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Reichenau

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Hermann Scheidleder,
Martin Zauner

 

Festspiele Reichenau

Einen Jux will er sich machen

Ab 12. Juli 2001 «Einen Jux will er sich machen» bei den Festspielen Reichenau.

Mit Hermann Scheidleder, Tanina Beess, Georg Schuchter, Boris Eder, Eduard Wildner, Urs Hefti, Eva Fichte, Martin Zauner, Michael Dangl, Franz J. Ceeh, Dunja Sowinetz, Viktoria Schubert, Lotte Ledl, Maxi Blaha u. a.

Regie: Nikolaus Büchel, Bühne: Peter Loidolt, Kostüme: Gerti Rinder-Schantl, Musikalische Einrichtung und Leitung: Paul Gulda.

Bis 5. August 2001.

 

Pressestimmen

Warten aufs Krokodil

Reichenau zeigt Nestroys „Jux“

Von Veronika Trubel

Es ist klassisch: Er seufzt auf sie ein, sie seufzt aus sich selbst heraus“, seufzt Martin Zauner alias Hausdiener Melchior. Liebens- und Lebenswirren durchwabern Nestroys verwickelte Geschichte vom braven Weinberl, der sich wenigstens ein Mal in seinem Leben etwas trauen und „ein verfluchter Kerl“ sein will. Mit leisen Zwischentönen könnte so etwas eine Menge Charme haben. Hat es aber nicht.

Regisseur Nikolaus Büchel macht aus Johann Nestroys „Jux“ einen groben Schwank, der stilistisch irgendwo zwischen Kasperltheater und Heimatfilm-Komödie aus den 50er-Jahren angesiedelt ist. Situationskomik, die sich aus Nestroys genial verflochtenen Handlungssträngen ergibt, darf hier nicht lustvoll keimen und auch nicht leise flirren. Wo sie im Ansatz entsteht, wird sie mit clowneskem Gehabe zugekleistert. Leise ist hier nichts. Einige Darsteller outrieren, als würden sie nach Lautstärke bezahlt. Gegen Ende rettet Lotte Ledl redlich, aber einsam.

Eigenwillig ist Paul Guldas musikalische Gestaltung. Er verfremdet Adolf Müllers Originalmusik, schickt Weinberl Tango tanzen und verleiht den Couplets eine Art von Pep, die an Simpl-Revuen denken lässt. Die Kostüme sind „klassisch“, wie Hausdiener Melchior sagen würde. Das Bühnenbild mit kargen, verschiebbaren Wänden einerseits und biederen Hirschgeweihen andererseits weiß offenbar nicht recht, was es will und freut am Anfang vor allem jene Zuseher nicht, die auf der rechten Seite sitzen. Da sieht man nämlich nichts.

Es gibt aber auch gelungene Momente. „Weinberl“ Georg Schuchter im Liebesclinch mit seiner Frau von Fischer (Viktoria Schubert), zum Beispiel. Das ist ebenso freundlich anzusehen wie Martin Zauners einfältiger Melchior. Und in den Couplets wird brav gelästert und sogar mal was gegen den Westenthaler gesagt. Kasperltheater für Erwachsene. Klassisch.

(Veronika Trubel, KURIER, 13. Juli 2001)

 

Aus dem Geist der Schablone

Nestroys "Jux" wird in Reichenau nur durch die Darsteller ein Spaß

Von Lothar Lohs

Reichenau – "Hauptsache, 's ist ein Spaß", singen sie fröhlich gemeinsam zum Schluss, als alle Verwicklungen sich zum Guten gewendet haben und sich drei Paare freiwillig in die "wechselseitige Lebensverbitterungsanstalt" begeben, wie Nestroy die Ehe einmal nannte. Gegen einen Spaß ist überhaupt nichts einzuwenden, zumal der Name Nestroy im Spiel der Sommerlüfte, wenn die große Kunst Pause macht, immer für eine saftige Theatergaudi steht.

Blöd ist nur, wenn die Spaßmaschine ins Stottern gerät wie jetzt im Possenklassiker Einen Jux will er sich machen bei den Festspielen Reichenau. Das liegt nicht am Gewürzkrämer Zangler, den Hermann Scheidleder mit der notwendigen cholerischen Übertreibungsmanier anlegt. Es liegt auch nicht an Georg Schuchter und Boris Eder, die als Weinberl und Christopherl in die Stadt aufbrechen, um einmal im (Lust-)Revier des Verbotenen zu wildern. Zusammen wären sie ein fantastisches Paar, wenn sie einen entsprechenden Bühnenbildner und Regisseur hätten.

Peter Loidolt stellt in seiner Not, die vielen Verwandlungen der Posse in den Griff zu bekommen, ein paar aus dem Museum der Theatermoderne geborgte Stellwände auf die Bühne, die Regisseur Nikolaus Büchel derart unbeholfen herumschiebt und ineinander verschachtelt, dass es mitunter den Charme eines Gymnasium-Festspiels ausstrahlt.

Das kann auch die fein arrangierte Livemusik Paul Guldas nicht vertuschen, der für die (naturgemäß aktualisierten) Couplets und Umbaunummern, Originalmotive von Adolph Müller zu jazzig angehauchter Salon- und Tangomusik vermixt hat.

Der Rest der Inszenierung ist Komödie aus dem Geist der Schablone, bis auf die abenteuerliche Idee, aus dem Dienstmädchen des Fräuleins von Blumenblatt (Lotte Ledl) eine Femme fatale im Frack (Maxi Blaha) zu machen. Damit ist das Regiepulver Büchels auch kläglich verpufft.

Dass der Abend erstaunlicherweise dennoch halbwegs über die Runden kommt, ist der Klasse der Mimen zu danken, die sich auch gegen das Desaster der Stellwände behaupten. Da agiert etwa Viktoria Schubert, die resche Raffinierte als Frau von Fischer, Dunja Sowinetz als Frau von Knorr und der unverwüstliche Chargenkönig Urs Hefti als Kellner oder Dieb. Alle werden sie jedoch in den Schatten gestellt von Martin Zauner, der als "klassischer" Hausknecht Melchior die hohe Kunst der Schmiere vorführt, dabei auf allen Klamauk verzichtet und eines vollkommen überzeugend ausstrahlt: Es gibt nichts so sehr das Gefühl der Unendlichkeit als die Beschränktheit.

(Der Standard, 14./15. Juli 2001)