KRÄHWINKEL – Ein "Freiheits"-Event

„Österreich ist frei!“ – so hieß es 1955. Doch das war und ist nicht die ganze Wahrheit. Denn inmitten des denkmalgeschützten Schlosshofes der Rothmühle in Schwechat-Rannersdorf gibt es einen völlig vergessenen, hermetisch abgeriegelten autonomen Zwergstaat namens Krähwinkel, in dem noch immer autoritär-absolutistische Verhältnisse herrschen wie in grauer Vorzeit.

Begleiten Sie den berüchtigten Aufdecker-Journalisten Eberhard Ultra bei seiner heiklen, nicht ungefährlichen Mission, den unterdrückten Bürgern von Krähwinkel endlich das zu bringen, wonach sie sich schon lange sehnen: Freiheit und Demokratie, so wie wir sie kennen.

42. NESTROY Spiele Schwechat
KRÄHWINKEL – Ein "Freiheits"-Event
21. Juni bis 26. Juli 2014

Regie

Peter Gruber

Regiemitarbeit

Christine Bauer

Musik

Rainer Binder-Krieglstein

Gitarre

Max Gruber-Fischnaller

Bühnen- und Raumgestaltung

Günter Lickel, tina Prichenfried

Kostüme

Okki Zykan

Maske

Andrea Zeilinger

Lichtdesign

Robby Vamos

Licht- und Tontechnik

Thomas Nichtenberger
EBERHARD ULTRA freier Journalist
Valentin Frantsits
FRAU VON FRANKENFREY eine reiche Witwe
Marion Gatt
BÜRGERMEISTER VON KRRÄHWINKEL
Franz Steiner
SPERLING Edler von Spatz
Ottwald John
RUMMELPUFF Kommandant der Krähwinkel Stadtsoldaten
Harald Schuh
REAKZERL Edler von Zopfen, geheimer Stadtsekretär
René Peckl
PFIFFSPITZ Herausgeber von "Kräwinkel heute"
Karl Vojtisek
SIEGMUND SIEGL Beamter
Helmut Frauenlob
WILLIBALD WACHS Beamter
Max Gruber-Fischnaller
KLAUS Ratsdiener
Bruno Reichert
EMERENZIA seine Gattin
Bella Rössler
CECILIE seine Tochter
Carina Thesak
NACHTWÄCHTER
Andreas Herbsthofer-Grecht
WALPURGA seine Tochter
Conny Schachelhuber
PEMPERL Klempnermeister
Sascha Nikodym
FRAU PEPERL
Maria Sedlaczek
ZICHORI Greisler
Michael Eckel
SCHABENFELLNER Kürschnermeister
Peter Kuno Plöchl
FRAU SCHABENFELLNER
Sabine Axmann
FRAU VON SCHNABELBEISS Geheimrätin
Gabriele Holzer
ADELE ihre Tochter
Ruth Pfleger
FRAU KLÖPPL Witwe
Sissy Stacher
KRÄHWINKLERINNEN UND KRÄHWINKLER
Ensemble

1. Akt
Chor I, 1. – In Krähwinkel regt sich, wie in weiten Teilen Europas, die Revolution. Immer offener stellen sich einige Bürger gegen die Staatsgewalt, die vor allem durch den Bürgermeister Klaus und Rummelpuff vorgestellt wird. Mit Mißfallen hört Klaus die freimütigen Reden im Wirtshaus. Besonders Nachtwachter versucht Klaus durch offene Worte zu ärgern und läßt sich auch durch Drohungen nicht beeindrucken. So wie er in der Politik nicht die Zeichen der Zeit erkennt, bemerkt Klaus auch nicht die Beziehung zwischen seiner Tochter Cecilie und Siegmund. Statt dessen ist er der festen Überzeugung, Siegmund sei in Walpurga verliebt und damit ein Nebenbuhler von Willibald. Bereits vor vielen Jahr hat Klaus gelobt, Cecilie in ein Kloster zu schicken, und glaubt sie deshalb über jeden Verdacht erhaben. – Auftrittslied Ultra I, 7 über das „Zopfensystem“. – Als Verfechter der Revolution kommt Ultra nach Krähwinkel. Er zählt die vielen kleinen sogenannten „Freiheiten“ auf, die es vor der Revolution gab. Doch mit der tatsächlichen Freiheit können viele Menschen nicht umgehen und fordern deshalb bereits wieder die Herstellung der alten Verhältnisse. Trotzdem will sich Ultra auch in Krähwinkel für die Revolution einsetzen. Als Pfiffspitz und Ultra sich gerade über die Artikel ihrer nächsten Ausgabe beraten, kommt Klaus hereingestürzt. Das Volk hat ihm seinen Stock, das Zeichen der Prügelstrafe, zerbrochen. Draußen herrscht großer Aufruhr. Sogleich stellt Ultra sich an die Spitze der Menge. Umden unbequemen Ultra still zu stellen, rät Reakzerl, der Bürgermeister solle dem Aufmüpfigen den Posten eines Zensors, verbunden mit einer sehr guten Bezahlung anbieten. Empört lehnt Ultra, der von sich selbst sagt „Ich bin Freiheit durch und durch“, das Angebot ab. Zur Begründung erklärt er: „Ein Censor is ein Menschgewordener Bleysteften oder ein Bleistiftgewordener Mensch.“ Im Büro des Bürgermeisters trifft Ultra auf Frau von Frankenfrey, die ihm offene Sympathie entgegenbringt, sehr zum Entsetzen des Bürgermeisters, der sie als seine Braut auserkoren hat. Frau von Frankenfrey ist in einer Testamentsangelegenheit beim Bürgermeister. Der Prior des Klosters hat das Testament ihres verstorbenen Mannes in den Händen. Sie hofft, der Bürgermeister könne ihr helfen, wieder in den Besitz des Dokumentes zu kommen. Willibald glaubt nicht an einen Erfolg, da sich der Bürgermeister und der Prior gemeinsam bereichern könnten. Verärgert über das aufsässige Benehmen veranlaßt der Bürgermeister, daß Ultra innerhalb von zwei Stunden aus Krähwinkel ausgewiesen wird. Doch Ultra beschließt, den Bürgermeister zu stürzen, zumal er sich in Frau von Frankenfrey verliebt hat. Von Siegmund erfährt Ultra, daß der Bürgermeister auf Klaus und der wiederum den Ligorianern vertraut. Zum Glück kann Ultra dank Willibalds Hilfe auf eine einst gepfändete Theatergarderobe zurückgreifen. Klaus sitzt mit Emerenzia zu Hause. Beide fürchten, die Freiheit könnte über sie hereinbrechen. Als Ligorianer verkleidet tritt Ultra ein. Er gibt vor, der Prior wolle den Bürgermeister kontrollieren. Klaus solle ihm deshalb das erzählen, was der Bürgermeister dem Prior verschwiegen habe. Leutselig berichtet Klaus von einer Anordnung, die, von mehreren Ländern unterschrieben, in der letzten Woche in Krähwinkel eingetroffen sei. Darin würde gefordert, sofort eine Verfassung für Krähwinkel zu proklamieren. Selbstverständlich sei der Bürgermeister dieser Forderung nicht nachgekommen. Stolz weist Klaus darauf hin, daß ihm sofort die fehlende Unterschrift Rußlands aufgefallen sei. Als draußen Unruhe laut wird, verschwindet Ultra. Angsterfüllt kommt der Bürgermeister zu Klaus. Er glaubt, der „Krähwinkler- Jüngstetag“ sei angebrochen, und bittet um ein sicheres Nachtquartier. Während der Nacht wird er von Revolutionsträumen geplagt. Erst mit einer „Wienerzeitung“ unter dem Kopfkissen kann er ruhig schlafen.

2. Akt
Ultra hat sich als russischer Fürst verkleidet. Willibald gibt sich als sein Dolmetscher aus, während Nachtwachter einen Leibeigenen mimt. Freudig wird Ultra durch den Bürgermeister empfangen. Willibald erklärt, der Zar habe von der eingegangenen Anordnung gehört. Um auszuschließen, daß sie in Krähwinkel Anwendung findet, verlangt er die Aushändigung des Papiers. Ultra. Auf der Straße treffen sich Klaus und Siegmund. Klaus rät dem Niedergeschlagenen, endlich zu heiraten. Da er der felsenfesten Überzeugung ist, Walpurga sei Siegmunds Auserwählte, empfiehlt er ihm dringend, mit der Geliebten durchzugehen und so den väterlichen Willen zu brechen. Er selbst wolle bei der Sache behilflich sein. Es wird vereinbart, daß Siegmund das Mädchen an einen Ort bestellt, von dem Klaus es abholen und zu Frau von Frankenfrey bringen wird. Unterdessen ist ein Aufstand der Krähwinkler durch Rummelpuff niedergeschlagen worden. – Chor der Verwundeten II, 13. – In einer Rede bittet der Bürgermeister, „daß das beklagenswerthe Mißverständniß zwischen mir und meinen lieben Krähwincklern baldigst vergessen werde, und die alte Ordnung und Eintracht und Ruhe zurükkehren thuen möge.“ In diesem Moment erscheint Ultra erneut. Dieses Mal ist er als „Abgesandter von der Europäischen Freyheits- und Gleichheits-Commission“ verkleidet. Unter dem Jubel des Volkes verkündet Ultra für Krähwinkel „Rede-Preß- und sonstige Freyheit; Gleichgiltigkeit aller Stände.“ Vor Schreck fällt der Bürgermeister in Ohnmacht.

3. Akt
Bei Frau von Frankenfrey hat sich eine Gesellschaft versammelt, die die neuen Verhältnisse diskutiert. Überraschend tritt Ultra ein. Durch die gewonnene Freiheit kann er sich wieder frei bewegen. Auch der Bürgermeister erscheint. Siegessicher kündigt er noch für denselben Tag die Niederschlagung der Revolution an. Für den nächsten Tag avisiert er seine Hochzeit mit Frau von Frankenfrey, obwohl diese deutlich macht, daß sie ihn keineswegs heiraten wolle. Als der Bürgermeister ihr deutlich macht, daß sie im Fall einer Weigerung ihr Erbe verlieren werde, unterbricht Ultra das Gespräch. Zu aller Staunen überreicht er Frau von Frankenfrey das Testament. Ultra hatte dem Prior die Flucht vor den Aufständigen ermöglicht und dafür das Testament als Dank erhalten. Wütend eilt der Bürgermeister hinaus, um sich um die Niederschlagung der Unruhen zu kümmern. Ultra sorgt sich um den weiteren Verlauf der Revolution. Als besonders schmerzlich wird das Fehlen von Studenten zur Unterstützung des Aufstandes empfunden. Allerdings hat Frau von Frankenfrey bereits eine Idee. Um Zeit zu gewinnen, bittet sie Ultra, dafür zu sorgen, daß der Bürgermeister erst am Abend losschlage. – Chor III, 12. – Erneut verkleidet sich Ultra und tritt dem Bürgermeister als Metternich entgegen. Den Befehlen des berühmten Mannes will sich der Bürgermeister nicht widersetzen und verspricht, nicht vor Einbruch der Dunkelheit aktiv zu werden. Nachtwachter und Willibald bauen gemeinsam Barrikaden. Dabei findet Nachtwachter den verhaßten Beamten so sympathisch, daß er in eine Hochzeit mit Walpurga einwilligt. Am verabredeten Treffpunkt holt Klaus die verschleierte Cecilie ab, die er nach wie vor für Walpurga hält. – Lied, Ultra III, 22 (R: „Is die Gährung auch groß, / Es geht überall los.“). – An den Barrikaden hat sich die Krähwinkler Bevölkerung versammelt. Wütend tritt ihnen der Bürgermeister mit Klaus und den Wächtern an seiner Seite entgegen. Überraschend zeigen sich jedoch die als Studenten verkleideten Frauen auf den Barrikaden und fordern zum Kampf. Geschlagen verkündet der Bürgermeister: „’s is nichts mit der Reaction.“ Freudig reicht Frau von Fran-kenfrey Ultra als ihrem künftigen Ehemann die Hand. Nun erkennt auch Klaus erschrocken, daß er selbst seine Tochter zu Frau von Frankenfrey geführt hat. Resigniert gibt er seine Einwilligung zu der Hochzeit mit Siegmund, will aber vor der ersten Kindstaufe nicht mehr nach Krähwinkel kommen. 

Aus dem „Nestroy-Schauspielführer“ von Jürgen Hein und Claudia Meyer, Verlag Lehner

Original-Stückfassung | Historisch-kritische Ausgabe (HKA 26/I John R.P. McKenzie)

40. internationale Nestroy-Gespräche 2014
Grenzüberschreitungen

Dienstag, 1. Juli 2014
Anreise nach A 2320 Schwechat, Justiz-Bildungszentrum (Schloss Altkettenhof), Schloßstraße 7 (Tagungsbüro im Gästehaus, 14:30 bis 18:30 Uhr geöffnet) 
18:30 Begrüßung
20:30 Schwechat, Schloss Rothmühle, Rothmühlstraße, Aufführung, 42. Nestroy-Spiele: Krähwinkel – Ein „Freiheits-Event“ (Regie: Peter Gruber)

Mittwoch, 2. Juli 2014
9:00 Begrüßung und Einführung
9:30 Sabine Coelsch-Foisner (Salzburg, A): Shakespeare und das Wiener Volkstheater am Beispiel von Raimunds Zaubermärchen
Pause
10:40 Peter Meilaender (Houghton, USA): „Die Grenzen der Freiheit“ / “Freedom and its Boundaries“
11:20 Krähwinkel – Ein „Freiheits-Event“ Diskussionsrunde über Stück und Aufführung Moderation: Johann Hüttner (Wien, A)
Mittagspause
15:00 Andrea Sommer-Mathis (Wien, A), Christopher F. Laferl (Salzburg, A): Zum Einfluss des spanischen Dramas des Siglo de Oro auf das Wiener Volkstheater
15:40 Fanny Platelle (Clermond-Ferrand, F): Der Einfluss des französischen lyrischen Theaters des 18. Jahrhunderts auf die Bühnenwerke Adolf Bäuerles und Karl Meisls aus den 1820er Jahren
Pause
16:40 David Jan Krych (Wien, A): „Du halb entmenschtes Thier! Du halbverthierter Mensch!“ Theaterhistoriographische Überlegungen zum Verhältnis von Tier und Mensch in Der Affe und der Bräutigam
17:20 Toni Bernhart (Berlin, D): Griseldis und Hirlanda auf ihrem Weg nach Tirol. Tiroler Volksschauspiele des 18. Jahrhunderts im Kontext der europäischen Literaturen
Pause
19:00 Andreas Schmitz (Wien, A): Eine Exkursion nach Karl Valentin hin. Ohne Musik und kleine Trommel

Donnerstag, 3. Juli 2014
8:30 Diskussionsrunde: Schmerzliche Grenzen: Komik und Ernst im Drama und im Volkstheater Statement und Moderation: Walter Pape (Köln, D)
Pause
10:00 Fred Walla (Newcastle, AUS): Ferdinand Raimunds Selbstbeschimpfungen (Kurzbeitrag)
10:20 Johann Sonnleitner (Wien, A): Possen am Burg- und Kärntnertortheater. Dramatische Transgressionen in den 80er Jahren des 18. Jahrhunderts
11:10 Barbara Tumfart (Wien, A): Zensurbuch versus Manuskriptdruck: eine strategische Möglichkeit der Umgehung von Zensurvorschriften?
12:30 bis 14:00 Empfang der Stadtgemeinde Schwechat (Rathaus Schwechat, Festsaal)
15:15 Wien, Michaelerplatz 2: Café Griensteidl, Karl-Kraus-Saal 40 Jahre Internationale Nestroy-Gesellschaft Karl Zimmel (Wien, A): Begrüßung Gerald Stieg (Paris, F): „Ich bleibe meinem Nestroy“. Der „Nestbeschmutzer“ als Ikone der österreichischen Identität? Jürgen Hein (Münster/W.): 40 Jahre Internationale Nestroy-Gesellschaft – Ein vorläufiger Rückblick Diskussionsrunde: Missverstehende „Nachwelt“ (Kraus) – „Fortschritt“ der Forschung? Moderation: Julia Danielczyk (Wien, A)
19:30 Wien, Empfang der Stadt Wien Heurigenrestaurant Fuhrgassl-Huber

Freitag, 4. Juli 2014
9:00 Diskussionsrunde: Nestroy in der Antisemitismusfalle? – oder: Was darf die Parodie? Eine Diskussion mit Ausgangspunkt Judith und Holofernes Leitung: Martin Stern (Basel, CH)
Pause
10:40 Maria Piok (Innsbruck, A): „Andern gfallt das Singen wällisch blos“ – Nestroy und die fremden Liedtexte
11:20 Oswald Panagl (Salzburg, A): „Gestutzte orecchi – Zani kani“. Hybride Sprachmuster und Wortverbindungen als „poetische Lizenzen“ in Nestroys Dichterjargon.
Mittagspause
Forum: Funde – Fragen – Berichte
14:30 Marc Lacheny (Metz, F): Nestroy und Courteline: Unerwartete Wahlverwandtschaften?
15:00 Oliver Pfau (St. Petersburg, RUS): Nestroy in Russland
Pause
16:00 Magdalena Maria Bachmann (Innsbruck, A): Nestroy in „Nature“? Ein Fall von grenzüberschreitender Rezeption
16:30 Jozef Tancer (Bratislava, SK): Die Donaufahrt des 19. Jahrhunderts als Reise- und Schreibpraxis
17:00 Matthias Pernerstorfer (Wien, A): Die Wiener Vorstadtdramatik und die Theaterpflege des Adels in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts
17:30 Resümee und Ausblick
Pause
19:00 Gemütliches Beisammensein mit Buffet (Justiz-Bildungszentrum, Wintergarten)

Samstag, 5. Juli 2014
Abreise

„Zieh dir was an, Mädchen!“ 
Musikalisch-komödiantische Szenen, Monologe und Lieder und ein Frühstücksbuffet im Garten von Schloss Rothmühle

Sonntag, 29. Juni, 6., 13., 20. Juli 2014, jeweils 10:30 Uhr

Mit: Teresa Boenisch, Marion Gatt, Maximilian Gruber-Fischnaller, Julia Kampichler, Christina Kiesler, Anna Mitterberger, Ruth Pfleger, Teresa Renner, Carina Thesak

Profil, 28. Juni 2014: Brillante Aktualisierung

So kontraproduktiv es ist, wenn sich die Bundesländer in ihren Wohnbau- oder Jugendschutzgesetzen unterscheiden, so sinnvoll ist ihr kultureller Wettstreit. Wenn Sie Johann Nestroy weit besser als von Matthias Hartmann in Wien oder Salzburg inszeniert sehen wollen, dann sehen Sie sich Peter Grubers Inszenierung von „Krähwinkel“ als „Freiheits-Event“ im niederösterreichischen Schwechat an. Ich habe in den mehr als 60 Jahren, die ich ins Theater gehe, keine ähnlich brillante Aktualisierung eines Nestroy-Textes gesehen. (Peter Michael Lingens)

Niederösterreichische Nachrichten, 23. Juni 2014: Krähwinkel

Das hat schon einen Grund, dass Johann Nestroys böse Gesellschaftssatire nur unter dem Kurztitel erscheint. Regisseur Peter Gruber widmet sich kaum der Geschichte, er nützt sie zu einer so üppigen Freiheitsshow, dass man kaum den Mund zubringt.

Das alles muss man physisch erst einmal proben und darstellen! Auf drei Spielstätten, Motorrad und im Jeep wird nichts ausgelassen – Pariser Barrikaden 1832, Revolution 1848, Antivietnamproteste 1968, Femen und Putin, Hitler und Strache, EU-Kritik, Kapitalistenbashing und Medienschelte. Die Anklagen treffen den Punkt. Lösungen gibt’s keine. Aber woher auch nehmen? Das Ensemble – darunter viele ganz Junge – spielt bewunderungswürdig. Valentin Frantsits ist als Ultra ein mitreißendes Energiebündel.

Fazit: Sensationelles Plädoyer für Recht und Freiheit. Wo es Antworten gibt, weiß keiner. (Thomas Jorda)

Kurier, 23. Juni 2014: Krähwinkel ist immer und überall

Das Areal ist nur mit Visum zu betreten. Lautsprecher verkünden Verbote. Der Stadtstaat Krähwinkel – heuer im Rahmen der Schwechater Nestroyspiele im Schloss Rothmühle gelegen – wird von einem absolutistischen Bürgermeister regiert. Zwar murren manche, doch zur Entfaltung einer Revolte kommt es erst durch den aufmüpfigen Journalisten Ultra …

Peter Gruber (Regie) bespielt nicht nur die Guckkastenbühne, sondern auch eine Pawlatsche im Gastgarten sowie eine schnell errichtete Barrikade (effektvoll die Raumgestaltung von Günther Lickel und Tina Prichenfried). Die Pause füllte er mit einem Freiheits-Event mit Songs, Proklamationen, speaker’s corner … – Theater rundum.

Er inszeniert keinen historischen Bilderbogen der ’48er-Revolution, sondern findet gemäß Nestroys „Die Gärung is z’groß, es geht überall los.“ Krähwinkel allerorten im 21. Jhdt.

Seine Fassung greift tief in den Text ein, ohne Nestroy je zu verraten – dafür hat er ihn viel zu sehr, bis in die Diktion, verinnerlicht.

In Valentin Frantsits als Ultra steht ihm ein Interpret zur Verfügung, der keinen Wunsch offen lässt: er spielt mit charmanter Lässigkeit, singt ebenso musikalisch wie textdeutlich und besticht in den Szenen, in denen Ultra in diverse Verkleidungen schlüpft, durch kabarettistische Virtuosität. Gespenstischer Höhepunkt: der Auftritt als Hitler-Erscheinung, den Gruber als Chiffre des Antidemokratischen an Stelle Metternichs gesetzt hat.

Getragen wird der Abend von der homogenen Leistung des Riesen-Ensembles, darunter die entfesselten Krähwinkler Mädels als Revolutionsgroupies, die wie Femen über den Bürgermeister herfallen.

Der neue Merker, 23. Juni 2014: KRÄHWINKEL. „Ein Freiheits-Event“ von Johann Nestroy/Peter Gruber

Die Bewunderung für Johann Nestroy, in der damaligen Mitwelt nur teilweise ausgeprägt (wie das halt so ist in Österreich), kann in der Nachwelt gar nicht groß genug sein. Da schreibt ein Mann im Jahre 1848, mitten in der nach wie vor brodelnden „Revolution“ (wenn die Wiener es auch schafften, gleichzeitig aufmüpfig und kaisertreu zu sein!), ein Stück über die Revolution. Wobei er die „Reaktion“, die – wie er wusste – kommen würde, schon einkalkuliert. Einfach genial.

Und er brachte parodistisch die „heiligen Kühe“ auf die Bühne – die Ligorianer (ein damals in Österreich sehr starker Orden, die während der Revolution tatsächlich vertrieben wurden), einen russischen Fürsten, einst Sinnbild der Verehrung, und, schier undenkbar, die Inkarnation der Unterdrückung, den Fürsten Metternich, der sich erst kurz davor im Schweinsgalopp nach England abgesetzt hatte. Ein wildes, mutiges Stück, an dem sich die interpretierende Nachwelt leider mit einer schwachen Handlungsführung zu raufen hat.

Sei’s drum – Nestroys wunderbare Charakterzeichnung, vor allem vom Übermut der Mächtigen zuerst, den Wendehälsen dann, ist Österreich pur, ein Prachtstück. Und wenn Peter Gruber, der am Rande Wiens, in Schwechat, allsommerlich den fortschrittlichsten Nestroy zeigt, den man sich denken kann, aus der einstigen „Freiheit in Krähwinkel“ ein „FREIHEITS-Event!“ macht, handelt er nur im Geist des Erfinders. Wenn er auch im Um- und Neudichten manchmal recht weit geht. Aber im Grunde stimmt es immer.

Ein Event kann nicht stattfinden, indem das Publikum brav in seinen Sesseln sitzt. Diesmal wird es in Schwechat vor der Rothmühle ganz schön herumgescheucht, nur ein kleiner Teil des Abends findet vor der üblichen Bühne statt (wenn man im Bürgermeisteramt ist, wo die armen Beamten zappeln und die mächtigen Beamten hochmütig agieren, oder in der Wohnung des Ratsdieners Klaus, hochmütiger „Vollstrecker“ der Obrigkeit zuerst, unsicher geduckt danach). Im übrigen verteilt man sich im ganzen Hof, es wird happeningartig durchgespielt, wobei Peter Gruber in der „Pausenveranstaltung“ die Zügel ganz gewaltig schießen lässt, wenn sich die Jugend pop-artig betätigt (bis zum Conchita Wurst-Song). Aber es gibt ja nichts Schöneres, als gegen die Bürgerlichkeit aufzubegehren, die noch in Form von ein paar entrüsteten alten Weibchen herumschleicht.

Nach der Pause legt Peter Gruber wieder (wie einst schon in seiner „Krähwinkel“-Inszenierung 1995 im Volkstheater) größten Wert auf die „Barrikaden“, die mitten durch den Hof gebaut werden, das Publikum dahinter auf Wirtshausbänken zusammendrängen und gelegentlich an „Les Miserables“ erinnern. Dass da ein Jeep einfährt und Held Ultra mit eroberter Beutefrau auf dem Motorrad (einer Riesenmaschin’) abbraust, gehört zur rücksichtslosen Vergegenwärtigung der Geschichte, die Gruber dem Geschehen angedeihen ließ.

Und er rechnet auch damit, dass das Publikum von heute nicht mehr alles von einst weiß – also findet er Entsprechungen für die Verkleidungen, in denen Ultra erscheint: ein Ligorianer ist eben ein lüsterner Pfaffe, der russische Fürst von einst als heutiger Oligarch perfekt umgesetzt, und Fürst Metternich wird halt zu Hitler (was dann ein wenig an den „Bockerer“ erinnert, wo es einen ähnlichen Auftritt gibt): als „Gespenst des Gestrigen“ ist diese Umsetzung natürlich erkennbar und richtig.

Dass Peter Gruber „Krähwinkel“ jetzt spielt und nicht etwa 2018 (wenn es einen halbwegs „runden“ Jahrestag gäbe), hat ja auch damit zu tun, dass er meint, derzeit gäre es an allen Ecken und Enden – eine Weiterdichtung dessen, was Nestroy einst über die Zustände in europäischen Ländern schrieb, führt Gruber (brillant gedacht und formuliert) sehr weit, auch bis in den Ostblock: Wenn’s nicht die Militärs sind, die das Volk stöhnen lassen, dann ist es der gnadenlose Kapitalismus – so schwingt er wacker die linke Fahne – , und prophezeit mit Nestroy: „’s is die Gährung zu groß, Es geht überall los.“ In Schwechat wenigstens noch im Sinne entfesselten Theaters.

Das dann in den wichtigsten Rollen so brillant gespielt wird, dass es noch von Theaterkönnen „gefesselt“ ist. Man erinnert sich kaum, den Journalisten Eberhard Ultra besser verkörpert gesehen zu haben als von dem jungen Valentin Frantsits – im Jeans-Anzug fast Pop-Star von heute, und doch ganz im Sinne Nestroy mit „freiheitswitternder“ Nase und „polizeiwidrigem“ Charakter. Frantsits ist ein hervorragender Sprecher, meistert den schwierigen Text mit aller Exaktheit im Sprachlichen und Geistigen, so dass das Feuerwerk des Nestroyschen Gedankenwerks ohne Unterlass abgebrannt wird.

Außerdem ist er ohnedies der verkörperte Protest und Widerstand gegen Leute wie den hinreißenden Bruno Reichert oder den kostbaren Franz Steiner, die als Ratsdiener und Bürgermeister gewaltig eine am Kopf bekommen. Besonders hinreißend gelingt Ottwald John der Poet Sperling, Edler von Spatz, der in herrlicher Dümmlichkeit, sich immer in Richtung Macht verbiegend, auch ein Gedicht „auf die Knute, die Gute“ quasi in aller Unschuld vorbringt…

Dass man es in Schwechat längst nicht mehr mit einer Laienschar zu tun hat, zeigen auch andere Rollen, etwa Marion Gatt als Frau von Frankenfrei (das, was viele Frauen gerne wären: eine reiche Witwe), oder die beiden jungen Liebespaare Helmut Frauenlob und Carina Thesak bzw. Max Gruber-Fischnaller und Conny Schachtlhuber. Wie wenig Nestroy gelegentlich von der Einsicht der Frauen ins Wesentliche hält, darf Bella Rössler als Ratsdienersgattin zeigen. Ein „geheimer Staatssekretär“ mit dem schönen Namen „Reakzerl von Zopfen“ wird von Rene Peckl mit allem Hochmut verkörpert.

Kurz, das stimmt rundum, und das Publikum soll sich darauf einstellen, beim „Event“ fest mitzumachen. Das ist schließlich der Sinn einer Revolution, wenn wir in Österreich auch das Glück haben, uns „nur“ über ein paar Politiker und Banker aufzuregen und nicht über eine „Knute“, die noch nicht über uns – wohl aber über anderen – schwebt… (Renate Wagner)

Kronen Zeitung, 23. Juni 2014: Ein „Freiheits-Event“ von 1848

„Krähwinkel – ein Freiheits-Event“ nennt Peter Gruber seine Version von Johann Nestroys „Freiheit in Krähwinkel“, einer Posse, die 1849, also ein Jahr nach der Revolution und der Vertreibung Metternichs entstand. Eine scharfe Darstellung der politischen Situation in Österreich, die ausgezeichnet in den Hof von Schloss Rothmühle in Schwechat passt.

Gruber und seine Mitarbeiterin Christine Bauer spannen da für ihr Polit-Spektakel theaterbegeisterte Schwechater ein und nützen auch alle Schauplätze, die ihnen der malerische Hof der Rothmühle bietet: Das Hofgebäude wird in allen Etagen, auf einer improvisierten Bühne bei Heurigenbänken und einem seitlichen Aufbau bespielt.

Mädchen und Kinder schreien nach Freiheit, prangern den Absolutismus an, entfesseln, mit Töpfen klappernd, eine grelle Katzenmusik.

Geschickt mischt Gruber die Verhältnisse von 1848 mit den heutigen, an Hinweisen auf aktuelle politische Bezüge wird nicht gespart. Couplets zeigen auf, was in der österreichischen und internationalen Politik schiefläuft.

Einige der Darsteller der größeren Rollen wirken professionell, andere weniger. Hervorgehoben seien Franz Steiner als windiger Bürgermeister, Ottwald John als Möchtegerndichter, Bruno Reichert als Ratsdiener und Andreas Herbsthofer-Grecht als mutiger Nachtwächter.

Die Produktion bietet aber auch eine Entdeckung: Valentin Frantsits begeistert als Journalist Ultra. Er spielt mit großer Präsenz und Vitalität den Kämpfer für Freiheit, ist sprachlich und in seinem vehementen Auftreten professionell und präsent, singt die Couplets großartig und mit scharfem Humor. Zuletzt gönnt man ihm die angebetete reiche Witwe Frau von Frankenfrey, mit der er auf einem Motorrad davonfährt. Wegen dieses Ultra wird ein Besuch in Schwechat zum Vergnügen. (Volkmar Parschalk)

Tiroler Tageszeitung, 23. Juni 2014: An reichlichen Gegenwartsbezügen überschäumende Interpretation

Für die 42. Nestroy-Spiele Schwechat hat Peter Gruber diesmal auf „Freiheit in Krähwinkel“ zurückgegriffen und daraus – so der gewählte Untertitel – ein „Freiheits“-Event gestaltet. Wie nicht anders zu erwarten, hat sich das Resultat bei der Premiere am Samstagabend als an reichlichen Gegenwartsbezügen überschäumende Interpretation erwiesen. Nüchternes Resümee: die Revolution – eine Chaos-Show.

Es ist kein Vergnügen, die Eingangsformalitäten im Schloss Rothmühle zu absolvieren, wo die Besucher zur Begrüßung am Grenzbalken wegen eines Visums angeschnauzt werden. Auch im Zuschauerbereich wird man vor allem zurechtgewiesen und ist froh, einigermaßen unbehelligt den Ort des Geschehens erreicht zu haben. Weder museal noch zeitlos wollte Gruber seine Inszenierung anlegen und verlieh der dramaturgischen Grundidee mit zahlreichen aktuellen Anspielungen weit über die Couplettexte hinaus einen deutlich kabarettistischen, aber durchaus ernsthaft erlebbaren Charakter.

Auch die Optik ist zeitgemäß: Da prangt der Schriftzug „Puber“ an der Bühnenwand, laufen Demonstranten mit Tafeln umher, auf denen „Kein Mensch ist illegal“ oder „Bildung für alle“ zu lesen ist. Zwischendurch tritt Pater Erwin aus Sankt Pröllten auf, ein Gröfaz-Verschnitt bezeichnet Österreich als letztes Bollwerk des Stalinismus. Provokationen bis in Details: Die Schwechater Revolutionäre trinken Gösser-Bier.

Die schräge Pausenparty nach erfolgter politischer Wende gerät zum verstörenden Tohuwabohu, aus dem sich die Aufführung im zweiten Teil nicht mehr zu erholen scheint: Die Revolution zerfällt im Durcheinander der disparaten Statements und persönlichen Interessen. Star des Abends ist Valentin Frantsits, der als aufklärerischer Journalist Eberhard Ultra den Aufruhr mit Charme, Schmäh, aber auch Emotionalität zur rechten Zeit anführt.

Den autoritären Bürgermeister verkörpert Franz Steiner, Harald Schuh gibt den opportunistischen Stadtkommandanten Rummelpuff, Ottwald John den dichtenden Stadtrat Sperling, Bella Rössler und Maria Sedlaczek sind als gewohnt resolute Bürgergattinnen im Einsatz. Immer wieder stellt das ohne Gagen (!) auftretende Ensemble unter Beweis, wie man auch im Sommer gleichermaßen anspruchsvolles, relevant engagiertes, gescheites und unterhaltsames Theater auf die Beine stellen kann.