Die beiden Herrn Söhne

Posse mit Gesang in vier Acten
Uraufführung
16. Jänner 1845, Theater an der Wien (6 Aufführungen)
Nestroy-Rolle
Vincenz (Rollenverzeichnis 702)
Musik
Adolf Müller
Nachweise: Hilmar S. 85 f.
HKA Stücke 22, S. 539–545
Vorlage
Paul de Kock et Dupeuty: L’Homme de la nature e l’homme policé (Vaudeville, tirée du roman de P. d. Kock, Paris 1832)
Überlieferung
Gladt S. 77 f.
Hadamowsy 1934, S. 168
SW Bd. 12, S. 635–668
HKA Stücke 22, S. 149–348
Werkausgaben (Stücktext)
CG Bd. 8, S. 7–56
SW Bd. 12, S. 325–439 HKA Stücke 22 (Hg.: Yates), S. 5–74
Musik (erhältlich)
Musik (erhältlich)
Literatur
HKA Stücke 22, S. 3
NESTROY Spiele Schwechat
Herr von Eckheim Grundbesitzer
Moritz sein Sohn
Kunigunde Helmbach Eckheims Schwester
Vincenz ihr Sohn
Jakob Balg Schaffner auf Frau von Helmbachs Besitzung
Pumpfinger Wirt
Suse seine Tochter
Barbara Stiegel
Pauline ihre Nichte
Theresia Stern Tandlerswitwe, Pumpfingers Anverwandte
Funkl
Glatt
Jackson Jockey
Ruppich ein Spekulant
Oberkellner
Kellner
Herr von Lohrmann
Lebl Hausierer
Gerichtsschreiber
Konrad Diener des Herrn von Eckheim
Ritter von Steinheim Oberforstrat
Emilie seine Tochter
Herr von Strom
Frau von Strom
Heinrich Bedienter des Oberforstrates
Gäste, Dienstleute, Träger

Die Handlung geht teils auf Herrn von Eckheims und von Frau von Helmbachs Besitzungen, teils in der Hauptstadt vor. Die Zwischenzeit vom 1. zum 2. Akt beträgt drei Monate, vom 2. zum 3. vier Monate, vom 3. zum 4. zwei Monate.

1. Akt

Eckheim warnt Kunigunde davor, das Nichtstun ihres Sohnes zu unterstützen, und verweigert Moritz die Zustimmung für eine Verbindung mit Pauline. – Auftrittslied Vincenz I, 3 (R: „Drum sag ich, ’s Studirn is a unnöth’ge Plag!“). – Der von seiner Mutter überaus verwöhnte Vincenz hat keine Ausbildung, weil er das Lernen im Gegensatz zu seinem Vetter Moritz für unnötig hält: „Es is a Schand und a Spott, was ich Alles weiß, und das ohne Studium. ’s wär wirklich a Sünd, wenn ich was g’lernt hätt, das heißet doch drauf ausgehn, den Nebenmenschen zu verdunkeln.“ Kunigunde läßt ihrem Sohn alle Launen und Liebschaften ungestraft durchgehen. Allerdings wünscht sie sich, daß ihr Sohn durch eine baldige Heirat für den Fortbestand der Familie sorgt. Aus diesem Grund will sie Vincenz in die Stadt schicken, damit er dort in den eleganten Zirkeln eine Wahl treffen kann. Zur Finanzierung dieses Aufenthalts erhält Vincenz von seiner Mutter 3.000 Gulden. Moritz beobachtet den stets gutgelaunten Vincenz mit seiner albernen Freundin Suse. Er selbst ist bekümmert, weil sein Vater unbeirrt eine Verbindung mit Pauline ablehnt und Barbara ihm daraufhin den Umgang mit Pauline verboten hat. Moritz glaubt, ohne Pauline nicht leben zu können, und bittet Vincenz um einen Rat. Dieser macht sich über seinen verzweifelten Vetter lustig. Er rät ihm jedoch, mit Pauline in die Stadt zu fliehen. Auch er will mit Suse durchgehen, um sich an ihrem Vater zu rächen. Pumpfinger hatte Vincenz wegen der Annäherungen an Suse verprügelt.

2. Akt

Pauline ist mit Moritz in die Stadt geflohen, doch ihre Tante war ihnen auf dem Fuß gefolgt. Jetzt leben Tante und Nichte gemeinsam auf Moritz’ Kosten. Noch immer versucht Barbara, Pauline von Moritz abzubringen. Sie favorisiert eine Hochzeit Paulines mit dem alten und reichen Baron Tschutschikopf. Nach langem Suchen ist es Moritz endlich gelungen, eine Anstellung für 600 Gulden jährlich zu bekommen. Freudig berichtet er Pauline und Barbara davon, doch Barbara gibt ihm zu verstehen, daß sie ein jährliches Einkommen von mindestens 8.000 Gulden erwarte. Auch Pauline erscheint das Einkommen als zu gering. Balg, der von Kunigunde als Vincenz’ Beobachter in die Stadt geschickt wurde, rät Moritz, sich von seinem Vetter Geld zu leihen. Unter einem enormen Geldverbrauch treibt Vincenz sich in der „eleganten Welt“ herum. Einen Brief von seiner Mutter, der nur enttäuschende 2.000 Gulden enthält, überläßt er zum Lesen seinen Freunden Glatt und Funkl. Kunigunde schreibt, daß dies das letzte Geld sei, das sie ihm schicken könne, weil ihre finanziellen Möglichkeiten erschöpft seien. In der Zwischenzeit unterzeichnet Vincenz einen Wechsel über 30.000 Gulden. Als er nach dem Inhalt des Briefes fragt, erzählt Funkl ihm, er könne auch weiterhin auf die Unterstützung durch seine Mutter vertrauen. Während Vincenz glaubt, im Geld zu schwimmen, hat Moritz finanzielle Schwierigkeiten, weil sein Vater ihm keine Hilfe gewährt. Großzügig leiht Vincenz ihm 1.000 Gulden. Freudestrahlend läuft Moritz davon, um alle seine Gläubiger zu bezahlen. Vincenz belustigt das Verhalten seines Vetters. – Couplet Vincenz II, 9 (R: „Da muß man ein’n Zorn kriegn, ’s is wahr, / Man is rein nur dem Schicksal sei Narr.“). – Pumpfinger verlangt von Balg Auskunft über den Aufenthaltsort von Suse und Vincenz. Nachdem er Pumpfinger den Prügelstock abgenommen hat, verrät Balg, daß beide am Abend einen Ball besuchen wollen. Tatsächlich gelingt es Pumpfinger, Vincenz und Suse zu überraschen. Wütend führt er seine unentwegt lachende Tochter aus dem Saal. Zu Hause soll sie den Müller heiraten. Vincenz ist über den Verlust nicht sehr betrübt und tanzt lustig mit Theresia weiter. Davon läßt er sich auch durch den verzweifelten Moritz nicht abbringen. Der Vetter berichtet, daß Pauline mit einem Baron auf dessen Güter verschwunden sei.

3. Akt

Vincenz wurde durch seine Mutter aus dem Schuldenarrest befreit. Da er kein Geld hat, geht er zu Moritz. Dort trifft er auf Balg, der entsetzt über Vincenz’ heruntergekommenes Aussehen ist. Von Balg erfährt Vincenz, daß Moritz bei Oberforstrat Steinheim als Privatsekretär arbeitet. Allerdings sei Moritz nach wie vor zu ehrlich, um sich nebenher an dieser Stellung zu bereichern. Der heimkehrende Moritz verspricht Vincenz, für ihn zu sorgen. Für den Moment hat er jedoch wenig Zeit, weil er zu einem Diner bei Steinheim eingeladen ist. Gemeinsam betrinken sich Balg und Vincenz, bis Balg dem Gast unter Tränen von Moritz’ unsterblicher Liebe zur Tochter des Oberforstrats erzählt. Moritz traue sich jedoch nicht, bei Steinheim um ihre Hand anzuhalten. Im Auftrag von Eckheim bringt Lohrmann 100 Gulden. Kurzerhand gibt Vincenz sich als Moritz aus, steckt das Geld ein und befiehlt dem entrüsteten Lohrmann, Eckheim auszurichten, daß 100 Gulden keine angemessene Unterstützung seien. Vincenz ist der festen Überzeugung, seinem Vetter damit einen großen Dienst erwiesen zu haben. Auch in dessen Liebesangelegenheiten will er ihm behilflich sein. Moritz erschrickt, als ein Bedienter während der Gesellschaft bei Steinheim Vincenz’ Ankunft meldet. Sogleich versucht er, den Vetter fortzuschicken, doch Steinheim besteht darauf, ihn zu empfangen. Frei heraus erzählt Vincenz, was Moritz für ihn getan habe, während er selbst ihm zur Zeit seines Reichtums nur mit einigen Gulden ausgeholfen habe. Mit ohnmächtigem Schrecken hören Steinheim und Emilie auch von Moritz’ damaliger Liebschaft.Verzweifelt versucht Moritz, Vincenz zu bremsen, doch der Vetter läßt sich nicht beirren. Als Vincenz auch noch für Moritz um Emilies Hand anhält, verliert Steinheim die Fassung. Er entläßt Moritz auf der Stelle. Vincenz ist über die Wirkung seiner Worte völlig verblüfft.

4. Akt

Mit Erstaunen hört Eckheim von einem Gerichtsschreiber, daß Kunigunde ihren ganzen Besitz verkaufen mußte, um ihren Sohn aus dem Schuldenarrest zu befreien. Gerne will Eckheim Kunigunde helfen, die nun von einer kleinen Unterstützung leben muß. Doch Kunigunde behauptet, freiwillig verkauft zu haben, und leugnet ihre Not. Auch wenn die Leute etwas anderes behaupteten, sei ihr Sohn gut und brav. Balg, Moritz und Vincenz bewohnen gemeinsam eine armselige Dachkammer. Während Moritz versucht, durch das Kopieren von Schriftstükken etwas Geld für den Lebensunterhalt zu verdienen, liegen Vincenz und Balg den ganzenTag auf der faulen Haut.Trotzdem will Moritz auch weiterhin für sie sorgen. Vincenz’ Rat, Eckheim um Geld zu bitten, lehnt Moritz ab, zumal er einen Brief an seinen Vater ungeöffnet zurückbekommen hat. Unverhofft erhalten sie Besuch von Theresia. Auch ihr geht es nicht mehr so gut wie früher. Dennoch läßt sie es sich nicht nehmen, alle drei zum Mittagessen einzuladen, zumal Vincenz unumwunden ihre Armut zugibt. Moritz dagegen beteuert, durchaus ein Einkommen zu haben. Um Theresias Angebot nicht annehmen zu müssen, will Moritz umgehend seine gerade beendete Arbeit abliefern. Vincenz beschließt, in der Zwischenzeit die letzten Habseligkeiten zu verkaufen, um Theresia am folgenden Tag ebenfalls einladen zu können. Für vier Gulden verkauft er das Federbett, einen Tabaksbeutel und, vom Besitzer unbemerkt, Balgs Stiefel an einen Juden. Bei seiner Rückkehr ist Moritz durchaus dankbar für dieseTat, weil ihm sein Auftraggeber zwar neue Arbeit, aber kein Geld gegeben hat. Sogleich macht Moritz sich auf den Weg, um für die nächsten Tage das Nötigste zu besorgen. Erst jetzt bemerkt Balg den Verlust seiner Stiefel und ist deswegen völlig außer sich. – Lied Vincenz IV, 10 (R: „Daß sind die Geheimnisse von Wien.“). – Balg ist noch immer wütend auf den Juden, der zurückgekehrt ist, um einen Brief zu bringen, den er in dem Federbett gefunden hat. Balg hatte ihn dort vergessen, ohne ihn zu lesen. Er ist an Moritz adressiert und enthält eine von Lohrmann unterzeichnete Anweisung über 500 Gulden. Notgedrungen muß Vincenz seine Tat gestehen. Da Moritz glaubt, die Liebe seines Vaters endgültig verloren zu haben, will er Vincenz dieses Mal nicht mehr verzeihen. Doch Balg liest am Ende des Briefes, daß Lohrmann das Verwechslungsspiel entdeckt hat und alles tun will, „die Folgen dieses Irrtums gut zu machen.“ Tatsächlich treten im selben Augenblick Eckheim und Kunigunde ein. Eckheim erklärt, Moritz habe für seine Jugendsünden genug gebüßt und soll von nun an eine glücklichere Zukunft haben. Er hat bereits bei Steinheim eine Zustimmung zu einer Verbindung zwischen Moritz und Emilie erwirkt. Mit Kunigundes Einverständnis will er auch Vincenz unter seine Fittiche nehmen und zu einem soliden Lebenswandel führen. Für Balg soll ebenfalls gesorgt werden. Doch der trauert noch immer um seine Stiefel. Vincenz plant bereits, mit Theresia durchzugehen. So bleibt am Ende nur Balgs Erkenntnis: „Ganz ungetrübt darf keine Seligkeit auf Erden sein.“