Nur keck!

Wie bringt man einen störrischen alten Mann dazu, auf eine junge, schöne Frau samt zugehörigen Millionen zu verzichten? Im bezaubernden Ambiente des neu-renovierten Schlosses Rothmühle bei Schwechat zeigt das bewährte Ensemble von Nestroy-Spezialisten in seiner 32. Spielzeit ein köstliches Verwirrspiel, ausgelöst durch einen frechen, zwielichtigen Draufgänger, der das Unterste zu oberst kehrt.

32. NESTROY Spiele Schwechat
Nur keck!
26. Juni bis 31. Juli 2004

Regie und Bühne

Peter Gruber

Regiemitarbeit

Christine Bauer

Musik

Otmar Binder

Korrepetition

Paul Hille

Kostüme

Okki Zykan

Kostümassistenz

Rebecca A. Döltl

Maske

Claudia Federic

Körper- und Improvisationstraining

Susanne Wisiak

Bühnenmalerei

Viktoria Riemer

Bühenenrealisation

Günter Lickel

Lichtdesign

Robby Vamos

Lichttechnik

Thomas Nichtenberger
HERR VON GRAUFALTER Kapitalist
Franz Steiner
HEINRICH STILL sein Neffe
Markus Heller
HERR VON HOLZSTAMM Oberforstmeister
Willibald Mürwald
ANNA dessen Tochter
Esther Potesil
HERR VON WOLLBERGER Fabriks- und Gutsbesitzer, Millionär
Harald Schuh
AMALIE seine Frau
Regine Rieger
FEDERKLEKS Rentschreiber in Wollbergers Diensten
Ernst C. Mathon
PHILIPPINE seine Frau
Bella Rössler
ANTON Graufalters Diener und Chauffeur
Peter Kuno Plöchl
SORGNER Graufalters Wirtschafterin
Maria Sedlaczek
MARGRETH Arbeitssuchende
Sabine Stacher
STEGREIF
Christian Graf
HANTIG Wechselagent
Horst Salzer
FRÄULEIN VON JAHRZAHL
Elisabeth Strache
IDA ihre Ziehtochter
Alena Koliander
CATERING
Marie-Theres Bayr, Denise Braun, Viktoria Eigner, Viktoria Fazekas, Harald Haller, Magdalena Haschka, Martina Hinterleitner, Ricarda Leiner, Lea Molnar, Christoph Schmelzinger, Steffi Schmelzinger, Theres Schmelzinger
PERCHTEN
Harald Haller, Horst Salzer, Maria Sedlaczek, Christoph Schmelzinger, Sabine Stacher, Elisabeth Strache

1. Akt
Auftrittslied Stegreif mit Heinrich Still I, 2 (R: „Vielleicht schon auf’s Jahr, aber heuer noch nit. / Ich lebte so ordentlich stets und solid, / Und jetzt – ach, weh mir! Wenn der Onkel mich sieht.“). – Heinrich, der stets fürchtet, sein Onkel könnte seinen unsoliden Lebenswandel und seine Schulden entdecken, hat am Abend den Tunichtgut Stegreif kennengelernt. Dieser lädt sich sogleich bei Heinrich ein und kann dessen Verzweiflung über seine scheinbar ausweglose Lage nicht begreifen. Unterdessen ist Graufalter auf Brautschau, denn das Testament seines Schwagers bestimmt, daß Graufalter die Tochter von Holzstamm heiraten soll. Außerdem soll Heinrich Fräulein von Jahrzahl heiraten. Beide Paare bekommen für den Fall der Hochzeit jeweils eine halbe Million Gulden. Sollte sich eine Person der Hochzeit verweigern, bekommt die jeweils andere das Geld für sich allein. Holzstamm versucht, Graufalter zu überreden, das Testament zu umgehen, denn er fürchtet eine unglückliche Ehe aufgrund des großen Altersunterschieds. Doch Graufalter läßt sich nicht umstimmen, und Anna ist gerne bereit, für diese Summe einen alten Mann zu heiraten. In Graufalters Haus trifft Holzstamm auf den „gesellschaftlichen Aufmischer“ Stegreif, den er zu sich nach Hause einlädt. Stegreif überträgt diese Einladung auch auf seinen Freund Heinrich. Da ein Gläubiger vor der Tür wartet, kann Heinrich sich zu einer sofortigen Abreise entschließen. – Auftrittslied Federkleks I, 10 („Wär’ ich ein Beamter von Geist und Verstand.“). – Holzstamm glaubt, Anna von der Hochzeit abbringen zu können, wenn sie außer dem trotz großen Altersunterschieds glücklichen Ehepaar Wollberger ein abschreckendes Beispiel vor Augen geführt bekäme. Deshalb hat Holzstamm Philippine und Federkleks eine Belohnung versprochen, wenn sie, obwohl ebenfalls sehr glücklich verheiratet, eine unglückliche Ehe vorspielen. Allerdings bleibt Anna von dieser Vorstellung zunächst unbeeindruckt. Bei Holzstamm stellt Stegreif Heinrich als August Holmfeld vor. Dieser verliebt sich auf den ersten Blick in Anna. Währenddessen treiben Philippine und Federkleks das Spiel vom unglücklichen Ehepaar so weit, daß sie selbst daran glauben. Schließlich wollen sie sich scheiden lassen. Heinrich, der nichts von dem Testament weiß, erschrickt, als er hört, daß Anna in einer Woche heiraten soll. Um Federkleks, der von der Liebe zwischen Heinrich und Anna Wind bekommen hat, zum Schweigen zu bringen, erzählt Stegreif, er könnte ihm eine gute Stellung in der Stadt besorgen, wenn er nur immer gehorsam sei. Der eintreffende Graufalter erkennt in August Holmfeld sogleich seinen Neffen Heinrich. Doch es gelingt Stegreif, ihm weiszumachen, daß August Heinrichs Doppelgänger sei. Anna und Amalie durchschauen dieses Spiel, verraten jedoch nichts. Es wird vereinbart, daß August bis zum erwarteten Eintreffen Heinrichs am Abend bleibt. Dann sollen die angeblichen Doppelgänger gegenübergestellt werden.

2. Akt
Wollberger ist eifersüchtig, weil Graufalter seiner Frau nachstellt. Um sich Klarheit zu verschaffen, engagiert er Federkleks, der Amalie nachspionieren soll. Auch Graufalter versichert sich der Dienste Federkleks’ als Helfer in der Liebessache mit Amalie. Zu allem Überfluß taucht auch noch der Wechselagent Hantig auf und verlangt 300 Gulden von Heinrich. Er droht, den Schuldner zu verhaften. Den hinzutretenden Frauen Anna und Amalie erzählt Stegreif, Hantig wolle August zum Duell fordern. Da Hantig zum Gehen drängt, hofft Heinrich angesichts seines möglichen Todes auf ein letztes erklärendes Wort von Anna. Anna hingegen hofft ihrerseits auf ein liebes Wort von August. Doch beide schweigen. Amalie verspricht Anna, im Falle eines glücklichen Ausgangs des Duells zum Schein auf Graufalters Annäherungsversuche einzugehen, um ihn so von einer Hochzeit mit Anna abzuhalten. Graufalter stellt Stegreif zur Rede, weshalb er sich seinerzeit in seinem Haus aufgehalten habe. Nie um eine Ausrede verlegen, erklärt Stegreif, er habe Heinrich einmal 300 Gulden geliehen, weil dieser eine arme Familie unterstützen wollte, denn er habe das große Herz seines Onkels geerbt. Dieses Geld habe er sich wieder holen wollen. Unter diesen Umständen ist Graufalter gerne bereit, den Wechsel zu bezahlen. Da Heinrich der Szene scheinbar ungerührt zugesehen hat, ist Graufalter nun auch davon überzeugt, daß es sich hier um einen Doppelgänger seines Neffen handelt. Er entbindet ihn deshalb davon, bis zum Abend zu bleiben. Eigentlich wollte Holzstamm den dubiosen Stegreif aus dem Haus weisen, doch der behauptet, unbedingt die Hochzeit zwischen Anna und Graufalter verhindern zu wollen. Er selbst habe die Liebschaft zwischen Anna und Heinrich gestiftet, denn um Heinrich handle es sich hier. Stegreif entdeckt Holzstamm Heinrichs wahre Identität. Ganz begeistert verspricht Holzstamm, Stegreif freie Hand zu lassen, wenn er nur auch die Beziehung von Federkleks und Philippine wieder in Ordnung bringe. Heinrich erscheint in seiner wahren Person. Federkleks erzählt Anna, August sei bei dem Duell getötet worden, da Heinrich sehen will, wie Anna reagiert. Sie bricht ohnmächtig zusammen. Der Erwachenden erzählt Heinrich, er sei der Doppelgänger ihres geliebten August. Augenblicklich durchschaut Anna das falsche Spiel und beschließt, Heinrich dafür zu strafen. Sie zeigt sich zu Tode betrübt, so daß Heinrich ihr schließlich seine Liebe gesteht und ihr erklärt, daß Heinrich und August eine Person sind. Doch Anna sagt, sie falle auf seine Täuschung nicht herein. Weder von Federkleks noch von Stegreif läßt sie sich umstimmen. Dem gerade angekommenen Fräulein von Jahrzahl stellt sich Stegreif unerschrocken als der vom Testament bestimmte Bräutigam vor. Er benimmt sich dabei so außerordentlich unverschämt gegenüber dem Fräulein und Heinrich, daß sie zutiefst erschrickt. Für einen kurzen Moment verläßt Stegreif den Raum, um wie ausgewechselt zurückzukehren: höflich und zurückhaltend. Er gibt vor, der Milchbruder des Wüterichs zu sein. Er gibt Heinrich als den Schreiber Fix aus, dem er helfen wolle. Aus diesem Grund würde er gerne eine Hochzeit mit Fräulein von Jahrzahl arrangieren. Diese verspricht, sicher nicht Heinrich heiraten zu wollen. Allerdings will sie für ihre angenommene Tochter Ida nicht auf die Erbschaft verzichten. – Final-Quodlibet ab II, 29: Federkleks und Philippine glauben, daß Leute, die man in dieser Nacht auf dem Kirchhof umgehen sieht, im Laufe des Jahres sterben werden. Stegreif sorgt dafür, daß sie sich gegenseitig „umgehen“ sehen.

3. Akt
Als Liebesbeweis verlangt Amalie von Graufalter eine schriftliche Erklärung, daß er auf die Hochzeit mit Anna und das Erbteil verzichtet. Graufalter macht Fräulein von Jahrzahl den Vorschlag, daß Heinrich Ida heiratet und so dem Testament Genüge tut. Doch die beiden Frauen, die von dem verkleideten Federkleks und Stegreif gespielt werden, lehnen empört ab. In einem anonymen Brief warnt Federkleks Wollberger vor einer freiwilligen Entführung Amalies durch Graufalter. Der als Ida verkleidete Stegreif versucht liebevoll, Wollberger zu trösten. Ida erzählt, daß Graufalter sich weigere, Heinrich Fräulein von Jahrzahl heiraten zu lassen. Doch ihre Mutter wolle sich mit dem Geld trösten. Deshalb erbitte sie von ihm, als Testamentsverwalter, eine Urkunde, die sie ohne weitere Umstände in den Besitz der Erbschaft bringt. Wollberger, ganz hingerissen von dem reizenden Mädchen, zögert noch, als Fräulein von Jahrzahl in Gestalt des verkleideten Federkleks überraschend eintritt. Die falsche Ida behauptet, Wollberger habe sie verlocken wollen. Beide Frauen drohen, Amalie von dieser Szene zu berichten. Um sich aus dieser Situation zu befreien, willigt Wollberger ein, die gewünschte Urkunde auszustellen. Anna weiß von Graufalters Zusage für Amalie. Jetzt möchte er, daß Anna und Heinrich heiraten. Sehr erbost ist er, als Anna ihm von Heinrichs Doppelspiel erzählt. Anna ihrerseits ist böse auf Heinrich, weil er Fräulein von Jahrzahl Avancen gemacht hat. Weil sie beide der Überzeugung sind, daß der andere das Jahr nicht überleben wird, versöhnen Philippine und Federkleks sich wieder. Vor dem Tor bemerkt Wollberger abfahrbereite Wagen. In den verschleierten Frauen glaubt er Amalie und Graufalter zu erkennen. Wütend hält er sie fest. Es sind jedoch Fräulein von Jahrzahl und Ida, die in aller Stille wieder abreisen wollen. Sofort erkennt Wollberger den Unterschied zu den Frauen, die ihm zuvor begegneten. Als Anna und Amalie erscheinen, beginnt sich die Geschichte aufzuklären. Amalie erklärt, sie habe Graufalter für seine Avancen strafen und überdies Anna vor einer unglücklichen Ehe bewahren wollen. Heinrich zeigt Anna, daß das vermeintliche Fräulein von Jahrzahl nur der verkleidete Federkleks war .Weil er die Verwicklungen mitgemacht hat, will Wollberger Federkleks entlassen. Vor Schreck erzählen Philippine und ihr Mann von ihren „Todesängsten“, doch auch diese Geschichte kann Stegreif richtigstellen. Als Erklärung dafür, daß er die Interessen von Fräulein Jahrzahl verfolgt hat, versichert Stegreif kurzerhand, der Geliebte von Ida zu sein. 

Aus dem „Nestroy-Schauspielführer“ von Jürgen Hein und Claudia Meyer, Verlag Lehner

Original-Stückfassung | Historisch-kritische Ausgabe (HKA 34 W. Edgar Yates)

30. Internationale Nestroy-Gespräche 2004
Zwei vor und Eins zurück?

Samstag, 26. Juni 2004
Anreise und Begrüßung
18:30 Begrüßung: Schwechat, Felmayergarten, Neukettenhoferstraße (Tagungsbüro ab 15 Uhr geöffnet)
20:30 Premiere, Schloss Rothmühle: „Nur keck!“

Sonntag, 27. Juni 2004
9:00 Jürgen Hein (Münster/W., D): Rückblick (30 Jahre Nestroy-Gespräche) und Einführung
9:30 Stefan Kaszyński (Poznań, PL): War Nestroy ein Aphoristiker?
10:15 Edgar Yates (Exeter, GB): Nestroy im Jahr 1854/55: Zur Entstehung und Nichtaufführung von „Nur keck!“
Diskussion und Pause
11:15 „Nur keck!“: Diskussion über Stück und Inszenierung
Mittagspause
14:30 Ulrike Tanzer (Salzburg, A): Kunst und Künstlerfiguren in Nestroys Werk
15:15 Burkhard Meyer-Sickendiek (München, D.): Politeness: Pragmalinguistische Überlegungen zum Sprachwitz Nestroys
Diskussion und Pause
16:30 Rudolf Drux (Köln, D): Der Zerrissene: J.N. Nestroys Zeichnung einer paradigmatischen Gestalt der Restaurationszeit in ihrem dramengeschichtlichen Kontext
17:15 Henk J. Koning (Putten, NL): De booze Geest Lumpacivagabundus oder von der (Un-)Übersetzbarkeit einer Nestroyschen Zauberposse
18:30 Schloss Rothmühle, im Rahmen einer „Nestroy-Jause“: Urs Helmensdorfer (Zuoz, CH): Nestroys „Mündlichkeit“ – Präsentation einer Hörspielproduktion von Der alte Mann mit der jungen Frau

Montag, 28. Juni 2004
8:00 bis 22:00 Exkursion (Leitung:Otmar Nestroy, Graz, A)

Dienstag, 29. Juni 2004
9:00 Fred Walla (Newcastle, AUS): „Verspäteter Stern erster Größe“: Michel Masson als Quelle Nestroys
9:45 David Robb (Belfast, GB): Von Krähwinkel bis Da Da eR. Clowneske Revolutionäre in der deutschen und österreichischen theatralischen Tradition
Diskussion und Pause
10:45 Arnold Klaffenböck (Strobl, A): Nestroy im ‚Kalten Krieg‘: Das Haus der Temperamente in der Bearbeitung von Qualtinger/Merz
11:30 Fanny Platelle (Nancy, F): Die komische Figur in Ferdinand Raimunds „Original-Zauberspielen“
Mittagspause
14:15 Walter Pape (Köln, D): Die tiefere Bedeutung des Wurststurzes
14:30 Marion Linhardt (Bayreuth, D): „Volkstheater“ versus „Operette“? Zum Konzept einer theatralischen Topographie Wiens
15:15 Thorsten Fitzon (Freiburg i.Br., D): Posse und Publikum – Nestroys intendierter Zuschauer
16:30 Mathias Spohr (Zürich, CH): Easy Rider (1969) von Dennis Hopper, Kultfilm und erstes Roadmovie – eine Bearbeitung von Nestroys Der böse Geist Lumpacivagabundus?
Diskussion und Pause
17:30 Funde – Thesen – Kontroversen
18:00 Diskussion: Nestroy im 21. Jahrhundert – Wissenschaft versus Theater? (u.a. mit Ulf Birbaumer, Robert Meyer, Wendelin Schmidt-Dengler)
19:30 Abschlussabend

Mittwoch, 30. Juni 2004
Abreise

Kurier, 29. Juni 2004: Aktuelle Seitenhiebe und Härteproben

„Nur keck!“ – so lautet das Motto der diesjährigen Nestroy-Spiele auf Schloss Rothmühle in Rannersdorf. Die eher unbekannte, gleichnamige Posse – ein Verwirrspiel um Geld und Liebe – bietet genug Material für eine politische und sozialkritische Studie unserer Gesellschaft. Problemlos lässt sich Nestroys Stoff mit Seitenhieben auf die Gegenwart versehen; unverhüllt wird dies auch getan. Im Stück dreht sich alles um eine Erbschaft, die an zwei Eheschließungen mit großem Altersunterschie dgebundne ist. Die Frage lautet: Geld oder Liebe?

Peter Gruber inszeniert „Nur keck!“ im Stil der Altwiener Volksbühne, überzeichnet die Figuren aber teilweise sehr. Die Aufführung erfordert vom Zuseher einen langen Atem. Der zweite Teil beginnt im Milieu der „Schrammeln“. Gesangseinlagen stellen das Publikum auf eine Härteprobe; ein Plus sind die gezielt gesetzten Pointen.

Christian Graf verkörpert die zentrale Figur, den frechen, stets auf seinen Vorteil bedachten Schmarotzer Stegreif. Er erfüllt in seiner Dastellung die Kriterien eines Nestoy-Schauspielers. Das Ensemble zieht tapfer mit. (P. Mühlgassner)

Die Presse, 30. Juni 2004: Graufalter auf Brautschau

Nestroy, früher viel gespielt, ist im Sommertheater rar geworden. In Rannersdorf bei Schwechat pflegt man ihn seit 32 Jahren. Auch heuer wieder hat Peter Gruber im Hof von Schloss Rothmühle inszeniert: „Nur keck!“, erst 1943 im Wiener Bürgertheater uraufgeführt.

Lustig ist die Verwechslungskomödie mit so vielen Verwechslungen, dass es fast unmöglich ist, den Inhalt nachzuerzählen. Das lange Stück wurde auf zweieinhalb Stunden gekürzt. Brillant sind die Schauspieler: Christian Graf spielt schnöselhaft den Parasiten Stegreif, Ernst Mathon den unter den Figuren herausragend sympathischen, erfolglosen Beamten Federkleks (die Nestroy-Rolle). Franz Steiner gibt den geldgierigen, eitlen Kapitalisten von Graufalter, Markus Heller schmachtend seinen unglücklich verliebten Neffen.

Die Parts der jungen Frauen mit den alten Ehemännern sind mit sehr unterschiedlichen Schauspielerinnen treffend besetzt: Bella Rössler spielt Federkleks’ lebenslustige Philippine, Esther Potesil die schnippische Tochter des Oberforstmeisters, der das Schicksal, Graufalter heiraten zu müssen, erspart bleibt. Regine Rieger hat den Part der wohlstandsverwöhnten Dame an der Seite des alternden Fabrikanten von Wollberger (Harald Schuh) – den sie Ritschi nennt, und er sie Mausi.

Ähnlich halblustig sind die etwas platten Aktualisierungen: die Korruption der Politiker, das nützliche „blaue Buch“, wenn man als Beamter protegiert werden will, und Anspielungen auf nicht mehr so aktuelle innenpolitische Ereignisse (wie Knittelfeld oder Grassers Homepage-Affäre). Aber unter den typischen Nestroy-Sagern – Stehsatz des Oberforstmeisters von Holzstamm, gespielt von Willi Mürwald: „Ich sage das nicht als Beleidigung, sondern weil’s wahr ist“ – findet irgendwann jeder etwas, über das er lachen kann. (Beate Lammer)

Kronenzeitung, 28. Juni 2004: Amouröse Stolpersteine

Sie sind längst eine Theaterzentrum, das sich in mehr als 30 Jahre als ein wichtiger Spielort der Nestroy-Pflege etabliert hat: Die Nestroy-Spiele in Schwechat zeigen heuer im renovierten Schloss Rothmühle ein weniger prominentes Werk: die Posse „Nur keck!“. Die Verwicklungen und amourösen Stolpersteine sind da dicht gestreut.

Eine knifflige Testamentsklausel, eine Million zum Vererben, eine Hand voll Braut-, Liebes- und Ehepaare . . . Und da ist natürlich ein gerissener Hansdampf, der für finale ordnung und Entspannung sorgt – ein turbulenter Nestroy eben, in dem der Sprachwitz nur so blüht.

In Schwechat inszeniert Peter Gruber das alles in seinem einfachen Bühnenbild mit unglaublicher Nestroy-Routine – im guten Sinne –: er lässt das Stück jung und lebendig, wenn auch nicht modisch scheinen. Die Figuren sind klar gezzeichnet, die Handlung läuft quick dahin, das Publikum lacht herzlich.

Dennoch handelt es sich nicht um seichte Unterhaltungsstunden, sondern um leichtes, ernsthaft gemachtes Theater. Natürlich: Man hat schon bissigere, schärfere Nestroy-Abende erlebt, hat schon Gags und Seitenhiebe gesehen, die aktueller, politischer und mutiger waren. Doch ist die Stimmung so gut, das Drumherum so bunt, dass man diese Schwachstellen bald wieder vergisst. Vor allem, da die Darsteller mehr als nur überzeugen: Christian Graf, Franz Steiner, Markus Heller, Esther Potesil, Bella Rössler … Ein spaßiges, mitreißendes Team! (Oliver A. Láng)

Die Furche, Juli 2004: … jedes Jahr mehr zu empfehlen

In der Provinz reüssiert Nestroys „Nur keck!“, während die Residenz vor lauter Innovationswahn erfolglos neue Wege sucht. „Ein Schlösschen unweit von Wien“, die Rothmühle, ist Schauplatz der Nestroy-Spiele Schwechat, die mit wenig Budget und Laienschauspielern voller Engagement jedes Jahr mehr zu empfehlen sind.

Eingebettet in die Nestroy-Tage startet der Theatersommer zugleich höchst unterhaltsam und sozialkritisch, entsprechend dem Diktum des Schreibers Federkleks (herausragend: Ernst C. Mathon), bei dem es „curios zwischen Comödi und Natur“ schwankt. Die traditionell inszenierte Doppelhochzeiten-Verwechslungsposse würzt Regisseur Peter Gruber mit polit-satirischer Schärfe gegen die Finanzpolitik der Bundesregierung. Mit Stegreif (Christian Graf) als politisch klugem Taktierer und wahrlich keckem Dandy, den temporeichen Dialogen mit Philippine (Bella Rössler) hat die Inszenierung jenen Bodensatz, den Nestroys unvergleichliche Pointen am Theater suchen. Das Nestroy-sichere Publikum dankte mit viel Beifall für einen gelungenen Start in den Niederösterreichischen Theatersommer. (Julia Danielczyk)