Die Zauberreise in die Ritterzeit

oder Die Übermüthigen

Original-Zauberposse in drei Aufzügen
Uraufführung
20. Oktober 1832, Theater an der Wien (7 Aufführungen)
Nestroy-Rolle
Simplicius Sapprawalt (Rollenverzeichnis 486)
Musik
Adolf Müller
Nachweise: Hilmar S. 45
HKA Stücke 4, S. 513–533
Vorlage
Motive nach Carl Meisl: 1723, 1823, 1923 (Wien 1824)
vgl. HKA Stücke 4, S. 203
Überlieferung
Gladt S. 90
Hadamowsky 1934, S. 292
SW Bd. 1, S. 683–703
HKA Stücke 4, S. 197–449
Werkausgaben (Stücktext)
CG Bd. 11, S. 3–45
SW Bd. 1, S. 305–418
GW Bd. 1, S. 481–574
HKA Stücke 4 (Herausgeber: Aust), S. 5–97
Musik (erhältlich)
Musik (erhältlich)
Literatur
HKA Stücke 4, S. 2 f.
Diehl
Die Gegenwart eine mächtige Fee
Die Zukunft ein unmündiges Kind
Die Vergangenheit Mutter der Gegenwart, eine pensionierte Fee
Furiosus, Morosus dienstbare Geister der Fee Gegenwart
[Die Wahrheit]
Polycarpus Sapprawalt ein reicher Privatmann
Eulalie seine Tochter
Simplicius Sapprawalt sein Neffe
Frau von Dukatenstein eine reiche Frau, Schwägerin des Herrn von Sapprawalt
Petronella ihre Tochter, Braut des Simplicius Sapprawalt
Herr von Geldsack ein junger Partikulier, Eulaliens Bräutigam, Neffe der Frau von Dukatenstein
Fräulein Gicks
Herr von Scherwenzl
Fräulein Blond
Fräulein Duft
Fräulein Spitz
Herr von Scharf
Frau von Haubenband Witwe
Fräulein Giraff
Franz, Bernhard Bediente in Sapprawalts Hause
Ottomar von Eisenfels ein junger Ritter
Brigitta von Winterschnee seine Muhme
Ursula, Beschließerin, Kurt, Ein Knecht, Ein Herold alle auf Ottomars Feste
Ritter Blasius von Humpenberg
Kunigunde seine Tochter
Bertram Burgvogt auf Humpenberg
Ein Knecht des Ritter Humpenberg
Kuno von Doppelschwerdt
Dessen Gemahlin
Hildegardis von Tiefenstein deren Schwester
Ritter Eichenwald Kunigundens Verlobter
Ritter Kleeberg dessen Freund
Guntram Doppelschwerdts Leibknappe
Ritter Fust von Stein
Veit sein Knecht
Ein Kerkermeister
Ballgäste, Bediente, Genien, Nymphen, dienstbare Geister, Ritter, Vasallen, Knappen, Knechte, Geister, Vermummte, Vehmrichter, Fronen etc.

Die Handlung spielt teils in einem Feenhaine, teils in einer großen Stadt in Sapprawalts Wohnung, teils auf den Ritterburgen Eisenfels, Humpenberg, Sapprawaltburg und Stein, teils in Wäldern und Kerkern. Das Ganze geht teils jetzt, teils ehemals vor.

1. Akt

Chor der Geister mit der Fee Gegenwart I, 1. – Die dienstbaren Geister beschweren sich über die ausbleibende Besoldung. Die Fee Gegenwart vertröstet sie auf ihr Kind, die Zukunft. Gerne würden die Geister die Mutter der Gegenwart, die Vergangenheit, zu Rate ziehen, doch diese schläft immerzu. Man bringt der Gegenwart einen sechs Fuß hohen Brief, aus dem Frau von Dukatenstein und ihr Neffe Geldsack steigen. Sie bitten die Gegenwart um Hilfe in einer Hochzeitsangelegenheit: Der junge Simplicius Sapprawalt soll Petronella, Frau von Dukatensteins Tochter, heiraten, ebenso wie Geldsack Eulalie, doch die Narrheit der Familie Sapprawalt verhindert dies. Darüber möchte sich die Gegenwart aus unabhängiger Quelle informieren und befragt das Buch der Wahrheit. Darin steht, daß das junge Fräulein Eulalie die fixe Idee hat, „daß die jungen Herrn der jetzigen Zeit nicht mehr viel taugen – und daß nur die Jünglinge der Vorzeit fähig waren, ein Mädchenherz zu beglükken.“ Über Vater und Sohn Sapprawalt kann man lesen, daß sie die Gegenwart „abscheulich, langweilig, und fad“ finden. „Die Vergangenheit aber behaupten sie war herrlich und schön.“ Diese Worte bringen die Vergangenheit dazu, aufzuwachen und fortzueilen, um sich in ihrer ganzen Schönheit zeigen zu können. Die Gegenwart verspricht, Frau von Dukatenstein und Geldsack zu helfen. Sie ist sicher, daß man die Gegenwart besser zu schätzen wisse, wenn man sieht, wie die Vergangenheitwirklich war. Geldsack möchte bei dieser Geschichte unbedingt dabei sein, obwohl ihn die Fee davor warnt. Er glaubt, sein Geld schütze ihn sowohl vor der Gegenwart als auch der Vergangenheit. – Chor der Geister I, 2. – Duett Polycarpus, Simplicius I, 4: Sie klagen: „Warum sind wier nicht in der Vorzeit gebohr’n, / Aus uns wär’n zwey schöne Stück Ritter gewor’n.“ – Auftrittslied Eulalie I, 6 („So oft ich ein Mannsbild nur seh’ muß ich lachen“). – Eulalie schikaniert Geldsack durch ihre Launen, obwohl er eifrig bemüht ist, alle ihre Wünsche zu erfüllen. Ihre Zeit verbringt sie mit der Lektüre von Ritterromanen. Simplicius und Petronella haben sich überhaupt nichts zu sagen. Bei einem Ball versucht Simplicius, mit den verschiedensten Frauen anzubandeln. Obwohl alle ihn abweisen, hält er sich für unwiderstehlich. – Lied Simplicius I, 14: („Mit die Madeln da ist’s richtig“). – Fräulein Giraff hat es wegen seines Geldes auf Simplicius abgesehen. Begeistert stürzt er ihr zu Füßen. Petronella sieht die Szene und fällt mit einem lauten Schrei in Ohnmacht. In dem entstehenden Tumult zeigt sich die Gegenwart Frau von Dukatenstein und Geldsack und gibt ihnen kurze Anweisungen. Nachdem alle Gäste fort sind, versetzt die Gegenwart Eulalie, Polycarpus und Simplicius in einen tiefen Schlaf. Allmählich verwandelt sich die Umgebung in eine Ritterwelt. Polycarpus und Simplicius werden zu Rittern, Eulalie wird ein Burgfräulein. Sie befinden sich in einer Burg, über der sich die Vergangenheit niederläßt. – Chor I, 19.

2. Akt

Jagdchor mit Eulalie und Simplicius II, 1. – Wie gewünscht, befindet sich auch Geldsack in der Ritterzeit. Allerdings fühlt er sich getäuscht, weil Eulalie ihn ebenso schlecht behandelt wie zuvor. – Quodlibet-Duett Polycarpus, Eulalie II, 4. – Zu Eulalies Begeisterung hält der Raubritter Ottomar bei Polycarpus um ihre Hand an. Gerne gibt der Vater seine Einwilligung. Auf Ottomars Wunsch hin findet die Hochzeit auf der Stelle statt. Polycarpus gefällt die Ritterwelt ausnehmend gut. Seine Entscheidung reut ihn jedoch, als er Geldsacks Verzweiflung über die Hochzeit sieht. Er rät ihm, den Ritter niederzuschlagen und Eulalie an sich zu nehmen. Geldsack fürchtet seinerseits, von dem Ritter niedergeschlagen zu werden, und will sich lieber einer List bedienen. Polycarpus hält das für den gefährlicheren Weg, aber Geldsack vertraut auf seinen Reichtum. Humpenberg fordert Polycarpus auf, an einem Turnier teilzunehmen. Eichenwald hofft, bei diesem Turnier einen Preis zu erringen, den er dann aus den Händen seiner geliebten Kunigunde erhielte. Bei Humpenberg versucht er die Einwilligung zu einer Hochzeit zu erlangen, dieser will jedoch erst in einem Jahr zustimmen. Kleeberg tröstet seinen Freund und verweist ihn auf den Turnierpreis. Da hören beide aus einem Baum eine Stimme, die ihnen prophezeit, daß sie an diesem Tag keinen Preis gewinnen werden. Es ist die Fee Gegenwart, die ihnen in Gestalt einer alten Hexe befiehlt, das Turnier gegen Polycarpus und Simplicius zu verlieren. Zunächst weigern sich die Ritter, geben aber nach, als die Fee ihre wahre Gestalt annimmt. Unter diesen Umständen ziehen sie es vor, an dem Turnier überhaupt nicht teilzunehmen, doch die Gegenwart zwingt sie dorthin. Gleich nach der Hochzeitszeremonie schlägt Ottomar Eulalie gegenüber ganz neue Töne an. Statt eines schönen Kleides, Schmuck und vielen Gästen, wie Eulalie es erwartet hatte, gibt es nur die Ermahnung, sich um die häuslichen Pflichten zu kümmern. Eulalie ist entrüstet. Ursula meldet, vor der Burg stehe ein Jüngling, der ständig heraufblicke. Auf Ottomars Geheiß gießt Kurt einen Eimer Wasser hinab und an dem Aufschrei erkennt Eulalie ihren ehemaligen Bräutigam. Ottomar droht seiner Frau, sie bei Wasser und Brot in das Burgverlies zu sperren, falls sie es wagen sollte, noch einmal an einen anderen Mann zu denken. Nur ihre Tränen stimmen ihn etwas milder. Als Meistersänger verkleidet erscheint Geldsack. Durch sein Singen soll er Eulalie beim Spinnen erheitern. Erst als er Bart und Perücke abnimmt, erkennt Eulalie, wer vor ihr steht. Eigentlich wollte er Eulalie entführen, doch jetzt fühlt er sich zu naß. Als Ottomar sich nähert, legt Geldsack schnell seine Verkleidung wieder an und fühlt sich sicher. In der Eile hat er jedoch vergessen, den Bart richtig zu befestigen, so daß Ottomar den Betrug auf der Stelle bemerkt. Ohnmächtig bricht Eulalie zusammen. Obwohl er Ottomar viel Geld gibt, wird Geldsack zu seiner Verwunderung in das Verlies gesperrt. Unterdessen haben Polycarpus und Simplicius sich für das Turnier gewappnet. Heimlich schleichen sie zu Hildegardis und Kunigunde und machen ihnen den Hof. Kunigunde fühlt sich von Simplicius belästigt. Um zu verhindern, daß das Burgfräulein Eichenwald zu Hilfe holt, nimmt die Gegenwart ihre Gestalt an, ohne daß Simplicius die Verwechslung bemerkt. Polycarpus und Simplicius sind glücklich und fühlen sich unbesiegbar. – Chor der Ritter und Frauen II, 23. – Wie verabredet gewinnen Polycarpus und Simplicius dasTurnier. Aus Hildegardis’ Hand erhält Polycarpus ein goldenes Schwert, das er nur gegen einen Handkuß für Hildegardis nehmen will, womit er Doppelschwerdts Ärger auf sich zieht. Während Simplicius von Kunigunde einen silbernen Helm erhält, spricht er davon, sie zu entführen. Insgeheim beschließt die Gegenwart, die Strafe für die Übermütigen nun beginnen zu lassen. In der Zwischenzeit ist Eulalie geflohen. Polycarpus will sie nach Hause bringen, wird jedoch von den Rittern daran gehindert. Da Polycarpus sich nicht beirren läßt, wollen sie ihn angreifen, doch Humpenberg hält sie unter Hinweis auf das Gastrecht zurück. So beschließen die Ritter, mit ihrem Angriff zu warten, bis er sich wieder auf seiner eigenen Burg befindet. Bertram meldet, daß Simplicius soeben Kunigunde entführt habe. Zwar bemerkt ein Knecht, Kunigunde sitze in ihrerKammer, doch die Ritter schenken ihm keinen Glauben und beschließen, die Feste der Sapprawalts zu zerstören. – Chor der Ritter II, 25. – Die Gegenwart, noch immer in Kunigundes Gestalt, weist Simplicius auf die Gefahr eines Angriffs hin. Tapfer verspricht Simplicius, wie ein Ritter für sie zu kämpfen und sich eher unter den Trümmern seiner Burg begraben zu lassen als von ihrer Seite zu weichen. – Duett Simplicius, Fee Gegenwart II, 26. – Franz meldet, daß sich bewaffnete Scharen der Burg nähern. Ein Herold verlangt in Ottomars Namen Eulalies Rückkehr, damit ihr Gatte sie angemessen bestrafen kann. Polycarpus droht mit einem Prozeß, was der Herold nicht versteht. Er wirft einen Fehdehandschuh. Als nächster tritt Humpenbergs Burgvogt ein und verlangt die Herausgabe von Kunigunde. Auf Simplicius’ Entgegnung, er wolle sie heiraten, weist Bertram auf die versprochene Hochzeit mit Eichenwald und die bevorstehende Erstürmung der Burg hin. Auch er wirft einen Fehdehandschuh. Guntram überbringt die Nachricht, daß Doppelschwerdt Polycarpus wegen derAvancen gegen Hildegardis zum Duell fordere. Sollte Polycarpus sich nicht stellen, werde er ihm die Burg anzünden. Auch Guntram hinterläßt einen Fehdehandschuh. Noch trösten Polycarpus und Simplicius sich mit der Hoffnung, daß die Ritter ihreDrohungen nicht wahrmachen werden. Doch in diesem Moment wird die Burg bereits angegriffen. Auf der Stelle sind Poylcarpus und Simplicius zum Frieden bereit, aber Bernhard ist sich sicher, daß die Feinde nicht ablassen, bevor die Burg zerstört ist. Eilig begibt man sich auf die Flucht. Die Ritter erstürmen die Burg und suchen nach Kunigunde, als ein alterKnecht die echte Kunigunde herbeibringt und versichert, sie habe sich gar nicht aus der eigenen Burg entfernt. Durch diese Verwechslung fühlen sich die Ritter gefoppt und setzen deshalb ihr Zerstörungswerk fort. Plötzlich verwandelt sich die Burg in den Kristallpalast der Gegenwart, und die Ritter verharren in lebloser Erstarrung. – Chor der Nymphen II, 33.

3. Akt

Chor der Knechte III, 1. – Polycarpus ist zu der Erkenntnis gekommen: „[…] aus’n Ritterleben schaut nix heraus. Auf Ehre, mir kann man jetzt glauben, denn ich red aus Erfahrung, es ist nichts g’schenckt’s an der Vorzeit.“ – Lied Polycarpus III, 1 (R: „Bedanck’ mich, da bringt man das Geld nicht heraus“). – Simplicius ist von seiner Ritterleidenschaft noch nicht geheilt. Den Verlust seiner Geliebten verschmerzt er leicht und das verlorene Vermögen glaubt er durch einen Kreuzzug bald wiedergewinnen zu können. – Chor der Knechte III, 3. – Als Kreuzritter gekleidet machen Polycarpus und Simplicius sich sofort auf den Weg. Doch am Tor treffen sie Bertram, der sie mit Hilfe einiger Knechte gefangennimmt und vor ein Femgericht bringt. Man wirft Polycarpus vor, sich in eheliche Zwistigkeiten eingemischt und Doppelschwerdt durch die Blicke auf dessen Schwägerin erbost zu haben. Simplicius wirft man die Entführung Kunigundes vor. Beide Missetäter werden zu acht Tagen im Hungerturm verurteilt, was beide für eine leichte Strafe halten. Im Verlies treffen sie auf Geldsack. Der Ernst ihrer Lage wird ihnen bewußt, als der Kerkermeister sich auch durch Bestechung nicht bewegen läßt, Essen zu holen. Lakonisch begründet er seine Haltung damit, daß er das Geld nach dem Tod der Gefangenen auf jeden Fall bekomme. Den Verzweifelten erscheint die Fee Gegenwart, woraufhin Polycarpus und Simplicius ihren Irrtum eingestehen. Die Fee versetzt alle wieder in die Gegenwart. Überglücklich verspricht Eulalie, Geldsack nicht mehr zu malträtieren, und Simplicius ist froh, Petronella heiraten zu dürfen. Zur Sicherheit fragt Simplicius die Gegenwart nach ihrer Adresse, worauf diese antwortet: „Über dem Grabe der Vergangenheit thront die Gegenwart im rosigen Schimmer.“ – Schlußgesang Eulalie, Simplicius, Polycarpus III, 12