"Nur keck!"

Posse mit Gesang in 3 Acten
Entwurftitel
Gewagte Mittel
Uraufführung
Zu Lebzeiten Nestroys nicht aufgeführt
UA am 2. Juli 1943 im Wiener Bürgertheater (355 Aufführungen 1943/44)
Vorlage
Dion Boucicault: London Assurance (London 1841) und weitere Anregungen von Molière, Friedrich Kaiser, Raupach
vgl. Yates in HKA Stücke 34, S. 119–121
Überlieferung
Gladt S. 66f.
SW Bd. 14, S. 673–678
HKA Stücke 34, S. 115–213
Werkausgaben (Stücktext)
SW Bd. 14, S. 165–310
HKA Stücke 34 (Hg.: Yates), S. 5–111
Literatur
HKA Stücke 34, S. 3
NESTROY Spiele Schwechat
Herr von Graufalter Kapitalist
Heinrich Still sein Neffe
Oberforstmeister von Holzstamm
Anna dessen Tochter
Herr von Wollberger Fabriks- und Gutsbesitzer, Millionär
Amalie seine Frau
Fräulein von Jahrzahl
Ida ihre Ziehtochter
Federkleks Rentschreiber in Wollbergers Diensten
Philippine seine Frau
Stegreif
Gutmann Chirurg
Hantig Wechselagent
Anton Graufalters Diener
Frau Sorgner Graufalters Wirtschafteirn
Margreth Magd bei Federkleks

Die Handlung spielt in den ersten Szenen in einem an der Linie einer großen Stadt gelegenen Landorte, dann in der Stadt selbst.

1. Akt

Auftrittslied Stegreif mit Heinrich Still I, 2 (R: „Vielleicht schon auf’s Jahr, aber heuer noch nit. / Ich lebte so ordentlich stets und solid, / Und jetzt – ach, weh mir! Wenn der Onkel mich sieht.“). – Heinrich, der stets fürchtet, sein Onkel könnte seinen unsoliden Lebenswandel und seine Schulden entdecken, hat am Abend den Tunichtgut Stegreif kennengelernt. Dieser lädt sich sogleich bei Heinrich ein und kann dessen Verzweiflung über seine scheinbar ausweglose Lage nicht begreifen. Unterdessen ist Graufalter auf Brautschau, denn das Testament seines Schwagers bestimmt, daß Graufalter die Tochter von Holzstamm heiraten soll. Außerdem soll Heinrich Fräulein von Jahrzahl heiraten. Beide Paare bekommen für den Fall der Hochzeit jeweils eine halbe Million Gulden. Sollte sich eine Person der Hochzeit verweigern, bekommt die jeweils andere das Geld für sich allein. Holzstamm versucht, Graufalter zu überreden, das Testament zu umgehen, denn er fürchtet eine unglückliche Ehe aufgrund des großen Altersunterschieds. Doch Graufalter läßt sich nicht umstimmen, und Anna ist gerne bereit, für diese Summe einen alten Mann zu heiraten. In Graufalters Haus trifft Holzstamm auf den „gesellschaftlichen Aufmischer“ Stegreif, den er zu sich nach Hause einlädt. Stegreif überträgt diese Einladung auch auf seinen Freund Heinrich. Da ein Gläubiger vor der Tür wartet, kann Heinrich sich zu einer sofortigen Abreise entschließen. – Auftrittslied Federkleks I, 10 („Wär’ ich ein Beamter von Geist und Verstand.“). – Holzstamm glaubt, Anna von der Hochzeit abbringen zu können, wenn sie außer dem trotz großen Altersunterschieds glücklichen Ehepaar Wollberger ein abschreckendes Beispiel vor Augen geführt bekäme. Deshalb hat Holzstamm Philippine und Federkleks eine Belohnung versprochen, wenn sie, obwohl ebenfalls sehr glücklich verheiratet, eine unglückliche Ehe vorspielen. Allerdings bleibt Anna von dieser Vorstellung zunächst unbeeindruckt. Bei Holzstamm stellt Stegreif Heinrich als August Holmfeld vor. Dieser verliebt sich auf den ersten Blick in Anna. Währenddessen treiben Philippine und Federkleks das Spiel vom unglücklichen Ehepaar so weit, daß sie selbst daran glauben. Schließlich wollen sie sich scheiden lassen. Heinrich, der nichts von dem Testament weiß, erschrickt, als er hört, daß Anna in einer Woche heiraten soll. Um Federkleks, der von der Liebe zwischen Heinrich und Anna Wind bekommen hat, zum Schweigen zu bringen, erzählt Stegreif, er könnte ihm eine gute Stellung in der Stadt besorgen, wenn er nur immer gehorsam sei. Der eintreffende Graufalter erkennt in August Holmfeld sogleich seinen Neffen Heinrich. Doch es gelingt Stegreif, ihm weiszumachen, daß August Heinrichs Doppelgänger sei. Anna und Amalie durchschauen dieses Spiel, verraten jedoch nichts. Es wird vereinbart, daß August bis zum erwarteten Eintreffen Heinrichs am Abend bleibt. Dann sollen die angeblichen Doppelgänger gegenübergestellt werden.

2. Akt

Wollberger ist eifersüchtig, weil Graufalter seiner Frau nachstellt. Um sich Klarheit zu verschaffen, engagiert er Federkleks, der Amalie nachspionieren soll. Auch Graufalter versichert sich der Dienste Federkleks’ als Helfer in der Liebessache mit Amalie. Zu allem Überfluß taucht auch noch der Wechselagent Hantig auf und verlangt 300 Gulden von Heinrich. Er droht, den Schuldner zu verhaften. Den hinzutretenden Frauen Anna und Amalie erzählt Stegreif, Hantig wolle August zum Duell fordern. Da Hantig zum Gehen drängt, hofft Heinrich angesichts seines möglichen Todes auf ein letztes erklärendes Wort von Anna. Anna hingegen hofft ihrerseits auf ein liebes Wort von August. Doch beide schweigen. Amalie verspricht Anna, im Falle eines glücklichen Ausgangs des Duells zum Schein auf Graufalters Annäherungsversuche einzugehen, um ihn so von einer Hochzeit mit Anna abzuhalten. Graufalter stellt Stegreif zur Rede, weshalb er sich seinerzeit in seinem Haus aufgehalten habe. Nie um eine Ausrede verlegen, erklärt Stegreif, er habe Heinrich einmal 300 Gulden geliehen, weil dieser eine arme Familie unterstützen wollte, denn er habe das große Herz seines Onkels geerbt. Dieses Geld habe er sich wieder holen wollen. Unter diesen Umständen ist Graufalter gerne bereit, den Wechsel zu bezahlen. Da Heinrich der Szene scheinbar ungerührt zugesehen hat, ist Graufalter nun auch davon überzeugt, daß es sich hier um einen Doppelgänger seines Neffen handelt. Er entbindet ihn deshalb davon, bis zum Abend zu bleiben. Eigentlich wollte Holzstamm den dubiosen Stegreif aus dem Haus weisen, doch der behauptet, unbedingt die Hochzeit zwischen Anna und Graufalter verhindern zu wollen. Er selbst habe die Liebschaft zwischen Anna und Heinrich gestiftet, denn um Heinrich handle es sich hier. Stegreif entdeckt Holzstamm Heinrichs wahre Identität. Ganz begeistert verspricht Holzstamm, Stegreif freie Hand zu lassen, wenn er nur auch die Beziehung von Federkleks und Philippine wieder in Ordnung bringe. Heinrich erscheint in seiner wahren Person. Federkleks erzählt Anna, August sei bei dem Duell getötet worden, da Heinrich sehen will, wie Anna reagiert. Sie bricht ohnmächtig zusammen. Der Erwachenden erzählt Heinrich, er sei der Doppelgänger ihres geliebten August. Augenblicklich durchschaut Anna das falsche Spiel und beschließt, Heinrich dafür zu strafen. Sie zeigt sich zu Tode betrübt, so daß Heinrich ihr schließlich seine Liebe gesteht und ihr erklärt, daß Heinrich und August eine Person sind. Doch Anna sagt, sie falle auf seine Täuschung nicht herein. Weder von Federkleks noch von Stegreif läßt sie sich umstimmen. Dem gerade angekommenen Fräulein von Jahrzahl stellt sich Stegreif unerschrocken als der vom Testament bestimmte Bräutigam vor. Er benimmt sich dabei so außerordentlich unverschämt gegenüber dem Fräulein und Heinrich, daß sie zutiefst erschrickt. Für einen kurzen Moment verläßt Stegreif den Raum, um wie ausgewechselt zurückzukehren: höflich und zurückhaltend. Er gibt vor, der Milchbruder des Wüterichs zu sein. Er gibt Heinrich als den Schreiber Fix aus, dem er helfen wolle. Aus diesem Grund würde er gerne eine Hochzeit mit Fräulein von Jahrzahl arrangieren. Diese verspricht, sicher nicht Heinrich heiraten zu wollen. Allerdings will sie für ihre angenommene Tochter Ida nicht auf die Erbschaft verzichten. – Final-Quodlibet ab II, 29: Federkleks und Philippine glauben, daß Leute, die man in dieser Nacht auf dem Kirchhof umgehen sieht, im Laufe des Jahres sterben werden. Stegreif sorgt dafür, daß sie sich gegenseitig „umgehen“ sehen.

3. Akt

Als Liebesbeweis verlangt Amalie von Graufalter eine schriftliche Erklärung, daß er auf die Hochzeit mit Anna und das Erbteil verzichtet. Graufalter macht Fräulein von Jahrzahl den Vorschlag, daß Heinrich Ida heiratet und so dem Testament Genüge tut. Doch die beiden Frauen, die von dem verkleideten Federkleks und Stegreif gespielt werden, lehnen empört ab. In einem anonymen Brief warnt Federkleks Wollberger vor einer freiwilligen Entführung Amalies durch Graufalter. Der als Ida verkleidete Stegreif versucht liebevoll, Wollberger zu trösten. Ida erzählt, daß Graufalter sich weigere, Heinrich Fräulein von Jahrzahl heiraten zu lassen. Doch ihre Mutter wolle sich mit dem Geld trösten. Deshalb erbitte sie von ihm, als Testamentsverwalter, eine Urkunde, die sie ohne weitere Umstände in den Besitz der Erbschaft bringt. Wollberger, ganz hingerissen von dem reizenden Mädchen, zögert noch, als Fräulein von Jahrzahl in Gestalt des verkleideten Federkleks überraschend eintritt. Die falsche Ida behauptet, Wollberger habe sie verlocken wollen. Beide Frauen drohen, Amalie von dieser Szene zu berichten. Um sich aus dieser Situation zu befreien, willigt Wollberger ein, die gewünschte Urkunde auszustellen. Anna weiß von Graufalters Zusage für Amalie. Jetzt möchte er, daß Anna und Heinrich heiraten. Sehr erbost ist er, als Anna ihm von Heinrichs Doppelspiel erzählt. Anna ihrerseits ist böse auf Heinrich, weil er Fräulein von Jahrzahl Avancen gemacht hat. Weil sie beide der Überzeugung sind, daß der andere das Jahr nicht überleben wird, versöhnen Philippine und Federkleks sich wieder. Vor dem Tor bemerkt Wollberger abfahrbereite Wagen. In den verschleierten Frauen glaubt er Amalie und Graufalter zu erkennen. Wütend hält er sie fest. Es sind jedoch Fräulein von Jahrzahl und Ida, die in aller Stille wieder abreisen wollen. Sofort erkennt Wollberger den Unterschied zu den Frauen, die ihm zuvor begegneten. Als Anna und Amalie erscheinen, beginnt sich die Geschichte aufzuklären. Amalie erklärt, sie habe Graufalter für seine Avancen strafen und überdies Anna vor einer unglücklichen Ehe bewahren wollen. Heinrich zeigt Anna, daß das vermeintliche Fräulein von Jahrzahl nur der verkleidete Federkleks war .Weil er die Verwicklungen mitgemacht hat, will Wollberger Federkleks entlassen. Vor Schreck erzählen Philippine und ihr Mann von ihren „Todesängsten“, doch auch diese Geschichte kann Stegreif richtigstellen. Als Erklärung dafür, daß er die Interessen von Fräulein Jahrzahl verfolgt hat, versichert Stegreif kurzerhand, der Geliebte von Ida zu sein.