Abentheuer in der Sclaverey

20. NESTROY Spiele Schwechat
26. Juni bis 01. August 1992

„Der Zauberer Sulphurelectrimagneticophosphoratus und die Fee Walpurgiblocksbergiseptemtrionalis oder Die Abenteuer in der Sclaverey …“, Johann Nestroys Stück „mit dem Titel“, wie es Franz Wiest, der Kritiker des Sammler nannte, wurde bei seiner Uraufführung im Theater an der Wien im Jänner 1834 „unter heftigem Pochen und Zischen zu Grabe getragen“ (so die Theaterzeitung). Es war einer der größten Durchfälle Nestroys. Der Autor war über die Aufnahme offenbar so aufgebracht, dass sein Spiel als Darsteller darunter litt, und er sich nach einem günstig aufgenommenen Couplet eine Viertelstunde lang weigerte, vor den Vorhang zu treten. Die zeitgenössische Kritik tat das Stück als völlig misslungen ab, und es hat auch seither kaum Beachtung gefunden.

Aber wir in Schwechat beweisen Ihnen das Gegenteil!

Regie

Peter Gruber

Regiemitarbeit

Christine Bauer

Choreographie

Bilge Jeschim

Bühne

Peter Giljum, Günther Lickel, Roman Lebersorger, Hubert Fössler, Gunnar Seelke

Kostüme

Herta Mock, Andrea Bernd, Christine Bauer, Olga Weinlich, Gertrude Pfertner, Isabella Rössler, Heidi Gauster

Licht

Charly Apfelbeck, Fritz Gmoser

Musik

Otmar Binder

Einstudierung

Herbert Ortmayr

Schlagzeug

Angela Adebiyi-Berann

Maske

Patrizia Grecht, Katharina Grecht, Alexander Müller

Effekte

Christian Sturtzel

Souffleuse

Herta Mock
SULPHURELECTRIMAGNETICOPHOSPHORATUS
Leopold Selinger
WALPURGIBLOCKSBERGISEPTEMTRIONALIS
Alexander Müller
HERR VON PASTETENBERG Gutsbesitzer
Bruno Reichert
CONSTANTIA seine Gemahlin
Traude Selinger
ROBERT beider Sohn
Robert Herret
SCHLOSSVERWALTER
Poldi Selinger
PLUMPSACK Portier
Andreas Bauer
LISETTE Stubenmädchen
Bella Rössler
BEDIENTE
Sonja Scherhaufer, Regine Ban Korsos, Anita Koliander
CHEVALIER DE MILLEFLEURS
Alexander Müller
BALLGÄSTE
Willibald Mürwald, Renate Bachtrod, Andreas Herbsthofer, Peter Koliander, Heidi Gauster, Sabine Stacher, Sylvia Daniel, Angela Koliander
ROBERTS FREUNDE
Gunnar Seelke, Sascha Nikodym
BRUMM Dorfrichter
Willibald Mürwald
BAUERN
Andreas Herbsthofer, Gunnar Seelke, Sascha Nikodym, Peter Koliander, Robert Zahm, Sabine Gerger, Sylvia Nemec-Mele, Sonja Scherhaufer, Regine Ban Korsos
FEENGEISTER
Alexandra Kratzwald, Kerstin Kratzwald, Thomas Kratzwald
ALIB-MEMECK ein reicher Orientale
Bruno Reichert
INDIGO reicher Plantagenbesitzer
Willibald Mürwald
EMMA seine Tochter
Heidi Gauster
HASSAN Sclavenaufseher
Poldi Selinger
ZAIDE erste Haremsdame
Traude Selinger
FATIME zweite Haremsdame
Bella Rössler
WEITERE HAREMSDAMEN
Sonja Scherhaufer, Renate Bachtrod, Sabine Stacher, Sabine Gerger, Regine Ban Korsos, Sylvia Daniel, Sylvia Janousek, Sylvia Nemec-Mele, Angela Koliander, Anita Koliander, Erika Hegler
EUNUCHEN
Peter Koliander, Gunnar Seelke
COLONISTEN
Peter Koliander, Sascha Nikodym, Andreas Herbsthofer, Gunnar Seelke
NELI
Regine Ban Korsos
ARABER
Leo Selinger
SCLAVENHÄNDLER
Sylvia Janousek, Leo Selinger, Alexander Müller
SCLAVEN
Sascha Nikodym, Andreas Herbsthofer, Robert Zahm
LÖWE
Leo Selinger

1. Akt
Chor I, 1. – Einige Landleute beschweren sich bei Herrn von Pastetenberg über Untaten seines Sohnes Robert, genannt der Teuxel. Der Vater verspricht Besserung, fühlt sich jedoch wegen seiner „Schwäche im Kopf“ den Taten seines Sohnes hilflos ausgeliefert. Constantia bereitet das Benehmen ihres Sohnes Sorgen, weil sie ihren Cousin Millefleurs aus Paris erwartet, für den am Abend ein Ball gegeben werden soll. Robert hat unterdessen Lisettes Geliebten, Plumpsack, Portier bei Pastetenberg, gezwungen, in seinen Diensten zu arbeiten. – Auftrittslied Plumpsack I, 5 („Wie glücklich war ich als Portier! ’s is vorbey“). – Herr von Pastetenberg und seine Frau suchen den etwas dümmlichen Zauberer Sulphur und die Fee Walpurgi auf und bitten sie um Hilfe. Walpurgi verspricht Robert zu bessern, wenn sie völlig freie Hand bekomme, was ihr die Eltern dankbar gewähren. – Chor von Roberts Freunden I, 13. – Auf dem Ball benimmt sich Robert unmöglich. Seine Freunde stehen ihm um nichts nach. Schließlich erscheint Walpurgi mit vier Gefährtinnen und verlangt von Robert das Versprechen, sich bessern zu wollen. Außerdem verlangt sie von Plumpsack, der mittlerweile Gefallen an Roberts Lebensweise gefunden hat, in die Dienste von Pastetenberg, und somit zu Lisette, zurückzukehren. Ansonsten drohe beiden eine furchtbare Strafe. Robert und seine Freunde wollen die fünf Frauen verbrennen, doch durch ihre Kräfte erscheinen sie ständig an anderen Orten und ängstigen die Freunde und Robert so sehr, daß Robert um Gnade fleht. Doch da ist es zu spät: Robert wird dazu verdammt, fortan sein eigenes Glück zu zerstören und sein Leben in der Sklaverei zu fristen. Plumpsack muß ihn begleiten.

2. Akt
Chor der Sklaven II, 1. – Plumpsack wird von Hassan für Alib- Memeck, Robert von Indigo auf dem Sklavenmarkt einer ostindischen Koloniestadt gekauft. – Chor der Sklavinnen II, 6. – Plumpsack wird dem phlegmatischen Alib-Memeck vorgestellt und gibt sich als Wahrsager aus; man stellt ihn als Berater ein. – Arie Fatime II, 10 („Glückliches Bangen“). – Robert verliebt sich in Emma. Walpurgi erscheint ihm und offenbart ihm Emmas Liebe. Gleichzeitig kündigt sie an, daß Robert diese Liebe, sein größtes Glück, als Strafe selbst zerstören muß. Sollte er sich ihren Befehlen widersetzen, werden Flammen ihn verbrennen. Sie überläßt ihm einen Zauberstab. Auch Alib-Memeck will Emma mit Plumpsacks Hilfe zur Frau gewinnen, obwohl ihm nicht wirklich an ihr gelegen ist. – Lied Alib-Memeck II, 16 („Ja Alib-Memck ist ein Türck“). – Robert tötet einen Löwen mit seinem Zauberstab und rettet damit Emma das Leben. Aus Dankbarkeit schenkt Indigo ihm die Freiheit. Doch da zwingt Walpurgi Robert zu behaupten, der dicke Alib-Memeck habe den Löwen getötet. Daraufhin nimmt Indigo die Freilassung zurück und lädt statt dessen Alib-Memeck in sein Haus. – Chor der Sklaven, Sklavinnen und Hausleute II, 20.

3. Akt
Indigo erwartet seine Schwester, Madame Joli, und seinen Schwager, Monsieur Bijou aus Frankreich. Doch die beiden werden bei der Landung des Schiffes von Arabern verschleppt. Indigo verspricht, demjenigen seine Tochter zur Frau zu geben, der seine Verwandten befreit. Robert sieht eine Möglichtkeit, Emma doch noch zu gewinnen. Mit Hilfe seines Zauberstabes beschafft er sich eine rote See-Uniform zur Tarnung. Doch bei den Arabern angelangt, muß Robert feststellen, daß Indigos Verwandte bereits entwischt und wieder auf dem Weg nach Europa sind. – Duett Fatime, Plumpsack III, 9 (R: „Es herrscht überall halt ein anderer Brauch / Wien und Asien, ist wie a Faust auf ein Aug“). – Unter den Leuten geht das Gerücht um, ein Mann in roter Uniform habe die Gefangenen befreit. Walpurgi sorgt dafür, daß Alib-Memeck diese rote Uniform zufällig findet und sich nun, auf Plumpsacks Rat hin, bei Indigo als der Retter seiner Verwandten vorstellen kann. Mittlerweile ist Robert auf die List verfallen, mit Hilfe seines Zauberstabes Indigo immer abwechselnd die Rolle von Madame Joli und Monsieur Bijou vorzuspielen. Als er aber in seiner wahren Gestalt die versprochene Belohnung von Indigo verlangt, wird ihm diese verweigert, weil er die rote Uniform nicht vorweisen kann. In diesem Moment erscheint Alib-Memeck in besagter Uniform und Indigo gibt ihm die sich wehrende Emma. Robert ist verzweifelt. Nur durch Walpurgis Auftritt nimmt alles noch ein glückliches Ende. Walpurgi erklärt Roberts Strafe für beendet und entlarvt Alib-Memeck als Betrüger. Als Indigo die Wahrheit erfährt, bekommt Robert Emma zur Frau. Robert, Emma und Plumpsack treffen schließlich im Elisium auf Roberts Eltern, Lisette und viele Gäste. Robert gelobt seinen Eltern Besserung und stellt ihnen zur Bekräftigung Emma als ihre Schwiegertochter vor.

Aus dem „Nestroy-Schauspielführer“ von Jürgen Hein und Claudia Meyer, Verlag Lehner

18. Internationale Nestroy-Gespräche 1992
"Wien und Asien, ist wie a Faust auf ein Aug"

Donnerstag, 25. Juni
Prof. Dr. Hugo Aust (D): "Sekretär Satanas - Eine exotische Paarabel der heimischen VErhältnisse in Nestroys 'Der gutmütige Teufel'
Dr. Gerda Baumbach (D): "Theater und magische Künste"
Dr. Wendelin Schmidt-Dengler (A): "Sulphurelectrimagneticophosphoratus und andere Zauberer auf dem Wiener Volkstheater"
Dr. Anna Häusler (A): Führung durch das neue Theatermuseum im Palais Lobkowitz
Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Häusler (A): "Die herrliche Gegend zwischen Semmering und Schwechat"
Abends: Theaterbesuch

Freitag, 26. Juni
Univ.-Prof. Dr. Jürgen Hein (D): "Nestroy und die Insel Helgoland - Ein 'Reisebild'"
Prof. Dr. W. E. Yates (GB): "Verfluchtes Reisen - Reisen als Flucht"
Dr. Walter Obermaier (A): "Sklaverei und Freiheit"
Univ.-Prof. Dr. michael Rogers (GB): "Der Papa wird mich richten"
Abends: Premiere von "Die Abentheuer in der Sclaverey"

Samstag, 27. Juni
Univ.-Prof. Dr. Fred Walla (AUS): "Entstehungsgeschichte des Sulphur…" (liegt schriftlich vor)
Prof. Dr. Henk J. Koning (NL): "Raupachs Restaurationsstück 'Robert der Teufel' und Nestroys Zauberposse 'Der Zauberer Sulphur…'"
Dr. Peter Haida (D): "Die Rolle des Publikums beim Sulphur…"
Peter Gruber (A): Zur Inszenierung
Univ.-Prof. Dr. werner Kummer (D): "Körperlandschaften bei Nestroy"
Mag. Eva Reichmann (D): "Reisen durch die soziale Rangordnung"
Abends: "20 Jahre Nestroy-Spiele Schwechat" Benefizfest mit Wiener Kabarettisten, Musikern, Schauspielern, Kurdischer Folklore, Musik und Tanz.

Niederösterreichische Rundschau, 1. Juli 1992: „Robert, der Teuxel“ als rotziger Punker

Keine Angst, das anfängliche Gähnen des „Herrn von Pastetenberg“ ist durchaus nicht ansteckend. Auch die 20. Auflage der „Nestroy-Spiele“ garantiert einen kurzweiligen Abend und viel Beschäftigung für die Lachmuskel. Von einigem Mut zeugt die Auswahl des Stücks: „Die Abenteuer In der Sclaverey“ fielen nämlich bei der Uraufführung 1834 mit Bomben und Granaten durch. Daraufhin geriet die Posse schließlich in Vergessenheit.

Zu Unrecht, wie der Premierenabend in der Rothmühle bewies. Die Satire wirkt in ihrer Gesellschaftskritik äußerst scharfzüngig und auch aktuelle Bezüge lassen sich leicht herstellen. Eine Möglichkeit, von der Regisseur Peter Gruber ausgiebig Gebrauch macht, ohne dabei schablonenhaft zu wirken. Das nestroysche Wien lebt eben nicht nur in Fossilien weiter.

Getragen wird die Aufführung vor allem durch die männlichen Hauptdarsteller. Während „Robert, der Teuxl“ vom – ansonsten gewohnt souveränen – Robert Herret fast ein wenig überzeichnet wirkt, glänzen Bruno Reichert (Herr v. Pastetenberg bzw. Alib-Memeck) und Andi Bauer (Plumpsack) eher durch köstliches Understatement. Allen dreien scheinen die Rollen aber auf den Leib geschneidert zu sein. Wohldosiert und mit viel Feingefühl verteilten sie die Pointen bei der Premiere an ein amüsiertes Publikum von Nestroy-Feinschmeckern.

Zum Inhalt: Robert, der verzogene Gutsherren-Sprößling, treibt’s bei seinen tyrannisch-exzessiven Eskapaden zu weit. Die hilflosen Eltern ziehen eine Biedermeierfee zu Rate, von der „Robert, der Teuxel“ samt Adlatus „Plumpsack“ zur Strafe in die orientalische „Sklaverey“ gezaubert werden. Dort haben die beiden so manches Abenteuer zu bestehen. Daß Roberts Exzesse in der Rothmühle die Form zeitgemaßer Punk-Rotzigkeit – die zudem nicht ganz unsympathisch wirken soll – annehmen, übt einen eigenen Reiz aus. Mehr soll aber nicht verraten sein, denn es kann nur empfohlen werden, daß sich der geneigte Leser durch den Besuch der 20. Nestroy-Spiele selbst einen äußerst unterhaltsamen und kurzweiligen Abend bereitet. (Michael Wengraf)

Kurier, 6. Juli 1992: Früchterl im Orient

Im Schlußcouplet singt Robert Herret, der gebesserte Held in der Nestroy-Adaption „Die Abentheuer in der Sclaverey“, daß man, um die Hauptwerke Johann Nestroys zu sehen, nicht ins Schloß Rothmühle kommen müsse. Diese Stücke kann man auch anderswo erleben. In Schwechat sieht man die entlegenen, die ausgefallenen, die durchgefallenen Possen Nestroys.

Das Amateurensemble St. Jakob flankiert seit zwanzig Jahren die im Schloß stattfindenden Nestroy-Gespräche mit der Aufführung von Nestroy-Raritäten. Das Stück, das heuer im Schloßhof gespielt wird, wird man in den Nestroy-Ausgaben vergeblich suchen, zumindest unter dem jetzigen Titel. Zwar hat Nestroy „Die Abentheuer in der Sclaverey“ in Erwägung gezogen, entschieden hat er sich dann aber für einen barockisierenden Bandwurmtitel: „Der Zauberer Sulphurelektrimagnetikophosphoratus und die Fee Walburgiblocksbergiseptemtrionalis oder Asiatische Strafe für europäische Vergehn oder Des ungerathenen Herrn Sohns Leben, Thaten und Meinungen, wie auch dessen Bestrafung in der Sclaverey und was sich alldort Ferneres mit ihm begab.“

Die Zauberposse mit dem schier endlosen Titel war, als sie 1834 uraufgeführt wurde, bereits überholt. Sie war als Parodie auf Raupachs Stück „Robert der Teufel“ gedacht, doch war dieses im Jahr davor nach drei Aufführungen wieder aus dem Spielplan des Hofburgtheaters verschwunden. Nestroys Posse war als Parodie nicht mehr zu erkennen, sie galt als eigenständiges Stück. Und sie wurde „unter heftigem Pochen und Zischen zu Grabe getragen“.

Jetzt, fast hundertsechzig Jahre später, feiert sie in Schwechat fröhliche Urständ. Die Geschichte vom Wiener Früchterl, das nach allerlei Missetaten nach Ostindien verzaubert, als Sklave verkauft und schließlich gebessert wird, wirkt heutzutage recht harmlos. Daß Nestroy wienerische Zustände anprangert, ist kaum noch wahrzunehmen, und was die Aufführung Aktualisierungen versucht, etwa wenn auf dem Sklavenmarkt Serben feil geboten werden, ist sie nicht immer geschmackvoll.

Was bleibt, ist Nestroys Sprachwitz, seine Meisterschaft, durch die Sprache Menschen und Verhaltensweisen zu charakterisieren. Die Nestroy-Rolle des Alib-Memeck, eines reichen Orientalen, ist da am ergiebigsten, und Bruno Reichert bemüht sich redlich, Robert Herret, seit zwanzig Jahren in Schwechat dabei, macht aus dem ungeratenen Sohn eine Figur von greller Schärfe, als Hausmeister, der sich im Orient wiederfindet, steuert Andreas Bauer urwüchsige Behäbigkeit bei.

Peter Grubers Regie läuft manchmal Gefahr, sich ins Musikalische zu verlaufen, sie spielt die Dialoge wirkungsvoll aus und bewältigt die szenischen Umbauten bravourös. Die Akteure sind mit viel Liebe bei der Sache: Amateure eben. Ein Abend für Raritätensammler. (Kurt Kahl)

Die Presse, 29. Juni 1992: Nestroy als Schwechater Sommerspektakel

Die Nestroy-Spiele in der Rothmühle in Schwechat haben heuer ein kaum bekanntes Stück ans Licht gezerrt: „Die Abentheuer in der Sklaverey“ aus 1834 ist eine Parodie Nestroys auf ein romantisches Schauspiel. Peter Gruber hat es als ironisch-effektvolles Zauber- und Feenspektakel inszeniert.

Ein mißratener Sohn – Robert Herret als verwöhnter Rocker-Fratz – wird von der Fee in die Sklaverei verbannt und kehrt geläutert zurück. In der Zwischenzeit muß er bei Ali Memeck (als behäbiger Pykniker: Bruno Reichert) den Boden schrubben, sich von seinem Knecht – von Andreas Bauer als opportunistisches Wiener Schlitzohr treffend dargestellt – karnifeln lassen und einen brüllenden Löwen erschlagen.

In dem von Laien gespielten Stück gibt es eine Menge Feuer und Rauch, einen Teppichklopfer als Zauberstab, phantastische Kostüme, einen debilen Zauberer und einen farbenfrohen, sangesfreudigen Harem.

Peter Gruber hat sich einen derben, groben Nestroy ausgesucht, ihn ironisiert und Pointen und Effekte ohne falsche Scham in den Vordergrund gestellt. Das Ergebnis ist ein rechtes Sommerspektakel: Komisch, ohne platt zu sein, engagiert gespielt, ohne bemüht zu wirken, und unterhaltend. (best)

Der Standard, 29. Juni 1992: Nestroys „Sclaverey“-Possen in Schwechat

„Unter heftigem Pochen und Zischen zu Grabe getragen“ wurde laut Theaterzeitung eine Zauberposse Johann Nestroys, die im Jänner 1834 das Bühnenlicht des Theaters an der Wien zum ersten Mal erblickte und die nun bei den Nestroy-Spielen im Schloßhof der Rothmühle wieder ausgegraben wurde.

Diese Zauberposse, jetzt mit dem griffigen Titel „Die Abentheuer in der Sclaverey“ auf dem Spielplan, erregte die Aufmerksamkeit der Literaturgeschichte bisher weniger durch ihre sprachlichen und inhaltlichen Qualitäten, als durch ihren überlangen und zungenbrecherischen Originaltitel „Der Zauberer Sulphurelectrimagneticophosphoratus und die Fee Walpurgiblocksbergiseptemtrionalis“.

Die beiden Figuren aus dem Inventar des Altwiener Zauberspiels bringen den garstigen, gegen den langweiligen, biedermeierlichen Haushalt seiner Eltern aufmuckenden Robert zur Räson, indem sie ihn als Sklaven in ein natürlich bei Nestroy Wienerisches Morgenland versetzen.

Und in der Schilderung dieses Simmeringer Orients schwelgt denn auch die Inszenierung Peter Grubers, wenn der verblödete Potentat Alib-Memeck genüßlichst „Hundert mit dem Bambusröhrl“ androht, während die Haremsdamen trällernd ihre feisten Bäuche schwingen. „Wien und Asien, ist wie a Faust auf ein Aug“, heißt es scheinheilig im Couplet.

Da läßt sich natürlich auch viel Tagesaktuelles einbringen: moderner Sklavenmarkt am „Polenstrich“, Asylpolitik, etc. Dennoch geraten die Abentheuer in der Sclaverey auf der Bühne etwas breiig. Dieser ursprünglich auf Ernst Raupachs romantisches Schauspiel Robert der Teuxel gemünzten Parodie fehlt der scharfe Sprachwitz, die Figuren bleiben letztlich Schablonen. (Gernot W. Zimmermann)

Wiener Zeitung, 28. Juni 1992: Teuxel Robert als Sklave

Bereits zum 20. Mal finden heuer im wunderschönen Hof von Schloß Rothmühle die Schwechater Nestroy-Spiele statt. Wieder hat sich das ambitionierte und disziplinierte Laienensemble unter Führung des Profis Peter Gruber zusammengefunden um ein selten gezeigtes Werk Johann Nestroys zu präsentieren: „Die Abenteuer in der Sklaverei“, eine Posse um Robert den Teuxel, die bei ihrer Uraufführung im Theater an der Wien (1834), damals noch mit einem sehr umständlichen Titel versehen, eindeutig durchfiel. Möglicherweise lag das an den allzu großen Strichen der gestrengen Zensur; freilich, eines der besten Werke Nestroys ist es sicherlich nicht.

Für Schloß Rothmühle wurde es jetzt mit vielen (allzu vielen) modernen Elementen und mit (plakativ vordergründigen) Zeitbezügen „aufgemotzt“. Das hat ihm zweifellos erst recht nicht gut getan. Denn die Gesellschaftskritik ist so eindeutig und so stark, bereits vom Grundthema her (das verwöhnte Herrensöhnchen Robert, das alle schikaniert, wird von einer Fee zur Strafe in die Sklaverei versetzt und lernt nun was es heißt, erniedrigt, ausgebeutet, geschunden und verachtet zu werden), daß es einer Verdeutlichung wahrlich nicht bedurfte. Und ob Rock ’n’ Roll im Biedermeier so besonders witzig ist, sei dahingestellt.

Vor allem aber läßt es Peter Grubers Inszenierung sehr an Schärfe fehlen, Präzision und Treffsicherheit scheinen stark eingeschränkt, manche „Scherze“ sind peinlich banal und primitiv. In diesem Rahmen Bezüge zum Elend von Menschen unserer Tage herzustellen, erweist sich eher als Taktlosigkeit.

Schuld an der sehr zwiespältigen Wirkung der heurigen Aufführung ist freilich auch, daß sich in dem personenreichen Ensemble kaum darstellerische Talente finden lassen. Zu überzeugen verstehen einzig Alexander Müller und Bruno Reichert. Begabung zeigt Andreas Bauer.

Alle anderen, einschließlich des tapfer mit einer schweren Heiserkeit kämpfenden Robert Herret als Teuxel Robert, sollten sich wohl ein anderes Hobby suchen. (Lona Chernel)

Die Furche, 2. Juli 1992: Nestroys Exotika

Die Internationalen Nestroy-Gespräche in Schwechat mit dem Motto „Wien und Asien“ hatten die biedermeierliche Vorliebe für orientalische Exotik, und Johann Nestroys Sicht des Ausländischen und Außernatürlichen zum Inhalt. Wenn der Künstler reiste, war dies nicht selten auch durch Fluchttendenzen motiviert. Wenn er aber fremde Länder zum Schauplatz wählte, dann demonstrierte er damit meist eine ironisch überspitzte Version der Wiener Verhältnisse.

In der romantischen Mode der Zaubermärchen könnte auch eine verspätete örtliche Reaktion auf die Aufklärung gesehen werden, und auf das Auftreten Cagliostros wie Napoleons, deren dämonische Wirkungen es den Menschen damals angetan hatten. Nestroy setzt ihnen planmäßig immer ohnmächtigere Zauberer und jämmerliche Teufelsfiguren entgegen, deren Requisiten versagen.

In seinen sprachanalytischen Wortspielen zerlegte der Dichter oft die blumenreiche Metaphorik einer Zeit, die menschliche Emotionen in Naturphänomene zu übersetzen pflegte. Lore Toman

Zwei Nestroy-StiIe

Die 20. Nestroy-Spiele im Hof von Schloß Rothmühle bestätigen: Regisseur Peter Gruber entwickelte mit den hochprofessionellen Schwechater Laienspielern zwei Nestroy-Stile: Einen messerscharfen, präzisen, für die bekannten Stücke mit dem starken Wortwitz – und einen mit dem Text frei umspringenden, nach Lust und Laune aktualisierenden, Adaptionen nicht scheuenden, kabarettistisch und musikalisch angereicherten für die als undankbar geltenden, selten oder nie mehr gespielten „B-Nestroys“.

Letzteres Verfahren bewährt sich heuer trefflich bei „Der Zauberer Sulphurelectrimagneticophosphoratus und die Fee Walpurgiblocksbergiseptemtrionalis“ („Abentheuer in der Sclaverey“). Die Gschicht vom strafweise in den Orient gezauberten Luftikus und den mit dem Rohrstaberl aufrechterhaltenen asiatischen Zuständen ist voll Anspielungen, Persiflagen und Parodien und eine große Hetz ohne Tiefflüge ins Flachland. Robert Herret und Bruno Reichert gerieten mancher Kellerbühne zur Ehre, Regine Ban Korsos spielt eine köstliche „Negersclavin“. (H. B.)

Neue Kronenzeitung, 28. Juni 1992: In der Polit-„Sclaverey“

Auch aus originellen Ideen und Pointen werden eines Tages alte Witze! Regisseur Peter Gruber hat eine vergessene Nestroy-Posse ausgegraben. Und biegt sich die verhatschte Komödie „Abenteuer in der Sclaverey“ in der Schwechater Rothmühle nach Belieben zurecht.

Nestroy auch politisch zu verstehen, ist ehrenvolles Anliegen vieler Theatermacher; Nestroy die eigene Moral unterzuschieben, ist plumpe Anmaßung. Nestroys gesellschaftskritischer Scharfsinn war in vielen Schwechater Jahren Mittelpunkt mutiger Theaterarbeit. Jetzt sind es Grubers moralinsaure Ansichten zum Thema Ausländer.

Seine kuriosen Einfälle, die er sich ohnehin in keiner Theaterminute verkneifen kann, sorgen immer für eine furiose Kasperliade; sein Brecheisen-Einsatz von politischen Tagesthemen aber sorgt für schulmeisterliche Verkrampfungen. Gibt es denn immer noch selbstgerechte Weltverbesserer, die ihre Ideologie dem Publikum mit rosa Mascherl und „Dudu nix gut“ verkaufen wollen? Ideologen waren nie gute Komödianten. Wer Nestroy aus seiner zutiefst menschlichen Zwiespältigkeit in politische Einseitigkeit abschieben will, stellt sich selbst ins Winkerl der gealterten Moralprediger. (Konrad Kramar)

Ganze Woche, 28. Juni 1992: Mit Nestroy in den Harem

20 Jahre Nestroy-Spiele auf Schloß Rothmühle! Regisseur Peter Gruber hat hier durch zwei Jahrzehnte gute Arbeit geleistet. Erstens: Johann Nestroys Possen bereiten immer ein Vergnügen. Und zweitens: Die Laiendarsteller des Ensembles spielen mit beachtlichem Können, vermitteln Spaß.

Peter Gruber hat sich heuer für die Freilichtaufführungen im Schwechater Rothmühle-Schloß eine sonst nie gespielte Zauberposse ausgewählt: „Die Abentheuer in der Sclaverey“. Eine Parodie auf das 1833 im Burgtheater aufgeführte romantische Schauspiel „Robert der Teufel“ von Ernst Raupach. Ein kränkender Mißerfolg war’s für den sonst so umjubelten Nestroy, drei Aufführungen nur!

Dies soll uns nicht bekümmern. Der Nestroysche Wortwitz bereitet immer Vergnügen. Und Gruber läßt seine Nestroy-Komödianten so agieren, als würden sie auf einer großen Bühne stehen. Einige von ihnen, wie Bruno Reichert in der Doppelrolle als verblödeter Herr von Pastetenberg und Türkenpopanz Alib-Memeck oder Alexander Müller als Hexe Walpurgiblocksbergiseptemtrionalis, beherrschen ihr Metier, spielen einige Trümpfe aus.

Es geht jedenfalls rund, wenn der Biedermeier-Halbstarke Robert (Robert Herret) von den Hexen in türkische Sklaverei getrieben wird und dort bis zur Besserung einiges durchstehen muß. Grubers Inszenierung setzt auf Action, Ironie, sucht aktuelle Bezüge und Sozialkritisches, fordert von seinen Laien viele schauspielerische Nuancen. Manches gelingt überzeugend, manches weniger gut. Auf in den Harem! Die Schwechater-Mädels dort sind schon adrett.