Höllenangst

Ein köstliches und blitzgescheites Verwirrspiel um Liebe, Sex und Wirtschaftskriminalität, ein Klassiker des Welttheaters in einer zeitlos-bissigen Interpretation der Schwechater Nestroy-Spezialisten.

Manchmal sind die politischen und sozialen Verhältnisse so, dass einem höllenangst dabei werden könnt’ und man bereit wär’, sich dem Teufel zu verschreiben.

Was aber, wenn er wirklich kommt …

Das Nestroy-Ensemble zeigt in der bewährten Regie des Nestroy-Ring-Preisträgers Peter Gruber die meisterhafte Posse „Höllenangst“ aus dem Jahr 1849 im Schlosshof der neu restaurierten, denkmalgeschützten Rothmühle in Schwechat-Rannersdorf.

31. NESTROY Spiele Schwechat
Höllenangst
28. Juni bis 02. August 2003

Regie

Peter Gruber

Regiemitarbeit

Christine Bauer

Musik

Otto M. Zykan

Geige

Gergely-Werner Szücs

Korrepetition

Paul Hille

Bühne und Kostüm

Nora Scheidl

Kostümassistenz

Okki Zykan

Maske

Norbert Snoopy Suppan, Claudia Federic

Bühnnenrealisation

Günter Lickel

Lichtdesign

Robby Vamos

Lichttechnik

Thomas Nichtenberger
BARONESS ADELE VON STROMBERG
Esther Potesil
FREIHERR VON STROMBERG
Willibald Mürwald
FREIHERR VON REICHTHAL
Walter Salinger
VON ARNSTETT
Harald Schuh
VON THURMING
Franz Steiner
PFRIM
Bruno Reichert
EVA
Maria Sedlaczek
WENDELIN
Christian Graf
ROSALIE
Bella Rössler
PORTIER
Andreas Bauer
LENI
Regine Rieger
JOHANN
Peter Kuno Plöchl
GOTTFRIED
Florian Haslinger
IGNAZ
Horst Salzer
KOMMISÄR
Peter Koliander
ARBEITER:INNEN, SEKRETÄR:INNEN, OBDACHLOSE, BEDIENTE, SPITZEL, GENDARMEN, SOLDATEN
Renate Bachtrod, Michaela Illetschko, Ricarda Leiner, Stephanie Leiner, Nadine Chantal Renner, Maria Schrittwieser, Sissy Stacher, Elisabeth Strache, Ines Zimmermann

1. Akt
Reichthal befindet sich in einer schwierigen Lage. Nachdem seine Schwester kurz nach ihrem Mann verstorben war, hat sein Schwager Stromberg ihn mit Arnstetts Hilfe einer Verschwörung verdächtigen und ins Gefängnis werfen lassen. Stromberg hat es auf das Vermögen der Familie abgesehen. Aus diesem Grund sorgt Reichenthal sich vor allem um seine Nichte Adele. Nachdem ihm die Flucht aus dem Gefängnis gelungen ist, will er jetzt Adeles Amme Eva nach Neuigkeiten fragen. Unterdessen hat Thurming ein heimliches Stelldichein mit Adele, während Ignaz vor dem Fenster Schmiere steht. Bei dieser Gelegenheit trifft er auf seinen alten Freund Johann. Dieser dient bei Stromberg, worüber Ignaz sehr entsetzt ist. Johann weiß zu berichten, daß Stromberg Reichthal ins Gefängnis gebracht hat, um selbst Adeles Vormund zu werden. Auf diese Weise will er sie dazu bewegen, ins Kloster zu gehen und damit auf ihr weltliches Vermögen zu verzichten. Ignaz seinerseits erzählt, daß der Oberrichter von Thurming und Adele bereits seit drei Wochen heimlich verheiratet sind. Das Gespräch wird durch Strombergs Erscheinen jäh unterbrochen. Zwar gelingt es Ignaz zu entkommen, jedoch ohne seinem Herrn ein Zeichen geben zu können. Stromberg entdeckt die Strickleiter, die er kurzerhand abschneidet. Damit glaubt er den ungebetenen Besuch in der Falle zu haben. Erschrocken hören Adele und Thurming den Lärm im Haus. Als er das Fehlen der Strickleiter bemerkt, flieht Thurming auf das Dach des Hauses. – Auftrittslied Wendelin I, 7 (R: „Meiner Seel’, ’s müßt dem Himmel höll’nangst dabey wer’n.“). – Wendelin und seine Eltern leben in bitterer Armut, da Stromberg Eva das Gnadengehalt gestrichen hat. Seine Mutter ist erbost, weil sie glaubt, Wendelin habe seine Arbeitsstelle aus Liebe zu Rosalie aufgegeben. Doch Wendelin kann ihr die Sache erklären: Zwar sei er verliebt, doch habe er als Gefängniswärter gearbeitet, um Reichthal zur Flucht zu verhelfen. Nun wird er selbst als Verräter gesucht. Als Eva hört, daß Reichthal frei ist, holt sie einige Schriften aus dem Schrank, die die Baronin ihr kurz vor ihrem Tod gab, damit sie sie an Reichthal aushändige. Leider kennt Wendelin Reichthals Aufenthaltsort nicht. Pfrim verlangt, daß die Schriften verbrannt werden, doch Wendelin steckt sie in seine Jackentasche. Gemeinsam schimpfen Wendelin und Pfrim über die Verhältnisse, in denen die Reichen gut leben und die Armen hungern müssen. In seiner Wut erklärt Wendelin, er würde sich lieber mit dem Teufel als mit „manchen Menschen“ einlassen. Laut befiehlt er dem Teufel zu erscheinen. Im selben Moment hört man einen lauten Donnerschlag. Erschrocken fliehen Eva und Pfrim aus dem Zimmer. Da erscheint Thurming in einem schwarz-roten Mantel am vom Sturm aufgerissenen Fenster. Freundlich spricht er Wendelin an und gibt ihm 30 Dukaten. Dafür verlangt er, Überrock und Mütze mit Wendelin zu tauschen. Der Preis sei das Seelenheil eines Menschen, sagt Thurming, an Adele denkend, während Wendelin glaubt, er verkaufe gerade seine Seele an den Teufel. Bevor er geht, erklärt Thurming, daß er für immer Wendelins Freund sei und ihm ewig verbunden bleibe. Voller Angst hören Pfrim und Eva von Wendelin, was geschehen ist. Dem eintretenden, nach Hilfe suchenden Reichthal zeigen sie das Geld und erzählen völlig unzusammenhängend die Geschichte. Um ihnen nicht zur Last zu fallen, verabschiedet Reichthal sich sofort wieder. – Lied Wendelin I, 14 (R: „Da müss’n eim bescheidene Zweifel aufsteig’n.“). – Im Wirtshaus trifft Pfrim auf Ignaz, der sich über den Reichtum des Schusters wundert. Da Ignaz auch noch Wendelin in Thurmings Mantel sieht, glaubt er an ein Verbrechen. Er holt seine Kameraden zur Hilfe. Unterdessen kommen Pfrim und Wendelin zu dem Schluß, daß der Teufel Wendelin wohl erst in zehn Jahren holen wird. So wollen sie neun Jahre gut leben und dann eine Pilgerfahrt nach Rom machen. Gemeinsam mit den Kameraden erscheint Ignaz, um den vermeintlichen Räuber und Mörder zum Richter zu bringen. In seiner Not ruft Pfrim den Teufel zur Hilfe, doch der Gerufene erscheint nicht.

2. Akt
Dank seiner Verkleidung ist Thurming glücklich nach Hause gekommen. Dort sucht ihn Pfrim auf, aus dessen Geschichte Thurming allerdings nicht klug wird. Erst durch Ignaz läßt sich halbwegs klären, daß Wendelin wegen des Mantels und des Geldes verhaftet wurde. Sogleich läßt Thurming Wendelin holen. Durch Pfrim erfährt er auch von Reichthals Befreiung. Der Freund hoffe auf seine Hilfe. Thurming verspricht Pfrim Wendelins Freilassung. Die Reden des alten Mannes vom Teufel führt er auf dessen verwirrten Geist zurück. Rosalie kündigt Adeles Flucht zu Thurming an. Bei dieser Gelegenheit erklärt sie, selbst gern heiraten zu wollen, doch der Mann ahne nichts davon. Sie sei sich aber sicher, er habe sich nichts zu Schulden kommen lassen. Erst im weiteren Verlauf stellt sich heraus, daß Wendelin ihr Geliebter ist. Nach einem ordentlichen Verhör soll Wendelin auf freien Fuß gesetzt werden. Er wundert sich über die zuvorkommende Behandlung durch die Wärter. Trotzdem ist er enttäuscht über die ausgebliebene Befreiung durch den Teufel. Im Verhör erkennt Wendelin Thurming und glaubt, der Teufel habe die Gestalt des Oberrichters angenommen. Erst als er von Wendelin beschuldigt wird, den Pakt nicht eingehalten zu haben, erkennt Thurming das Mißverständnis. Er beschließt, Wendelin in seinem Glauben zu lassen, und verspricht ihm die Erfüllung seiner Wünsche. Um eine möglichst unlösbare Aufgabe zu stellen, verlangt Wendelin, Reichthal solle erscheinen. Unbemerkt geht Thurming zu einem Fenster und zeigt das mit Reichthal verabredete Zeichen, ein weißes Tuch. Zudem verlangt Wendelin das Erscheinen seiner Geliebten. Nachdem tatsächlich Reichthal eintritt und er im Nebenzimmer auf Rosalie trifft, ist Wendelin von Thurmings teuflischer Macht überzeugt. Rosalie ist sehr verwundert über das merkwürdige Verhalten ihres Geliebten. Er ist niedergeschlagen und scheint an nichts Freude zu haben. Er glaubt, daß alles Gute, auch Rosalies Liebe, nur ein Werk des Teufels sei. So schwankt er stets zwischen dem Entschluß, das Leben zu genießen, und der Verzweiflung über seine Situation. Schließlich gelingt es Wendelin, Rosalie so zu verärgern, daß sie ihn verläßt. Um Gewißheit darüber zu gewinnen, ob er tatsächlich mit dem Teufel im Bunde sei, beschließt Wendelin, eine letzte Probe aufs Exempel zu machen: Er will sich mit seiner Gefangenenwärter-Uniform unter seine ehemaligen Kollegen mischen. Sollten sie ihn erkennen und als „verrätherischen Flüchtling“ ergreifen und erhängen, wäre die Welt in Ordnung. Falls sie ihn nicht erkennen sollten, müßte wirklich der Teufel seine Finger im Spiel haben. – Lied Wendelin II, 17 (R: „I lass’ mir mein’ Aberglaub’n / Durch ka Aufklärung raub’n, / ’s is jetzt schön überhaupt, / wenn m’r an etwas glaubt.“). – Stromberg hat bemerkt, daß Adele zu Thurming geflüchtet ist. Durch seinen Freund Arnstett konnte er einen Hausdurchsuchungsbefehl erhalten, zumal man auch Reichthal im Haus des Oberrichters vermutet. Von Johann gewarnt, kann Thurming Reichthal noch Wendelins Jacke geben und ihm einen Fluchtweg weisen. Doch Pfrim sieht die Jacke seines Sohnes und glaubt, Wendelin sei ermordet worden. Dem Komissär zeigt Thurming die Heiratsurkunde, doch damit ist dieser nicht zufrieden. Zudem erzählt Pfrim ihm von der angeblichen Ermordung seines Sohnes. Als der Komissär hört, daß es sich bei Wendelin um den gesuchten Gefängniswärter handelt, nimmt er Pfrim fest.

3. Akt
Tatsächlich hat sich Wendelin unter seine ehemaligen Kollegen gemischt. Zunächst scheint ihn niemand zu erkennen, doch zu seiner Erleichterung wird er schließlich verhaftet. Unterdessen verlangt Pfrim von Arnstett, seinen Sohn suchen zu lassen. Daran hat Arnstett erst ein Interesse, als er hört, daß Wendelin im Besitz wichtiger Papiere ist. Man schenkt Pfrim mehr Glauben, als er die ganze Geschichte erzählt: Stromberg habe vor dem Tod der Baronin das Testament stehlen wollen. Doch die nur scheinbar Schlafende habe ihn in ein Handgemenge verwickelt, in dessen Verlauf er einen Brief verlor, in dem Arnstett als sein Komplize erscheint. Nach diesem Vorfall habe die Baronin ein neues Testament verfaßt und es zusammen mit dem Brief Eva anvertraut, mit dem Auftrag, es Reichthal auszuhändigen. Erfreut hören Arnstett und Stromberg von Wendelins Verhaftung. Man verspricht Pfrim, seinen Sohn gut zu behandeln. Siegessicher geht der Vater nach Hause. Arnstett und Stromberg scheinen das Spiel gewonnen zu haben, zumal sie auch Adele in ihrer Gewalt haben. Wendelin wird vorgeführt und ist erneut erstaunt über die freundliche Behandlung. Obwohl er alle seine Taten zugibt, will Arnstett nichts davon hören. Scheinbar bereitwillig will Wendelin die verlangten Papiere herausgeben, gibt aber zu bedenken, daß sie sich in Thurmings Haus befänden und nur er alleine sie holen könne. Arnstett und Stromberg wollen ihn gehen lassen. Adele hat im Nachbarzimmer Wendelins Stimme gehört und kommt heraus. Zu ihrem Erstaunen rät Wendelin ihr, der von Stromberg betriebenen Anullierung ihrer Ehe zuzustimmen. Sie weiß nicht, daß Wendelin Thurming noch immer für den personifizierten Teufel hält. Von Pfrim erfährt Wendelin, daß Reichthal bereits im Besitz der Papiere ist. In einem Brief dankt dieser Wendelin und bittet ihn in Thurmings Auftrag, Adele zu Eva zu bringen. Dort werde Thurming sie und Wendelin in der Nacht holen. Diese Nachricht erschreckt Pfrim und Wendelin zutiefst. – Quodlibet Leni, Wendelin, Pfrim, Portier III, 15. – Thurming und Reichthal erhalten die Nachricht vom Tod des Ministers. Da sie seinen Nachfolger auf ihrer Seite wissen, geben sie den Offizieren den Befehl, Arnstett und Stromberg zu verhaften. Doch muß mit dieser Aktion bis zum Abend gewartet werden. Wegen der scheinbaren Drohung des Teufels sind Wendelin und Pfrim umgehend zu einer Pilgerfahrt nach Rom aufgebrochen. Vor der Stadt treffen sie auf Rosalie. Sie bittet um Hilfe, weil Stromberg und Arnstett versuchen, mit Adele über die Grenze zu fliehen. Doch die Männer wollen nicht aufgehalten werden, zumal sie das anziehende Gewitter als Teufelszeichen deuten. Verärgert läßt Rosalie sie stehen. In dem Gewitter halten Pfrim und Wendelin alle Vorbeikommenden für Gestalten des Teufels. Sie sind ganz außer sich vor Angst, als sie auf Thurming treffen. Dieser glaubt, Wendelin habe fliehen wollen, ohne ihn über die Gefahr, in der Adele schwebt, zu unterrichten. Schließlich gelingt es Rosalie, Wendelin einigermaßen zur Vernunft zu bringen und davon zu überzeugen, daß der Teufel nur in seiner Einbildung existierte. In der Zwischenzeit ist es Thurming gelungen, Adele zu befreien. Arnstett und Stromberg wurden festgenommen. Wendelin bittet Thurming um Verzeihung, die ihm auch gewährt wird. Zudem erhält er zu seiner großen Freude die Erlaubnis, Rosalie zu heiraten. 

Aus dem „Nestroy-Schauspielführer“ von Jürgen Hein und Claudia Meyer, Verlag Lehner

Original-Stückfassung | Historisch-kritische Ausgabe (HKA 27/II Jürgen Hein)

29. Internationale Nestroy-Gespräche 2003
„’is jetzt schön überhaupt, wenn m’r an etwas noch glaubt“

Samstag, 28. Juni 2003
Anreise
18:30 Begrüßung
20:30 Premiere, Schloss Rothmühle: „Höllenangst“

Sonntag, 29. Juni 2003
9:00 Jürgen Hein (Münster/W., D): Einführung Moderation Fred Walla (Newcastle, AUS)
9:15 Otto G. Schindler (Wien, A): „Der gelehrte Stolperer“ und „Das Tiergespräch“: Vom Commedia dell’arte-Lazzo zum Biedermeierlied
9:45 Gerald Stieg (Paris, F): Alkohol im Lied und auf dem Theater von Mozart bis Qualtinger 
Diskussion und Pause
10:45 Rudolf Muhs (London, GB): „O England! England! Göttliches Land!“, Engländer und Englisches bei Nestroy
11:30 „Höllenangst“: Diskussion über Stück und Inszenierung
15:00 Stefan Willer (Berlin, D): Lokal-Possen – Zur Räumlichkeit von Theater und Text in Nestroys Komödien der 1830er-Jahre
16:30 Walter Pape (Köln, D): „Das heißt’s jeder Red’ ein Feiertagsg’wand’l anziehn“: Sprache und Stimme, Verstellung und Verkleidung im dramatischen Dialog in Nestroys Komödien
Diskussion und Pause
17:30 Matjaž Birk (Maribor, SLO): „… es flogen Äpfel, Eier und andere Gegenstände … auf die Bühne“: Johann Nestroy an der Laibacher Bühne im Vormärz oder zu Merkmalen einer Provinz-Rezeption und darüberhinaus
18:15 Funde: Fred Walla (Newcastle, AUS): Der Weltuntergang: „Keine neue Idee, doch ziemlich wirkend“. Ifflands Komet: eine bisher unbekannte Quelle zu Nestroys Die Familien Zwirn, Knieriem und Leim Jürgen Hein (Münster/W., D): Wenzel Scholz und Die chinesische Prinzessin: eine unbekannte Nestroy-Posse?

Montag, 30. Juni 2003
8:00 bis 20:00 Exkursion (Leitung: Walter Obermaier, Wien, A)

Dienstag, 1. Juli 2003
9:00 Workshop „Stilisierung und Dialogisierung“ Monika Dannerer, Ulrike Tanzer (Salzburg, A):Impulsreferat: Dialogisierung, mit einem Beitrag von Matthias Schleifer (Bamberg, D): Zur „Rhetorik des Schweigens“ bei Nestroy
14:30 Workshop „Coupletkunst“ Urs Helmensdorfer (Zuoz, CH): Wie klingt ein Nestroy-Lied?
16:00 Anthony Coulson (Dublin, IRL):Ansichten einer Zauberposse: Lumpazivagabundus im Tonfilm
16:45 Wolfgang Hackl (Innsbruck, A):Verwicklungen der jüngsten „Nestroy“-Preisverleihungen
17:30 Schlussdiskussion

Mittwoch, 2. Juli 2003
Abreise

Otto M. Zykan

1935 in Wien geboren begann er seine Musikerlaufbahn als Pianist. Als solcher gewann er 1958 den hoch eingeschätzten internationalen Klavierwettbewerb für „Neue Musik“ in Darmstadt und spielte damals als erster Pianist das Gesammtklavierwerk A. Schönbergs für ERATO-PARIS und AMADEO-WIEN ein.

Seit 1970 arbeitet Zykan nur mehr als freischaffender Komponist.
Sein Oeuvre umfaßt:

  • Experimentaltheaterstücke wie: 
    „Singers Nähmaschine ist die beste“ (1966 Wien)
    „Polemische Arie“ (1968 Warschau)
    „Wahr ist dass der Tiger frisst“ (Berlin 1990)
  • Arbeiten für ein großes (Event-)Publikum wie:
    „Staatsoperette“
    die Humanic-Werbung
    die „Klangwolke Linz“
  • div. Film (Hollywood) und Theatermusiken zu:
    Canetti, Shakespeare, Strindberg (für Theater wie Burgtheater, Schillertheater, Frankfurter Schauspielhaus)
  • sowie Opern und Konzertmusik: 
    Seine vom Wiener Musikverein in Auftrag gegebene „MESSE!“ erregte bei den Wiener Festwochen 2002 Aufsehen.

Gergely-Werner Szücs 

Geboren 1962 in Wien als Sohn einer Wienerin und eines Ungarn. Bereits sein Großvater war in Ungarn ein gefragter Violinvirtuose. Mit Fünf bekam er seine erste, eigene Geige. Bald erkannte man sein musikalisches Talent, nahm es ernst und förderte es. Mit 6 Jahren begann er sein Violinstudium am Konservatorium der Stadt Wien, und im Alter von 7 Jahren gab er bereits sein erstes, öffentliches Konzert. Ab seinem 15. Lebensjahr studierte er an der Musikhochschule in Wien und zog schon in jungen Jahren zu Gastspielen in die ganze Welt. Seine letzten Tourneen führten den Geiger mit seinem Ensemble quer durch Florida. Fernseh-Auftritte in der ganzen Welt (Hongkong, Japan, USA, China, Italien, Deutschland, Ungarn, …). Solistische Auftritte bei den Seefestspielen in Mörbisch, Karneval in Venedig, in zahlreichen Fernsehproduktionen, in höchsten Gesellschaftskreisen, bei Opernbällen und in Konzertsälen der ganzen Welt. Spezialität: die kleinste bespielbare Geige der Welt, mit einer Länge von 11,5 cm und Spezialsaiten.

Die Presse, 30. Juni 2003: Sommertheater: Irdische Teufeleien

Vor der Revolution ist nach der Revolution. In der Hülle der Posse „Höllenangst“ (1849) steckt eine Tragödie. Der Zauberstab, den Nestroy hier schwingt, sieht einer Geißel verzweifelt ähnlich. Die Guten werden vertrieben, die Bösen regieren, das Volk ist bitter arm, voll Wut, Gram, Misstrauen gegen „die da oben“ und die Kirche kommt auch schlecht weg.

Die Handlung ist verschlungen, es braucht seine Zeit, sich hinein zu finden: Oberrichter Von Thurming hat heimlich die Waise, Baronesse Adele, geheiratet. Ihr Onkel, Freiherr von Stromberg, will sie ins Kloster stecken, um ihr Vermögen zu kassieren. Nach einem Schäferstündchen mit seiner Angetrauten auf der Flucht erscheint der Oberrichter der Schusterfamilie Pfriem wie der Leibhaftige. Er will aber nur mit dem jungen Wendelin die Kleider tauschen, um nicht erkannt zu werden.

Wendelins Eltern glauben ihren Sohn ebenso fest in Teufels Hand wie dieser selbst. Barocke wie klassische Motive mischte Nestroy – Feuer, Wasser, Luft und Erde mit einer Prise „Faust“ und Kleists „Zerbrochenem Krug“.

Peter Gruber, der seit vielen Jahren die Schwechater Nestroy-Spiele als Regisseur betreut, setzt das Stück in eine Art Militär-Diktatur, die Uniformen erinnern an die SS. Ein bisserl starker Tobak. Der sich wieder halbwegs verflüchtigt, weil das Spiel selbst im Parabelhaften bleibt – auf einer dunkelbraun gehaltenen Pawlatschen-Bühne mit vielen Türen, Klappen, wo Menschen blitzartig (z. B. in Verliesen) verschwinden und wieder auftauchen. Grubers Führung der Schauspieler, teilweise Laien, und seine Komposition, voll grimmigem Witz, sind einmal mehr zu bewundern. Desgleichen die köstlich illustrative opernhafte Musik von Otto M. Zykan.

Die ganz armen Leut haben sich aufgegeben in diesem Stück, strudeln sich ab oder strudeln herum: Bruno Reichert als versoffener Schuster Pfriem, Christian Graf als sein Sohn Wendelin, der die resche Rosalie (Bella Rössler) liebt – und die gottergebene Wendelin-Mutter Eva (Maria Sedlaczek).

Den oberen Gesellschaftskreisen aber ergeht es kaum besser, auch sie hampeln wie Marionetten an den Fäden ihrer bösen Taten, haben sich rettungslos verfangen im Kampf um Geld, Macht oder bloß die Rettung der eigenen Ehre: Willibald Mürwald als der betrügerische Freiherr von Stromberg, Walter Salinger als der gute Freiherr von Reichthal und Franz Steiner als Oberrichter Von Thurming.

Die Uraufführung von „Höllenangst“ kam nicht gut an. Auch im Hof des Schwechater Schlosses Rothmühle überdeckte Samstag Abend herzlicher Applaus wohl manche Ratlosigkeit, sah man sich ein bisserl um den Spaß betrogen. Dennoch: Nestroys Stimmung bei diesem Stück, seinen Zorn, seine Resignation, sein bitteres Lachen über die Macht der Verhältnisse übermittelt diese Aufführung stimmig. Und wenn man nach einigen Jahren Schwechat-Pause die Nestroy-Spiele wiedersieht, muss man sagen: Sie waren schon früher eine Zierde des NÖ-Theatersommers und entwickeln sich weiterhin hervorragend. (Barbara Petsch)

Kronenzeitung, 2. Juli 2003: Welt voll Lug und Trug

Die Zeit des Polizeistaates Österreich von 1849: Zwischen „gut“ und „böse“ kann Nestroy da kaum noch einen Unterschied ausmachen. Und dabei kann einem geradezu die „Höllenangst“ kommen. Man wäre bereit, sich sogar dem Teufel zu verschreiben … Wenn er gerade durchs Fenster hereinkäme.

Das Schwechater Nestroy-Ensemble offenbart in einer für das Publikum manchmal durchaus irritierenden, mitunter auch werkfremd erscheinenden Regie Peter Grubers, die Vielfalt möglicher Interpretationen dieser meisterhaften Posse. Und zeigt, dass sich der Mensch vor allem durch Einbildung seine eigene Wirklichkeit schafft.

Christian Graf (Wendelin) und Bruno Reichert (Pfrim) werden den hohen Anforderungen der Rollen gerecht und verkörpern mit Herz und Seele den Menschheitstraum von der Freiheit. Das Ensemble fügt sich mit Professionalität in das Bühnengeschehen ein und wird zum ausgleichenden Gegenspieler zu den Hauptakteuren.

Otto M. Zykans Neuvertonung – hervorragend dargeboten vom Geiger Werner Szücs – ist etwas gewöhnungsbedürftig, lässt aber so manchen Wortlaut Nestroys in anderem Licht erscheinen. Die resignierende Feststellung, dass „alles Lug und Trug auf der Welt“ sei, lässt sich in dieser Aufführung jedenfalls wortgetreu auch ins Heute übersetzen. Nestroy – aktuell wie eh und je.

Ein vom etwas enttäuschten Publikum mit wenig Beifall bedachter Abend. Die Produktion ist noch bis zum 2. August zu sehen. (Florian Krenstetter)

ORF, 29. Juni 2003: Bittere politische Parabel

Nestroy hat hier seine bitteren Erfahrungen während der missglückten Revolution von 1848 verarbeitet. Das Stück ist gekennzeichnet von bitterem, schwarzen Humor.

Der mittellose Wendelin wünscht sich den Teufel herbei, um seine tristen Lebensumstände zu verbessern – und er erscheint ihm wirklich.

Nestroy verpackt in diese Geschichte über den Aberglauben eine bittere Parabel auf die politischen Verhältnisse nach 1848, sagt Regisseur Peter Gruber: „In dieser Zeit sind die dunklen Stücke von Nestroy entstanden, wo er einerseits versuchen musste, das aufzuarbeiten, was da alles passiert ist, auf der anderen Seite es nicht offen sagen durfte, weil schon wieder Zensur da war.“

Peter Gruber rückt die Handlung mit Kostümen und Bühnenbild in die Nazizeit. Die Nestroyspiele Schwechat sind berühmt für ihre ungewöhnlichen und genauen Inszenierungen, sagt der Herausgeber der Nestroygesamtwerke, der deutsche Germanist Jürgen Hein: „Es ist eine neue Authentizität, die hier die Texte erreichen. Ich denke, das ist auch insbesondere für Wiener ein neuer Blick, für die Deutschen ohnehin.“

Die Schauspieler meistern dieses schwierige Stück ausgezeichnet, und das obwohl sie durchwegs Laiendarsteller sind.