Die beiden Herrn Söhne

Man glaubt es kaum, aber „Bobos“, „Hotel Mama“, „Generation Praktikum“ – das alles gab’s auch schon vor über 160 Jahren. In „Die beiden Herrn Söhne“, einer Art Fortsetzung seiner „Schlimmen Buben in der Schule“, zeigt Nestroy – grotesk, komisch, radikal und ungeschminkt – wie zwei höchst unterschiedliche Erziehungsmodelle am immer rauer werdenden gesellschaftlichen Alltag von 1845 scheitern. Was also kann und soll man Kindern mitgeben, damit sie für die Zukunft gerüstet sind und dabei auch glücklich werden? Eine hochinteressante Wiederentdeckung eines zu Unrecht vergessenen Stückes des großen Satirikers, dargeboten von den Schwechater Nestroy-Spezialisten rund um Peter Gruber.

41. NESTROY Spiele Schwechat
Die beiden Herrn Söhne
22. Juni bis 27. Juli 2013

Regie

Peter Gruber

Regiemitarbeit

Christine Bauer

Musik und Schlagzeug

Rainer Binder-Kriegelstein

Bühne

Nora Scheidl

Kostüme

Okki Zykan

Maske

Andrea Zeilinger

Bühnenrealisation

Günter Lickel

Lichtdesign

Robby Vamos

Licht- und Tontechnik

Thomas Nichtenberger
HERR VON ECKHEIM
Franz Steiner
MORITZ sein Sohn
Rafael Wieser
KUNIGUNDE HELMBACH Eckheims Schwester
Lili Hilde Lerner
VINCENZ ihr Sohn
Valentin Frantsits
FRAU KONRAD
Gabriele Holzer
JAKOB BALG
Bruno Reichert
PUMPFINGER Wirt
Peter Kuno Plöchl, Helmut Schuster
SUSE seine Tochter
Eva-Maria Prosek
BARBARA STIEGEL
Maria Sedlaczek
PAULINE ihre Tochter
Conny Schachelhuber
THERESIA STERN Tandlerswitwe
Bella Rössler
FUNKL
Christoph Hirschler
GLATT
Rene Peckl
WLADIMIR
Ottwald John
RAIFFEISL
Helmut Frauenlob
HERR VON LOHRMANN
Josef Lachmann
LEBL Tandler
Andeas Herbsthofer-Grecht
GERICHTSSCHREIBER
Ottwald John
GRAF STEINHEIM
Harald Schuh
EMILIE seine Tochter
Nicole Locker
HEINRICH
Max Gruber-Fischnaller
ARBEITER:INNEN, PASSANT:INNEN, MASSEUSEN, TREIBER, GÄSTE, PERSONAL uvm
Ensemble

1. Akt
Eckheim warnt Kunigunde davor, das Nichtstun ihres Sohnes zu unterstützen, und verweigert Moritz die Zustimmung für eine Verbindung mit Pauline. – Auftrittslied Vincenz I, 3 (R: „Drum sag ich, ’s Studirn is a unnöth’ge Plag!“). – Der von seiner Mutter überaus verwöhnte Vincenz hat keine Ausbildung, weil er das Lernen im Gegensatz zu seinem Vetter Moritz für unnötig hält: „Es is a Schand und a Spott, was ich Alles weiß, und das ohne Studium. ’s wär wirklich a Sünd, wenn ich was g’lernt hätt, das heißet doch drauf ausgehn, den Nebenmenschen zu verdunkeln.“ Kunigunde läßt ihrem Sohn alle Launen und Liebschaften ungestraft durchgehen. Allerdings wünscht sie sich, daß ihr Sohn durch eine baldige Heirat für den Fortbestand der Familie sorgt. Aus diesem Grund will sie Vincenz in die Stadt schicken, damit er dort in den eleganten Zirkeln eine Wahl treffen kann. Zur Finanzierung dieses Aufenthalts erhält Vincenz von seiner Mutter 3.000 Gulden. Moritz beobachtet den stets gutgelaunten Vincenz mit seiner albernen Freundin Suse. Er selbst ist bekümmert, weil sein Vater unbeirrt eine Verbindung mit Pauline ablehnt und Barbara ihm daraufhin den Umgang mit Pauline verboten hat. Moritz glaubt, ohne Pauline nicht leben zu können, und bittet Vincenz um einen Rat. Dieser macht sich über seinen verzweifelten Vetter lustig. Er rät ihm jedoch, mit Pauline in die Stadt zu fliehen. Auch er will mit Suse durchgehen, um sich an ihrem Vater zu rächen. Pumpfinger hatte Vincenz wegen der Annäherungen an Suse verprügelt.

2. Akt
Pauline ist mit Moritz in die Stadt geflohen, doch ihre Tante war ihnen auf dem Fuß gefolgt. Jetzt leben Tante und Nichte gemeinsam auf Moritz’ Kosten. Noch immer versucht Barbara, Pauline von Moritz abzubringen. Sie favorisiert eine Hochzeit Paulines mit dem alten und reichen Baron Tschutschikopf. Nach langem Suchen ist es Moritz endlich gelungen, eine Anstellung für 600 Gulden jährlich zu bekommen. Freudig berichtet er Pauline und Barbara davon, doch Barbara gibt ihm zu verstehen, daß sie ein jährliches Einkommen von mindestens 8.000 Gulden erwarte. Auch Pauline erscheint das Einkommen als zu gering. Balg, der von Kunigunde als Vincenz’ Beobachter in die Stadt geschickt wurde, rät Moritz, sich von seinem Vetter Geld zu leihen. Unter einem enormen Geldverbrauch treibt Vincenz sich in der „eleganten Welt“ herum. Einen Brief von seiner Mutter, der nur enttäuschende 2.000 Gulden enthält, überläßt er zum Lesen seinen Freunden Glatt und Funkl. Kunigunde schreibt, daß dies das letzte Geld sei, das sie ihm schicken könne, weil ihre finanziellen Möglichkeiten erschöpft seien. In der Zwischenzeit unterzeichnet Vincenz einen Wechsel über 30.000 Gulden. Als er nach dem Inhalt des Briefes fragt, erzählt Funkl ihm, er könne auch weiterhin auf die Unterstützung durch seine Mutter vertrauen. Während Vincenz glaubt, im Geld zu schwimmen, hat Moritz finanzielle Schwierigkeiten, weil sein Vater ihm keine Hilfe gewährt. Großzügig leiht Vincenz ihm 1.000 Gulden. Freudestrahlend läuft Moritz davon, um alle seine Gläubiger zu bezahlen. Vincenz belustigt das Verhalten seines Vetters. – Couplet Vincenz II, 9 (R: „Da muß man ein’n Zorn kriegn, ’s is wahr, / Man is rein nur dem Schicksal sei Narr.“). – Pumpfinger verlangt von Balg Auskunft über den Aufenthaltsort von Suse und Vincenz. Nachdem er Pumpfinger den Prügelstock abgenommen hat, verrät Balg, daß beide am Abend einen Ball besuchen wollen. Tatsächlich gelingt es Pumpfinger, Vincenz und Suse zu überraschen. Wütend führt er seine unentwegt lachende Tochter aus dem Saal. Zu Hause soll sie den Müller heiraten. Vincenz ist über den Verlust nicht sehr betrübt und tanzt lustig mit Theresia weiter. Davon läßt er sich auch durch den verzweifelten Moritz nicht abbringen. Der Vetter berichtet, daß Pauline mit einem Baron auf dessen Güter verschwunden sei.

3. Akt
Vincenz wurde durch seine Mutter aus dem Schuldenarrest befreit. Da er kein Geld hat, geht er zu Moritz. Dort trifft er auf Balg, der entsetzt über Vincenz’ heruntergekommenes Aussehen ist. Von Balg erfährt Vincenz, daß Moritz bei Oberforstrat Steinheim als Privatsekretär arbeitet. Allerdings sei Moritz nach wie vor zu ehrlich, um sich nebenher an dieser Stellung zu bereichern. Der heimkehrende Moritz verspricht Vincenz, für ihn zu sorgen. Für den Moment hat er jedoch wenig Zeit, weil er zu einem Diner bei Steinheim eingeladen ist. Gemeinsam betrinken sich Balg und Vincenz, bis Balg dem Gast unter Tränen von Moritz’ unsterblicher Liebe zur Tochter des Oberforstrats erzählt. Moritz traue sich jedoch nicht, bei Steinheim um ihre Hand anzuhalten. Im Auftrag von Eckheim bringt Lohrmann 100 Gulden. Kurzerhand gibt Vincenz sich als Moritz aus, steckt das Geld ein und befiehlt dem entrüsteten Lohrmann, Eckheim auszurichten, daß 100 Gulden keine angemessene Unterstützung seien. Vincenz ist der festen Überzeugung, seinem Vetter damit einen großen Dienst erwiesen zu haben. Auch in dessen Liebesangelegenheiten will er ihm behilflich sein. Moritz erschrickt, als ein Bedienter während der Gesellschaft bei Steinheim Vincenz’ Ankunft meldet. Sogleich versucht er, den Vetter fortzuschicken, doch Steinheim besteht darauf, ihn zu empfangen. Frei heraus erzählt Vincenz, was Moritz für ihn getan habe, während er selbst ihm zur Zeit seines Reichtums nur mit einigen Gulden ausgeholfen habe. Mit ohnmächtigem Schrecken hören Steinheim und Emilie auch von Moritz’ damaliger Liebschaft.Verzweifelt versucht Moritz, Vincenz zu bremsen, doch der Vetter läßt sich nicht beirren. Als Vincenz auch noch für Moritz um Emilies Hand anhält, verliert Steinheim die Fassung. Er entläßt Moritz auf der Stelle. Vincenz ist über die Wirkung seiner Worte völlig verblüfft. 4. Akt Mit Erstaunen hört Eckheim von einem Gerichtsschreiber, daß Kunigunde ihren ganzen Besitz verkaufen mußte, um ihren Sohn aus dem Schuldenarrest zu befreien. Gerne will Eckheim Kunigunde helfen, die nun von einer kleinen Unterstützung leben muß. Doch Kunigunde behauptet, freiwillig verkauft zu haben, und leugnet ihre Not. Auch wenn die Leute etwas anderes behaupteten, sei ihr Sohn gut und brav. Balg, Moritz und Vincenz bewohnen gemeinsam eine armselige Dachkammer. Während Moritz versucht, durch das Kopieren von Schriftstükken etwas Geld für den Lebensunterhalt zu verdienen, liegen Vincenz und Balg den ganzenTag auf der faulen Haut.Trotzdem will Moritz auch weiterhin für sie sorgen. Vincenz’ Rat, Eckheim um Geld zu bitten, lehnt Moritz ab, zumal er einen Brief an seinen Vater ungeöffnet zurückbekommen hat. Unverhofft erhalten sie Besuch von Theresia. Auch ihr geht es nicht mehr so gut wie früher. Dennoch läßt sie es sich nicht nehmen, alle drei zum Mittagessen einzuladen, zumal Vincenz unumwunden ihre Armut zugibt. Moritz dagegen beteuert, durchaus ein Einkommen zu haben. Um Theresias Angebot nicht annehmen zu müssen, will Moritz umgehend seine gerade beendete Arbeit abliefern. Vincenz beschließt, in der Zwischenzeit die letzten Habseligkeiten zu verkaufen, um Theresia am folgenden Tag ebenfalls einladen zu können. Für vier Gulden verkauft er das Federbett, einen Tabaksbeutel und, vom Besitzer unbemerkt, Balgs Stiefel an einen Juden. Bei seiner Rückkehr ist Moritz durchaus dankbar für dieseTat, weil ihm sein Auftraggeber zwar neue Arbeit, aber kein Geld gegeben hat. Sogleich macht Moritz sich auf den Weg, um für die nächsten Tage das Nötigste zu besorgen. Erst jetzt bemerkt Balg den Verlust seiner Stiefel und ist deswegen völlig außer sich. – Lied Vincenz IV, 10 (R: „Daß sind die Geheimnisse von Wien.“). – Balg ist noch immer wütend auf den Juden, der zurückgekehrt ist, um einen Brief zu bringen, den er in dem Federbett gefunden hat. Balg hatte ihn dort vergessen, ohne ihn zu lesen. Er ist an Moritz adressiert und enthält eine von Lohrmann unterzeichnete Anweisung über 500 Gulden. Notgedrungen muß Vincenz seine Tat gestehen. Da Moritz glaubt, die Liebe seines Vaters endgültig verloren zu haben, will er Vincenz dieses Mal nicht mehr verzeihen. Doch Balg liest am Ende des Briefes, daß Lohrmann das Verwechslungsspiel entdeckt hat und alles tun will, „die Folgen dieses Irrtums gut zu machen.“ Tatsächlich treten im selben Augenblick Eckheim und Kunigunde ein. Eckheim erklärt, Moritz habe für seine Jugendsünden genug gebüßt und soll von nun an eine glücklichere Zukunft haben. Er hat bereits bei Steinheim eine Zustimmung zu einer Verbindung zwischen Moritz und Emilie erwirkt. Mit Kunigundes Einverständnis will er auch Vincenz unter seine Fittiche nehmen und zu einem soliden Lebenswandel führen. Für Balg soll ebenfalls gesorgt werden. Doch der trauert noch immer um seine Stiefel. Vincenz plant bereits, mit Theresia durchzugehen. So bleibt am Ende nur Balgs Erkenntnis: „Ganz ungetrübt darf keine Seligkeit auf Erden sein.“ 

Aus dem „Nestroy-Schauspielführer“ von Jürgen Hein und Claudia Meyer, Verlag Lehner

Original-Stückfassung | Historisch-kritische Ausgabe (HKA 22 W. Edgar Yates)

Nestroy-Gespräche 2013
Irdische, himmlische und poetische Gerechtigkeit bei Nestroy und Raimund „Gerechtigkeit ist das erste …“ („Das Mädl aus der Vorstadt“)

Dienstag, 2. Juli 2013
Anreise nach A 2320 Schwechat, Justiz-Bildungszentrum (Schloss Altkettenhof), Schloßstraße 7 (Tagungsbüro im Gästehaus, 14:30 bis 18:30 Uhr geöffnet) 
18:30 Begrüßung
20:30 Schwechat, Schloss Rothmühle, Rothmühlstraße, Aufführung, 41. Nestroy-Spiele: Die beiden Herrn Söhne (Regie: Peter Gruber)

Mittwoch, 3. Juli 2013
9:00 Einführung (Jürgen Hein)
9:10 Martin Stern (Basel, CH): Dreimal poetische Gerechtigkeit: Beethovens Fidelio, Raimunds Alpenkönig und Nestroys Mädl aus der Vorstadt – ein Beitrag zur Säkularisation im 19. Jahrhundert
9:50 Yvonne Nilges (Heidelberg und Eichstätt, D): „Bonmots auf die ewige Gerechtigkeit“: Recht und Witz bei Johann Nestroy
Pause
10:40 W. Edgar Yates (Exeter, GB): „Nestroy’s neueste Posse trägt fast alle Fehler zur Schau, die wir an unseren Volksstücken beklagen“
11:20 Die beiden Herrn Söhne Diskussionsrunde über Stück und Aufführung
Mittagspause
15:00 Alice Le Trionnaire-Bolterauer (Graz, A): Die Rettung der Welt oder das Sich-Einrichten in ihrer Verlorenheit. Raimunds und Nestroys Komödien-Schlüsse revisited
15:40 Henk J. Koning (Putten, NL): Irdische, himmlische und poetische Gerechtigkeit bei Nestroy 
Pause
16:40 Johann Sonnleitner (Wien, A): „Unbestimmte Ordnung“ und „poetische Gerechtigkeit“ in Nestroys Lumpacivagabundus-Komplex
18:30 Reinhard Urbach (Wien, A): Von Schnoferl und Naderer. Agenten in der österreichischen Literatur vor und nach 1848

Donnerstag, 4. Juli 2013
9:00 Diskussionsrunde: „Gerechtigkeit – Recht – Gesetz: Literatur und Theater“ Statements von Walter Pape (Köln, D): Hinrichtungen und Hochzeiten. Das Ende der weltlichen Gesetze; Johann Hüttner (Wien, A): Das Ende der poetischen Gerechtigkeit hinter der Bühne
Pause
10:50 Marion Linhardt (Bayreuth, D): „… uns die Tugend liebenswürdig und das Laster verhaßt zu machen!“ – Theaterästhetische Überlegungen zu Denis Diderots Comédie Le Père de famille und Johann Nestroys Posse mit Gesang Das Mädl aus der Vorstadt
11:30 Walter Obermaier (Wien, A): Einführung zur Exkursion
15:00 Exkursion, Leitung: Walter Obermaier (Wien, A)

Freitag, 5. Juli 2013
9:00 Norbert Bachleitner (Wien, A): Verbotene Theaterstücke rund um Nestroy
9:40 Johann Lehner (Wien, A): Index und Konkordanz zu Nestroys Stücken und Briefen
Pause
10:40 Julius Lottes (Wien, A): Die Subversivität des Textes. Zwei Possen Adolf Bäuerles vor dem Hintergrund der vormärzlichen Öffentlichkeit
11:20 Matthias Mansky (Wien, A): „[…] das ist die Nemesis, die dramatische Gerechtigkeit!“ – Anton Langer und seine Posse Die Mehlmesser-Pepi
Mittagspause
Forum: Funde – Fragen – Berichte:
14:30 Kerstin Hausbei (Paris, F): Nestroy zum Schweigen gebracht? Reflexionen zum Mimodram Les trois perruques von Marcel Marceau
15:10 Beatrix Müller-Kampel (Graz, A): Raimund und Nestroy im Puppentheater des 19. Jahrhunderts. Die Bestände der TWS Köln und der SKD Dresden/Museum für Sächsische Volkskunst mit Puppentheatersammlung
Pause
16:00 Sigurd Paul Scheichl (Innsbruck, A): Nestroy bei den Völkischen
16:30 Matthias Schleifer (Bamberg, D): Im Zeichen des Ypsilons: Zur Nestroyrezeption Paul Feyerabends
17:00 Resümee, Ausblick und Ausklang: „Des Is Klassisch“ stellt sich vor! – Vorstellung des Vereins und musikalische Einlagen (Vortragende: Judith Seidl, Christian Graf, Alice Waginger; Piano: Lu Bai)
18:30 Empfang

Samstag, 6. Juli 2013
Abreise

Peter Gruber „Versteht sich süß – und ein Kipfl“

Sonntag, 30. Juni, 7., 14., 21. Juli 2013, jeweils 10:30 Uhr, Schlosshof Rothmühle
Einlass ab 9 Uhr

Nestroy-Spezialitäten zum Frühstück serviert von Peter Gruber und Bruno Reichert

Elfriede Ott: Nestroy & Co
Lesung

Die heimatlos gewordene legendäre Nestroy-Prinzipalin wird in die Rothmühle ‚entführt‘, wo sie am 11. Juli zu Gast ist.

Kurier, 25. Juni 2013: Schwechat: Wo ein alter Nestroy ganz aktuell wird

Enstaubt

Unterschiedlicher könnten die beiden Cousins nicht sein, die aus der Provinz in den Großstadtdschungel geraten: Vincenz, Bildungs- und Arbeitsverweigerer von knapp 30, noch immer Mamis nichtsnutziger, aber hochsubventionierter Liebling, wird von selbiger dorthin gedrängt, wo ihm die Schickeria-Bubis der Bussi-Bussi-Gesellschaft all das beibringen, was ihm zum echten Kotzbrocken noch fehlt. Den braven Moritz treibt sein Vater aus dem Haus, weil er mit dessen Liebe zu Pauline nicht einverstanden ist. Trotz guter Ausbildung, Fleiß und Strebsamkeit findet er keine Anstellung und muss sich mit prekären Arbeitsverhätnissen durchschlagen.

Trüffel

Regisseur Peter Gruber hat „Die beiden Herrn Söhne“ für die Schwechater Nestroy-Spiele herausgetrüffelt – und die einst so erfolglose, so gut wie vergessene Posse entpuppt sich in seiner von Staub und Spinnweben befreiten, flotten Inszenierung als Thesenstück über die soziale Verortung heutiger Mittzwanziger. Eine Entdeckung ist auch Valentin Frantsits. Sein Vincenz hat die coolen Moves des Hip-Hoppers, die Couplets (in einem raffinierten Stilmix von Rainer Binder-Kriegelstein) bringt er messerscharf wortdeutlich mit Rap-Anklängen, das gepflegte Macho-Image des flexiblen Bindungsscheuen unterfüttert er mit einer gehörigen Portion Charme. Ebenso typgerecht trifft Rafael Wieser den Moritz. In der geschlossen guten Ensembleleistung der Schwechater Nestroy-Addicts berührt besonders Bruno Reichert als Bedienter Balg, der eben beide „Buben“ so liebt, sie sie sind. (B.P.)

Niederösterreichische Nachrichten, 26. Juni 2013: Erfolg für die „Die beiden Herrn Söhne“

Das Stück wurde am 16. Jänner 1845 im Theater an der Wien uraufgeführt, nach nur wenigen Aufführungen abgesetzt und niemals wieder gespielt. Man kann also davon ausgehen, dass bis zu den diesjährigen Nestroy-Spielen kein heute Lebender dieses Stück, zumindest offiziell, gesehen hat.

Inhalt: Zwei Söhne (Cousins), aus gutem Haus kommend, höchst unterschiedlich erzogen, verlassen ihr Elternhaus, um in der Großstadt Wien Fuß zu fassen. Vincenz, der von seiner Mutter maßlos Verwöhnte, wirft das Geld mit beiden Händen zum Fenster raus, lässt sein Mädel mit dem Vater zurück aufs Land gehen und reißt seine Mutter schlussendlich mit in den finanziellen Abgrund. Moritz, der immer Brave und Vernünftige versucht sich mühsam und vorsichtig eine Karriere aufzubauen, die, allerdings ohne böse Absicht, von Vetter Vincenz zerstört wird. Zu allem Überfluss wird Moritz auch noch von seiner geliebten Pauline verlassen, die dem Gelde nachläuft. So scheitern beide letztendlich an der kapitalistischen Gesellschaft und landen gemeinsam auf einem ungastlichen Dachboden. Der Dritte im Bunde ist der Diener Jakob Balg, der den Beiden in die Stadt folgt und bis zum Ende versucht, auch moderierend, zwischen den beiden Welten zu vermitteln. Ein „Happyend“ gibt’s aber trotzdem.

Ein überaus gut geschriebenes Stück, das auch sprachlich sehr schön ist. Natürlich musste dem Regisseur Peter Gruber szenisch schon einiges einfallen, damit das Stück nicht das gleiche Schicksal ereilt, wie vor 168 Jahren. Das ist ihm auch weitgehend gelungen.

Auf der typischen Nestroybühne wird nur mit Versatzstücken gearbeitet. Das eigentliche Bühnenbild das sind die allesamt großartigen Darsteller, die, gleichgültig welchen Alters mit jugendlicher Frische, Farbe und Temperament ein Bild formen, das eine Geschichte erzählen kann, die einem Nestroy zur Ehre gereicht.

Trotzdem kann man diesmal nicht umhin, die drei Protagonisten Rafael Wieser als Moritz, Valentin Frantsits als Vincenz und Bruno Reichert als Balg ob ihrer komödiantischen Bravourleistungen besonders hervorzuheben. Die Couplets absolut gekonnt serviert, haben sich dem flotten Spieltempo angepasst. Besonders beeindruckend auch, wie sich die sprachlich unterschiedlichen Klangfarben voneinander absetzen und so die Unterschiedlichkeit der Charaktere noch unterstreichen. Und wie bei allen seinen Nestroy-Inszenierungen windet sich Grubers Liebe zum Detail wie ein roter Faden durch das ganze Stück.

Mit einem Augenzwinkern nahezu perfekt. (Jopie den Dulk)

Kronenzeitung, 28. Juni 2013: Verlorene Söhne

Das Werk zählt zu Nestroys unbekannten Stücken: „Die beiden Herrn Söhne“, 1845 im Theater an der Wien erstaufgeführt und durchgefallen, ist seither nur eine Fußnote in der Theatergeschichte. Intendant Peter Gruber zeigt es nun im Schloss Rothmühle in Schwechat.

Die Geschichte ist etwas flach: Die beiden Söhne – Cousins – verwirklichen unterschiedliche Lebensmodelle: der eine streb- und arbeitsam, aufgrund einer Liebschaft vom Vater verstoßen; der andere von der Mutter verhätschelt und faul, großzügig im Umgang mit fremden Finanzen: Beide landen im Elend, am Ende finden die verlorenen Söhne aber wieder heim. Naja.

Man kann über das Stück streiten, als Ausgrabung ist es allemal nett, Uno nett gemacht. Auch wenn die Erkenntnis ein bisschen banal ist, dass das Leben 1845 auch nicht anders war als heute.

Peter Gruber hat als Regisseur allerdings einen sehr lebendigen, pointierten Abend entworfen, der flott über die Rampe kommt. Ihm gelingt es, ein „heutiges“ Erlebnis zu schaffen, ohne anbiedernd zu arbeiten.

Die Bilder sind einfach und gut, die Figuren schlüssig. Im Zentrum Valentin Frantsis als Vincenz: locker, authentisch, antreibend. Ein sympathischer Bursch. Dazwischengestreut die peppigen Couplets, die gleichermaßen unterhaltsam wie unaufdringlich sind. Und auch das übrige Ensemble gefällt, ja beeindruckt streckenweise: BrunoReichert, Rafael Wieser, Lili Hilde Lerner, Maria Sedlaczek.

Spaß und herzliches Lachen sind angesagt!

Der neue Merker, 29. Juni 2013: Auf nach Schwechat

Nestroy bleibt immer spannend, nicht zuletzt deshalb, weil der Garten seines Schaffens noch immer nicht ausgeschritten ist. Das ist zwar nicht allgemein bekannt, weil etwa ein Dutzend seiner Stücke immer wieder die Bühne bevölkert und dies allgemein als ein reiches Angebot erscheint. Aber bei über 70 Werken (einiges über 70, und interessanterweise rechten die Wissenschaftler über Zuschreibungen noch immer!) gibt es einen wahrhaft unentdeckten und höchst entdeckenswerten Nestroy-Dschungel. Was machte der große Mann, wenn es Peter Gruber und seine Nestroy-Spiele in Schwechat nicht gäbe – heuer in ihrem 41. Jahr, unverändert unter derselben Leistung, mit derselben Ambition, mit immer demselben stupenden Ergebnis!?!

Man findet tatsächlich immer wieder Stücke, die zwar in den Biographien stehen, die aber nie jemand gesehen hat. Durchgefallen und vergessen wie „Die beiden Herrn Söhne“, die es nach ihrer Premiere am 16. Jänner 1845 im Theater an der Wien auf 6 Aufführungen brachten und auf Nimmerwiedersehen verschwanden. Dafür gibt es ein paar gute Gründe, vor allem, dass die Geschichte des schlimmen und des braven Vetters so simpel gestrickt ist (das französische Vorbild gab nicht viel her) und dass die Nebenrollen, zwar quantitativ reichlich, qualitativ ein wenig schmal ausgefallen sind – mit Ausnahme der Figur des treuen und vollmundigen Faktotums Balg, den Nestroy seinem Kollegen Wenzel Scholz auf den fülligen Leib schrieb.

Zum Misserfolg der Premiere trug sicher auch die so wenig „moralische“ Schlusswendung des Stücks bei. Zwar war die Zeit Raimunds lange vorbei, wo sich die Menschen am Ende „erkannt“ und damit gebessert haben, aber dass Nestroy einen wirklich unverschämten Taugenichts auf die Bühne stellte und eigentlich nur die Unveränderlichkeit von dessen Wesen und Charakter behauptete, sah man wohl nicht so gern. Wobei gerade darin großer Reiz liegt.

Wie viel in dem Stück steckt, das macht Peter Gruber heuer in Schwechat, wo man es wirklich und wahrhaftig neu entdeckt, klar. Es ist ein Stück, dessen Couplets ( „Drum sag ich, ’s Studirn is a unnöth’ge Plag!“, „Man is rein nur dem Schicksal sei Narr“ und „Das sind die Geheimnisse von Wien“) sich auf der Höhe seiner Denk- und Formulierungskunst bewegen, ein Stück, von dem manch eine Formulierung sich in den Nestroy’schen „Sprüche“-Sammlungen finden – und ein Stück, dessen grundlegendes Thema von der „Bildbarkeit“ des Menschen so aktuell ist wie eh und je.

Vincenz, der Sohn der reichen und als Mutter besinnungslos dummen Kunigunde Helmbach, hätte die allerbeste Erziehung erhalten sollen – und wollte sie nicht, weil er weiß, dass ein reicher Mann dergleichen nicht braucht. Der andere „Herr Sohn“ Moritz, der Vetter von Vincenz (sein Vater, Herr von Eckheim, ist der Bruder der Frau Helmbach), ist genau so gut erzogen – und so „brav“, wie Vincenz „schlimm“ ist. Und Nestroy zeigt nun, dass die beiden nicht anders können: Wie immer das Schicksal mit ihnen umspringt, der eine wird der Tunichtgut bleiben, der andere ist, wie er ist, muss sich also anständig zu verhalten. Erbgut vor Erziehung – wenn man es zu Nestroys Zeiten auch noch nicht so genau gesehen haben mag wie heute.

Peter Grubers Inszenierung bewegt sich im bewährten, pawlatschenhaften Schwechat-Stil: Nora Scheidl bringt ein paar Möbelstücke und ein paar Versenkungen auf die im Hintergrund mit Treppen zu einem Oberstock führende Bühne, und man hat alles, was man braucht – und Okki Zykan sorgt für Alltagskostüme, teils wild-skurril, teils schäbig, jedenfalls lustig und heutig. Nirgends gehen Nestroy’sche Verhältnisse so fugenlos ins Heute über wie in Schwechat unter Grubers souveräner Hand.

Wenn Vincenz in der Stadt ein Lotterleben führt und dabei das Vermögen der Mutter vernichtet, tut er es mit jenen „Freunderln“, die sich um die Reichen herum immer finden und denen Gruber den Stil einer Jeunesse gar nicht dorée gibt, bei der sich Gier und geheuchelte Lässigkeit mischen. Pflichten- und verantwortungslos weiß man eigentlich gar nicht, was man mit dem Leben anfangen soll – von einer Party zur nächsten, von einem Mädel zum nächsten, was gibt es sonst zu tun? Es bleibt einem tatsächlich der Mund offen, wie wenig sich da geändert hat – bzw. wie gültig Nestroy offenbar ewiges Verhalten (vermutlich war es bei den alten Römern nicht anders…) in den Griff bekommen hat.

Aber nicht nur das: Wenn auf den Luxus-Jux der unvermeidliche Absturz folgt, dann begleitet Nestroy seine Helden in die schäbigste Dachkammer und führt ihnen und dem Publikum vor, wie bittere Armut schmeckt – in einer Szene von solch sozialer Kompetenz, dass das Weiterwurschteln jener, die nichts mehr haben, gleichfalls unschwer wieder zu erkennen ist. Fabelhaft, was in einem so vergessenen Stück steckt und herauszuholen ist.

Das gelingt auch, weil man in Schwechat Nestroy wirklich zu spielen versteht, nicht nur das wundersame Ensemble, das mit Laien begonnen hat und heute (bis auf minimale Ausnahmen) Nestroy mit der größten Selbstverständlichkeit von bis in die Fingerspitzen kompetenten Profis umsetzt. Dabei erneuert sich das Personal selbstverständlich, und heuer hat man zwei junge Männer für die Titelrollen gefunden, die sich trotz ihrer Jugend auf der Höhe Nestroy’scher Sprachbehandlung und Personengestaltung bewegen: Wenn die beiden keine Karriere machen, geht es nicht mit rechten Dingen zu.

Dabei hat Valentin Frantsits mit dem Vincenz, der Nestroy-Rolle, die vordergründig bessere Rolle – einer, der nicht gut tut, wie man in Wien sagt, und das aus voller Lust an der Sache auch gar nicht will (es gibt eine lange Reihe von „Lumpen“ in der Geschichte der Nestroy-Figuren, wobei sich der Vincenz nicht zu verstecken braucht). Frantsits spielt ein Früchterl mit lustvollem Prolo-Ton und selbstherrlichem Zynismus, versteht es aber dabei, nicht vollends widerlich zu sein, sondern im Gegenteil mit seiner Frechheit und Unverfrorenheit zu amüsieren. Eine wirklich starke Leistung.

Da hat es Rafael Wieser als „braver“ Moritz viel schwerer, denn wer mag die Musterschüler schon? Aber einen zu spielen, der ernsthaft und anständig ist, enttäuscht wird, vom Leben gebeutelt und dennoch nicht alles hinschmeißt, nicht weinerlich wird, nicht die Welt beschuldigt – dass dieser nicht zum leblosen, faden Tugendbold wird, das ist ein wahres Kunststück. Auf seine Art ist Moritz auf die stille Art so nachdrücklich und lebendig wie Vincenz auf die laute.

Der Jakob Balg, die Bedientenseele, hat viel von einer komödiantischen Kunstfigur, aber nicht, wenn Bruno Reichert ihn spielt: Da sucht nämlich einer nur seinen Platz im Leben, buckelt und schmeichelt sich durch, um überall unterschlüpfen zu können, und ist doch trotz des Verhaltens-Pragmatismus kein übler, sondern ein guter Kerl. Der dritte im Bund der darstellerischen Meisterstückeln des Abends.

Aber auch Lili Hilde Lerner als verbohrte Mutter und Franz Steiner als der zwar liebende, aber aus Klugheit strenge Vater sind keine Theaterklischees, sondern runde, echte Figuren, ebenso Bella Rössler, die eine sich lächerlich machende Alte spielen muss, die Nestroy immer wieder gnadenlos aufs Korn nahm.

Ein tobender Wirt (Vater einer Entführten) ist bei Peter Kuno Plöchl, eine genau ums Finanzielle Bescheid wissende Proletarierin (Tante einer Entführten) bei Maria Sedlaczek in besten Händen. Ein jüdischer Tandler (Andreas Herbsthofer-Grecht) wird ohne einen Hauch von Antisemitismus gespielt, während ein Bankmensch, der bei Nestroy Ruppich heißt und hier in „Raiffeisl“ umbenannt wurde (gewandt: Helmut Frauenlob) vortänzeln darf, wie aus geliehenem Geld für die Bank gleich ein Drittel mehr dessen wird, was der Schuldner tatsächlich erhält… Und ein jagender Graf (Harald Schuh) darf hier noch, heutig aufgeputzt, nebenbei mit Waffen und Immobilien handeln: Solche Figuren sind uns ja nicht unbekannt, und wenn es einen Autor gibt, der immer auf die Aktualität der jeweiligen Zeit zielt, ist es Nestroy – und dessen Geist lebt ja heute in Gruber und Schwechat weiter…

Zu modernisierender, aber nicht „vergrauslichender“ Musik (Rainer Binder-Krieglstein) – da hat man in Nestroy-Aufführungen wahrlich schon Schlimmes gehört –, ist das ein Abend, wie man ihn sich für den Dichter und das Publikum nur wünschen kann: Nestroy pur. Bei aller Komödiantik klar und scharf ins Schwarze gezielt. Auf nach Schwechat! (Renate Wagner)

Der Standard, 1. Juli 2013: Geglückte Wiederbelebung

„Wenn’s Geld vom Studieren käm, gäb’s keine reichen Stockfisch’ und keine armen Gelehrten“, meint Vincenz, der aufs Studieren pfeift und als kecker Lederhosenhedonist im Gabalier-Look über die Bühne tollt. Valentin Frantsits spielt den Lebemann bei den Nestroy-Spielen in Schwechat mit Bravour, wechselt im Laufe des Stücks mühelos vom Gabalier- ins Falco-Outfit samt gelungener Rap-Einlage.

An Vorlagen für das „Was kost’ die Welt – Nach mir die Sintflut“-Motto mangelt es dem Ensemble nicht. Das zeigen auch Vincenz’ Dandy-Freunde, die sich als „ure geile“ Typen ungeniert dem dekadenten Banausentum hingeben („Party heut Abend?“) und Vincenz schlitzohrig das Geld aus der Tasche ziehen. Der hängt noch immer am Tropf seiner wohlbegüterten Frau Mama und erkennt daran nichts Schlimmes. Ganz anders hingegen sein Vetter und Gegenstück Moritz (Rafael Wieser), der als verbissener Streber vergeblich auf Anerkennung hofft.

1845 uraufgeführt, fiel Nestroys Posse Die beiden Herren Söhne beim zeitgenössischen Publikum durch. „Eine Masse von Gemeinheiten – derb und hässlich“, echauffierten sich die Kritiker. Das Stück versank in der Bedeutungslosigkeit, galt als unspielbar. In einer Zeit, in der Generation Praktikum und Rekordjugendarbeitslosigkeit auf Hedonismus und Verschwender-Ethos treffen, muss man aber für die Wiederbelebung des Stücks dankbar sein.

Das Ensemble um Regisseur Peter Gruber wird daher auch nicht müde, am Text zu schrauben, um Die beiden Herren Söhne ins Jahr 2013 zu retten. Vor allem die zahlreichen Couplets (vielseitig Valentin Frantsits) sprechen Aktuelles gnadenlos an: ökonomischer Leichtsinn, Korruption, moralische Verlotterung. Der Banker Ruppich wird in Consultingmanager Raiffeisl umbenannt. Spätestens wenn der Geld-, Waffen- und Immobilienhändler Graf Steinheim feststellt, dass er nur ein einfacher Bauer ist, wird offensichtlich, wer sein Fett abbekommt. Ein wortwörtlicher Knaller: die Jagdszene samt üppiger Jause.

Auch wenn sich Vincenz und der Bedienstete Jakob Balg dem Wein hingeben – Doppler-Kultur wird hier noch hochgehalten –, merkt man die Freude am Spielen. Bei Bruno Reichert als charmant-frechem Bediensteten kommt einem phasenweise der legendäre Hans Moser in den Sinn.

Die beiden Herren Söhne ist wahrlich kein großer Wurf. Dazu fehlt der Komödie etwas der Witz. Dennoch gelingt eine politisch wache Aktualisierung des schwierigen Skandalstücks. (Stefan Weiss)

KleinKunst, 2. Juli 2013: Eine Theateraufführung, bei der einfach alles stimmt

Die Location in der Rothmühle in Schwechat ist wohl ohne Frage eine der außergewöhnlichsten Theaterschauplätze überhaupt. Man fühlt sich eher wie in einem kleinen Biergarten, die Zuschauerplätze befinden sich im Freien und gegen Kälte helfen die Decken, die beim Eingang verteilt werden. In dieser Location wird jetzt seit über 40 Jahren jährlich bei den berühmten Nestroyspielen der in Theaterkreisen sehr bekannt und geniale Theaterdichter Nestroy geehrt, indem seine Stücke auf der Bühne wieder lebendig werden.

Die zwei Herren Söhne ist ein wohl eher unbekanntes Stück von Nestroy, meiner Meinung nach aber zu Unrecht. Mit viel Witz und Nestroys typischem satirischen Unterton wird das Leben zweier völlig unterschiedlicher Vettern erzählt. Der eine, Moritz, ein tüchtiger Student, der andere, Vincenz, ein Lebemann, dessen Lieblingshobby ist, das Geld seiner Mutter zum Fenster rauszuschmeißen. Hier werden in einer amüsanten Geschichte rund um den Vergleich zwischen Großstadt und Landleben zwei völlig unterschiedliche Erziehungsmethoden gegenübergestellt.

Die Aufmachung des Stückes ist sehr gelungen, und hier ist besonders Peter Gruber für seine ausgezeichnete Regiearbeit zu loben. Aufgelockert wird die Geschichte durch einige musikalische Einlagen, in denen besonders Hauptdarsteller Valentin Frantsits mit seinen Reimen mit Ohrwurmpotenzial rund um den Zauber von Wien überzeugt. Lediglich etwas seltsam war als Begleitung das Schlagzeug auf der Bühne, da die restliche Musik aufgenommen war. Auch war die Bühnensprache leider nicht immer verständlich, da der Dialekt der Figuren teilweise schon etwas extrem war, und die Autorin dieser Kritik sich als Nichtwienerin ziemlich konzentrieren musste, um einige Darsteller zu verstehen.

Hervorzuheben sind aber die vielen gelungenen Szenenwechsel mit jeweils neuer Kulisse und Kostümierung, wobei besonders die tollen Kostüme und Perücken auffielen, für die Okki Zykan verantwortlich war. Und auch die Special Effects sind sehr eindrucksvoll, wie der künstliche Schnee oder die vielen Knalleffekte. Mit philosophischem Geplänkel wird auch nicht gespart, was der ganzen Geschichte aber wiederum eine intelektuelle und tiefsinnige Note gibt. So wird über die Vergänglichkeit des Menschen schwadroniert und darüber, ob im Lob nicht doch eine gewisse Geringschätzung liegen müsse.

Was das Stück aber vor allem besonders macht, ist die hochgradige schauspielerische Leistung des gesamten Ensembles. Und das ist in „Die zwei Herren Söhne“ nicht gerade klein. Das Zusammenspiel der Darsteller ist hierbei hervorzuheben, sowie auch die Leistungen der Hauptpersonen, allen voran der bereits erwähnte Valentin Frantsits in der Rolle des Vincenz, der nicht nur durch seine Musikalität auffällt, sondern auch das gesamte Stück hindurch in seiner Rolle versetzt bleibt und eine Authentizität mitbringt, die erstaunlich ist. Bewundernswert ist vor allem, welche enorme Textmenge Frantsits sich aneignen musste und diese ohne jede Zögerung scheinbar mühe- und fehlerlos vorträgt. Aber auch Sabine Axmann, Helmut Frauenlob und Andreas Herbsthofer-Grecht fallen positiv auf. Trotzdem sind die restlichen Schauspieler und Statisten nicht zu vergessen, die allesamt in ihren Rollen überzeugend waren.

Eine Theateraufführung, bei der einfach alles stimmt. Witz liegt in der Luft, die Aufmachung ist mit der großer Bühnenstücke vergleichbar und auch die Schauspieler überzeugen. Hinzu kommt noch die tolle Location mit hauseigener Bar für ein Gläschen Wein oder Bier vor und nach der Aufführung. Ein sehr gelungener Kulturabend und ein Muss für alle Theaterfreunde. Lassen Sie sich das nicht entgehen! (Stephanie Ellemunter)