Der böse Geist Lumpacivagabundus

oder Das liederliche Kleeblatt

Zauberposse mit Gesang in 3 Aufzügen
Uraufführung
11. April 1833, Theater an der Wien (259 Aufführungen bis 1862, damit das meistgespielte Nestroy-Stück)
Druck
1835
Nestroy-Rolle
Knieriem (Rollenverzeichnis 498)
Musik
Adolf Müller
Nachweise: Hilmar S. 47 f.
HKA Stücke 5, S. 645–678
Vorlage
Karl Weisflog: Phantasiestücke und Historien. Dresden 1824 (1. Historie: Das große Los. In etlichen anmutigen Historien)
Josef Gleich: Schneider, Schlosser und Tischler (1831)
vgl. HKA Stücke 5, S. 218–266 und S. 318–334
Überlieferung
Gladt S. 59f.
Hadamowsky 1928, S. 80
1934, S. 148
SW Bd. 2, S. 623–674
GW Bd. 1, S. 653–665
HKA Stücke 5, S. 297–618
Werkausgaben (Stücktext)
CG Bd. 1, S. 65–108
SW Bd. 2, S. 1–80
GW Bd. 1, S. 575–641
HKA Stücke 5 (Hg.: Walla), S. 69–132 und 135–187 (Druckfassung)
Musik (erhältlich)
Musik (erhältlich)
Literatur
HKA Stücke 5, S. 2
Cersowsky
Coulson
Diehl
Hannemann
Klotz 2000
Neuber
Crockett, Roger A.: Disciples of Knieriem: A Reappraisal of Nestroy’s Philosophy of Fate. Journal for English and Germanic Philology 82 (1983), S. 469–487
Haida, Peter: Johann Nestroy: Der böse Geist Lumpazivagabundus. „Die Welt steht auf kein Fall mehr lang“. In: Interpretationen. Dramen des 19. Jahrhunderts. Stuttgart 1997, S. 96–119
Hein, Jürgen: Biedermeiers Glück und Ende – Johann Nestroys Der böse Geist Lumpazivagabundus. In: Deutsche Komödien. Hg. von Winfried Freund. München 1988, S. 97–109
ders.: Der böse Geist Lumpazivagabundus. Erläuterungen und Dokumente (Reclam)
Koning, Henk J.: Carl Weisflog und Johann Nestroy. Das große Los und Der böse Geist Lumpazivagabundus. Nestroyana 10 (1990), S. 39–54
Stieglitz, Olga: Syntaktische Untersuchungen der Sprache Johann Nestroys. Am Beispiel seiner Zauberposse Der böse Geist Lumpazivagabundus. Wien 1974 (Diss. d. Univ. Wien 108)
Sturm, Günter: Der böse Geist Lumpazivagabundus […]. In: Europäische Komödien. Hg. von Kurt Bräutigam. Frankfurt/M. 1964, S. 32–63
Walla, Fred: Die Theaterzensur am Beispiel des Lumpacivagabundus. In: Yates (Hg.) 1994, S. 45–68
Wimmer, Ruprecht: Nestroys Lumpazivagabundus – oder die Zauberposse wider Willen. Etudes Germaniques 49 (1994), S. 285–297
NESTROY Spiele Schwechat
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Stellaris Feenkönig
Fortuna Beherrscherin des Glücks, eine mächtige Fee
Brillantine ihre Tochter
Amorosa eine mächtige Fee, Beschützerin der wahren Liebe
Mystifax ein alter Zauberer
Hilaris sein Sohn
Fludribus Sohn eines Magiers
Lumpazivagabundus ein böser Geist
Leim ein Tischlergeselle
Zwirn ein Schneidergeselle
Knieriem ein Schustergeselle, vazierende Handwerksburschen
Pantsch Wirt und Herbergsvater in Ulm
Fassel Oberknecht in einem Brauhaus
Nannette Tochter des Wirts
Sepherl, Hannerl Kellnerinnen
Hausierer
Ein Tischlergeselle
Strudl Gastwirt zum „Goldenen Nockerl“ in Wien
Hobelmann Tischlermeister in Wien
Peppi seine Tochter
Anastasia Hobelmann seine Nichte
Ein Fremder
Gertr[a]ud Haushälterin in Hobelmanns Hause
Reserl Magd daselbst
Hackauf ein Fleischermeister in Prag
Ein Maler
1. und 2. Bedienter, 1. und 2. Geselle bei Zwirn
Herr von Windwachel
Herr von Lüftig
Signora Palpiti
Camilla, Laura ihre Töchter
Wirt, Wirtin in einer Dorfschenke unweit Wiens
Reisender (Stellaris)
Zauberer, Magier und ihre Söhne, Nymphen, Genien, [Furien,] Gäste, Volk, Bauern, Handwerksleute verschiedener Zünfte

Die Handlung spielt teils in Ulm, teils in Wien, teils in Prag, teils im Feenreich

1. Akt

Chor der alten Zauberer I, 1. – Im Feenreich herrscht Aufruhr: Die alten Zauberer beschweren sich bei Stellaris über Lumpazivagabundus. Er habe ihre Söhne vom rechten Weg abgebracht und zur Liederlichkeit geführt. Zwar verbannt Stellaris Lumpazivagabundus aus dem Feenreich, doch die Söhne wollen ihren Lebenswandel nicht mehr ändern. Schließlich gibt Stellaris ihnen mit Fortunas Hilfe das verpraßte Vermögen zurück. Lumpazivagabundus glaubt jedoch nicht, daß dies das Leben der Söhne tatsächlich ändern wird. Lediglich Hilaris will auf den Pfad der Tugend zurückkehren, wenn er Brillantine, Fortunas Tochter, zur Frau erhält. Lumpazivagabundus gesteht, daß Hilaris damit unter Amorosas Macht steht und für ihn verloren ist. Doch Fortuna weigert sich, ihre Zustimmung zu dieser Hochzeit zu geben. Stellaris weist sie darauf hin, daß Fortuna kein Recht habe, ihre Zustimmung endgültig zu verweigern. Allerdings darf sie eine schwere Bedingung stellen. Schließlich einigt man sich auf folgende Vorgehensweise: Fortuna wird drei Anhängern des Lumpazivagabundus Glück schenken. Sollten diese das Glück zum Fenster hinauswerfen, wird Fortuna es ihnen noch einmal aufdrängen. Sollten dann immer noch mindestens zwei von ihnen das Glück mit Füßen treten, hat Fortuna verloren und muß in die Hochzeit einwilligen. Fortuna hält es für unmöglich, daß zuteilgewordenes Glück nicht zu einembeständigen Leben führt. – Chor I, 3. – Auftrittslieder Knieriem („Es kommen d’ Stern, es wird schon spät“), Zwirn („D’ Stadt ist in der Näh“) I, 4. – Vor der Stadt treffen sich der Schustergeselle Knieriem, der Tischlergeselle Leim und der Schneidergeselle Zwirn. Alle drei sind auf der Wanderschaft und besitzen nichts. – Gesang alle I, 4 („Wir wollen in die Stadt marschiern“). – Gemeinsam gehen sie in die Stadt, um zu feiern. Dabei treffen sie auf Fassel, den sie um einen Lotteriegewinn von 1000 Talern beneiden. – Gesang I, 5 („Eduard und Kunigunde“). – Jedoch ist Leim der Meinung, daß das Geld allein nicht glücklich mache. Daraufhin prahlt Zwirn mit seinen vielen Liebesabenteuern. Leim berichtet seine Geschichte: Er war Geselle in Wien und hatte sich in die Tochter seines Meisters Hobelmann verliebt. Eines Tages hat er ihr das Leben gerettet, als ihr Vater vor Zorn mit einem Stemmeisen nach ihr warf. Leimwurde verletzt. Nach seiner Gesundung wurde die Verlobung des Wirts Strudl mit einer Hobelmannschen Tochter bekanntgegeben. Enttäuscht schrieb Leim in einem Abschiedsbrief, er würde nun seinerseits heiraten, und zog von dannen. Knieriem berichtet, seine Schwierigkeiten im Leben seinen stets durch seine Trinkerei entstanden. Im Schlaf sendet Fortuna den drei Gesellen den Tip, das Los mit der Nummer 7359 zu kaufen. Tatsächlich gewinnen sie mit diesem Los 100.000 Taler. Überglücklich feiern alle drei ein Fest. Leim beschließt, nach Wien zu reisen und, falls noch möglich, seine Peppi zu heiraten. Ansonsten will er ein Spital bauen. Zwirn will nur noch ein Don Juan sein. Knieriem beschließt, statt Bier nur noch Wein zu trinken. So gehen alle drei ihres Weges, jedoch nicht ohne das Versprechen, sich im Unglück gegenseitig beizustehen und sich bei Meister Hobelmann in einemJahr erneut zu treffen. Falls Leim kein Glück habe, sollen seine Freunde dort erfahren, wo er zu finden sei. – Chor I, 10.

2. Akt

Als Leim in Wien bei Meister Hobelmann eintrifft, wird dort gerade Hochzeit gefeiert. Zudem erzählt Hobelmann, er hätte Leim Peppi zur Frau gegeben, wenn er nur ein Wort gesagt hätte, doch mit Leims Brief schien ihm die Sache beendet. Leimist am Boden zerstört, bis sich herausstellt, daß nicht Peppi, sondern ihre Cousine Anastasia heiratet. Überglücklich hält Leim sofort um Peppis Hand an. Hobelmann gibt seine Zustimmung: Er habe aus Dankbarkeit seinerzeit 500 Dukaten für Leimzurückgelegt. Sobald dieser seinen Meisterbrief habe, könne die Hochzeit stattfinden. Erst jetzt zeigt Leim seinen großen Gewinn. Zwirn, der sich nun „von Zwirn“ nennt, lebt in Prag. Arbeiten will er überhaupt nicht. Statt dessen gibt er sich als Weltmann aus. An seinen ursprünglichen Beruf will er deshalb nicht mehr erinnert werden. Lediglich seinem Freund Windwachel zuliebe greift er noch einmal zum Maßband. Ausgerechnet in diesem Moment erscheint Signora Palpiti mit ihren Töchtern. Windwachel hat diese Bekanntschaft zwischen Zwirn, Camilla und Laura, die sich als Italienerinnen ausgeben, vermittelt. Die Damen sind jedoch nicht an Zwirn, sondern lediglich an seinem Geld und seiner Stellung interessiert. Chor der Gesellschaft II, 17. – Quodlibet-Terzett Zwirn, Laura, Camilla II, 17.

3. Akt

Am ersten Jahrestag treffen sich Zwirn und Knieriem wie verabredet in Wien bei Meister Hobelmann. Knieriem erzählt, er habe sein Geld vertrunken und durch verschiedene Händel und Diebstahl verloren. Sogar im Arrest sei er gewesen. Auch Zwirn hat alles Geld durchgebracht. Meister Hobelmann berichtet, Leim habe sein ganzes Geld verloren und sei fortgegangen. Den beiden Gesellen gibt er einen Brief von Leim. Darin schreibt dieser, er könne nicht kommen, weil er krank in Nürnberg im Spital liege. Er habe jedoch 100 Taler bei Hobelmann zurückgelassen für den Fall, daß einer ein Reisegeld brauche. Sofort beschließen Zwirn und Knieriem, Leim dieses Geld auf Heller und Pfennig zu bringen. In diesem Moment erscheint Leim in elegantem Anzug. Mit dem Brief wollte er lediglich die Treue seiner Freunde testen, von der er nun überzeugt ist. Leim will beide aufnehmen und für sie sorgen. Von Peppis Idee, er solle die Schustermeisterwitwe heiraten und ein ordentliches Leben führen, hält Knieriem jedoch überhaupt nichts. – Lied Knieriem III, 8 (R: „Die Welt steht auf keinen Fall mehr lang“). – Auch Zwirn ist unzufrieden mit dem ordentlichen Leben. Deshalb will er gemeinsam mit Reserl durchgehen. Obwohl er ungehalten ist über Zwirns Ansinnen, wieder auf Wanderschaft zu gehen, legt Leim 100 Taler für ihn für den Fall zurück, daß Zwirn doch noch ein ordentliches Leben führen wolle. Den völlig betrunkenen Knieriem sperrt Leim im Haus ein, um ihn an einem erneuten Wirtshausbesuch zu hindern. Doch Knieriem flüchtet durch ein zerschlagenes Fenster. Wenig später treffen Knieriem und Zwirn sich wieder in einem Wirtshaus, von Stellaris beobachtet. Beide Gesellen betteln sich durchs Leben, scheinen dabei aber sehr glücklich zu sein. Keinesfalls sind sie gewillt, ihr Leben zu ändern. Im Feenreich muß Fortuna ihre Niederlage eingestehen und ihre Einwilligung zur Hochzeit von Brillantine und Hilaris geben. Hilaris lädt aus Dankbarkeit zur Feier auch Zwirn, Knieriem und Leim ein. Nachdem sie Lumpazivagabundus’ Macht im Feenreich gebrochen hat, indem sie die Söhne der Zauberer durch die Macht der Liebe auf den Weg der Tugend zurückgeführt hat, will Amorosa auch Knieriem und Zwirn noch auf den rechten Weg bringen und stellt ihnen liebe Frauen zur Seite. – Chor III, 17.