Die Papiere des Teufels

Heuer stehen „Die Papiere des Teufels“ aus dem Jahr 1842 auf dem Programm, ein wenig erfolgreiches und nie mehr nachgespieltes Stück Nestroys, von dem nur das berühmte Couplet „Es ist alles Chimäre“ in Erinnerung geblieben ist. Zu Unrecht, wie wir meinen. Denn es enthält eine Reihe von Szenen, deretwegen allein sich diese Wiederentdeckung nach beinahe 150 Jahren sicher lohnt.

Der Teufel als dankbares Sujet für spannende oder komische Theatersituationen, aber auch als Objekt der Projekton, als Maske, hinter der versteckt das Böse im Menschen offen zutage tritt, als signifikantes Symbol der von der Gesellschaft verdrängten Triebe und versteckten Aggressionen.

Die liebliche Biedermeier-Fassade erweist sich als Chimäre. Hinter vorgetäuschtem Anstand, behaupteter Moral, scheinbarer Rationalität und Aufgeklärtheit, hinter politisch erzwungender Ruhe und Ordnung, lauert all das, was seit Jahrzehnten gewaltsam unterdrückt wurde und in Kürze zu explodieren droht. Denn der wahre Teufel steckt natürlich im Menschen selbst. „Wenn man anläut’t, so kommt er!“

 

19. NESTROY Spiele Schwechat
Die Papiere des Teufels
28. Juni bis 27. Juli 1991

Regie

Peter Gruber

Regiemitarbeit

Christine Bauer

Bühne

Andi Mathes

Kostüme

Herta Mock

Hüte

Trude Pfertner

Schneiderei

Olga Weinlich

Technik

Franz Schulcsik, Alfred Stepan

Lichtkonzept

Charly Apfelbeck

Effekte

Christian Sturtzel

Musikalische Einrichtung

Herbert Ortmayr

Klavier

Charly Leschanz

Ton

Future Sound

Maske

Patricia Grecht, Alexander Müller

Zusatzstrophen

Wolganag Beyer

Souffleuse

Herta Mock

Bühnenrealisierung

Hubert Rössler, Hans-Christian Polak, Chris Purkhauser, Günther Griesser
STOPPEL Gastwirt einer Provinzstadt
Wilibald Mürwald
DOROTHEA seine Frau
Renate Bachtrod
SOPHIE deren Ziehtochter
Heidi Gauster
SCHROLLMANN Greißler
Andreas Bauer
EMILIE dessen Frau
Vera Albert
BUCHFELLNER Wirtshausgast
Christian Kubo
KLAUBER Wirtshausgast
Martin Meszaros
SCHNECK Wirtshausgast
Gunnar Seelke
STEINIG Wirtshausgast
Sascha Nikodym
ZWICKER Agent
Alexander Müller
FEDERL dessen Schreiber
Robert Herret
EVA Zwickers Köchin
Traude Selinger
RAB Agent
Jakob Enajat
HILFREICH Chirurg
Alexander Sommer
POSTBOTE
Leo Selinger
FRAU KÖRNDLBACH Witwe, Pächterin der Stopplischen Mühle
Bella Rössler
DOMINIK HAUSKATZ Maurer und Hausmeister im Herrenhof zu Hügelfeld
Bruno Reichert
WALPURGE seine Mutter
Sylvia Janousek
SEPPL Mühlknecht
Poldi Selinger
RUBINGER ein Pächter vom Lande
Willibald Mürwald
FRAU SCHMALLER dessen Schwester
Traude Selinger
KATHI dessen Tochter
Sabine Stacher
WILKNER ein Hausherrensohn
Jakob Enajat
GRILL Harfenist
Alexander Müller
ROSA seine Frau
Sylvia Daniel
ANTON Oberkellner
Leo Selinger
HANNERL Köchin
Sabine Gerger
ZEITUNGSVERKÄUFER
Alexander Stetina
BLUMENVERKÄUFER
Thomas Kratzwald
MASKEN
Angela Koliander, Sylvia Nemec-Mele, Alexander Sommer

Vorspiel
Im Herrenhaus zu Hügelfeld lassen Stoppel und Zwicker von Dominick ein Kästchen im sogenannten Teufelszimmer einmauern. Dominick hat keine Ahnung, welchen Inhalt dieses Kästchen hat. Das Teufelszimmer hat seinen Namen von einem an die Wand gemalten Teufel. Er hat ein Horn, das als Glocke zu gebrauchen ist. Doch niemand traut sich zu läuten, weil alle glauben, daß dann der Teufel erscheint. Damit Dominick schweigt, lassen ihn die beiden Herren schwören, das Geheimnis für sich zu behalten. Um auch im Rausch nichts zu verraten, darf er jeden Tag nur noch ein halbes Glas Wein trinken. Sollte er seinen Schwur brechen, soll ihn der Teufel holen. – Auftrittslied Federl Vorspiel, 3 (R: „Das is wohl nur Chimäre, aber mich unterhalt’s.“). – Der ältlichen Eva, die ein Auge auf ihn geworfen hat, erzählt Federl von seiner Liebe zu Sophie. Aus Eifersucht erzählt Eva dies in Federls Beisein Stoppel. Stoppel ist empört. Unterdessen überlegt Zwicker, wie er im Falle von Stoppels Ableben an dessen Erbe kommen könnte. Aufgrund des Ehevertrags werden weder Dorothea noch Sophie erben, sondern Schrollmann und Emilie. Gegen diese hat er jedoch Papiere in der Hand, die er als Gedächtnisstütze mit dem Vermerk „Papiere des Teufels“ versieht. Auch notiert er sich die vier Worte, auf die hin Dominick das Versteck öffnen darf. Schließlich erscheinen ihm diese Notizen allerdings zu gefährlich, und er streicht die Losungsworte wieder. Kurz darauf stirbt Stoppel bei einem Wagenunglück, und Zwicker erliegt einem Schlaganfall. Ärgerlich darüber, daß Eva Zwickers Universalerbin ist und er selbst leer ausgeht, nimmt Federl die „Papiere des Teufels“ zur Erinnerung an sich.

1. Akt
Seit seinem Eid trinkt Dominick nur noch Bier und lebt in der ständigen Angst, der Teufel könnte ihn holen. Frau von Körndlbach ist wegen seines seltsamen Benehmens sehr beunruhigt. Da kein Testament gefunden wurde, erbt Schrollmann mit seiner Frau Emilie allen Besitz von Stoppel. Sophie will bei Leuten eine Stellung annehmen, Dorothea das Anwesen verlassen, jedoch nicht ohne ihrem Schwager Vorhaltungen zu machen, weil er sie als arme Witwe gehen läßt. Dies läßt Schrollmann völlig ungerührt. Durch sein unverschämtes und dümmliches Auftreten macht sich der neue Gutsherr sofort unbeliebt. Gerade will Dorothea aufbrechen, als Federl erscheint. Er verspricht, er könne Dorothea und Sophie ihren Besitz innerhalb von acht Tagen wiedergeben. Als Belohnung erbittet er Sophies Hand. Bevor er geht, gibt Federl Dorothea eine Brieftasche zur Aufbewahrung, deren Papiere sie erst öffnen darf, wenn er nach acht Tagen nicht zurück sein sollte. In seiner Angst ist Dominick fest davon überzeugt, in Federl den leibhaftigen Teufel vor sich zu haben. Seine Befürchtungen bekommen neue Nahrung, als die Frauen die Brieftasche öffnen und lesen: „Papiere des Teufels“.

2. Akt
Der einfältige Schrollmann will aus seinem Gasthaus etwas Besonderes machen. So unterhält an diesem Tag eine Sängertruppe die Gäste. Federl spielt in deren Aufführung die Rolle des Teufels. Die Geschichte handelt von einem Ritter, der die Burg einer armen Witwe unrechtmäßig an sich gebracht hat. Der Teufel droht dem Ritter, seiner Frau von Spielschulden und Zahlungen an eine Geliebte zu erzählen, sollte er die Burg nicht zurückgeben. Zwar ist der Ritter einverstanden, doch seine Frau will nichts von einer Rückgabe wissen. So droht der Teufel ihr, ihrem Mann zu berichten, daß sie einen Sohn aus erster Ehe hat und diesem ihren Besitz vererben will. Auch von ihren Verehrern will er erzählen. Schrollmann und Emilie erkennen in dem Spiel entsetzt ihre eigene Geschichte. Unabhängig voneinander stellen beide Federl zur Rede. Zunächst verlangt Federl von Emilie die Erbschaft zurück, falls er sie nicht bei ihrem Mann verklagen soll. Als Beweis für seine Behauptungen nennt er den Namen „Zwicker“. Er verspricht Emilie, ihr die schriftlichen Beweise gegen eine Abtretungsurkunde am Samstag auszuhändigen. Ebenso verfährt er mit Schrollmann. Unterdessen sind Frau von Körndlbach, Dorothea, Dominick und Sophie mit Masken verkleidet im Gasthaus erschienen. – Final-Quodlibet II, 12: Federl macht einer Maske, hinter der er nicht Frau von Körndlbach vermutet, den Hof und schenkt ihr einen Ring, worüber Sophie und Dominick sehr erbost sind. Emilie hat Angst, von Federl trotz allem verraten zu werden. Schrollmann würde ihn am liebsten endgültig zum Schweigen bringen. Da sich die Frauen nicht, wie die übrigen Masken, zu erkennen geben wollen, werden sie von den Gästen bedroht. Federl stellt sich schützend vor sie und ermöglicht ihnen die Flucht.

3. Akt
Man hat Federl im Wirtshaus so zusammengeschlagen, daß er im Spital liegt. Sophie ist einerseits froh über die Rettung durch Federl, andererseits ist sie tief enttäuscht über seine Untreue. Dominick ist nach wie vor davon überzeugt, in Federl den Teufel höchstpersönlich gesehen zu haben. Da Schrollmann bei Federl keine kompromittierenden Papiere fand, glaubt er, daß Dorothea etwas gegen ihn in der Hand hat. Um die Herausgabe der Papiere zu verlangen, geht er nach Hügelfeld. Dort läßt er sich durch Dominick gegen gute Bezahlung ein Versteck hinter einer Tapetentür im Teufelszimmer zeigen. Als auch Emilie mit derselben Absicht erscheint, schickt Dominick sie in dasselbe Versteck. Über diese unerwartete Begegnung sind beide nicht glücklich. Bald stellt sich jedoch heraus, daß sie dasselbe Ziel haben: Dorothea endgültig vom Herrenhof zu vertreiben. Sie beschließen, sich den Aberglauben der Leute zunutze zu machen und läuten an der Teufelsglocke. Zu ihrem Schrecken erscheint im nächsten Augenblick Federl. Er gibt Schrollmann und Emilie eine halbe Stunde, um die Abtretungsurkunde zu schreiben. Die unglückliche Sophie zeigt Federl den Ring und erklärt ihr Heiratsversprechen für ungültig. – Lied Federl III, 8 (R: „Dieses Gefühl – ja da glaubt man, man sinkt in die Erd’!“). – Dorothea glaubt, weil sie Federls Rückkehr noch nicht bemerkt hat, ihm sei etwas zugestoßen, und will die Papiere lesen. Zuvor gelingt es aber Schrollmann, ihr die Papiere zu entreißen und ins Feuer zu werfen. Ratlos steht der eintretende Federl nun da. Doch dann entdeckt Frau von Körndlbach im zurückgebliebenen Umschlag eine undeutliche Schrift. Es wird klar, daß am Vortag der Todesfälle etwas eingemauert wurde. Doch so sehr man auch in ihn dringt, Dominick will um keinen Preis sein wohlgehütetes Geheimnis verraten, obwohl er selbst völlig verzweifelt ist. Alles scheint verloren. Verdrossen stellt Federl fest, daß es unverantwortlich von Zwicker war, Stoppel nicht darauf aufmerksam gemacht zu haben, daß sein Tod ohne ein Testament schlimme Folgen für seine Frau und seine Ziehtochter hätte. Siegessicher ruft Schrollmann aus: „Vivat, Zwicker, du Teufelsmensch.“ Sogleich springt Dominick auf. Genau diese vier Worte entbinden ihn von seiner Schweigepflicht. Auf der Stelle greift er zum Hammer und bringt im Nu ein Kästchen mit Stoppels Testament zum Vorschein. Das Testament bestimmt Dorothea zur Universalerbin und macht Sophie zur Adoptivtochter. Ärgerlich ziehen Schrollmann und Emilie ab. Auch Federl, der glaubt, Sophie endgültig verloren zu haben, wendet sich zum Gehen. Da vergibt sie ihm im letzten Moment. Dominick, endlich erlöst von seiner Angst, wendet sich glücklich Frau von Körndlbach zu.

Aus dem „Nestroy-Schauspielführer“ von Jürgen Hein und Claudia Meyer, Verlag Lehner

Original-Stückfassung | Historisch-kritische Ausgabe (HKA 18/II Peter Haida)

17. Internationale Nestroy-Gespräche auf Schloss Rothmühle
"Hauptsach', man kann rauchen dabei…"

Donnerstag, 27. Juni
14.00 Uhr Dr. Hilde Weiß (Wien): "Dann kommt die Zeit…" Grillparzer-Rezeption aus psychologischer Sicht
14.45 Uhr Univ.-Doz. Dr. Hans Höller (Salzburg): "Grillparzers und Nestroys dramatische Poetik"
15.30 Uhr Univ.-Prof. Dr. Hugo Aust (Köln): "Grillparzers Melusina, das Volkstheater und BEethovens späte Musik"
16.15 Uhr Univ.-Prof. Dr. Peter Branscombe (St.Andrews): "Nestroys Beziehung zu Mozart"
21.00 Uhr Eva Reichmann/Ernst Nass (Bielefeld): "Gespräch mit Nestroy"

Freitag, 28. Juni
10.00 Uhr Mag. Irene Tutschka (Wien): "Epigonen Nestroys"
11.15 Uhr Dr. Walter Obermaier (Wien): "Papiere des Alltags"
14.00 Uhr Univ.-Prof. Dr. Werner Kummer (Bielefeld): "Intrige und Zufall bei Nestroy"
14.45 Uhr Univ.-Prof. Dr. karl-Heinz Auckenthaler (Szeged): "Aberglaube"
20.30 Uhr Premiere: "Die Papiere des Teufels"

Samstag, 29. Juni
10.00 Uhr Dr. Peter Haida (Münster): Von den "Memoires du Diable" zu den "Papieren des Teufels"
10.15 Uhr Peter Gruber (Wien): "Es ist zu dumm"
14.00 Uhr Univ.-Prof. Dr. Michael Rogers (Southhampton): "Theater auf dem Theater"
14.45 Uhr Dr. Gerda Baumbach (Leipzig): Blauer Dunst oder "wer kümmert sich um das, was gestern im Theater war"
15.30 Uhr Univ.-Prof. Dr. Henk J. Koning (Kampen): "Theaterspiel im Bühnenstück bei Tieck, Holtei und Nestroy"
23.00 Uhr Wissenschafter spielen Theater:
Aus "Theaterg'schichten" – Sappho
Regie: Univ.-Prof. Dr. Michael Rogers, Ausführende: Gesprächsteilnehmer

Sonntag, 30. Juni
10.30 Uhr Univ.-Prof. Dr. Jürgen Hein (Münster): "Hab' ich euch echt hamletisch niederprackt…"
11.15 Uhr Symposiumskritik, Abschlussdiskussion, Vorschau

Gesprächsleitung: Dr. Johann Hüttner (Wien)

Der Standard, 5. Juli 1991: Der Teufel, ein Flaschengeist: Nestroy-Posse in Schwechat

„Es is’ all’s nur Chimäre“: Schwarzes, hakennasiges Vogelvieh lauert in den Ecken und Winkeln der Hof-Bühne der Schwechater Rothmühle. Das nimmt nicht Wunder: Steht doch in Nestroys „Papieren des Teufels“, deren sich das Schwechater Nestroy Komitee verdienstvollerweise angenommen hat, sinngemäß verzeichnet: Wenn Herr Biedermeier durch allerlei Umstände in den Krähwinkel gedrängt wird, dann beißt er nicht, sondern wird g’schnappig.

Doch deswegen hackt kein Rabe ein Auge aus. Peter Gruber hat Nestroys Dramaturgie der Uneigentlichkeit, wo die Menschen einander schöntun, wenn sie einander schlechtmachen, in genauso rast- wie ratloses Spiel übersetzt. Schwechater Amateur-Schauspieler geben auf der zweigeschossigen Schwechater Bühne den Geheimnis-Krämer, die unschöne Müllerin, den Maurer (Dominik), der dem Weingeist rief und nun nicht mehr los wird – der Teufel, ein Flaschengeist.

Dominik, Hausmeister im Herrenhof zu Hügelfeld (Bruno Reichert), ist vornehmlich damit beschäftigt, seinen Triebhaushalt in Ordnung zu bringen. Und noch die mit der Ver- und Entäußerung von Liegenschaften befaßten Machinationen des „Tintenklecksers“ Federl, den der (häufig textunsichere) Robert Herret gleichsam als Diminutiv zu Ignaz Kircher anlegt, sind von jenem Eigennutz getrieben, der, weil um seiner selbst willen angestrebt, zu nichts nütze ist.

In einer erstaunlich präzisen Inszenierung, die nicht nur wegen ihrer mannigfachen pyrotechnischen Effekte den Durst des Publikums anheizt (wenn Mimen halbe Seidel trinken, während es 28 Krügel im Schatten hat), ist Gruber ein denkwürdiger dritter Akt gelungen: In einer furiosen Wirtshausszene, die den Topos des Theaters auf dem Theater beschwört, löst Nestroy, der seine Figuren vornehmlich mit gespaltener Zunge reden läßt, den Mitgift- und Kammerjägern die Zunge – und damit alle Probleme. Denn: Der Österreicher redet nicht gern, denkt sich seinen Erb-Teil – und sieht ansonsten rabenschwarz. (Ronald Pohl)

Arbeiterzeitung, 4. Juli 1991: Quietschendes Intrigen-Karussell

Der Sommer steht vor der Türe, die Rothmühle in Schwechat, pittoresker Veranstaltungsort der Nestroy-Spiele, öffnet ihre Pforten. Wie schon so oft hat Peter Gruber dieses Jahr ein eher unbekanntes Stück der Vergessenheit entrissen: „Die Papiere des Teufels“ von Johann Nepomuk Nestroy wird erstmals seit der Uraufführung wieder gespielt.

Ein Testament ist unauffindbar, die Witwe und ihre Tochter werden aus dem Gut vertrieben. Widerlich arrogante Erbschleicher nisten sich ein. Der einzige, der um das Geheimnis der Papiere weiß, ist ein Maurer, der geschworen hat, Stillschweigen zu bewahren. Der Teufel werde ihn holen …

Eine verfahrene Situation, wäre da nicht der farblose und verklemmte Schreiber „Federle“ (Robert Herret), der sich zum gewitzten „Rächer der Enterbten“ mausert und dem Lohn als Lohn – natürlich – die Hand des hübschen Tochterls winkt.

Das Stück ist sicher kein Meisterwurf: Das Karussell der Intrigen und Irrtümer dreht sich nicht so reibungslos, wie man es von Nestroy gewohnt ist, und manche Konstruktion wirkt etwas Holprig. Doch man sieht darüber hinweg. Denn Regisseur Peter Gruber versteht nicht nur die Stärken, sondern auch die Schwächen des Ensembles geschickt zu nutzen. So baut er bei den Gesangseinlagen bewußt auf den parodistischen Effekt schräger Töne: ein furioses, stellenweise zum Schreien komisches Potpourri, das in dieser Form nur möglich ist, weil die Laiendarsteller ihr Spiel zwar ernst nehmen, sich selbst aber nicht wichtig machen.

„Es ist alles Chimäre, aber uns unterhalt’s“, so das Resümee der Truppe. Uns auch. (Bettina Steiner)

Neue Kronenzeitung, 1. Juli 1991: Nestroy-Spiele, Rothmühle

Wer vom Sommertheater versucht, Nestroy neu und kritisch zu sehen? Regisseur Peter Gruber tut das alljährlich auf Schloß Rothmühle bei Schwechat. Während Nestroy anderswo oft zum Wurstel verkommt, erlebt man bei den Nestroy-Spielen den Wiener Klassiker jedesmal aufs neue. Diesmal mit einem vergessenen Schauermärchen „Die Papiere des Teufels“.

Grusel war der Zeitgeschmack. Und auch diese Erbschleicherei ist voll von zwielichtigen Gestalten, Höllenängsten und dunklen Kräften. Doch Gruber und sein Laienensemble, das trotz Bühnenerfahrung den Amateurgeist nicht verloren hat, holen viel mehr aus dieser verdrehten Geschichte.

Wo andere herzige Nestroy-Manderln auf die Bühne stellen, schärft man in Schwechat den bösen Witz der Nestroy-Typologie, bis er auch heute wieder schneidet. Da ist Robert Herrets Federl ein verklemmter Kanzleihocker mit lüsternen Träumen. Um ihn herum zeigen sich neureiche Dummköpfe, eitle Laffen, Wiener „Funsen“ und Furien nur von ihrer übelsten Seite. Mit dem Stuhlbein wird im Wirtshaus geprügelt und stimmungsecht falsch gesungen. Der böse Nestroy ist ein Theatererlebnis: Damals und heute in Schwechat. (Konrad Kramar)

Die Presse: Ein lauer Aufguß – Musical-Nestroy in Schwechat

Normalerweise gehört der alljährliche Nestroy in Schwechat zu den Hits des Niederösterreichischen Theatersommers. Daß dies heuer nicht so ist, liegt zum einen an dem ausgewählten Werk, zum anderen an Regisseur Peter Gruber. „Die Papiere des Teufels“, 1842 uraufgeführt, lassen den üblichen zündenden Sprachwitz vermissen. Peter Gruber reichert – wie im Vorjahr – das Stück mit musikalischen Parodien und Musical-Elementen an. Solche Rezepte nutzen sich rasch ab. Zudem minderte das stürmisch-kalte Lüfterl am Premierenabend die Verständlichkeit. Ein lauer Aufguß.

Von den bekannten und weniger bekannten Nestroy-Stücken kommt man in Schwechat zwangsläufig zu den „Ausgrabungen“ und nicht alles, was da ausgegraben wird, ist ein Goldschatz.

Immerhin wäre es nicht Nestroy würden nicht die Typen exakt stimmen: Der reiche Gastwirt Stoppel versteckt Testament und Wertpapiere in einem Herrenhaus auf dem Land, in dem angeblich der Teufel spukt. Kurz darauf fährt er mit seiner Kutsche in den Graben. Stoppels Schwester und ihr Gatte reißen das Erbe an sich. Witwe Dorothea und Ziehtochter Sophie stehen auf der Straße.

Da taucht als Retter in der Not der Schreiber Federl auf, ein jüngerer Verwandter des Winkelagenten Schnoferl („Das Mädl aus der Vorstadt“). Federl liebt Sophie und verspricht der Mutter, ihr Recht zu verschaffen, wenn er die Tochter heiraten darf …

Im vormärzlichen Kleinbürgermilieu, in das Nestroy die „noblichere“ französische Vorlage verpflanzte, kämpfen Krämerseelen um den sozialen Aufstieg. Zwei Figuren bestimmen von der Charakterisierung her wie schauspielerisch den Abend: Federl, der schlaue Liebestragöde, von Robert Herret wie immer überzeugend dargestellt, und Dominik Hauskatz, Maurer und Hausmeister im Herrenhof zu Hügelfeld. Bruno Reichert spielt den etwas einfältigen, aber ehrsamen „Tschecheranten“, der um das „Teufelstestament“ weiß, doch bei Androhung von Höllenstrafen das Plaudern und daher auch das Trinken lassen muß.

Um diese beiden herum geht es in Schwechat teils manieriert, teils klotzig komisch zu. Die sonst so effektvoll Intermezzi zerdehnen und hemmen den verwickelten Handlungsverlauf. Zu vieles wurde hier einer Vorlage aufgepfropft, die so dünn ist, daß sogar musikalische Anleihen bei anderen Nestroy-Erfolgsstücken genommen werden. Commedia-dell’Arte-Masken müssen zur Illustration des Teufelsspuks herhalten. In einer chaotischen „Hamlet“-Parodie konfrontiert der als Teufel verkleidete Federl die Erbschleicher mit ihren Untaten.

Zugegeben, noch immer ist die Schwechater Laienaufführung der Nestroy-Profikonkurrenz im Theatersommer überlegen, doch sollte man vielleicht einmal die Konzeption überdenken. (Barbara Petsch)

Niederösterreichische Rundschau, 3. Juli 1991: Getrübte Freude

Die Nestroy-Spiele, heuer im 19. Jahr, haben sich nicht nur um die kritische Nestroy-Pflege Meriten erworben: Sie waren die ersten, die mit einem zeitgemäßen Konzept versuchten, begabte und begeisterte Amateurschauspieler und -schauspielerinnen mit dem Profiregisseur Peter Gruber zusammenzuspannen und auf diese Weise engagiertes Volkstheater zu probieren. Es ist in der Mehrheit der Aufführungen gelungen. Nichts von Verweigelungen und Verharmlosungen zu sehen und zu hören, immer noch regiert der geschärfte Blick aufs Soziale, in den letzten Jahren ist auch die unbändige Lust aufs Theaterspielen und das Ausleben derselben dazugekommen. Trotzdem macht sich seit einiger Zeit Sand im Theatergetriebe bemerkbar, so daß die Spielgruppe im nächsten Jahr, dem 20., eine neue Konzeption erwägt: Da außer den Schauspielern die andere Hälfte der Nestroy-Spiele bereits aus Profis bestehe, sei ein solche Betrieb für Amateure mit begrenzter Probenzeit nicht mehr machbar.

Heuer wählte Peter Gruber den Biedermeier-Krimi „Die Papiere des Teufels“, ein seit 1842 (zu Recht) nicht mehr gespieltes Stück.

Eine schwache Vorlage um einen mittel- und chancenlosen Kanzleischreiber, die von Gruber und den Seinen mittels Musical- und Commedia dell’Arte Effekten sowie Versatzstücken aus anderen Nestroy-Produktionen aufgemotzt wird.

Auch heuer besteht die Stärke der Inszenierung darin, aus einem Nichts etwas zu machen. Robert Herret, als höllisch durchtriebener Schreiber Federl, Andreas Bauer als zynischer Greißler mit Hang zu Höherem, Christian Kubo als zeitgeistiger Wirtshausgast kompensieren den Abgang des Franz Steiner sehr wohl. Schwach diesmal die Besetzung der Frauenrollen, obwohl jede Menge wienerischer „Funsen“ im Stück vorhanden sind.

Bleibt festzuhalten, daß auch diesmal wieder mit allerlei Verwicklung die Geschichte zu einem guten Ende kommt – Erbschaften und Liebschaften dorthin, wo sie hingehören. Die Freude darüber ist freilich nicht mehr ungetrübt. (Günther Stockinger)

Niederösterreichische Nachrichten, 3. Juli 1991: „Die Papiere des Teufels“ heizten dem Publikum ein

„Es is alles Chimäre, aber uns unterhalt’s“. Mit dieser Devise verabschiedete sich das Ensemble der Nestroyspiele vom Publikum der Premiere am Freitag. Und kündigte gleichzeitig an, auch im nächsten, dem 20. Jahr, wieder ein Stück des Volksdichter zur Aufführung zu bringen.

Vorangegangen waren diesen Schlußworten drei Stunden, die dem Publikum trotz der ganz und gar unsommerlichen Temperaturen die Zeit nicht lang werden ließen. Zugegeben, spektakulär war die Aufführung im vergangenen Jahr schon, dafür kam die heurige Inszenierung wieder dem, was man unter einem klassischen Nestroystück versteht, näher. Ein Punkt, der etliche Puristen unter den Kritikern wohl wieder versöhnen wird. War doch im vorigen Jahr bisweilen kritisiert worden, unter der Inszenierung sei Nestroy nicht mehr zu erkennen.

Da gibt es heuer wohl keinen Zweifel, aus wessen Feder die „Papiere des Teufels“ stammen. Regisseur Peter Gruber mußte zwar auch diesmal vieles aktualisieren. Bei einem Stück, das vor 150 Jahren als Parodie auf eine damals sehr bekannte Oper geschrieben wurde, die heute keiner mehr kennt, ist das auch nicht anders möglich. Dennoch erkennt der Zuschauer seinen Nestroy diesmal auch ohne ins Programmheft zu schauen.

Handikap bei dem Stück war wohl die reichlich komplizierte Handlung, die in der ersten Hälfte wenig Zeit für herzhafte Lacher ließ. Ab der Pause aber jagte dann wie üblich ein Gag den anderen.

Für zusätzliche Heiterkeit sorgte der extreme Wind, der zuweilen mitten im schönsten Couplet der Dekoration zu ungeahntem Eigenleben verhalf. Das gehört eben zum Freilufttheater und wurde vom Ensemble ebenso wie die Kälte in professioneller Manier gemeistert. (Franz Frauenwallner)