Akademietheater
‹Der Talisman› im Akademietheater
Premiere 2. März 2013
Der Vagabund Titus Feuerfuchs wird wegen seiner roten Haare privat wie beruflich zum Außenseiter gestempelt. Auch seine Leidensgenossin, die ebenfalls rotschöpfige Gänsehirtin Salome, kann ihm nicht helfen.

Als Titus den Friseur Marquis vor einem Unfall bewahrt und zum Dank eine schwarze Perücke erhält, nimmt sein Leben jedoch eine plötzliche Wende: mit neuer Haarfarbe wird er zum Begehrensobjekt dreier konkurrierender Witwen und macht im Schloss rasant Karriere, indem er fortan immer wieder chamäleonartig die Persönlichkeit wechselt. Doch erst als Titus auf seinen Talisman verzichtet, findet er sein Glück. "Der Talisman" ist eine schillernd-schwerelose Geschichte des Scheins und des Seins. Noch mehr als die verschiedenen "Zauberperücken" sind es der manipulative Charme und das "Fey'rtagsgwandl" seiner Wortkunst, die Titus zum sozialen Aufstieg verhelfen.

Nestroys hochmusikalische Posse übt dezidiert politisch motivierte Zeitkritik. Mit seiner subtilen Wahrnehmung für alles Gebrochene und Widersprüchliche in der menschlichen Natur wendet sich der "erste deutsche Satiriker" (Karl Kraus) gegen einen damals wie heute weit verbreiteten Opportunismus, gegen Geldgier und die Diskriminierung von Minderheiten. Der Talisman des Titus Feuerfuchs ist zugleich ein Symbol dafür, wie lächerlich zufällig der Weg zu Glück oder Unglück bisweilen sein kann.

Titus Feuerfuchs Johannes Krisch
Frau von Cypressenburg Kirsten Dene
Emma, ihre Tochter Liliane Amuat
Constantia Maria Happel
Flora Baumscheer Regina Fritsch
Plutzerkern André Meyer
Monsieur Marquis Dietmar König
Spund Branko Samarovski
Salome Pockerl Sarah Viktoria Frick
Christoph Bernhard Mendel
Musiker Bernhard Moshammer, Karsten Riedel
Regie David Bösch
Bühne und Kostüme Patrick Bannwart
Musik Bernhard Moshammer, Karsten Riedel
Licht Felix Dreyer
Dramaturgie Florian Hirsch

Das Burgtheater hat derzeit (es ist die vierte Spielzeit der Direktion Hartmann) eine Österreich-Spielzeit angesagt, also wird auch ein Nestroy-Stück gespielt. Dass es ausgerechnet ‹Der Talisman› sein muss, das meist-, also eh überall und dauernd gespielte Nestroy-Stück, mag man bedauern, insofern Nestroy ja noch ein paar andere Meisterwerke geschrieben hat. Andererseits sieht man den ‹Talisman› immer wieder gern und mit Vergnügen. Allerdings ist dieses Vergnügen stark eingeschränkt, einerseits weil natürlich der Großteil der (hervorragenden) Schauspieler/innen der Wiener Zunge nicht mächtig ist (was ausgerechnet der FAZ-Kritiker Gerhard Stadelmaier heftig kritisiert, während die Wiener Kritiker sich daran schon gewöhnt haben und immerhin Johannes Krisch, Regina Fritsch und Branko Samarovski den originalen Klang zu bieten haben), andererseits weil der Regisseur, David Bösch, der im Vorfeld zur Kenntnis gebracht hat, das Welttheater-Stück „nicht dem Wienerischen überlassen“ zu wollen, in keiner Weise der über das Lokale weit hinausreichenden Qualität des Stücks (und Nestroys überhaupt), der sprachlichen Schärfe, der satirisch-anarchistisch-philosophischen Sprachenergie vertraut und die Spieler zu allerlei klamaukigem Witzeln anleitet und das Stück mit im besten Fall netten, im schlechtesten Fall dümmlichen Einfällen überzieht und es so im Firlefanz ertränkt.
Wolfgang Palka




Textquelle Burgtheater-Website
Fotos © Wolfgang Palka, →Fotogalerie