Heimliches Geld, heimliche Liebe

„Was Nestroy betrifft, ist Wien eine Vorstadt von Schwechat“ und „Schöner kann man Nestroy nicht auf die Bühne bringen“ – diesem Kritikerlob wollen die Nestroy-Spiele auch in ihrem 37. Jahr gerecht werden. Heuer zeigen wir ein lange unterschätztes spätes Meisterwerk Nestroys aus dem Jahr 1853. Die „revolutionären“ Träume von politischer Freiheit und einer Besserung der sozialen Verhältnisse sind geplatzt. Industrialisierung und Kapitalismus bestimmen den Kurs, die kleinen Leute müssen den Mund halten, verheimlichen, vorsichtig sein, um nicht das Wenige zu verlieren, das sie noch haben, mitunter auch zu Tätern werden, um überleben zu können. Ihren Kampf um Liebe und Geld, die so selten Hand in Hand gehen, schildert Nestroy spannend, geistreich und mit komödiantischer Brillanz. Es spielt das bewährte Nestroy-Ensemble rund um Regisseur Peter Gruber.

37. NESTROY Spiele Schwechat
Heimliches Geld, heimliche Liebe
27. Juni bis 01. August 2009

Regie

Peter Gruber

Regiemitarbeit

Christine Bauer

Anna Steger

Regie- und Dramaturgieassistenz

Musik und Akkordeon

Christian Selinger

Bühne

Alexandre Collon

Ausstattungsassistenz

Milena Nikolic

Bühnenrealisation

Günter Lickel

Kostüme

Okki Zykan

Maske

Sigrid Lessel, Sabine Stropeck

Maskenassistenz

Veronika Mikus

Lichtdesign

Robby Vamos

Lichttechnik

Thomas NIchtenberger
HERR VON MAKLER Spekulant
Franz Steiner
HORTENSIA seine Frau
Maria Bittner
FRAU VON LÄRMINGER Fabrikantin, Witwe
Bella Rössler
MARIE ihre Stieftochter
Martina Hinterleitner
HERR VON FLAU deren Vormund
Harald Schuh
PEMPERER Werkführer bei der Firma Lärminger
Horst Salzer
LENI seine Tochter, Küchenmädchen
Rebecca A. Döltl
THERES Wirtschafterin
Sissy Stacher
PETER DICKKOPF ehemaliger Krämer
Bruno Reichert
CASIMIR DACHL sein Stiefsohn, Kupferschmiedgeselle
Christian Graf
FRANZ GLIMMER sein Neffe, Kupferschmiedgeselle
Florian Haslinger
ARBEITER
Peter Kuno Plöchl, Peter Koliander, Alex Lainer, Andreas Herbsthofer-Grecht
NAZL Lehrjunge
Melina Rössler
PFANZER Hausmeister
Andreas Herbsthofer-Grecht
REGERL seine Frau
Gabriele Holzer
KÖRBL Kräutlerin, Witwe
Maria Sedlaczek
GOTTFRIEDL ihr Sohn
Alex Lainer
NETTL Köchin
Sabine Stacher
JANINA arbeitslos
Milena Nikolic
DOROTKA arbeitslos
Susanne Adametz
BITTMANN arbeitslos
Peter Koliander
STAUB Comptoirist bei Makler
Alex Lainer
NOTAR
Peter Kuno Plöchl

1. Akt
In einer Unterredung gesteht Frau von Lärminger Dickkopf, daß sie Casimir heiraten will. Wenn er Casimir gut zuredet, soll Dickkopf am Tag der Hochzeit 5000 Gulden erhalten. Eigentlich ist Dickkopf immer noch wütend, weil der verstorbene Herr von Lärminger ihn vor Jahren um sein Vermögen betrogen hat, aber unter diesen Bedingungen will er seine Hilfe nicht verweigern. Im Laden von Frau Körbl hat Dickkopf ein Büro als Briefschreiber. Deshalb bittet Leni ihn, einen Brief an ihren Geliebten zu schreiben. Als Dickkopf hört, daß es sich bei dem Geliebten um Casimir handelt, schüttet er scheinbar aus Versehen das Tintenfaß über Lenis Liebesbrief. Scheinheilig verspricht er, genau diesen Brief erneut zu schreiben und zur Post zu bringen. In Wahrheit ändert er den Brief in seinem Sinne und bittet Gottfriedl, ihn abzuschreiben, um sich bei Casimir nicht durch die Schrift zu verraten. Nur kurze Zeit später bringt Leni überglücklich einen Brief von Casimir zu Dickkopf, damit er ihn vorlese. Nachdem er ihn still gelesen hat, zerreißt Dickkopf den Brief in scheinbarer Entrüstung und erzählt Leni, Casimir schreibe, er wolle eine reiche Witwe heiraten. In ihrer Verzweiflung sammelt Leni die Brieffetzen auf und geht tief enttäuscht nach Hause. – Auftrittslied Casimir I, 16 („Bin nur a Kupferschmiedg’sell, und hab a Kunstreis vollbracht“). – In einem Monolog über die Nachteile der Bildung stellt Casimir im Hinblick auf Leni fest: „Es kann auch nichts Interessanteres als eine ungebildete Geliebte geben.“ Die unglückliche Marie erzählt Casimir, daß sie heiraten soll, woraufhin Casimir sie mit seinem Wissen über ihre Liebe zu Franz überrascht. Gleichzeitig macht er ihr jedoch wenig Hoffnung auf Franz’ Gegenliebe, obwohl er weiß, wie sehr Franz in Marie verliebt ist. Der Grund sei ein alter Streit zwischen der Familie Glimmer und der Familie von Lärminger. Vor vielen Jahren hatten Herr Glimmer und Herr von Lärminger je ein Los gekauft. Für den Fall, daß er gewinnt, hatte Glimmer Dickkopf ein Fünftel des Geldes versprochen. Doch Glimmer starb und Herr von Lärminger behielt weiterhin beide Lose bei sich aufbewahrt. Als eines gewann, behauptete er kurzerhand, dies sei sein Los gewesen. Obwohl Franz von dem Unrecht wußte, hatte er doch keine Beweise in der Hand. Aus diesem Grund falle es ihm bestimmt schwer, sich ausgerechnet in Marie zu verlieben. Mit gespielter Bescheidenheit schmeichelt Casimir Frau von Lärminger. Als sie jedoch Andeutungen über ihre Heiratspläne macht, erklärt er entschieden, daß sie, die reiche, schöne Witwe, sicherlich niemals bereit sei, ihn, den Besitzlosen, in die „Mannundweibiseinleib­leidundfreudmiteinander­tragungsanstalt“ zu führen. Eine Frau wie sie könne einem Mann wie ihm niemals mit gebührender Achtung entgegentreten. Auf keinen Fall werde er sich zu einer derartigen Verbindung zwingen lassen. Mit Schrecken hört Franz, wie Frau von Lärminger in der Werkstatt von Maries geplanter Hochzeit spricht. Gutgelaunt prophezeit Casimir Dickkopf, in einigen Jahren eine ältere und reichere Witwe als Frau von Lärminger zum Heiraten gefunden zu haben. Daß sie bis dahin in großer Not leben müßten, sei nur von Vorteil, weil Frau von Lärminger durch dieses Elend vor ihrer Nase ihren Reichtum nicht genießen könne. Schon längst hat Dickkopf von Franz’ Liebe zu Marie erfahren und ist darüber sehr unzufrieden. Schockiert liest Casimir Lenis von Dickkopf gefälschten Brief. In diesem Moment erscheint Pemperer und beschuldigt Casimir, Leni betrogen zu haben. Sofort denkt dieser an eine Intrige, als er hört, daß Leni weinend zu Hause sitzt. Zum Schein spielt Casimir Pemperer den skrupellosen Mann vor, der seine Geliebte, ohne mit der Wimper zu zucken, für eine reiche Witwe sitzen läßt. Er habe nun einmal keinerlei Charaktereigenschaften mit seinem gütigen Stiefvater gemein.

2. Akt
Heimlich bringt Marie Perlen von ihrer verstorbenen Mutter zu Herrn von Makler und bittet ihn, ihr dafür 3000 Gulden zu geben. Herr von Makler gibt ihr das Geld und versichert, Stillschweigen zu wahren. Nach Pemperers Besuch ist Casimir ihm auf dem Heimweg gefolgt und findet so zu Leni, die ihm die Fetzen seines Briefes zeigt. Casimir liest ihr den Brief vor und erzählt der entrüsteten Leni, was in ihrem Brief stand. Da wird klar, daß der Briefschreiber die Schuld an dem Mißverständnis trägt. – Couplet über den Verlust des „ganzen Respekts“, Casimir II, 6. – Marie gibt bei Pfanzer ein Päckchen für Franz ab, das nur ihm persönlich ausgehändigt werden soll. Kurz darauf bringt Natzl einen Brief für Dickkopf. Dabei sieht er das Päckchen bei Pfanzer liegen. Da Pfanzer sich weigert, es ihm mitzugeben, will er Dickkopf wenigstens davon berichten. Sogleich erscheint Dickkopf bei Pfanzer und bringt ihn dazu, ihm das Päckchen zu übergeben. Beim Öffnen findet er 3000 Gulden. Da er das Geld als Ersatz für das ihm entgangene Vermögen ansieht, nimmt er es an sich. Gleichzeitig beginnt er seine Sachen zu packen, um sich mit dem Geld in Sicherheit zu bringen. Doch bevor er gehen kann, kommen Casimir und Franz nach Hause. Von Pfanzer haben sie bereits von dem Päckchen gehört und stellen Dickkopf zur Rede. Der streitet zunächst alles ab, doch allmählich wird deutlich, daß Marie Geld gebracht hat. Darüber ist Franz sehr verbittert. Aus Angst, verklagt zu werden, will Dickkopf 300 Gulden zurückgeben, was angeblich die ganze Summe sei. Franz will Marie das Geld zurückbringen und ist enttäuscht, daß es lediglich eine so geringe Summe ist.

3. Akt
Im geheimen hat Dickkopf bei Herrn von Makler ein kleines Vermögen hinterlegt. Nun bringt er auch die 2700 Gulden zur Aufbewahrung. Bei dieser Gelegenheit erzählt er Herrn von Makler von seinem Plan, Frau Körbl zu heiraten. Die Nachricht, daß Marie den Sohn von Herrn von Makler heiraten soll, erschreckt ihn allerdings, da er, im Hinblick auf Casimirs Hochzeit mit Frau von Lärminger, um die Wahrung seines Vermögensgeheimnisses fürchtet. Dagegen wartet Frau von Lärminger ungeduldig auf die Heirat von Marie, damit sie selbst endlich heiraten kann. Während die Gesellschaft noch auf Maklers Sohn wartet, erscheint Casimir bei Frau von Lärminger, um Marie in Franz’ Namen das Geld zurückzugeben. Allerdings weist Herr von Makler darauf hin, daß es sich bei den 300 Gulden keineswegs um die ganze Summe handle. Er verdächtigt Casimir des Diebstahls und will ihn verhaften lassen. Dies verhindert Frau von Lärminger, indem sie gesteht, daß Casimir ihr Zukünftiger sei. Durch diese Heirat sieht Herr von Makler seine Geschäftsinteressen gefährdet. Er weist alle aus dem Zimmer. Allein mit Casimir ist er sehr freundlich und bittet ihn, in einem Nachbarkabinett zu bleiben, bis er ihn hole. Er solle auf jedes Wort hören, das gesprochen werde. Kaum hat Casimir sich versteckt, tritt erneut Dickkopf bei Herrn von Makler ein. Mit Staunen hört Casimir von Dickkopfs Vermögen und von den vor einer Stunde eingezahlten 2700 Gulden. Dickkopf möchte das gesamte Geld abheben, die Flucht ergreifen und unterwegs heiraten. Herr von Makler gibt zu bedenken, daß ein Teil des Vermögens von Rechts wegen Casimir zusteht und er es ihm auszahlen müßte, wenn er darum gebeten würde. Dickkopf ist sich jedoch sicher, daß Casimir nichts von diesem Geld ahnt. Bei Frau Körbl haben Leni und Pemperer inzwischen erfahren, daß Dickkopf der Briefschreiber ist, und erkennen nun die Zusammenhänge. Den zurückgekehrten Dickkopf will Pemperer verprügeln, doch Casimir kommt dazwischen. Rundheraus erklärt er, auf Dickkopfs Seite zu stehen, denn der habe ihn nur reich und glücklich machen wollen. Casimir selbst ist sehr nobel gekleidet und hat 2700 Gulden dabei, die Dickkopf persönlich zu Marie tragen soll. Sollte er sich weigern, wird Franz ihn anzeigen. Aus Angst vor dieser Drohung ist Dickkopf bereit, zu Frau von Lärminger zu gehen, wo gerade Maries Verlobung gefeiert werden soll. Allerdings fehlt noch der Bräutigam. Nachdem Dickkopf das Geld übergeben hat, entlarvt Casimir ihn als reichen Kapitalisten, der sogar das mütterliche Erbe des Stiefsohns vermehrt habe. Wie im Testament ihres verstorbenen Vaters bestimmt, übergibt Herr von Flau Marie an ihrem Verlobungstag einen Brief ihres Vaters. Darin gesteht er, Glimmer seinerzeit betrogen zu haben. Marie solle nun bestimmen, was mit dem Geld geschehen soll. Zunächst haben nur Marie, Franz und Casimir den Brief gelesen. Der Neugier der Gesellschaft scheinbar nachgebend, verliest Casimir den Brief für alle: Der Vater ermahne Marie, einen Mann nach ihrem Herzen zu wählen und sich bei dieser Wahl von niemandem beeinflussen zu lassen. Um die scheinbar bevorstehende Verlobung von Casimir mit Frau von Lärminger zu stören, erscheinen Pemperer und Leni. Doch Casimir erklärt keß, daß Frau von Lärminger einen armen Mann heiraten wollte, doch da er nun reich sei, habe sie sicherlich kein Interesse mehr an ihm. Er dagegen wolle ein armes Mädchen, nämlich Leni, heiraten. Auch Franz und Marie sind glücklich, denn Herr von Flau gestattet ihnen die Hochzeit. Enttäuscht gibt Dickkopf zu, daß ihm nach dem Verlust seines Vermögens noch Frau Körbl bleibt. So kommen Pemperer und Casimir gemeinsam zu dem Schluß: „Da herrscht ja – wie überall, heimliches Geld, und heimliche Liebe.“ 

Aus dem „Nestroy-Schauspielführer“ von Jürgen Hein und Claudia Meyer, Verlag Lehner

Original-Stückfassung | Historisch-kritische Ausgabe (HKA 32 Jürgen Hein)

35. Internationale Nestroy-Gespräche 2009 
„… nur alles ohne Leidenschaft …“ Gelebte Konventionen, gespielte Gefühle

Samstag, 27. Juni 2009
Anreise nach A 2320 Schwechat, Justiz-Bildungszentrum (Schloss Altkettenhof), Schloßstraße 7 (Tagungsbüro im Foyer ab 14:30 bis 18:30 Uhr geöffnet)
18:30 Begrüßung
20:30 Schwechat, Schloss Rothmühle: Premiere 37. Nestroy-Spiele (Fußweg vom Justiz-Bildungszentrum zum Schloss Rothmühle etwa 15 Minuten): „Heimliches Geld, heimliche Liebe“ (Regie: Peter Gruber)

Sonntag, 28. Juni 2009
9:00 Einführung
9:15 Walter Pape (Köln, D): „Ein armer Mensch derf nix empfinden als den Hunger“: Komödien- und Possengefühle bis auf Nestroy
10:00 Herbert Herzmann (Dublin, IRL): Gefühlsverwirrungen in Nestroys Stücken
Diskussion und Pause
11:00 „Heimliches Geld, heimliche Liebe“: Diskussion über Stück und Aufführung
Mittagspause
14:30 Sigurd Paul Scheichl (Innsbruck, A): Liebe im understatement
15:00 Beatrix Müller-Kampel (Graz, A): Kasperl und die Frauen. Am Beispiel von Stücken aus dem Repertoire des Leopoldstädter Theaters (Ferdinand Eberl, Leopold Huber, Karl Friedrich Hensler, Karl Marinelli, Joachim Perinet)
Diskussion und Pause
16:00 Marion Linhardt (Bayreuth, D): „Franz Moor … Nicht als jener karikierte Mephisto im roten Mantel, roter Perücke, eine rote Hahnenfeder auf dem Barett …“ – Kostümkonventionen des frühen 19. Jahrhunderts und das Wiener Vorstadttheater
16:30 Julia Bertschik (Berlin, D): Auf den ersten Blick. Kleidung als Fetisch bei Nestroy und Horváth
Pause
18:30 Ulrike Längle (Bregenz, A): Gert Jonke (1946–2009) in memoriam: Porträt und Lesung aus seinen Texten

Montag, 29. Juni 2009
8:30 Christian Neuhuber (Graz, A): Joseph Krones, ein Nestroy in nuce?
9:00 W. Edgar Yates (Exeter, GB): Das (Bühnen-)Leben der Anderen: Zu Nestroys Schauspielerkolleginnen und -kollegen
9:30 Martin Stern (Basel, CH): Die „Wienerpossen“ in Berlin – Anlass für Gottfried Kellers Hoffnung auf Erneuerung der Volkskomödie
Diskussion und Pause
10:30 Matthias Mansky (Wien, A): Schiller im Fleischwolf oder Fiesko in Wien, Ein Beitrag zur frühen Schiller-Rezeption in Österreich
11:00 Till Gerrit Waidelich (Wien, A): Eduard von Bauernfeld: Lust- und Trauer-Spielereien
11:30 Olaf Briese (Berlin, D): Sebastian Brunners Romansatire „Die Prinzenschule von Möpselglück“ (1847/48)
Mittagspause
Forum: Funde – Fragen – Berichte:
15:00 Fred Walla (Newcastle, AUS): Johann Nestroy als Vertreiber seiner selbst
15:20 Oskar Pausch (Wien, A): Der Nachlass Maresch. Akten zum Theater in der Leopoldstadt 1862–1873
15:40 Arnold Klaffenböck (Strobl, A): Ein Nestroy für Linzer Verhältnisse? Die Nestroy-Aufführungen der „Volksbühne“ unter Ignaz Brantner
Diskussion und Pause
16.30 Rainer Theobald (Berlin, D): Theater in Folio und Oktav. Bühnengeschichte als Sammelgebiet
17:30 Thomas Steiert (Bayreuth, D): Vom „Zauber der Musik“ im Wiener Volkstheater

Dienstag, 30. Juni 2009
8:15 Exkursion nach Brünn, Leitung: Walter Obermaier

Mittwoch, 1. Juli 2009
Abreise

„Das linke Würstel ist zu lang“

Sonntag, 5., 12., 19., 26. Juli 2009 
Beginn 10:30 Uhr, Frühstück ab 9 Uhr
Schlosshof Rothmühle, Eintritt inclusive Frühstücksbüffet € 10,–

Appetitliches, Witziges und Literarisches rund um das Thema Geld und Liebe mit Texten von Grünbaum, Farkas, Herzmanovsky-Orlando u.v.a. dargeboten von Florian Haslinger und Silvia T. Steindl, Mitarbeit Anna Steger

Nestroy extra
Preses und Becher „Der Bockerer“
23. Juli 2009, 20:30 Uhr

In guter Nestroy’scher Tradition schrieben Preses und Becher nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs das Erfolgsstück „Der Bockerer“. Die hochgelobte Aufführung der Fischamender Spielleut zu Gast bei den Nestroy-Spielen.

Mit: Beatrix Czerny-Scheucher, Toni Eggendorfer, Christine Fellbacher, Josef ‚Lipperl‘ Gregor, Marcel Hausner, Ingrid Herzog-Müller, Sandro Hiermayer, Evi Hladik, Gerald Hösel, Fabian Hofbauer, Helga Kominek, Helga Majdic, Horst Piller, Benjamin Resetarits, Mario Santi, Wolf-Dieter Schindler, Clemens Schleinzer, Karl Schleinzer, Sabine Stocker, Stephan Wolk. Regie Franz Herzog, Bühnenbild Horst & Regine Piller

Österreich, 29. Juni 2009: Nestroy ganz aktuell

Regisseur Peter Gruber hat bei den 37. Nestroyspielen in Schwechat ein tiefschwarzes Ass aus dem Ärmel gezogen. Denn Heimliches Geld, heimliche Liebe ist keine heitere Komödie, sondern eine düstere, gesellschaftskritische Groteske, die in Zeiten von Finanzkrise und Asyldramen nichts an Aktualität eingebüßt hat. In einer vom Geld korrumpierten Gesellschaft intrigieren und lustwandeln sie, die Armen wie die Reichen. Herausragend aus dem guten Ensemble: Christian Graf als Kasimir und Bruno Reichert in der Rolle des Dickkopf. (Andrea Kramer)

Kurier, 29. Juni 2009: Bitterböses Spiel um die Gier als Erfolgsgeschichte

„Den ganzen Sommer ka Regen!“ – dafür erntet die Kräutlerin Sali den ersten Lacher des Abends und nimmt das einzige Problem der Premiere von „Heimliches Geld, heimliche Liebe“ in Schwechat vorweg: Wohl bedingt durch die Wettereskapaden in der letzten Probenphase wirken manche Abläufe und Übergänge noch etwas unroutiniert; doch sonst gibt es Nestroy vom Feinsten. In Peter Grubers Regie, für den Nestroy wohl den Ehrentitel des Zuckergussentschlackungsspezialisten erfunden hätte, prallen die sozialen Gegensätze zwischen Ausbeutern und Ausgebeuteten hart aufeinander. Die finden ihre optische Entsprechung auch in den kontrastierenden Lebenswelten zwischen Salon und Dachkammer, die das ungemein flexible Bühnenbild von Alexandre Collon widerspiegelt. Im brillanten Spiel Bruno Reicherts als verarmtem Krämer Peter Dickkopf wird klar, dass dessen nahezu erotische Beziehung zum Geld nicht bloß einer miesen charakterlichen Disposition entspringt, sondern den ökonomischen Verhältnissen. Zum Betrüger wird er, weil er sich selbst um alles betrogen fühlt. Die gallbitteren Zynismen seines Stiefsohns Casimir schießt Christian Graf treffsicher ab. Die anspruchsvolle Wortakrobatik transportiert er punktgenau und verständlich bis in die Couplets (mit pointierter Rhythmik musikalisch unterlegt von Christian Selinger). Rund um die beiden tritt ein engagiertes Team den Beweis an: Nestroy ist krisensicher. (Barbara Pálffy)

Kronen Zeitung, 29. Juni 2009: Spart nicht mit Spott

Nestroys Posse „Heimliches Geld, heimliche Liebe“ zum Start der 37. Nestroy-Spiele in Schwechat vor dem schönen Schloss Rothmühle: Peter Grubers Inszenierung trifft genau den Charakter des Spätwerks, einer oft verwirrenden, aber durchaus aktuellen Geschichte über soziale Missstände und die arrogante, habgierige Gesellschaft (Bühne: Alexandre Collon). Und das vor allem auch dank der Qualität der Schauspieler. Allen voran gefällt Christian Graf als Casimir Dachl, der Nestroys scharfzüngigen Witz und Spott über die Wiener Biedermeier­gesellschaft perfekt trifft. Bruno Reichert als Dickkopf, Florian Haslinger als Glimmer und alle anderen fügen sich überzeugend ins Gesamtbild dieser genauen, klugen Gruber-Inszenierung. Viele Lacher! (Florian Krenstetter)

APA, 28. Juni 2009: Aktueller Nestroy in Schwechat: Peter Gruber zeigt selten gespielte Posse bei den Nestroy-Spielen als Abgesang auf verlorene Utopien

„Heimliches Geld, heimliche Liebe“ steht in diesem Sommer auf dem Spielplan der Nestroy-Spiele Schwechat im Hof von Schloss Rothmühle in Rannersdorf. Die Premiere am Samstagabend wurde einmal mehr zum verdienten Erfolg des bewährten Ensembles und seines Regisseurs Peter Gruber, der einer als eher spröde geltenden Nestroy-Posse verblüffend aktuelle Bezüge abgewonnen hat.

„Heilig sei das Eigentum“ steht mit Kreideschrift auf einer der düster-schäbigen Bühnenwände zu lesen, zwischen denen ein wechselhaftes Spiel von Hoffnung, Enttäuschung, Gier und Gerechtigkeit seinen Lauf nimmt. Es scheint fürwahr keine Aussicht auf Änderung der Verhältnisse zu geben, „weil Oben und Unten, Reich und Arm, Geld und Liebe wohl ewig unvereinbare Gegensätze bleiben werden“, wie Gruber im Programmheft vermerkt, nicht ohne zwischen der postrevolutionären Zeit des 19. Jahrhunderts und unserer krisengebeutelten Gegenwart klare Parallelen zu erkennen – und auch zu verdeutlichen.

So zieht sich denn die soziale Kluft durchs Personal des bestens inszenierten Stücks, vom Spekulanten namens Makler (Franz Steiner) und der Fabrikantin Lärminger (Bella Rössler) über den groben Werkführer Pemperer (Horst Salzer) bis zum intriganten Schreiber Dickkopf (Bruno Reichert), dem proletoiden Hausmeister (Andreas Herbsthofer-Grecht) und der korpulenten Kräutlerin Körbl (Maria Sedlaczek). Den Kupferschmiedgesellen Casimir (Christian Graf) und Franz (Florian Haslinger) ist es vorbehalten, doch noch eine Art Happy End zu erkämpfen. Die Grundstimmung erscheint dennoch resignativ, und wenn Christian Selinger in den Umbaupausen mit seinem Akkordeon die Bühne umwandert, wirkt es wie ein Leichengang als Abgesang auf verlorene Utopien. (Ewald Baringer)

Der neue Merker, 8. Juli 2009: „Heimliches Geld, heimliche Liebe“ von Johann Nestroy

Als „Heimliches Geld, heimliche Liebe“ 1853 uraufgeführt wurde (eines der späten Nestroy-Stücke), war es ein Misserfolg. Man warf dem Autor vor, „gemeine“ Personen des niedrigen Standes auf die Bühne zu bringen. Gerade das macht dieses Werk für uns interessant – der Blick in die damalige Arbeitswelt (hier ist es eine Kupferschmiede-Fabrik), der Kontrast zwischen den elendiglich armen Leuten und den im doppelten Sinn unverschämt reichen – unverschämt, weil sie alle meinen, mit Geld alles kaufen zu können; und unverschämt, weil keiner von ihnen auf rechtem Weg zu diesem Reichtum gekommen ist. Regisseur Peter Gruber muss fast nichts tun, um ein Stück wie dieses aktuell zu machen – in Zeiten wie diesen spricht „Heimliches Geld, heimliche Liebe“ für sich selbst. Und die Nestroy-Spiele Schwechat, die bereits das 37. Jahr in Szene gehen, erweisen sich wieder als Hochburg des Nestroy-Verständnisses und Nestroy-Verstandes.

In der Rothmühle in Rannersdorf bei Schwechat würde man vermutlich auch dann nicht auf Aufwand setzen, wenn man es könnte: ein schlichter Hof, eine einfache Pawlatschenbühne, Schauspieler mit Umbauverpflichtung, eine Ausstattung (Alexandre Collon) so lapidar und dabei ausdrucksvoll wie die Aufführung. Obwohl das 19. Jahrhundert optisch mitspielt, legt sich keinerlei Distanz zwischen Darsteller und Publikum: „Wir da oben, ihr da unten“ – darum geht es. Den ewigen Tanz um das Geld, um die paar Kreuzer oder die Tausender, tanzen beide.

Es gibt sie natürlich, die Menschen wie Peter Dickkopf (eine der „bösesten“ Figuren, die Nestroy je geschaffen hat): Sie sind so besessen von Geld, dass sie gewissermaßen den Verstand verlieren, jegliche Form von Anstand und Einsicht überhaupt. Er wird die ärmsten Leute noch um ein paar Kreuzer betrügen, er wird seine Verwandten um alles bringen, was ihnen zusteht, er wird greinen und zappeln vor Gier und Angst, dass man ihm etwas wegnimmt. Armselig und noch viel böser gedacht, als Bruno Reichert ihn nichtsdestoweniger glänzend spielt: Was Geld aus Menschen machen kann, Nestroy hat es geschrieben, die Inszenierung zeigt es.

Am anderen Ende der Skala steht der Spekulant mit dem sprechenden Namen „Herr von Makler“: Nicht nur, dass er sich von jeder Transaktion seine ganz dicke Scheibe abschneidet, er hängt sein Mäntelchen nach dem Wind, verrät den einen „Kunden“ an den anderen, wenn das vorteilhafter erscheint. Und ist die Figur, die jeder erkennt: der absolut skrupellose „Geldmacher“ für die eigene Tasche. Er könnte von der Bühne steigen und sein Büro in der nächsten Bank oder Investment-Firma beziehen. Vielleicht bei Goldman Sachs? Er wäre dort sicherlich willkommen. Auch in der Gestalt des gewandten, unter der verbindlichen Fassade so spürbar mit allen Wassern gewaschenen Franz Steiner.

Das „heimliche Geld“, für das diese beiden Figuren stehen, ist natürlich viel interessanter als die „heimliche Liebe“, und dennoch ist Casimir Dachl, der Arbeiter in der Kupferschmiedefabrik, rechtens die Hauptperson des Geschehens. Einerseits will die reiche Fabriksbesitzerin Frau von Lärminger (Bella Rössler macht sich in dieser Rolle so wenig lächerlich wie möglich) ihn heiraten, genauer gesagt: ihn kaufen, den tüchtigen Arbeiter und den jungen Liebhaber mit einem Zug einkassieren. Wie selbstverständlich anständig dieser Casimir ist, zeigt sich daran, dass er dieses Geschäft nicht eine Sekunde erwägt. Wie unerschütterlich intelligent er ist, ergibt sich nicht nur aus der brillanten Wortequlibristik, die Nestroy ihm in den Mund legt, sondern aus seinem Handeln: Die Intrige, durch die ihm seine Geliebte, ein armes Mädel (entzückend: Rebecca A. Döltl) entfremdet werden soll, durchschaut er schnell und löst sie ohne weiteres auf – kein sinnlos rasender Othello, sondern ein Mann, der nachdenkt. Und der in Erbitterung über die Verhältnisse, wie sie sind, eigentlich nur Gift und Galle sprühen kann. Christian Graf, nicht nur seit Jahren der „Star“ von Schwechat, sondern einer der besten Nestroy-Spieler des Landes, lässt hier einen souveränen Intellekt mit schönster Souveränität und herrlicher Bosheit tanzen. Entsprechend scharf klingen die dazu passenden Akkordeontöne, die Christian Selinger seinem Instrument als Couplet-Begleitung und in den Umbaupausen entlockt.

Ein Liebespaar mit Eigenschaften: Martina Hinterleitner und Florian Haslinger. Noch ein paar scharfe, witzige Leistungen – Horst Salzer als polternder Vater, die schöne Dümmlichkeit der Figur aufbauschend; Maria Sedlaczek als „Kräutlerin“, mit solidem Menschenverstand und scharfem Mundwerk durch das schwere Leben wogend; Gabi Holzer und Andreas Herbstdorfer-Grecht als gequältes Hausmeister-Ehepaar, das dauernd versucht, sich gegenseitig den schwarzen Peter zuzuschieben. Nestroy lacht über sie, hat aber diese Ärmsten der Armen mit ihren echten Problemen nicht vergessen. Der Regisseur hat ihnen noch ein paar Arbeitslose und Asylwerber beiseite gestellt, allerdings diskret genug – man hätte auch ohne sie verstanden, dass sich gar nicht so viel geändert hat.

Gewiss, es ist ein besonderes Stück. Aber man verdankt Inszenierung und Darstellern, dass es als solches kenntlich wird. Wem wirklich an Nestroy liegt, der sollte den Weg in Richtung Schwechat nehmen. (Renate Wagner)