Dreyssig Jahre aus dem Leben eines Lumpen

Lokales Zauberspiel mit Tanz, Gesang und Tableaux in 2 Akten
Uraufführung
20. Dezember 1828 Graz 1829 Theater in der Josefstad
Nestroy-Rolle
Longinus (Rollenverzeichnis 279)
Vorlage
Nach J. W. Lembert [J. W. Tremler]: Dreißig Jahre aus dem Leben eines Spielers (Victor Ducange: Trente années d’ un jour)
Überlieferung
Gladt S. 88, Hadamowsky 1928, S. 122, Hadamowsky 1934, S. 174
SW Bd. 1, S. 619–652
GW Bd. 1, S. 644–647
HKA Stücke 1, S. 413–452
Werkausgaben (Stücktext)
CG Bd. 10, S. 47–90
SW Bd. 1, S. 1–86
GW Bd. 1, S. 195–264
HKA Stücke 1 (Herausgeber: Walla), S. 109–178 (Dreißig Jahre)
Literatur
HKA Stücke 1, S. 108
Diehl
Neufeld
Erste Abteilung
Simplicius Pumpf ein reicher Zauberer, Besitzer mehrerer magischer Herrschaften
Longinus sein Sohn
Crepontes sein Factotum, ebenfalls ein Zauberer
Nocturnus ein gelehrter Magier, ehemals Erzieher des Longinus
Bisgurnia eine Fee, Witwe eines mächtigen Zauberers
Urania ihre Tochter
Knopf Bedienter des Longinus
Ein Bedienter des Simplicius
Der Genius der Zeit
Ein kleiner geflügelter Spiritus
Ein alter Geist
Hexen, Feen, Genien, Satyren, Geister
Zweite Abteilung
Frau von Brettnagel eine reiche Witwe
Longius ihr Neffe, 24 J
Herr von Eisenkopf Bankier
Albertine seine Tochter, 20 J.
Heinrich Pfiff Kammerdiener der Frau von Brettnagel, 28 J.
Lisette Albertines Kammermädchen, 19 J.
Johann Eisenkopfs Bedienter
Rosa Küchenmädchen
Franz Bedienter, beide bei Frau von Brettnagel
Adolf Wallner Buchhalter des Herrn von Eisenkopf, 27 J.
Ein Küchenjunge
Speer Inspektor auf Frau von Brettnagels Landhause
Gertrud seine Frau, 26 J.
Nocturnus (als Unbekannter)
Dritte Abteilung
Schneller Gastwirt
Julerl Kellnerin
1. und 2. Gast
Nocturnus (als Schauspieldirektor)
Brand Heldenspieler
Süßholz Liebhaber
Herzensdrang Tenorist
Kellerbär Bassist
Herr Kreidenthal Tanzmeister
Mehrere Schauspieler
Wirtshausgäste
Longinus, 34 J.
Vierte Abteilung
Longinus, 44 J.
Heinrich Pfiff Inhaber des Hotels „Zum goldenen Anker“, 48 J.
Lisette seine Frau, 39 J.
Herr von Pflastertritt ein Stutzer, 28 J.
Pierre sein Bedienter
Kellner im Hotel
Adolf Wallner Bankier, 47 J.
Albertine seine Frau, 40 J.
Therese deren Tochter, 18 J.
Madame Speer Witwe, 46 J.
Scharf Gerichtsdiener
Ein Kellner
1. und 2. Traumgestalt
Gerichtsdiener, Aufwärter, Furien
Fünfte Abteilung
Longinus, 54 J.
Madame Speer Witwe 56 J.
Herr von Pflastertritt 38 J.
Gustav sein Zögling
Frau Katherl Öbstlerin
Ein Schusterbube
Peterl, Jakerl, Hanserl, Nikerl alles Gassenjungen

Die erste Abteilung spielt im Geisterreich. Die zweite Abteilung spielt in einer großen Stadt und bei dem nahegelegenen Landhaus der Frau von Brettnagel. Die dritte Abteilung spielt im Wirtshause einer Provinzialstadt. Die vierte Abteilung spielt im Hotel „Zum goldenen Adler“ und in der Wohnung des Longinus, in einer Hauptstadt. Die fünfte Abteilung spielt auf einem Marktplatz in der vorigen Hauptstadt. Die letzte Szene spielt abermals im Zauberreich.

1. Akt

1. Abteilung
Chor (mit Crepontes) I, 1. – Pumpf ist ganz außer sich vor Freude, daß sein Sohn Longinus nach fünfjähriger Abwesenheit nach Hause zurückkehrt. Pumpf glaubt nicht, was der Diener Knopf über Longinus berichtet: Er trinke mit jedem und spreche jede Magd an. Nocturnus macht Pumpf schwere Vorwürfe: Pumpf habe ihm nicht erlaubt, Longinus zu begleiten, um seine Ausschweifungen in Grenzen zu halten. Außerdem hätte Pumpf sich mit seiner Zaubermacht über den Lebenswandel seines Sohnes informieren können. Nun kehre Longinus als Lump zurück. Pumpf ist erbost über Nocturnus’ Rede. Nach Pumpfs Wünschen soll Longinus Urania heiraten. Diese will in die Heirat jedoch nur einwilligen, wenn ihr Bräutigam ihrem verstorbenen Vater ähnelt. In Uranias Erzählungen ist der Vater sehr edel gewesen. Nach der Meinung ihrer Mutter war er ein Wüstling. – Chor I, 3. – Arie (Auftrittslied) Longinus I, 4 („Papa, ich komm z’Haus, welch ein festlicher Tag!“). – Longinus spricht sofort nach seiner Ankunft von Schulden. Da wird dem Vater klar, daß er tatsächlich ein Lump geworden ist. Zum Entsetzen von Urania berichtet Longinus ohne ein Wort des Bedauerns von seinem unsoliden Lebenswandel. Er ist sehr zufrieden mit seinem Leben. Pumpf ruft Nocturnus um Hilfe an. Nocturnus will Longinus nicht strafen, sondern bessern. Longinus wird aus dem Zauberreich verbannt und darf erst zurückkehren, wenn er sich gebessert hat. 30 Jahre lang soll Longinus als Lump auf der Erde leben, um zu sehen, wohin ihn dieses Leben führt. Im Zauberreich werden die Jahre wie Tage vergehen. Longinus ist begeistert von der Idee. Nocturnus erklärt den Ablauf: Zunächst soll Longinus zehn Jahre als Lump leben. Danach darf er wählen, ob er weitere zehn Jahre bleiben will. Sollte er diese Möglichkeit wählen, wird er auf jeden Fall auch die letzten zehn Jahre noch bleiben müssen. – Chor I, 5.

2. Abteilung
An die bevorstehende Hochzeit ihrer jungen Herrschaften knüpft Lisette die Hoffnung, daß Heinrich sie heiraten wird. Heinrich ist jedoch davon überzeugt, daß die Hochzeit nicht stattfinden wird, weil der junge Herr, sollte seine Tante sterben, viel Geld erben werde. Gemeinsam mit ihm will Heinrich dann in die Welt ziehen. Sollte er irgendwann wieder auf Lisette treffen, hält er eine erneute Beziehung nicht für ausgeschlossen. Adolf ist in Albertine verliebt, die am nächsten Tag Longinus heiraten soll. Heinrich versichert ihm, daß die Hochzeit nicht stattfinden kann, weil der Bräutigam nicht erscheinen wird. Unterdessen versucht Albertine vergeblich ihren Vater von der Hochzeit abzubringen. Der Vater hält es für das Beste, wenn die Eltern den Bräutigam aussuchen. Der Neffe der reichen Frau von Brettnagel sei genau der Richtige. Und Albertine müsse ihn lieben. Um Braut und Bräutigam miteinander bekannt zu machen, erscheint Fau von Brettnagel mit Longinus, den sie wie ein kleines Kind behandelt. Longinus verhält sich dementsprechend und macht auf seine Tante und seinen zukünftigen Schwiegervater den allerbesten Eindruck. Am Abend verbrennt Frau von Brettnagel die Rute, mit der Longinus erzogen wurde, weil er ab dem nächsten Tag unter dem „Ehestandspantoffel“ steht. Nachdem die Tante fortgegangen ist, läßt Longinus Heinrich durch das Fenster herein. Heinrich gibt Longinus den Schlüssel zu dem Sekretär, in dem Frau von Brettnagel 100.000 Taler verwahrt hat, die sie Longinus zu seiner Hochzeit geben will. Heinrich rät Longinus, das Geld zu nehmen und sich mit ihm nach Paris abzusetzen. Doch Longinus will nicht fort, weil Albertine es ihm angetan hat. So gehen Heinrich und Longinus einstweilen in die Küche. – Chor I, 13. – Longinus fängt sofort an, dem Küchenmädchen Rosa schön zu tun. – Quodlibet-Duett Rosa, Longinus I, 13. – Anschließend gehen Heinrich und Longinus in ein Wirtshaus. – Chor I, 13. Am Morgen wird Longinus vor den Augen der Hochzeitsgesellschaft völlig betrunken aus dem Wirtshaus geworfen. Herr von Eisenkopf ist entsetzt, bestimmt Adolf zu seinem Kompagnon und erklärt, daß Adolf und Albertine in einer Woche heiraten werden. Frau von Brettnagel weist Longinus aus dem Haus. Ein Unbekannter, der sich unter die Gäste gesellt hatte, spricht Longinus an und macht ihm durch Zauberkraft deutlich, daß für ihn keine Hochzeit stattfinden wird. – Unsichtbarer Chor I, 21.

2. Akt

3. Abteilung
Longinus, 34 Jahre alt, Schauspieler, erscheint als liederlicher Mensch in einem Gasthaus. Dort trifft er auf Nocturnus, den er in der Gestalt eines Direktors nicht erkennt. Dem Direktor erzählt er, daß er seit neun Jahren beim Theater sei und seine letzte Stellung verloren habe, weil er den Direktor geschlagen habe. Dieser wollte Longinus kein Geld geben, weil er ihm nichts schuldig war. Auch dieser Direktor will ihn nicht anstellen. Longinus sei ein liederlicher Mensch, eben ein Lump, der seiner Gesellschaft schaden würde. Longinus erzählt sein Schicksal: Seine Tante habe ihn davongejagt, jedoch nicht ohne ihm vorher sein Erbteil von 100.000 Talern auszuzahlen. Das Geld habe er gemeinsam mit seinem Diener Heinrich, der nun Kapitalist sei, innerhalb eines Jahres in Paris durchgebracht. Trotzdem will Longinus nicht zu einem ordentlichen Leben zurückkehren, denn bei jeder Gesellschaft werde für ihn gesammelt, damit er weiterziehen kann. Noch mindestens zehn Jahre will er weiterhin als Lump leben. Nocturnus erwidert: „Frei wählst du deine zweiten zehn Jahre. Bei den dritten hast du keine Wahl. Sie werden deine Strafe sein.“ – Unsichtbarer Chor II, 5.

4. Abteilung:
Heinrich und Lisette, beide um 20 Jahre älter, besitzen das Hotel „Zum goldenen Adler“. Heinrich ist stolz darauf, Longinus am Vorabend seiner Hochzeit einen Rausch angezecht und ihn anschließend in Paris um sein halbes Vermögen gebracht zu haben. Seit drei Jahren arbeitet Longinus bei ihm als Lohnbedienter, ohne jedoch seinen Lebenswandel geändert zu haben. Adolf, mittlerweile reicher Bankier, Albertine und ihre Tochter Therese sind im Hotel abgestiegen. Der verbitterte Longinus, 44 Jahre alt, wird von Heinrich entlassen, weil er durch seine Geschäfte das Hotel in Verruf bringt. Als Pflastertritt Longinus bittet, ihm eine Unterredung mit Therese zu verschaffen, erkennt Longinus eine Möglichkeit, sich an Adolf zu rächen, weil dieser ihm die Frau weggenommen und deren Geld bekommen hat. Finanziell steckt Longinus in der Klemme: Man verlangt von ihm die Begleichung von Wechseln über 500 Gulden. Doch er besitzt nicht mehr das Geringste: kein Geld, keine Möbel, keine Kleider. Nach langem Zögern beschließt er, Adolf einige Obligationen zu stehlen. Longinus arrangiert ein Treffen zwischen Therese und Pflastertritt und berichtet dann wie zufällig Adolf und Albertine von diesem Rendezvous. Adolf ist empört und eilt davon. Longinus nutzt diese Gelegenheit, die Schatulle mit den Obligationen an sich zu nehmen. Allerdings bemerkt Adolf den Dieb, und Longinus wird festgenommen. Es erfolgt eine Verwandlung: Longinus steht in einem Tal, in dem er auf Nocturnus trifft. – Chor II, 24. – Nocturnus erklärt ihm, daß der Weg ins Geisterreich für ihn versperrt ist, denn es gibt nur drei Eingänge: den für Unschuldige, den für Gerechte und den für die, welche gebüßt haben. Longinus’ Weg kann nur der letztere sein, nachdem er weitere zehn Jahre als Lump gelebt hat. – Furien-Chor II, 24.

5. Abteilung:
Longinus, 54 Jahre alt, ist Gassensäuberer, voll Unmut und später Reue, abgemagert und elend gekleidet. Er sieht die Schuld an seinem Unglück bei der Erziehung durch seine Tante: „Gar zu streng sein gegen die Kinder ist eben so bös, als wenn man ihnen alles angehn läßt.“ Longinus bereut, nicht schon vor 20 Jahren sein Leben geändert zu haben. – Arie Longinus II, 31(„’s glaubt mancher sein Lebzeit glücklich [zu] seyn“). – Gebessert kehrt Longinus ins Zauberreich zurück und ist überglücklich, seinen Vater und seine Braut Urania wiederzusehen. Er ist der Meinung, daß es weniger Lumpen gäbe, wenn alle wüßten, wie es nach 30 Jahren mit ihnen stehe. – Schlußgesang II, 32 („Die Jugend ist selten solid“). – Chor II, 32.