Art, / Ein Kind mit tausend Launen…“ Poesien und Musensöhne im Werk Ferdinand Raimunds
17:15 Andrea Gruber (Wien, A): Präsentation der Reihe Topographie und Repertoire des Theaters

Donnerstag, 06.Juli
09:00 Lisa Niederwimmer (Wien, A): Kinderarbeit und Kinderdarsteller:innen am Wiener Volkstheater
09:45 Johann Sonnleitner (Wien, A): ABC-Schütz von Kurz-Bernadon
PAUSE
10:15 Wolfgang Häusler (Wien, A): Die Kindheit(en) des A(da)lbert Stifter
11:00 Henk Koning (Putten, NL): Franz Wiest und Ferdinand Raimund
11:45 Matthias J. Pernerstorfer (Wien, A): Einführungsvortrag zur Exkursion nach Maria Lanzendorf, Eisenstadt Schloss Fertõd / Esterhazy und Frauenkirchen
MITTAGSPAUSE
14:00 Daniel Milkovits (Graz, Wien, A): „Doing Genre“ im Wiener Vorstadttheater. Zum Wechsel- und Zusammenspiel von Posse und Lebensbild um 1850 
14:45 Sigurd P. Scheichl (Innsbruck, A): Beobachtungen zum Reim bei Nestroy
PAUSE
15:45 Marius Schiener (Wien, A): Erwine von Steinheim und ihre Schwester: Original und Parodie. Paradigmatische Kontinuitäten und Brüche zwischen Hof- und Vorstadttheater
16:30 Eckehart Schmidl (Innsbruck, A): Wien-Bezüge der Innsbrucker Exl-Bühne (1902-1956) und ihre politische Entwicklung
17:15 Toni Bernhart (Stuttgart, D): Skizze zu Netzwerk und Geschichte der Volksbühne Blaas von 1929 bis 2005
19:00 Gemeinsames Abendessen mit dem NESTROY Spiele Ensemble

Freitag, 07.Juli
Ganztagesausflug (Leitung: Otmar Nestroy, Matthias J. Pernerstorfer) Theatrum Sacrum – Die künstlichen Kalvarienberge des Barock

Samstag, 08.Juli
Allmähliche Abreise oder „Ich bin abgereist, lieber Freund, doch nur zum Schein.“

Konzeption: Walter Pape, Johann Sonnleitner, Matthias Mansky, Ulrike Tanzer
Organisation: Christine Bauer, Susanne Guinand

80er Jahre | Drinks | DJ | Überraschungen

Samstag, 15.07. 23:00 im Anschluss an die Vorstellung „Eisenbahnheiraten“

EINTRITT FREI !

Chris Lohner © Inge Prader

Steigen sie ein in den Nostalgiezug und feiern sie mit uns den 80.Geburtstag der „Ikone der Bahn“: Chris Lohner

Chris Lohner erzählt — in Begleitung ihrer privaten Fotorevue— in ihrem humorvollen Soloprogramm „Bazooka und die Vier im Jeep“ Anekdoten aus dem Wien ihrer Kindheit in den 50er Jahren, liest aus ihrem Buch und wer weiß, falls Chris Lohner Lust hat, singt sie auch. Nach anschließender Autogrammstunde, stoßen wir gemeinsam auf ihren 80.Geburtstag an. 

Dienstag, 18. Juli 2023 | Beginn: 20:30 | Freie Platzwahl | Buffet öffnet 19:00

Karten: Vorverkauf € 25,- | Abendkasse € 30,-

chrislohner.com

Kultur & Wein
EISENBAHNHEIRATEN Mit Volldampf in copulative Verwirrungen

Ein neuer Bahnhofsvorstand als vielversprechender Weichensteller in Nestroy'sche Zukunft
In Frankreich gab es bereits das Vaudeville „Paris, Orléans et Rouen“, das die Möglichkeiten des neuen Verkehrsmittels, der Eisenbahn, für Unterhaltung im Eilzugstempo erfolgreich auf Schiene setzte. Für Johann Nestroy, der nach einem kurzen Durchhänger auf der Suche nach einem zugkräftigen Stoff war, kam diese Lokomotive für seinen Wortwitz gerade recht. Der Schlankel namens Patzmann, seines Zeichens mittelloser Porträt- und Zimmermaler, wurde fahrplanmäßig auf den Wiener Theatermann zugeschnitten. Als der konnte Nestroy die ihm immanente Bosheit an einem Waggon voller Fahrgäste auslassen, um am Ziel aller Bahnfahrten die in seinen Augen böseste Ankunft, nämlich die „Copulation“, per Durchsage verkünden zu lassen und damit dem diesbezüglich unbelehrbaren Publikum ein zufriedenes Lächeln ins Gesicht zu zaubern. Es heißt also heuer „Bitte einsteigen! Abfahrt des Vergnügungszuges pünktlich um 20.30 Uhr in Schwechat, Station Schloss Rothmühle“ bis 5. August 2023.

Als Lokomotivführer gab heuer erstmals Christian Graf Destination und Tempo vor. Mit dem entsprechenden Respekt vor dem Autor der Posse „Eisenbahnheiraten“ hat den ambitionierten Regisseur dennoch der Hafer gestochen. Wie viele seiner Kollegen ist er in eine Zeitfalle getappt. Aus einem im Programmheft ausführlich dargelegten Grund hat er die Handlung in die 1980er-Jahre verlegt. Da aber die beiden Ziele als die Neustadt im Süden von Wien und Brünn an der Nordbahn im Original angeführt sind, wird das Ganze kompliziert. Damals lag Brno hinter dem Eisernen Vorhang und war mehr oder weniger unerreichbar. Weiters war die Donaustadt Krems längst an das Österreichische Einsenbahnnetz angebunden. Man darf also verwundert sein, wenn der Blasinstrumentenmacher Peter Stimmstock so um 1985 herum per Kutsche zu seinem Bruder Ignaz nach Wien anreist und noch nie im Leben einen Bahnhof, geschweige denn einen Zug gesehen hat.

Aber was soll´s?! Die paar temporialischen Ausrutscher überhört man gern, wenn alles andere stimmig ist. Dafür sorgt nicht zuletzt ein von Graf grandios aufgestelltes Bahnpersonal, angefangen von der professionellen Ansage (bei der Premiere Chris Lohner höchstpersönlich, sonst Gabi Herbsthofer) bis zur Zeitungsverkäuferin (Sissy Stacher). Markus Weitschacher treibt als Patzmann ein hinterlistiges Spiel, um den beiden heiratswilligen Junggesellen Ignaz (Mario Santi) und dem virtuos dummen Peter Stimmstock (Rafael Schuchter) die in Aussicht gestellten Bräute abzuluchsen. Dagegen hat nicht einmal die routinierte Kupplerin, Frau Zaschelhuberinn (Susanne Adametz), eine Chance. Objekte bindungswilliger Begierden sind zwei Bäckertöchter.
In der Neustadt wartet Franz Steiner als Kipfl auf den versprochenen Bräutigam seiner Theres (Maria Sedlaczek), in Brünn Bella Rössler als böhmakelnder Meister Zopak mit der liebreizenden Babette (Sophie Hörlezeder). Dazwischen stehen allerdings zwei junge Männer, die ebenfalls ein Recht auf die jungen Damen geltend machen. In Wien ist es Edmund (Sam Trohar), Geselle bei Geigenmacher Stimmstock, der anlässlich eines Besuches in Brünn ein Auge auf Babette geworfen hat, und in der Neustadt ist es der Brandenburger (Stefan Rosenthal), der beim Semmelverkaufen mit Theres poussiert. Eigentlicher Auslöser des Verwirrspiels ist jedoch Zopaks Mündel Nanny, als die sich Michelle Haydn in den Maler verknallt. Nach abenteuerlichen Fahrten gen Süd und Nord, arrangiert von Patzmann, lassen sich die Väter umstimmen und die richtigen Kandidaten copulieren. Garniert ist diese aufregende Partnersuche mit Couplets in bester Nestroy´scher Manier, wenn Otmar Binder vom E-Piano aus Markus Weitschacher beim pointierten Räsonieren über mangelndes Geld und heimliche Eisenbahnen begleitet

FALTER
Nach 50 Jahren gaben Peter Gruber und Christine Bauer die Nestroy Spiele Schwechat an ein neues Leitungsteam ab. Christian Graf gibt heuer sein Regiedebüt. Die Posse „Eisenbahnheiraten" handelt von Ehevermittlungsversuchen in Brünn und Neustadt. Die junge Generation, jeweils anderweitig verliebt, vereitelt die unerwünschten „Copulationen" mithilfe der Eisenbahn. Die Handlung wurde in die 1980er verlegt, was vor allem Kostüme, Vokuhilas und Elektro- Dance-Sound offensiv belegen.

Mag sein, dass etwas räudige Anarchie fehlt. Das meiste aber bleibt angenehmerweise gleich im Schlosshof: das Brummen der landenden Flugzeuge, der richtige Nestroy-Ton, das Zusammenspiel des riesigen Ensembles. Und im zweiten Teil - endlich! - das Politisch-Widerständige, wenn Markus Weitschacher in seinem Couplet FPO-Regierungsbeteiligung und SPÖ-Excel-Desaster besingt. Der neu engagierte Profi Rafael Schuchter amüsiert als vertrottelter Vetter, der erstmals Zug fährt, während Theater-der-Jugend-Star Stefan Rosenthal mit grauenvoll „aufjesetztem" Berlinerisch irritiert.

Zum Überraschungshit gerät jedoch eine, die zum 37. Mal dabei ist und bisher eher in der zweiten Reihe blieb: Was Bella Rössler als verzopfter böhmischer Bäcker Zopak aufführt, ist unvergleichlich. Martin Pesl

Online Merker - 02. Juli 2023
NÖ / Nestroy Spiele Schwechat: 
EISENBAHNHEIRATEN oder: Wien, Neustadt, Brünn
von Johann Nestroy, Premiere: 1. Juli 2023
 

Kontinuität und Neubeginn bei den Nestroy-Spielen in Schwechat: 50 Jahre lang, über ein schier unglaubliches halbes Jahrhundert hinweg, hat Peter Gruber die Nestroy-Spiele aufgebaut, zu einer Marke gemacht und unermüdlich weitergeführt. Für 2023 hat er die Fackel weitergegeben – von Gruber  zu Graf. An sich eine ideale Lösung, denn Christian Graf ist seit dem Jahr 2000, also seinen eigenen Anfängen, hier in prominenten Rollen dabei, ist durch die Schule von Peter  Gruber und dann auch Henry Mason gegangen (besser geht es nicht) – zuletzt hat er in der Volksoper als Komiker Robert Meyer jederzeit Paroli geboten. Der richtige Mann für Schwechat, was sich auch bei seiner ersten Premiere hier herausstellte:

Die Aufführung von „Eisenbahnheiraten“ bot viel Substanz und wenig Firlefanz, das war, trotz deklarierter Übertragung in die vorigen achtziger Jahre, immer Nestroy – mit Humor, Ironie und hieb- und stichfest in den meisten Figuren.

Im Original ist das Stück in den dreißiger, vierziger Jahren des 19. Jahrhunderts angesiedelt. Damals befreiten die Eisenbahnen die Menschen von den langsameren Pferden. Und natürlich reagierte das Theater auf diese hoch brisante Neuigkeit, die das tägliche Leben dermaßen veränderte (und beschleunigte). Wie meist in seiner Karriere als Dramatiker bezog sich Nestroy auf ein ausländisches Stück, das die Irrungen und Wirrungen zwischen „Paris, Orléans et Rouen“ verlegte – so, wie bei ihm die Nordbahn nach Brünn, die Südbahn nach Neustadt (heute Wiener Neustadt, später ging es bis Triest) führte. Um Kritik an der neuen Technologie ging es noch nicht, wenn auch eine der Hauptfiguren bekennt, sich vor dem neuen Beförderungsmittel zu „fürchten“.

Bei den verschiedenen Schauplätzen setzt Nestroy auf den Reiz der Dialekte und Akzente – so steht dem Wienerischen das „Böhmakeln“ entgegen, und weil man in Neustadt ja auch nicht viel anders spricht als in Wien, ist es hier ein Bäckergeselle aus Berlin, der „seine“ Sprechweise mitbringt. Aus diesen Akzentuierungen gewinnt eine Aufführung viel Farbe.

Handlungsmäßig sind es die bei Nestroy üblichen Liebesgeschichten und Heiratssachen, die hier abgewandelt werden – wobei eine Heiratsvermittlerin mitmischt und im allgemeinen Geld mit Geld zusammen gebracht werden soll. Dass die reichen Töchter sich in arme Schlucker verlieben und dass ein armer, aber höchst agil agierender Maler hier bei den Gefühlen und Spielorten allerlei durcheinander bringt, ist die Geschichte. Typisch Nestroy und ziemlich gut.

Dass Christian Graf, der neue Intendant als Regisseur, die Geschichte dezidiert in die achtziger Jahre des 20. Jahrhunderts verlegt (mit einem Chris-Lohner-Kopf, der die Ankunft und Abfahrt von Zügen ansagt), bringt wenig, stört aber nicht. Über den Anachronismus zwischen heutiger Kleidung und gestriger Sprache ist man schon bei Peter Gruber nicht mehr gestolpert, das funktioniert ziemlich klaglos. Freilich, eine so stürmische Liebesszene wie diesmal, wo die Hüllen fallen, hat man noch nie hier gesehen – und es ist sehr komisch. Die Ausstattung von Andrea Költringer ist poppig, schiebt geschickt Versatzstücke hin und her. Alles Abfahrt, Achtung, los.

Christian Graf hat bei Peter Gruber das Wesentliche einer Nestroy-Inszenierung gelernt – eiserne Präzision in Sprache und Aktion, Pointen, die optisch und akustisch herumfliegen, das funktioniert tadellos, trägt den Abend. Und natürlich die Nestroy-Rolle, die Hauptfigur des Malers der den sprechenden Namen Patzmann trägt. Sie wäre dem Regisseur / Intendanten eigentlich auf den Leib geschrieben gewesen, aber er hat sie an Markus Weitschacher weitergegeben, einem durch und durch kompetenten Nestroy-Spieler und –Sprecher, der Tempo, Artikulation und Gehirnakrobatik in der Schule von Elfriede Ott gelernt hat. Schade, dass sein großes Couplet (mit der Erkenntnis, ohne Geld sei alles „nix“) ziemlich schwache Zusatzstrophen hat. Überhaupt gibt sich der Abend mit Musik nur minimal ab, aber was Otmar Binder da neu komponiert hat, stört zumindest nicht (wie man es andernorts schon oft quälend erlebt hat).

Kurz, um Patzmann als wendigen Intriganten dreht sich alles, aber die Figur, die man lieb  hat, ist Peter Stimmstock, der Blasinstrumentenmacher aus Krems, der zu seinem Vetter Ignaz, dem Geigenmacher, nach Wien kommt, weil beide verheiratet werden wollen. Peter ist das Unschuldslamm, das versucht, aus den kaum zu durchschauenden Turbulenzen, in die er hinein gehetzt wird, heraus zu kommen – und am Ende als Armiuschkerl mit leeren Händen (sprich: ganz ohne Braut, es ist keine für ihn da) übrig bleibt. Rafael Schuchter liefert die Meisterleistung eines Verlierers, die geradezu unter die Haut geht.

In Wien ist da noch Ignaz Stimmstock (Mario Santi), eskortiert von der rührigen und attraktiven Zaschelhuberin (Susanne Adametz), die immer eine Partie für jeden im Kopf hat.

Aus Brünn reist der Bäckermeister Zopak an, und dass er mit einer Frau besetzt ist, wüsste (und glaubte) man nicht, wenn man Bella Rössler nicht im Programmheft läse. Zweifellos geht es hier nicht – wie derzeit auf unseren Bühnen so oft – um ein „Genderfluid“-Statement, sondern ist wohl ganz einfach der Tatsache geschuldet, dass die Darstellerin als Mann mit Akzent in dieser Rolle perfekt ist. (Man hat sich sogar einen Coach für „Tschechisch / Böhmisch“ geleistet!) Als Töchterchen Babette zeigt Sophie Hörlezeder, was in einem scheinbaren Unschuldslamm steckt. Immerhin darf sie mit Edmund, dem armen Gesellen von Ignaz (sehr komisch: San Trohar) glücklich werden, den sie sich so hemmungslos erobert hat.

In Neustadt ist Franz Steiner, der wunderbare Veteran von Schwechat (zum 41. Mal dabei!!!) der Bäckermeister Kipfl, der in Theres (Maria Sedlaczek, mit 20 Schwechat-Auftritten auch schon eine „Langjährige“) eine entschlossene Tochter hat.

Es gibt auch Defizite: Was bei Nestroy ein resolutes Mädel ist, wird hier zur dauer-kreischenden und herumfetzenden Hyäne (Michelle Haydn als falsch geführte Nanny). Hier zu viel, fort zu wenig: Der Bäckergeselle Brandenburger hat nicht zuletzt die wichtige Aufgabe, einen neuen Tonfall (der für die Wiener immer komisch klingt)  ins Geschehen zu bringen (und die Rolle ist an sich so wirkungsvoll, dass Nestroy selbst sie einige Male gespielt hat): Von Stefan Rosenthal hätte man lieber mehr scharfes, präzises Berlinerisch gehört als Liegestütze gesehen.

Aber das sind Kleinigkeiten in dem Aufführungs-Bild, das von Patzmann gemalt sein könnte und das verspricht, dass „Schwechat neu“ das bietet, was man an altbewährter Qualität gewöhnt ist. Renate Wagner

Der Standard, 28. Juni 2023
Wenn es doch das Klimaticket schon zu Zeiten Nestroys gegeben hätte!

Nestroy Spiele Schwechat präsentieren heuer "Eisenbahnheiraten" in einer Inszenierung von Christian Graf auf der Sommertheaterbühne

Mit dem Klimaticket wären den Liebessuchenden in Eisenbahnheiraten ihre Irrungen und Wirrungen wenigstens billiger gekommen. Doch das gab es zu Johann Nestroys Zeiten noch nicht, auch keinen Klimawandel, und die Eisenbahn war ganz neu. Sie ermöglichte den Zeitgenossinnen und -genossen zwar Ortswechsel in für unmöglich gehaltener Geschwindigkeit – aber Bahnfahren war eben auch verwirrend und nicht immer so einfach zu begreifen. Und das ohne Zutun der Deutschen Bahn!

Die Faszination wie die kognitiven Herausforderungen des technischen Fortschrittes machte sich Nestroy in der selten gespielten Posse mit Gesang von 1843 zunutze, die die 51. Nestroy Spiele Schwechat heuer in der Inszenierung von Christian Graf auf die Sommertheaterbühne bringen. Statt in den Ehehafen wollen unter anderem die Vettern Ignaz (Mario Santi) und Peter Stimmstock (Rafael Schuchter), Edmund (San Trohar) und Patzmann (Markus Weitschacher) sowie Babette (Sophie Hörlezeder), Nanny (Michelle Haydn) oder Theres (Maria Sedlaczek) in den Ehebahnhof einfahren, was sich aufgrund zahlreicher Missverständnisse und Verwechslungen (ganz zu schweigen von diesen unberechenbaren Gefühlen!) schwierig gestaltet. Erst recht, wenn man sich aus Versehen nicht auf dem Weg in den Norden, nämlich nach Brünn, sondern im Zug Richtung Süden, nach Wiener Neustadt, befindet.

In Grafs Inszenierung im Schlosshof Rothmühle in Schwechat-Rannersdorf dürfen Nestroy-typische Aktualisierungen natürlich nicht fehlen, mit "Chris Lohner, Ikone der Bahn", schleichen sich da ganz gegenwärtige Figuren ein. Auch auf aktualisierte Couplets darf man sich sicher freuen; für die Musik zeichnet Otmar Binder verantwortlich. Andrea Heinz

Mit Christian Graf ist im 51. Jahr der Schwechater Nestroyspiele erstmals ein neuer Intendant am Werk. Mit „Eisenbahnheiraten“ zeigte er, dass er bei der Tradition bleibt: vorbildliche Texttreue, schwankhafte Spielweise. Viele Gags, manchmal etwas derb.
Sie ist für alle Zeiten die Stimme der österreichischen Bundesbahnen. So ist es nur würdig und recht, dass Chris Lohner in einer Inszenierung von Nestroys einschlägigem Stück „Eisenbahnheiraten“ sozusagen eine ansagende Rolle spielt, solide dargestellt von Gabi Herbsthofer, die abseits der Bühne eine hohes Amt bei der Post bekleidet. Doch bei der Premiere schlüpfte einmal Chris Lohner selbst in ihre Rolle, zum Entzücken des Publikums im Hof des Schlosses Rothmühle bei Schwechat.

Ein netter Gag zu Beginn einer neuen Ära der traditionsreichen Nestroyspiele Schwechat: 50 Jahre lang hat Peter Gruber sie geleitet, heuer hat Schauspieler Christian Graf übernommen. Und bleibt, wie man alsbald merkte, der Linie dieser Nestroyspiele treu. Erstens dem guten Brauch, Nestroys oft subtil französelndes Altwienerisch so wenig wie möglich zu renovieren. Da wird der Parasol genauso aufgespannt wie der Paraplui, da muss sich der plattierte Gschwuf durch Sottisen frappieren lassen, und siehe da, man versteht‘s. Für Härtefälle hat die Intendanz fürsorglich ein kleines Vokabular ins Programmheft getan. Und man kann sich immer wieder freuen, dass manches wirklich so im Original steht (z. B. „Den Mann hab‘ ich auf‘n ersten Blick ausstudiert, dem geb‘ ich Kagran für Saragossa aus“). Die populäre Bildung „höchste Eisenbahn“ ist nicht vom Meister, passt aber gut. Genauso wie die Idee, den Brandenburger (wirklich witzig: Stefan Rosenthal) berlinern zu lassen. Der Spott über Krems wurde im Text belassen, ob mit innerniederösterreichischen Protesten zu rechnen ist.

Heiratswilliger mit nacktem Hintern 

Zweitens bleiben die Schwechater Nestroyaner bei ihrer schwankhaften Spielweise. Bei ihnen sind alle Personen – außer der zentralen Figur, die das Spiel bestimmt und kommentiert und einst meist von Nestroy selbst verkörpert wurde, diesfalls der Maler Patzmann – vor allem Typen. Und zwar komische, mit fast allen Mitteln. Großartig ist Bella Rössler, die den wackeren Brünner Bäcker mit virtuosem Akzent und herzhaftem Charme gibt. So fesch wie offensiv ist Sophie Hörlezeder als heiratslustige Babette. Manchmal allerdings artet das überdrehte Treiben in Derbheit aus: Ob man in einem Nestroy-Stück wirklich einen nackten Hintern sehen muss, ist genauso fraglich wie dazuerfundene Szenen, in denen sich Männer übergeben oder, um es auf Altwienerisch zu sagen, ihren Brunnen fließen lassen.

Vergleichsweise dezent ist die Kostümierung: Graf hat das Modernisierung und Beschleunigung belächelnde Stück in das Jahrzehnt verpflanzt, auf das sich seit Jahrzehnten alle modernen Postmodernen und postmodernen Modernen einigen können: in die 1980er-Jahre. Entsprechend gibt Markus Weitschacher den Patzmann als eine Art Allzweck-Austropopper, in hellblauen Jeans, mit Vokuhila und wissend. Von diesem Grundsympathler lassen sich alle gern an der Nase herumführen bzw. mit der Eisenbahn zwischen Brünn und Neustadt herumführen. Er bewältigt auch die Couplets ganz gut. In den Extempores wird aus Nestroys Stutzer ein Macho mit Metoo-Problemen, über Rot wird genauso gespöttelt wie über Schwarz-Blau. Fast schon aufsässig wirkte die mit Glottisschlägen gespickte Dankesrede des Intendanten: „Wir gendern weiterhin, auch in Niederösterreich!“ Und so Nestroy spielen sollen sie auch weiterhin. Thomas Kramar