Weder Lorbeerbaum noch Bettelstab

2. NESTROY Spiele Schwechat

Am 13. Dezember 1835 hatte seine parodierende Posse mit Gesang Weder Lorbeerbaum noch Bettelstab Premiere. Während die Kritik den literarischen und theatralischen Wert des Nestroy Stückes richtig einschätzte (Bäuerles Theaterzeitung schrieb: „Offen gesagt steht der unglückliche Poet Leicht fast erhebender da als sein tragischer Milchbruder Heinrich.“), blieb das Publikum zurückhaltend. Weder Lorbeerbaum noch Bettelstab erlebte nur neun Vorstellungen.

Regie

Peter Gruber

Bühne

Hans Robert Seitl

Kostüme

Herta Mock

Musik

Herbert Ortmayr

Licht

Sepp Nordegg

Inspizienten

Karl Chovanec, Peter Dümple, Josef Sehnal

Technische Einrichtung

Alfred Stepan, Karl Gauster

Maske

Hannelore Uhrmacher

Souffleuse

Herta Mock
GRUNDL ein reicher Seifensieder
Hans Robert Seitl
BLASIUS sein Sohn
Walter Sailer
STEINRÖTL ein Fabrikant
Peter Bolaffio
AGNES seine Tochter
Erika Stepan
CHRYSOSTOMUS ÜBERALL
Walter Mock sen.
EIN THEATERDIREKTOR
Peter Dümpfel
FRÄULEIN PUTZ
Viktoria Seefried
FRÄULEIN MIGRÄNE
Tiementje Chovanec
CHARLITTE Stubenmädchen im Steinrötlischen Hause
Eveline Bolaffio
LEICHT ein DIchter
Horst Kummerfeld
THERESE seine Frau
Annemarie Sehnal
BUCHHÄNDLER DRUCK
Herbert Kovar
CICHORI Kaffeesieder
Guido Salzer
HERR VON SCHARF
Kurt Kratky
HERR VON BILLIG
Karl Chovanec
ERSTER GAST
Wolfgang Mock
ZWEITER GAST
Walter Mock jun.
EIN MARQUEUR
Franz Schulcsik
GOTTFRIEDL ein Lehrjunge
Hannes Volek
KLOPFER ein Spengler
Robert Herret
EIN WÄCHTER
Leopold Oswald
JOHANN
Walter Mock jun.
JULIE
Michaela Mock
MISCHER Wirt in der Brühl
Franz Steiner
ENSEMBLE
Brigitte Aberham, Renate Abt, Elisabeth Gabriel, Renate Gänser, Christa Mock, Grete Seitl, Silvia Smaha

1. Akt
Der Dichter Leicht liest einer Gesellschaft sein neues Stück vor, das niemanden begeistert. Nach heftigem Zureden ist der Theaterdirektor schließlich bereit, ihm dieses Stück und ein anderes für zusammen sieben Gulden abzukaufen. Leicht fühlt sich ungerecht behandelt. Während Blasius unverblümt erklärt, ihm habe das Stück nicht gefallen, versichert Agnes allerdings, sie habe sich sehr amüsiert. Um sich dem Essen zuzuwenden, läßt Blasius die beiden alleine. Er ist sich sicher: „ […] ich hab nichts zu reskiern, sie hat mir ja ewige Liebe geschworen, mein Vertrauen ist unerschütterlich.“ Leicht macht Agnes Avancen, die sie nicht zurückweist. Es stellt sich heraus, daß sie nicht auf das Stück, sondern lediglich auf den Dichter geachtet hat. Leicht weigert sich, an der Gesellschaft teilzunehmen. Blasius verabschiedet sich daraufhin von seinem Freund und trägt ihm Grüße an seine Frau auf. Agnes ist schockiert über die Entdeckung, daß Leicht verheiratet ist. Verletzt schickt sie ihn fort. Nach Leichts Weggang erkennen Blasius und Steinröthl, daß sie mit dem Dichter zu hart umgesprungen sind. Auch Agnes glaubt, sie habe ihn zu Unrecht gekränkt. Gedankenverloren steht sie bei Vater und Bräutigam. Dennoch schöpft Blasius keinerlei Verdacht. – Auftrittslied Therese I, 8 („A Dichtersfrau hat nur Malör“). – Als Therese hört, daß Leicht die verdienten sieben Gulden beim Billard verloren hat, ist sie verzweifelt. Doch Leicht bleibt sorglos und wirft ihr vor: „Wie hast du können die Gattinn eines Dichters werden, wenn du Anspruch auf irdische Nahrung machst?“ – Lied Leicht I, 9 („Geh’ her saubers Madl, i lern’ dir a Lierd“). – Um Leicht zu versöhnen, besuchen Überall und Blasius ihn und bringen die Zutaten für einen Punsch mit. Überall erzählt wie immer von Fischament. Er ist sehr stolz darauf, mindestens 200 Mal im Jahr von Wien nach Fischament und zurück zu reisen. – Punschlied mit Chor I, 11. – Zu später Stunde erscheint Charlotte. Sie bringt einen Narrenstab von Agnes, der mit Dukaten gefüllt ist. Darüber ist Blasius leicht verärgert, traut sich aber nicht, Charlotte eine entsprechende Antwort an Agnes aufzutragen. Freudig liest Leicht den beiliegenden Brief. – Finale Leicht I, 13 („Sie schreibt mir a Brieferl auf g’farbten Papier“). – Das Geld, der Punsch und Agnes’ Liebesbrief haben Leicht trunken gemacht. Erschöpft schläft er am Tisch ein. Blasius schüttet die Dukaten über ihm aus, und Überall legt die Rumflasche auf ihn: „So, jetzt ruht [der] Dichter bedecket mit Ruhm.“

2. Akt
Chor der Gäste II, 1. – Ein Jahr später schimpft man im Kaffeehaus über Leichts gerade aufgeführtes Stück. Unerkannt sitzt der Dichter zwischen den Gästen. Als auch Gottfriedl über das Stück herzieht, ist seine Geduld jedoch zu Ende. Ärgerlich wirft er den Jungen zu Boden. Man ruft den Wächter zu Hilfe. Wächter mit Chor II, 5. – Grundl löst Leicht beim Wächter aus und bezahlt Gottfriedl zwei Zwanziger Satisfaktion. Entsetzt ist Leicht allerdings, als Grundl ihn bittet, für die an diesem Tag stattfindende Hochzeit von Blasius und Agnes ein Gedicht zu verfassen. Zunächst lehnt Leicht entschieden ab. Dann kommt ihm ein Gedanke, und er beginnt sofort zu arbeiten. Klopfer, der ihn ermahnt, er müsse sich um seinen kleinen Sohn kümmern, beachtet er gar nicht. – Duett Grundl, Blasius II, 9 („Wenn’s Weib dir was schafft, was willst machen? – so thu’s“). – Überall gesteht Agnes seine Liebe. Da sie sich weigert, ihm eine Locke zu überlassen, versichert Überall: „Und im Grund gar so viel liegt mir ja doch nicht dran an Ihnen.“ Er ist überzeugt, sie durch eine kurze Fahrt nach Fischament zu vergessen. – Lied Überall II, 11 (R: „So was gieng mir ab vor mein End, / Nein, ich reis’ nur nach Fischament.“). – Charlotte erzählt Agnes, Leicht sei vor vier Monaten von seiner Frau verlassen worden. Sein kleines Kind, um das er sich überhaupt nicht kümmere, irre ständig durch die Nachbarschaft. Charlotte bittet Agnes, das Kind anzunehmen. Dazu ist sie gerne bereit. Blasius dagegen weigert sich. Da Agnes jedoch hartnäckig bleibt, befiehlt er schließlich gebieterisch, das Kind anzunehmen. – Lied Agnes II, 16 („D’Männer schmachten und seufzen, und schauen uns nach“). – Leicht ist außer sich über die anstehende Hochzeit. Am liebsten würde er den Bräutigam mit seinem Narrenstab erschlagen. – Chor mit Charlotte II, 19. – Das Brautpaar wird mit Jubel begrüßt. Überall übernimmt die Aufgabe, das Hochzeitsgedicht vorzutragen. Nach den ersten Worten, in denen Leicht von Untreue spricht, bricht Überall ab, behauptet, es handle sich um einen Scherz und zerreißt das Blatt. Man begibt sich zur Tafel. Alleine mit Agnes, macht Leicht ihr Vorwürfe. Seiner Meinung nach hätte sie für immer ledig bleiben sollen. In der Theaterzeitung entdeckt Leicht eine schlechte Rezension seines Stückes. An dem Satz „Dem Dichter fehlt es gänzlich an Verstand“ glaubt er, Blasius als Autor zu erkennen. Wütend packt er den eintretenden Bräutigam am Kragen. Es kommt zu einem allgemeinen Tumult, in dessen Verlauf Leicht von den Dienstboten aus dem Haus geworfen wird. – Chor der Dienstleute II, 24.

3. Akt
Chor III, 1. – Zwanzig Jahre später machen Überall, Blasius, Agnes und ihre zwei Kinder nach einem Spaziergang Rast in einem Gasthaus. – Lied Leicht III, 3 („Ich zieh’ als Harfenist herum“). – Leicht zieht als Harfenist durch das Land. Dem Gastwirt, dem der bestellte Harfenist abgesagt hat, kommt er sehr gelegen. In einem ruhigen Moment offenbart Überall Johann, daß er ein angenommenes Kind sei. Von seinem Vater Leicht nimmt man an, daß er seit Jahren tot sei. Johann ist hocherfreut über diese Offenbarung, weil er auf diese Weise die naive Julie heiraten kann, die nun nicht mehr seine Schwester ist. – Ballade Leicht III, 10 („An Sonntag steh i Vormittag“). – Die Familie erkennt den Harfenisten nicht. Nur in Agnes keimt ein Verdacht, als sie den alten Narrenstab sieht und Leicht äußerst abweisend auf einen Gulden reagiert, der in einen Theaterzettel eingewickelt war. Um sich aus dieser Abneigung einen Spaß zu machen, reicht Überall Leicht ein Stück Kuchen auf dem Zettel. Erstaunt liest Leicht, daß man eines seiner Stücke bereits zum 100. Mal spielt. Er führt diesen Erfolg darauf zurück, daß man ihn seit vielen Jahren für tot hält. – Julie beginnt, ein Lied aus Leichts Stück zu singen. Als sie nicht weiter weiß, fällt Leicht ein und singt es zu Ende. Nun erkennt man sich gegenseitig. Freudig bittet die Familie Leicht zu bleiben und seinen Erfolg bei ihnen zu genießen. Er zieht es jedoch vor, weiter durch das Land zu ziehen. Johann erklärt er: „Ich hab nie nach dem Lorber getrachtet, drum is auch das, was ich jetzt in der Hand halt’, kein Bettelstab.“ – Schlußgesang Leicht mit Chor der Landleute III, 10 („Ein steiler Felsen ist der Ruhm“).

Aus dem „Nestroy-Schauspielführer“ von Jürgen Hein und Claudia Meyer, Verlag Lehner

Ensemble 1974

Zuerst war da ein „thränenreiches Drama“. Es hieß Lorbeerbaum und Bettelstab oder Die drei Winter eines deutschen Dichters und beschrieb das tragische Schicksal des genialen Poeten Heinrich (von Kleist), der von seinen Mitmenschen verkannt wird. Dieses sentimentale Rührstück stammte aus der Feder Karl von Holteis und wurde am 22. November 1834, mit dem Dichter in der Hauptrolle, in einer österreichischen Erstaufführung am Josefstädter Theater herausgebracht. Der Publikumserfolg war so groß, daß es, über die angesetzten 10 Abende hinaus, viele Monate lang gespielt werden konnte. Otto Rommel, der das Drama eingehend untersuchte, kennzeichnet es mit den folgenden Sätzen: „In der Tat lebt das Stück ausschließlich von der billigen Sentimentalität der unzähligen Künstlerdramen, die seit der Spätromantik einmal zum Repertoire der deutschen Bühnen gehörten. Kein Charakter ist gerade gewachsen oder auch nur richtig gestellt.“

Nestroy reagierte prompt: Am 13. Dezember 1835 hatte seine parodierende Posse mit Gesang Weder Lorbeerbaum noch Bettelstab Premiere. Während die Kritik den literarischen und theatralischen Wert des Nestroy Stückes richtig einschätzte (Bäuerles Theaterzeitung schrieb: „Offen gesagt steht der unglückliche Poet Leicht fast erhebender da als sein tragischer Milchbruder Heinrich.“), blieb das Publikum zurückhaltend. Weder Lorbeerbaum noch Bettelstab erlebte nur neun Vorstellungen.

Der Unterschied zwischen Original und Parodie ist offensichtlich: einer romantisierenden, verkitschten und idealistischen Auffassung vom „Künstlerleben“ steht eine wirklichkeitsnahe Satire gegenüber. Holteis Heinrich arbeitet „für einen höheren Zweck“ – Nestroys Leicht aus viel handfesteren Gründen: „Bis zum Lorbeer versteig’ ich mich nicht. G’fallen sollen meine Sachen, lachen sollen d’Leut, und mir soll die G’schicht a Geld tragen, daß ich auch lach, das is der ganze Zweck.“

Nicht Literatur als „erhebendes Fest“ (Holtei) für Auserwählte, sondern lustige, gescheite Stücke für alle! Das will Nestroys Leicht und sicherlich auch Nestroy selber, der Zeit seines Lebens eher dazu neigte, sein Dichtertum zu unterschätzen. Und obwohl ihn das damalige Publikum bei Weder Lorbeerbaum noch Bettelstab im Stich gelassen hat (was Nestroy-Kennern bis heute unergründbar blieb), ist auch diese Posse ein Beweis für das Volkstümliche und Un-Elitäre in Nestroys Theaterkunst. In ihr setzt Nestroy – in gewissem Sinne autobiographisch – dem bescheidenen Stückeschreiber, der zwischen Lorbeerbaum und Bettelstab die „Mittelstraß’n“ wählt (?), ein lustiges, satirisches „Denkmal“.

Holtei und seine Stücke sind heute vergessen; wahrscheinlich zu Recht. Vergessen ist aber auch Nestroys Parodie; wie viele seiner Stücke sicherlich zu Unrecht. Denn Weder Lorbeerbaum noch Bettelstab erschöpft sich nicht im Parodieren, es hat Eigenleben, das heute vielleicht stärker als damals zur Geltung kommen kann.

Mit Ausnahme einer Hörspiel-Bearbeitung (Regie: Gustav Manker) ist das Stück seit mindestens fünfzig Jahren nicht mehr aufgeführt worden. Es erlebt also in der Schwechater Rothmühle gewissermaßen eine ‚theatralische Wiedergeburt‘. Anlaß hiefür war nicht zuletzt die Tatsache, daß Chrysostomus Überall, jene Figur, die Nestroy für Wenzel Scholz geschrieben hat, sich auf seinen abenteuerlichen Reisen zwischen Wien und Fischamend „an der herrlichen Gegend zwischen Simmering und Schwechat nicht sattsehen kann“. Jetzt hat er wieder Gelegenheit dazu, und das wird sicher nicht ohne Kommentar abgehen.