„Sie sollen ihn nicht haben!“

oder Der holländische Bauer

Faschings-Posse mit Gesang in 2 Aufzügen
Entwurftitel
Der holländische Bauer
Uraufführung
12. Jänner 1850, Carl-Theater (3 Aufführungen)
Nestroy-Rolle
Vincenz, Zuckerbäckergehilfe (Rollenverzeichnis 748)
Musik
Michael Hebenstreit, nicht erhalten
Vorlage
Ch. V. Varin et L. Boyer: Habit, veste et Culotte (Comédie-Vaudeville, Paris 1849)
Überlieferung
Gladt S. 70–74
Hadamowsky 1934, S. 251
SW Bd. 13, S. 647–674
HKA Stücke 28/I, S. 157–479
Werkausgaben (Stücktext)
CG Bd. 6, S. 151–199
SW Bd. 13, S. 259–382
HKA Stücke 28/I (Hg.: Obermaier), S. 5–92 (Der holländische Bauer, Posse mit Gesang in 3 Acten) und S. 97–156 („Sie sollen ihn nicht haben!“ […] Faschings-Posse mit Gesang in 2 Aufzügen)
Literatur
HKA Stücke 28/I, S. 3
Krapfl Eigentümer eines Mandolettiladens
Amalie seine Tochter
Vincenz sein Gehilfe
Herkules Stark Schwimmmeister und Gymnastiker
Hortensia Strampfl Tanzmeisterswitwe
Walpurga
Lisi Köchin bei Krapfl
Ein Maurer
Mummer Maskenverleiher
Wurler ein Gewölbdiener
Herr Winkelberger
Herr Strassinger
Herr Wickel
Herr Pfundhuber
ein Knabe
Schmeckmann Traiteur
Georg Garçon bei Schmeckmann
Ein Billeteur
Ein kleines Mädchen
Tänzer und Tänzerinnen beim Maskenball
Herren
Frauen
Masken

Ort der Handlung: Eine große Stadt. Zeit: die letzten Faschingstage.

1. Akt "Sie sollen ihn nicht haben!"

Für seine Tochter Amalie hat Krapfl Vincenz, des Geldes wegen, als Bräutigam bestimmt. Da sie keinen Geliebten hat, will Amalie sich dem Willen ihres Vaters beugen. – Auftrittslied Vincenz I, 3 („D’ Natur is von Natur“). – Sowohl Krapfl als auch Amalie sind jedoch verärgert über Vincenz’ verschiedene Liebschaften. Vincenz ist nie um eine Ausrede verlegen und erklärt Amalie, er habe nur deshalb mit Lisi angebandelt, weil er Krapfl die Tour vermasseln wollte. Auch für seine Liebschaft zu Walpurga, der holländischen Waffelbäckerin, hat er eine Erklärung: Es sei nur aufgrund seiner Zuneigung zu seiner holländischen Tante passiert. Der Respekt vor dieser Verwandtschaft geht allerdings nicht sehr weit: Seinen holländischen Onkel hat er seinerzeit nicht durch die Stadt führen können, weil dieser sich weigerte, seine Tracht abzulegen. Deshalb sah Vincenz sich gezwungen, eine Fußverletzung vorzutäuschen und seinem Onkel solange Heimweh einzureden, bis er tatsächlich abreiste. Wegen dieser Geschichte glauben Amalie und Krapfl nicht, daß Vincenz von seinem Onkel einmal ein Vermögen erben wird. Doch Vincenz versichert ihnen, daß sein Onkel fest versprochen habe, ihm ein Vermögen zu schicken, wenn er eine würdige Braut vorweisen könne. Zur Sicherheit bestimmt Krapfl, daß Vincenz Amalie erst dann heiraten darf, wenn er das Vermögen habe. Krapfl selbst überlegt, wie er Lisi für sich gewinnen könnte, und beschließt, probeweise auf den Maskenball zu gehen. Als Eisenbahnschaffner verkleidet, erscheint Walpurga in Krapfls Laden und bringt einen Koffer für Vincenz von seinem Onkel. Als Walpurga Vincenz’ Freude über diesen Koffer sieht, beschließt sie, sich von ihm zu trennen. Wie Vincenz ist auch Krapfl hocherfreut und will sofort das Brautpaar segnen. Dagegen schlägt Amalie vor, zunächst den Koffer zu öffnen und seinen Inhalt zu prüfen. Der Koffer muß mit Gewalt geöffnet werden, weil Walpurga vergessen hatte, den Schlüssel auszuhändigen. Zur Enttäuschung aller findet sich in dem Koffer keineswegs das erhoffte Geld, sondern lediglich ein holländischer Anzug. Dazu ein Brief, in dem der Onkel schreibt, dies sei sein Hochzeitsanzug, den er trug, als er wegen Vincenz’ Fußverletzung die Stadt allein durchwandern mußte. Vincenz solle ihn in Ehren halten, denn es sei das Einzige, das er von ihm bekomme. Empört weist Krapfl Vincenz aus dem Haus. Zum Abschied verschenkt Vincenz das holländische Gewand an Lisi. Da Lisi von Hortensia zu Tanzstunden ermuntert wird, tauscht sie schließlich das holländische Gewand gegen 12 Tanzstunden. Unterdessen ist Walpurga noch einmal zurückgekehrt, um den Schlüssel zu bringen, an dem eine Nachricht der Tante befestigt ist, die Vincenz eigentlich vor dem Öffnen des Koffers lesen sollte. Die Nachricht besagt, daß der Onkel gegen den Willen seiner Frau 50.000 Gulden in das Gewand eingenäht hat. Sogleich bekundet Krapfl, Amalie hänge nach wie vor an Vincenz. Dagegen glaubt Walpurga, Vincenz endgültig verloren zu haben. Die Aufregung ist jedoch groß, als man Lisi über den Verbleib des Gewandes zur Rede stellt. – Lied Krapf I, 16 (R: „Ja das wär’ freylich schön,/ Ab’r i glaub’ ’s wird nicht geh’n.“). – Zwischen Hortensia und ihrem Vormund Herkules gibt es Streit, weil Herkules, obwohl selbst in Walpurga verliebt, es nicht dulden will, daß Hortensia mit ihrem Geliebten zum Maskenball geht. Stolz zeigt Hortensia Walpurga das holländische Gewand. Sofort hat Walpurga den Verdacht, es könnte sich um besagtes Gewand aus dem Koffer handeln. Den Avancen von Herkules begegnet Walpurga äußerst abweisend. Als Vincenz, auf der Suche nach dem verlorenen Anzug bei Hortensia erscheint, hält Herkules ihn für Hortensias heimlichen Liebhaber. Hortensia dagegen glaubt, Vincenz sei der bis dahin unsichtbar gebliebene Baron, der ihr bereits Torten schickte. Obwohl Vincenz die Verwechslung bemerkt, klärt er sie nicht auf. Er behauptet einfach, in Hortensia verliebt zu sein, wenn sie nur das unvorteilhafte holländische Gewand auszöge. Als Vincenz sie stürmisch umarmt, um das versteckte Geld zu ertasten, bekommt Hortensia Angst. Herkules eilt ihr zur Hilfe. Nachdem es Vincenz gelungen ist, Herkules wieder loszuwerden und allein mit Hortensia zu sprechen, muß er hören, daß sie das Kleid mittlerweile an Walpurga verkauft hat. Aufgeregt stürzt Vincenz davon. – Lied Vincenz I, 26 (R: „Denn es passt nicht für unsere Zeit“). – Walpurga will den Anzug nach Holland zurückschicken, weil sie hofft, daß Vincenz sich ohne Geld bessert. Auf der Suche nach dem Gewand tritt Vincenz ein. Walpurga stellt ihn wegen seiner Liebesbeteuerungen für Amalie und der Zärtlichkeiten mit Lisi zur Rede. Sie wirft ihm auch vor, sich als Baron ausgegeben zu haben. Vincenz streitet erst alles ab, muß sich dann aber zu seinen Lügen bekennen. Er beteuert Walpurga seine Liebe und bittet sie um Verzeihung. Herkules stattet Walpurga einen Besuch ab und sieht dabei das eingepackte Gewand. Da Walpurga sich weigert, ihm den Inhalt des Päckchens zu verraten, droht er, es ins Feuer zu werfen. Dies kann Vincenz verhindern. Dennoch gelingt es Herkules, das Päckchen aus dem Fenster zu schleudern. Als er jedoch hört, daß darin ein Vermögen steckt, rennt er aus dem Zimmer und schließt Vincenz ein. Über eine Leiter gelangt Vincenz auf die Straße. Allerdings bekommt er dabei den Kalkkübel eines Maurers über den Kopf geschüttet.

2. Akt

Für den Maskenball besorgt Krapfl sich ein Kostüm bei Mummer. Dort erscheint auch Herkules, denn er hat erfahren, daß jemand das Päckchen auf der Straße gefunden und an Mummer verkauft hat. Gerne ist Mummer bereit, Herkules das Gewand für 50 Gulden zu verkaufen. Zu seinem Bedauern besitzt Herkules nicht so viel Geld und verlangt deshalb das Kostüm nur leihweise. Doch auch dafür will Mummer immer noch 12 Gulden haben, über die Herkules nicht verfügt. So bittet er Krapfl, ihm das Geld zu leihen. Der verlangt jedoch zunächst die noch ausstehenden Schulden zurück. In seiner Not erzählt Herkules Krapfl von den versteckten 50.000 Gulden. Um Herkules loszuwerden, gibt Krapfl vor, das nötige Geld nicht bei sich zu haben. Da er selbst gerade als Spanier verkleidet ist, soll Herkules zu seinem Geldeinnehmer laufen. Für diesen gibt Krapfl ihm eine Notiz mit. Herkules ahnt nicht, daß auf diesem Zettel lediglich die Anweisung steht, ihm kein Geld auszuhändigen und bei Schwierigkeiten den Hausmeister zur Hilfe zu rufen. Während Krapfl nach seinem Geld kramt, um den Anzug zu leihen, erscheint Vincenz im Laden. Als er gerade das Päckchen begutachten will, stürzt Herkules herein. Er tituliert Vincenz als „Baron“ und angesichts dieser noblen Kundschaft erhöht Mummer den Preis für das Gewand auf 100 Gulden. Auf der Stelle machen Krapfl und Herkules höhere Angebote. Da nun auch die übrigen anwesenden Herren mitbieten, erklärt Vincenz sich schließlich bereit, 500 Gulden für das eingepackte Gewand zu bezahlen. Nach einem Ausweg suchend, macht Krapfl Vincenz ein Angebot: Er verzichtet auf höhere Gebote, wenn Vincenz sich bereit erklärt, seine Tochter zu heiraten. Auch Herkules schlägt Vincenz vor, nicht weiterzubieten, wenn er seine Nichte heirate. Vincenz verspricht den beiden Herren, was sie möchten, und bekommt so den Zuschlag. Freudig öffnet er das Paket. Allerdings findet er darin lediglich einen alten türkischen Anzug. Es stellt sich heraus, daß Wurler den holländischen Anzug an ein junges Mädchen verliehen hat. In diesem Moment sieht man vor dem Fenster einen „Omnibus“ zum Maskenball fahren. Oben sitzt Lisi im holländischen Bauernkostüm. Beim Maskenball bezahlt Walpurga, die von Vincenz in ihrem Zaubererkostüm nicht erkannt wird, den Eintritt für ihn. Erstaunt hört Vincenz, daß die Maske von seinen drei Heiratsversprechen weiß. Auf die Frage, welches Versprechen er einlösen wolle, entscheidet er sich für Amalie, denn Walpurga habe ihn nie recht verstanden. Krapfl macht auf dem Ball der holländischen Maske Avancen, und Lisi findet durchaus Gefallen an dem flotten Spanier. Umso entsetzter ist sie, als Krapfl sich zu erkennen gibt. Aus Angst, er könne auch sie erkennen und ihrer Mutter von dem Ballbesuch berichten, beschließt sie, mit jemandem das Kostüm zu tauschen. Da Mummer eine Reihe von Kopien des holländischen Anzugs hatte anfertigen lassen, erscheint auch Hortensia in diesem Kostüm. Als Vincenz gerade ein Gespräch mit ihr beginnt, kommt Walpurga, von Vincenz noch immer nicht erkannt. Einen zusammengefalteten Zettel, den sie ihm zusteckt, beachtet er kaum. Erst bei ihrem Abgang glaubt er, ihre Stimme zu erkennen. Auch Herkules erscheint als holländischer Bauer und trifft so auf Vincenz. Der hinzutretende Krapfl meint, in Herkules seine aus den Augen verlorene holländische Maske vor sich zu haben. Mit Chloroform, das er sich zuvor in der Apotheke besorgt hatte, gelingt es Vincenz, Herkules und Krapfl zu betäuben. Doch obwohl er sofort beginnt, den holländischen Anzug aufzutrennen, findet er kein Geld. Entsetzt bemerken Herkules und der ebenfalls anwesende Wurler später den angerichteten Schaden. – Final-Quodlibet II, 37: Vincenz schwört Walpurga seine Liebe. Trotz Armut will er mit ihr glücklich werden. Überrascht erkundigt sie sich, ob er nicht den Wechsel über 50.000 Gulden habe, den sie ihm zusteckte. Leider hat Vincenz den Zettel nicht mehr bei sich. Schließlich findet er sich jedoch in Vincenz’ Maskennase, die Herkules aus Versehen mitgenommen hatte. Das Geld sehend, wird Krapfl wieder sehr freundlich zu Vincenz, doch bleibt es bei der Hochzeit von Walpurga und Vincenz.

Der holländische Bauer

Dieses Stück ist eine dreiaktige Bearbeitung des Stückes „Sie sollen ihn nicht haben!“. Die Handlung ist in weiten Teilen dieselbe, der erste Akt wurde lediglich in zwei Akte geteilt. Allerdings entfällt das Lied, das unter I, 26 aufgeführt ist. Ab Szene III, 32 (II, 30) [s. letzter Absatz des Stückes „Sie sollen ihn nicht haben!“] findet sich eine leicht abgewandelte Handlung:

Lisi hat unterdessen ihr Kostüm mit Herkules getauscht. Siegessicher will dieser nach Hause eilen, doch Vincenz hält ihn auf, weil er glaubt, Hortensia vor sich zu haben. Für ein Souper läßt sich Herkules auf die Verwechslung ein, während Hortensia in einem Nachbarkabinett auf das Essen wartet. Der hinzutretende Krapfl meint, in Herkules seine aus den Augen verlorene holländische Maske vor sich zu haben. Mit Chloroform, das er sich zuvor in der Apotheke besorgt hatte, gelingt es Vincenz, Herkules und Krapfl zu betäuben. Obwohl er sofort beginnt, den holländischen Anzug aufzutrennen, findet er kein Geld. – Final- Quodlibet III, 37 (ohne genaue Textangabe): In holländischen Bauernkostümen erscheinen Amalie, Hortensia und Walpurga vor Vincenz. Sie fordern ihn auf, zu wählen. Vincenz entscheidet sich für Walpurga. Sie gesteht, daß sie ihm die Anweisung auf die 50.000 Gulden bereits ausgehändigt habe. Leider hat Vincenz den Zettel nicht mehr bei sich. Schließlich findet er sich jedoch in Vincenz’ Maskennase, die Herkules aus Versehen mitgenommen hatte, ihm aber, den Wert nicht erkennend, ohne Zögern zurückgibt. Das Geld sehend, wird Krapfl wieder sehr freundlich zu Vincenz, doch bleibt es bei der Hochzeit von Walpurga und Vincenz.