Adelheid, die verfolgte Wittib

Liebe Nestroy-Freunde!

Wer, wenn nicht wir als tradierte "Nestroy-Spezialisten" sollte sie wieder zum Bühnenleben erwecken – die oft als unspielbar geltenden, kaum bekannten Stücke Johann Nestroys?
Wer sonst sollte sie der Vergessenheit entreissen – selbst dann, wenn sie nur partiell das Genie seines Autors aufblitzen lassen?
Wer, wenn nicht wir, die wir uns auf Ihre jahrelange Treue und die unentgeltliche Mitwirkung unserer Schauspieler verlassen dürfen, könnte es – unter dem Druck einer für Kunst und Kultur verheerenden Sparpolitik, die die ohnehin geringe Risikobereitschaft der Theater auf ein Minimum reduziert – heute noch wagen, eine derart personenreiche und aufwendige Bagatelle wie "ADELHEID" zur Aufführung zu bringen?

Wir zeigen diese Nestroy'sche Rarität nicht ohne Trotz und mit viel Vergnügen. "1000 Jahre Österreich" – ein Rückblick in die Raubritter-Zeit muss sein, angesichts der gegenwärtigen Verhältnisse.

 

24. NESTROY Spiele Schwechat
Adelheid, die verfolgte Wittib
28. Juni bis 31. Juli 1996

Regie

Peter Gruber

Regieassistenz

Christine Bauer

Bühne und Kostüm

Nora Scheidl

Musik

Kurt Adametz

Musiker

Angela Adebiyi-Berann, Markus Aubreht

Licht

Fritz Gmoser, Christian Schrott, Franz Schulcsik

Maske

Gitti Holzer, Gerti Bayer

Bühnenrealisierung

Peter Koliander

Effekte

Christian Sturtzel

Körpertraining

Sigrid Reisenberger
PFUNDAR, DER GÜTIGE ein gemordeter Herrscher
Andreas Bauer / Bella Rössler
ADELHEID seine unglückliche Wittib
Susanne Urban
BUBUNI ein sechsjähriger Sohn von sechs Jahren
Thomas Spinka
G'SCHICKTUS
Konrad Kostmann
EIN PFARRER
Poldi Selinger
BERENGARIO ein böser Zauberer, famoser Tyrann und renommierter Verfolger der Witwen und Waisen
Willibald Mürwald
SPUTZIFURIONO Berengarios Vertrauter
Angela Koliander
REX ein Drachenhund
Lukas Spinka
FLEGELINO Portier auf dem Zauberschlosse
Horst Salzer
SEELENGUTIO Kerkermeister auf dem Zauberschlosse
Bruno Reichert
DALKOPATSCHO sein Sohn
Leopold Selinger
DIE VIER DOLCHIOSIS diplomierte Mörder
Robert Herret, Sascha Nikodym, Margherita Bolafffio, Markus Zarl
AURORA die Göttin der Morgenröte
Traude Selinger
PANTOFFELINO ein reicher Bauer
Poldi Selinger
TRADI sein Weib
Sylvia Janousek
GLACHELIO ein Bräutigam
Markus Zarl
SCHATZELINE seine Braut
Christine Zimmermann
EIN BUCKLIGER DUDELSACKPFEIFER
Robert Herret
PUMPFO ein Verräter
Andreas Bauer / Bella Rössler
EIN ALTER GREIS weißer Bewohner einer schwarzen Höhle
Robert Herret
GAREISSL ein junger Fischer
Sascha Nikodym
KROTTO DER KLEINE MIT DEM GROSSEN BART Sternenkönig
Sabine Stacher
KROTTOS GEFOLGSCHAFT
Sigrid Stammer, Margherita Bolaffio, Lukas Spinka
HOFDAMEN, BÄUERINNEN
Sylvia Janousek, Christine Zimmermann, Sissi Stacher, Sigrid Stammer, Maria Schrittwieser, Sabine Stacher, Veronika Hegler, Margherita Bolaffio
BERENGARIOS MANNEN
Peter Koliander, Horst Salzer, Gerhard Stacher, Eduard Gnadlinger, Wolfgang Spinka

1. Akt
Chor der Frauen mit Adelheid I, 1. – Obwohl die Frauen versuchen, sie aufzuheitern, ist Adelheid untröstlich über den Verlust ihres Mannes. Zudem versucht Berengario, der Mörder ihres Mannes, sie zur Heirat zu zwingen. In einem Brief bittet der Sternenkönig Krotto Berengario, Adelheid und ihr Zauberschloß freizugeben. Bei dem Überbringer des Schreibens, G’schicktus, entdeckt Berengario einen zweiten Brief, der an Adelheid gerichtet ist. In diesem Schreiben verspricht Krotto Adelheid, sie vor Berengario zu retten. Erbost verlangt Berengario von Adelheid die Erklärung, daß sie ihn freiwillig und aus Liebe heirate. G’schicktus läßt er ins Gefängnis werfen. Zudem fordert Berengario alle seine Anhänger zum Kampf gegen den Sternenkönig auf. – Berengario mit allen seinen Anhängern I, 6.Duett Seelengutino und Dalckopatscho I, 7. – Seelengutino sorgt dafür, daß G’schicktus nach Sputzifurinos Befehlen eingesperrt wird. Berengario läßt auch Adelheid und ihren Sohn Bubino in den Kerker werfen. Zu Dalckopatschos Entsetzen behandelt Seelengutino Adelheid wie eine Verbrecherin. Gerade will er seinem Vater deshalb den Gehorsam aufkündigen, als Berengario erscheint. Zum letzten Mal bittet er Adelheid, den Ehevertrag und die Abtretung des Zauberschlosses zu unterzeichnen und ihn aus Liebe zu heiraten. Erneut verweigert sich Adelheid. Sie hofft auf die Befreiung durch den Sternenkönig. Außer sich vor Wut kündigt Berengario an, Mörder zu schicken. Seelengutino zeigt sich äußerst ehrerbietig. Doch kaum ist Berengario fort, versprechen Seelengutino und Dalckopatscho Adelheid, sie zu schützen. Den vier Knechten mit dem Mordauftrag gegenüber zeigt sich Seelengutino als guter Kerkermeister, während er heimlich Adelheid beruhigt. Zunächst werden Mutter und Kind getrennt. Froh sieht Adelheid, wie Seelengutino Bubino in Sicherheit bringt. Unbemerkt gelingt es Seelengutino, den Knechten Schlafmittel in den Wein zu gießen. Drei nehmen den Wein an, doch der vierte weigert sich. Unterdessen kommt es zu einer Uneinigkeit unter ihnen, wer letztlich die Witwe erdolchen soll. Sie beschließen, den Mörder auszuwürfeln. Das Los fällt auf den vierten Knecht, der jedoch vor Adelheid auf die Knie fällt und ihr Treue schwört. Die übrigen Knechte legen ihn in Ketten, während Seelengutino und Dalckopatscho ihm signalisieren, auf seiner Seite zu stehen. Da die drei Knechte sich nicht einigen können, wer den Mord ausführen muß, erklärt sich Seelengutino gegen eine entsprechende Bezahlung dazu bereit. Zum Erschrecken von Dalckopatscho führt Seelengutino Adelheid fort. Scheinbar verwirrt erscheint er nach kurzer Zeit wieder und behauptet, auch den Knaben ermordet zu haben. Auf diese Tat trinken die drei Knechte fröhlich den Wein und sinken sofort in einen tiefen Schlaf. Zunächst befreit Seelengutino den vierten Knecht und G’schicktus, bevor er Adelheid holt. Gemeinsam fliehen alle aus dem Gefängnis. Nachdem er keine Nachricht über die erfolgte Ermordung erhalten hat, kommt Berengario, um nach dem Rechten zu sehen. Als er die Flucht entdeckt, schwört er, mit seiner Zaubermacht den Flüchtenden auf die Spur zu kommen. – Schlußchor I, 15.

2. Akt
Ländlicher Chor II, 1. – Pantoffel ist bereit, den Flüchtenden Unterschlupf zu gewähren und bei einer Nachbarin Kleider für Adelheid zu leihen. – Lied Seelengutino II, 6 („Wier tanzen beständig, wie d’ Weiber uns pfeiffen“). – Chor II, 7. – Berengarios Bewaffnete stören die gerade im Dorf stattfindende Hochzeit. Sie beginnen, alle Häuser zu durchsuchen. Als auch noch Pantoffel mit einem Arm voller Kleider erscheint, ist die Neugier der Anwohner endgültig geweckt. Da Pantoffel sie ohne eine Erklärung stehen läßt, versuchen sie sich gewaltsam Zutritt zu seinem Haus zu verschaffen. Dazu werden sie von Tradi ermutigt, die von nichts weiß und Eigenwilligkeiten ihres Mannes vermutet. Seiner Frau gegenüber ist Pantoffel auf der Stelle bereit, alles zu offenbaren. Zum Erstaunen der Bauern und zu Adelheids Entsetzen präsentiert er die Flüchtlinge. Gegen Adelheids Erwartungen sind die Bauern jedoch bereit, sie zu schützen. Tradi ist stolz auf ihren Mann. Da sich Berengario mit seinen Knechten nähert, schlägt Tradi vor, das Fest fortzusetzen, als sei nichts geschehen. Berengario lobt fünf Gulden Belohnung für die Ergreifung von Adelheid und Bubino aus. Allerdings scheint niemand bereit zu sein, den Verrat zu begehen. Doch als man sich erneut zum Tanz aufstellt, gibt Pumpfo, den das Geld lockt, Berengario einen Hinweis. Tapfer verteidigen die Bauern Adelheid, so daß es den Flüchtlingen gelingt, sich auf eine Schiffsmühle zu retten und die Seile zu lösen. In diesem Moment bemerkt Adelheid das Fehlen ihres Kindes. Der ebenfalls zurückgebliebene Seelengutino hat es bei sich und versucht, es der Mutter zuzuwerfen. Doch Bubino landet im Wasser. Sofort springt Seelengutino ihm hinterher. Es erscheint ein Walfisch, den Seelengutino mit dem Kind im Arm besteigt. Berengario und seine Knechte werden von einer Menge großer Krebse an der Verfolgung der Flüchtenden gehindert. – Chor der Leute Berengarios II, 17.

3. Akt
Während der Flucht glaubt Dalckopatscho, Adelheid für sich gewinnen zu können. Zunächst hält sie ihn für verrückt, doch als er ihr seine Liebe gesteht, will sie erzürnt Seelengutino um Hilfe bitten. Dennoch läßt sich Dalckopatscho nicht entmutigen. – Lied Dalckopatscho III, 6 („Mit d’Frauenzimmer da giebt’s richtig“). – Gareissl erzählt dem weisen Greis, der von sich sagt: „Mein ganzes Leben war Ruhe, und so hoffe ich endlich im Grabe Ruhe zu finden“, daß gerade eine Schiffsmühle angelegt habe. Da Berengario ihnen bereits wieder auf den Fersen ist, bittet Seelengutino den Greis um einen Rat. Der Alte weiß jedoch keine Hilfe. Nach kurzem Kampf sind die Bauern besiegt und Adelheid, Bubino, Seelengutino und Dalckopatscho gefangen. Berengario befiehlt, alle zu töten, als plötzlich ein lauter Donner ertönt und auf einem großen goldenen Schiff Krotto mit seinem Gefolge erscheint. Augenblicklich lassen Berengarios Knechte die Gefangenen los und bleiben unbeweglich stehen. Berengario ist nicht bereit, die Gefangenen freiwillig ziehen zu lassen, weshalb Krotto ihn und seine Leute im Boden versinken läßt. Nach ihrem Beschützer gefragt, weist Adelheid auf Seelengutino, während der Greis auf sich selbst zeigt. Für seine Dienste wünscht der Greis sich eine lebenslange reichliche Versorgung, die ihm gewährt wird. Seelengutino wünscht sich einige goldene Sterne und bekommt die Erlaubnis, sich von Krottos Gold zu bedienen. Auch den Bauern wird eine reichliche Entlohnung versprochen. Krotto bittet Adelheid um ihre Hand. Sie ziert sich, weil sie sich ihrer unangemessenen Kleidung wegen geniert, doch als der Sternenkönig ihr ein glänzendes Gewand herbeizaubert, nimmt sie freudig seinen Antrag an. Über diesen Ausgang der Geschichte ist Dalckopatscho sehr verwundert. Zum Schluß lädt Krotto zur Vermählungsfeier in sein Sternenreich ein. – Schlußgesang Adelheid, Dalckopatscho, Seelengutino III, 10.

Aus dem „Nestroy-Schauspielführer“ von Jürgen Hein und Claudia Meyer, Verlag Lehner

Original-Stückfassung | Historisch-kritische Ausgabe (HKA 2 Jürgen Hein, W. Edgar Yates)

22. Internationale Nestroy-Gespräche
"Weg'n was tun S' so G'schichten machen?"

Mittwoch, 03. Juli
Anreise
20.30 Uhr Aufführung "Adelheid, die verfolgte Wittib"

Donnerstag, 04. Juli
8.30 Uhr Sigurd Paul Scheichl (Innsbruck): Lese ich Nestroy als österreichischen Autor? Patriotische und unpatriotische Reflexionen.
9.30 Uhr Eva Reichmann (Bielefeld): Die Österreicher im Wiener Volkstheater, im besonderen bei Nestroy
10.45 Uhr Johann Hüttner (Wien): Das Bild des Ausländers im Altwiener Volkstheater und bei Nestroy
15.00 Uhr Peter Gruber (Wien): Stück und Inszenierung. Diskussion über die Aufführung
15.45 Uhr Hugo Aust (Köln): Adelheid die Heilige, Mutter der Königreiche und verfolgte Wittib. Nestroys historisches Quodlibet des Irgendwo und Soundsoviel im Zeitalter der Mittelalter-Mode
16.15 Uhr Walter Obermaier (Wien): "A Witwe braucht nix als ein' Mann und viel Geld!" Nestroys Witwen
17.15 Uhr Irene T. Tutschka (Wien): Alles nur Theater! Josefine Gallmeyer, der weibliche Nestroy - Sterne kommen, gehen und verglühen
20.30 Uhr Justus Neumann und Gerhard Gruber (Wien): "Erschießen Sie sich und leben sie wohl" Aufführung im Rahmen des NÖ-Donau-Festivals.

Freitag, 05. Juli
Wolfgang Häusler (Wien): Exkursion nach Laxenburg

Samstag, 06. Juli
8.30 Uhr Gerda Baumbach (Leipzig): 100 Jahre österreichische (Theater-) Geschichte: "Sonnenfels". Gedanken zu Nationaltheater und Volkstheater
9.30 Uhr Jeanne Benay (Rouen): Zwei österreichische "Revolutionsdramen" zwischen Kritik, Skepsis und Evolution (Nestroy: "Freiheit in Krähwinkel", Kaiser: "Ein Fürst").
10.45 Uhr Ernst Seibert (Wien): Nestroy und die Nachwelt des Josephinismus. Zur theologischen Abstinenz in der biedermeierlichen Volkskultur
14.30 Uhr Angela Gulielmetti (St.Louis): Konkurrierendes Denken: Männer auf der Suche nach Frauen, Geld und Ansehen bei Nestroy
15.00 Uhr Hans Peter Ecker (Passau): "Hausherrn haben noch selten hoffnungslos geliebt." – Werttheoretische Betrachtung zur Konfliktgestaltung und Gerechtigkeitsauffassung einiger Komödien von Nestroy
15.45 Uhr Evald Krampus (Tartu): Österreichische Dramaturgie auf den Bühnen Estlands und Lettlands
16.30 Uhr Fred Walla (Newcastle): Mein Freund, der alte Mann, die eifersüchtige Frau und die beiden Grenardiere
17.00 Uhr Ulrike Längle (Bregenz): "Adelheid, dei verfolgte Wittib – Ein anderer Fidelio"?
Anschließend: Resümee und Ausblick

Die Presse, 1. Juli 1996: Galaktischer Nestroy

Peter Gruber entreißt ein unbedeutendes Frühwerk Nestroys, „Adelheid die verfolgte Witib oder Der gefühlvolle Kerkermeister“ dem Vergessen und macht daraus eine köstliche Parodie auf heutiges Kulturgut.

Ein grüngesichtiger Sputzifurino mit Spockohren und ein Berengario in silberner Luxusgewandung mit glitzernder Irokesen-Haartracht machen die Nestroy-Posse zu einem köstlichen galaktischen Ereignis, irgendwo will die edle Adelheid zur Ehe zwingen, und läßt sie zu diesem Behufe in den Kerker sperren.

1832 hatte sich der junge Nestroy mit dieser Parodie auf einen dramatischen Ballettabend als Autor versucht. 1996 parodiert Regisseur Peter Gruber mit seiner Inszenierung des spät ausgegrabenes Werkes unsere Massenkultur. Die Gefangenen des gefühlvollen Kerkermeisters singen zur Melodie des Gefangenenchores aus Nabucco allerlei Wienerisches, „Ja, im Gefängnis, da is alleweil a Hetz“, und essen nebenher Popcorn. Bekannte Fernsehkennungen wie „Der rosarote Panther“ oder „Mike Hammer“ sind zu hören, das Publikum fällt von einem Aha-Erlebnis ins nächste, und wenn Berengario losrockt, ist dieser Nestroy fast zu einem Musical geworden. Im Feuerwerk der Zitate wird die Löwingerbühne verrissen und der Sternenkönig erscheint als Michael Jackson.

In der Fülle eigenständiger Sequenzen fällt es zum Teil schwer, das Stück als homogenes Ganzes zu begreifen. Da das Frühwerk aber als Bagatelle bezeichnet werden muß, wäre es ohne solch deftigen Aufputz wohl unspielbar.

Unter anderem haften ihm noch die märchenhaften Elemente des damaligen Unterhaltungstheaters an – sie werden durch Bühnennebel, Sprühkerzen, Feuer und groteske Kostüme (Ausstattung: Nora Scheidl) verstärkt.

Mit grandios einfachen Ideen wird aber großes Maschinentheater umgangen: Das Schiff fährt, der Fisch wird geritten und die Fische springen meterhoch aus den Wellen. Eine hinreißende Volksbelustigung. (opp)

Kurier, Juli 1996: Nestroy einmal anders

Sommertheater ist beliebt, Nestroy ist beliebt, also wird beides gemixt und in Form eines leichten, bekömmlichen Bühnen-Cocktails an Theaterfreunde „ausgeschenkt“. So ist die Praxis, so passiert es niederösterreichweit in vielen Gemeinden jedes Jahr aufs neue.

Schwechat ist anders. Statt die hundertste Bearbeitung von „Lumpazivagabundus“ oder dem „Jux“ zu bieten, durchstöbert das Laienensemble rund um Theaterprofi und Regisseur Peter Gruber jedes Jahr das Werk des Meisters und zaubert immer wieder neue, bis dato nur eingeweihtesten Kreisen bekannte Stücke auf die Bühne. Heuer ist das Nestroysche Frühwerk „Adelheid die verfolgte Witib oder Der gefühlvolle Kerkermeister“, das man auf der Bühne im Schloßhof der Rothmühle zaubert.

„Adelheid“, eigentlich nicht mehr als eine erste Talentprobe des späteren Meisters Nestroy und von der Papierform her fürs heutige Theater eigentlich unspielbar, wird bei den Schwechatern – getragen von tollen Leistungen der Crew – zur bunten Musikrevue, die Auge und Ohr des Betrachters kaum zur Ruhe kommen läßt. Prädikat: Unbedingt sehenswert. (kub)

Wiener Zeitung, 30. Juni 1996: Nestroy-Spaß in Schloß Rothmühle

Für die 24. Spielsaison wählten Nestroy-Ring-Preisträger und Regisseur Peter Gruber und sein wackeres Laienschauspielerteam eines der ersten Stücke Nestroys. „Adelheid die verfolgte Witib oder Der gefühlvolle Kerkermeister“ ist eine wienerische volkstümliche Parodie auf einen melodramatischen Ballettabend, der 1832 am Wiener Kärnthnertor-Theater gegeben wurde.

Peter Gruber macht daraus eine höchst vergnügliche Fantasygeschichte, die irgendwo im galaktischen Raum zwischen Neuschwechat und Klein-Rannersdorf angesiedelt ist. Die Bühne bevölkern finstere Bösewichte, Gnome, Außerirdische, Mordbuben, schöne Frauen, patzweiche Kerkermeister, Bißgurn und Simandln. In einem wahren Pointenfeuerwerk nimmt Gruber mit Hilfe der Nestroy – Vorlage unsere heutige Zu- und Umständ auf die Schaufel. Von Otto dem Nordfriesen über das Sparpaket, das Fernsehen bis zu Michael Jackson bleibt nichts und niemand verschont. Dabei hält sich Grubers Interpretation streng an den Nestroy-Text, den man zur Überprüfung zum Programmheft dazubekommt.

In Nora Scheidl, die für die überaus fantasievolle und überraschungsträchtige Ausstattung sorgte, findet der beinahe schon geniale Regisseur Nestroyscher Raritäten Peter Gruber eine ideale Verbündete. Man kommt aus dem Staunen nicht heraus, mit wieviel Fantasie und einfachsten Mitteln hier größtmögliche Wirkung erzielt wird.

Wiederum kann man sich über den Spieleifer der unentgeltlich und ohne Verstärkeranlage agierenden Schauspieler nur wundern. Stellvertretend für das großartige Ensemble seien Susanne Urban als kapriziöse Witib Adelheid, Bruno Reichert als gefühlvoller Kerkermeister Seelengutino, Leo Selinger als linkischer Dalkopatscho und Robert Herrets köstliche Guruparodie genannt.

Nestroys Erstlingswerk „Adelheid“ ist in Peter Grubers Inszenierung ein fulminanter Nestroy-Spaß geworden, den man sich nicht entgehen lassen sollte. (Brigitte Suchan)

Neue Kronenzeitung, 2. Juli 1996: Leidenschaften der „Witib“

Sie agieren mit unglaublicher Begeisterung, steigern ihre Spielfreude von Szene zu Szene: Schwechats Nestroy – Laienspieler haben wieder Saison! Mit „Adelheid, die verfolgte Witib“ hat Regisseur Peter Gruber ein fast unbekanntes, skurriles Nestroy-Stück ausgegraben.

Eine Geschichte wilder Leidenschaften – im Mittelpunkt die Witwe Adelheid und ihr brutaler Verfolger Berengario: „Adelheid“ ist eine Parodie auf Modestücke des Vormärz, aber kein „typischer Nestroy“.

Peter Grubers Regie blüht in den skurrilen Szenen auf: Gags und Witze jagen einander. Aus der TV-Welt hat er sich nicht nur den Slapstick ausgeborgt, sondern auch Werbezitate, Carmen, das Raumschiff Enterprise …

Bruno Reichert mit Riesenbuckel, Susanne Urban als köpferverdrehende Adelheid und Willibald Mürwald als Berengario erschüttern so manches Zwerchfell. (O. L.)

Niederösterreichische Nachrichten, 3. Juli 1996: Großartige Nestroy-Premiere im Schloßhof der Rothmühle – „Adelheid, die verfolgte Witib“ begeisterte das Publikum

Im 24. Jahr der Schwechater Nestroy-Spiele inszenierte Regisseur Peter Gruber ein als unspielbar geltendes, kaum bekanntes Stück: „Adelheid die verfolgte Witib oder Der gefühlvolle Kerkermeister“. Eine personenreiche und aufwendige Bagatelle, wie sie es selbst betiteln. „1000 Jahre Österreich“ – ein Rückblick in die Raubritter-Zeit muß sein, angesichts der gegenwärtigen Verhältnisse.

Diese „Zauberposse mit Musik“ war eine der ersten Talentproben des später unvergleichlichen Theaterautors. Eine amüsante, wienerisch-volkstümliche Parodie auf einen pathetischen, melodramatischen Ballettabend, der 1832 am Wiener Kärnthnertor-Theater gegeben wurde.

Es ist wieder ein Nestroy, der nicht nur mit seinen Couplets, sondern in den Textpassagen das Publikum begeistert. Besonders in den zwei Aufzügen vor der Pause kommen dies besonders zur Geltung. Im dritten Aufzug läßt es etwas nach. Trotzdem, die Darsteller boten wieder ihr bestes.

Hervorzuheben die Rollen der Adelheid, die unglückliche Witib (Susanne Urban), Berengario, ein böser Zauberer, famoser Tyrann und renommierter Verfolger der Witwen und Waisen (Willibald Mürwald), Seelengutino, Kerkermeister auf dem Zauberschlosse (Bruno Reichert) und Dalkopatscho, sein Sohn (Leo Selinger), die auf den Leib zugeschnitten waren. Ein aufrichtiges Bravo! (Oskar Peham)

Rundschau, 3. Juli 1996: Turbulente Witwenverfolgung

Im Hof von Schloß Rothmühle ging vergangenen Freitag die Premiere des Nestroy-Stücks „Adelheid die verfolgte Witib oder Der gefühlvolle Kerkermeister“ über die Bühne.

Wie schon in den Jahren zuvor ist es Regisseur Peter Gruber auch diesmal gelungen, mit teils hintergündigem Sarkasmus, aber auch mit Vorschlaghammer-Methodik Nestroys Charaktere ins Heute zu übertragen. Oft blieb es nicht bei zarten Andeutungen, nein, das Publikum – „angeführt“ von Finanzminister Viktor Klima samt Gattin – mußte teils herbe Aufwärtsattacken einstecken. Er bewies jedoch Nehmerqualitäten, wenngleich manch einer in Hinkunft vielleicht weniger provokant zum Handy greifen wird. Für diese kaum retuschierten Zurechtweisungen wurden die Premierengäste aber auch mit einer Humoreske entschädigt, in der vor allem die schauspielerischen Leistungen der einzelnen Darsteller herausragten.

So gab Susanne Urban eine überaus betörende Witib Adelheid, so glänzte Willibald Mürwald als Bösewicht Berengario und Angela Koliander als sein Vertrauter Sputzifurino. Nicht zu vergessen die grandiosen Darbietungen von Bruno Reichert und Leo Selinger als gefühlvoller Kerkermeister Seelengutino beziehungsweise dessen lispelnder Sohn Dalkopatscho. Robert Herret hatte seine besten Szenen als alter Weiser, während Konrad Kostmann eine gar köstlichen Geschicktes gab (und dafür kann er was). Manfred Murczek