Der Färber und sein Zwillingsbruder

Liebe Nestroy-Freunde!

Die Geschichte vom Färber und seinem Zwillingsbruder – eigentlich ja nur die Geschichte des Färbers, der da plötzlich gegen seinen Willen die Rolle seines Zwillingsbruders übernehmen muss – ist aber beim genaueren Hinsehen doch wesentlich mehr als eine Art von "Charlies Tante" im k. u. k. - Militärmilieu.

Das Bedrohliche, Abwegige und zugleich doch so verdächtig Einfache und Selbstverständliche des Rollentauschs von Zivil und Militär, die frappierenden Parallelen zwischen den scheinbar so unvereinbaren Welten des Kilian und des Hermann Blau, diese bösartigen Züge der "harmlosen Posse" sind zweifellos ein Anliegen der Schwechater Inszenierung.
Aber keine Angst: ein "todernstes" Stück ist deshalb aus dem "Färber" noch lange nicht geworden.

"Wer nach Schwechat fährt, der weiß, dass hier scharfe Kost – die übrigens sehr gut ist gegen die Hitze – serviert bekommt, zubereitet nach Originalrezept. Und als Draufgab' gibts ein Gefrorenes. Wir bieten also beides: Kritik und Unterhaltung." Peter Gruber

15. NESTROY Spiele Schwechat
Der Färber und sein Zwillingsbruder

Regie

Peter Gruber

Regieassistenz

Christine Bauer

Bühne und Requisite

Ensemble

Kostüme

Herta Mock, Olga Weinlich

Musik

Herbert Ortmayr

Klavier

Heinrich Streng

Schlagzeug

Wolfgang Kaufmann

Licht

Alfred Stepan, Franz Schulcsik

Souffleuse

Herta Mock

Maske und Frisuren

Regina Fink, Brigitte Bartholner

Dramaturgie

Elisabeth Kató
DER BARON
Horst Gaigg
DER KOMMANDANT
Horst Gaigg
LÖWENSCHLUCHT Verwalter jenseits der Grenze
Willibald Mürwald
FRÄULEIN CORDELIA Löwenschluchts Schwester
Hilde Lerner
PETER Löwenschluchts Bedienter
Robert Herret
VON WALDAU Verwalter diesseits der Grenze
Ernst Schüller
KILIAN BLAU Färbermeister
Franz Steiner
MAMSELL ROSERL Kilians Verlobte
Susanne Urban
ANSELM Kilians Altgesell
Leopold Selinger
KILIANS FREUNDE
Franz Fangel, Alexander Sommer, Pepe Starman, Christoph Stepan
DEREN EHEFRAUEN
Elisabeth Gauster, Barbara Rittmann, Ulrike Schütz, Grete Seitl
GESELLEN IN KILIANS FÄRBEREI
Martin Cejka, Franz Foret, Andreas Mozelt, Albert Schnaitl, Harald Schnaitl, Gerhard Volek
VON DORNBERG Kommandant der Grenztruppen
Ernst Schüller
HERMANN BLAU Sergeant der Grenzgendarmerie
Franz Steiner
MADAME GERTRUD Marketenderin
Traude Selinger
STURM Hermanns Fourierschütz
Andreas Bauer
HERMANNS KAMERADEN
Alexander Sommer, Pepe Starman, Christoph Stepan
DEREN AMOUREN
Elisabeth Gauster, Barbara Rittmann, Ulrike Schütz, Grete Seitl
SOLDATEN BEI HERMANNS TRUPPE
Martin Cejka, Franz Foret, Andreas Mozelt, Albert Schnaitl, Harald Schnaitl, Gerhard Volek
BISCHOF
Stephan Schlechtleitner
EIN SCHMUGGLER UND TERRORIST
Poldi Selinger jun.

1. Akt
Chor der Gendarmen I, 1. – Der Sergeant Hermann hat zur Zeit neben einigen Liebeleien auch zwei Geliebte jenseits der Grenze. Es stört ihn nicht, daß der Grenzübertritt bei Strafe verboten ist: „[…] ich ford’re das Schicksal so lang heraus, bis ich einmal ein rechtes Glück hab’, oder ein rechtes Malör, dann geb’ ich ein Fried […]“. – Lied Hermann mit Wetter, Schlag, Knall I, 3 zum Motiv ,Mein Wahlspruch bleibt doch „nur Gefahr!“ – Auftrittslied Kilian I, 4 (R: „Die Farb zeigt Alles deutlich an.“). – Ohne Roserl seine Liebe zu gestehen, hat der Färbermeister Kilian bereits die Hochzeit vorbereitet. Erst am Morgen des Verlobungsfestes versucht er, um ihre Hand anzuhalten. Doch sie mißversteht seine Andeutungen und glaubt, er werde ein reiches Mädchen heiraten. Tapfer beschließt sie, sich ihren Kummer nicht anmerken zu lassen. – Chor der Gäste I, 9. – Umso größer ist Rosas Freude, als Kilian sie den Gästen als seine Braut vorstellt. Während Roserl einen Moment allein ist, wird sie von Peter angesprochen, der behauptet, Roserls Bräutigam sei „Meister in fremder Lebensglückzernichtung, Meister in Unschuldsknickung, Meister in Familienfriedenzerstörung“. Dem hinzutretenden Kilian wirft Peter vor, er habe eine Beziehung zu der Schwester seines Herrn gehabt. War diese Mesalliance an sich schon ein Skandal, so habe er sie zu allem Überfluß nun auch noch sitzenlassen, um zu heiraten. Zunächst bleiben Roserl und Kilian ratlos zurück. Dann entsinnt sich Kilian seines Zwillingsbruders Hermann, der der Übeltäter sein müsse. Schon als Kind seien sie von ihrem Vater verwechselt worden, so daß Kilian oft für Hermann Prügel bezogen habe. Schon aus diesem Grund habe er ihn nicht zu der Hochzeit eingeladen, obwohl Hermann seit einiger Zeit in der Nähe stationiert ist. Zwar bittet Roserl Kilian inständig, den Bruder einzuladen, aber er befürchtet „Irrungen mit Verwechslungen“. Leicht drohend prophezeit Roserl: „In jeden Fall aber verdienst du jetzt zur Strafe, daß du für deinen Brudern in rechte G’schichten und Verlegenheiten kommest […]“ Just in diesem Moment erscheint Sturm auf der Suche nach dem Sergeanten Hermann bei Kilian. Er hat gehofft, ihn bei seinem Bruder zu finden. Sturm fürchtet, der Sergeant könnte wegen einer Liebesangelegenheit über die Grenze geritten sein. Sollte er bis zur Musterung um sechs Uhr nicht da sein, könnte der Kommandant ihn erschießen lassen. Allerdings würde er ihn wahrscheinlich begnadigen und, was für Hermann schlimmer wäre, „mit Schimpf und Schanden auf eine Festung jagen“. Sturm meint, Hermann könne sich auf dem Besitz des Herrn von Löwenschlucht jenseits der Grenze aufhalten. Auf der Stelle machen sich Kilian und Roserl auf den Weg, den Zwillingsbruder zu suchen. – Chor der Gäste mit Kilian I, 19.

2. Akt 
Chor der Gendarmen mit Gertrud II, 1. – Die Musterung steht unmittelbar bevor, und noch immer fehlt von Hermann jede Spur. Auf Löwenschluchts Besitz hat man Kilian für seinen Bruder gehalten und ihm die Hunde auf den Hals gehetzt. Während Kilian Sturm vom Scheitern seiner Mission berichtet, haben Wetter, Knall und Schlag schweren Herzens das Fehlen des Sergeanten gemeldet. Umso erfreuter sind sie, als sie Kilian sehen, den sie für seinen Bruder halten. Zwar will Kilian die Sache richtigstellen, wird aber von Sturm daran gehindert. Während Kilian die Uniform seines Bruders anlegt, erscheint Löwenschlucht bei Sturm auf der Suche nach Hermann. Um die Ehre seiner Schwester wiederherzustellen, will der Oberforstmeister den Gesuchten eigenhändig erschießen. Weil er selber in das Fräulein verliebt ist, unterstützt Peter ihn bei der Suche. Gemeinsam bemühen sich Sturm und Roserl, Kilian ein militärisches Aussehen und Benehmen zu geben. Durch Dornberg läßt der Kommandant ausrichten, daß er von dem Vorwurf der Desertion absehe. Dennoch werde Hermann für seine Pflichtverletzung mit Arrest bestraft. Darüber ist Kilian sehr erleichtert, denn es entbindet ihn von einer Expeditionsattacke gegen eine Bande von Schmugglern auf dem Gebiet des Marquis Saintville. Sturm dagegen ist betrübt, daß sein Sergeant, dem der Arrest doch eigentlich gilt, nicht an dieser Attacke teilnehmen kann. – Duett Gertrud, Kilian II, 15 zu „Krieg und Ehstand“. – Als Löwenschlucht auf Kilian trifft, stellt er ihn vor die Wahl: Entweder er heiratet das Fräulein Cordelia oder es gibt ein Pistolenduell. Kilian versucht, den Aufgebrachten hinzuhalten, doch als er sich weigert, den Ehekontrakt zu unterzeichnen, fordert Löwenschlucht auf der Stelle das Duell. Mit dem Hinweis auf den Arrest versucht Kilian sich herauszureden, doch gerade jetzt bringt Sturm die Nachricht von der Aufhebung des Arrests. Kilian weigert sich dennoch, ohne schriftliche Anweisung des Kommandanten den Ort zu verlassen. Zu allem Überfluß muß er nun auch an der bevorstehenden Attacke teilnehmen. Roserl ist verzweifelt, aber Sturm verspricht, an Kilians Seite zu bleiben. Nach kurzem Gefecht kehren sie zurück. Unfreiwillig ist Kilian vom Pferd seines Bruders in das Schlachtgetümmel getragen worden. Die Mannschaft feiert ihn für seinen außerordentlichen Mut. Kaum hat Kilian diesen Schrecken überwunden, steht Löwenschlucht erneut mit der Duellforderung vor ihm. Er kann ihm nur entkommen, weil Dornberg ihn wegen einer Beförderung auf der Stelle zum Kommandanten bringen soll. – Chor der Sergeanten und Gendarmen II, 26.

3. Akt
Chor III, 1. – Der ganze Gendarmentrupp ist auf dem Schloß des Marquis Saintville eingeladen. Durch gutes Zureden ist es dem Marquis gelungen, Löwenschlucht von dem geforderten Duell abzubringen. Überdies will der Marquis als Vermittler in dieser Liebesangelegenheit auftreten und hat heimlich Cordelia eingeladen. Auch Cordelia hält Kilian für seinen Zwillingsbruder und wirft ihm seine Untreue vor. Trotz eines Kusses bleibt Cordelia unversöhnlich. Als Peter erscheint, ergreift Kilian die Flucht. Da Peter Cordelia selbst nicht heiraten kann, ist er entschlossen, jede Hochzeit zu verhindern. – Lied Peter III, 7 („Das wer’n s’ doch erlauben, das is Schwärmerey.“). – Über Umwege erfährt Kilian von einem Brief des Kommandanten an den Marquis und fürchtet, darin könne der ganze Betrug aufgedeckt werden. Statt dessen berichtet der Kommandant in dem Schreiben, daß einige Tage zuvor der Anführer einer benachbarten Gendarmenabteilung gefallen ist. Der tapfere Sergeant soll diesen verantwortungsvollen Posten übernehmen. Dafür müßte er jedoch innerhalb der nächsten drei Stunden abreisen. Als der Marquis hört, daß Kilian wegen einer Hochzeitsangelegenheit gerne einen Aufschub hätte, glaubt er, helfen zu können. Kilian gegenüber versichert Löwenschlucht, auf das Duell verzichten zu wollen. Allerdings verlangt er Cordelias Briefe an ihren Geliebten zurück. Kilian behauptet, die Briefe verbrannt zu haben, reizt damit jedoch erneut Löwenschluchts Zorn. Vor allem um sich dem angetragenen Kommando zu entziehen, bietet Kilian an, Cordelia zu heiraten. Überglücklich schließt Löwenschlucht ihn in seine Arme. – Lied Kilian III, 15 (R: „Da bringt man auf Ehr sein Geld nicht heraus.“). – Kilian erzählt Roserl von der geplanten Hochzeit und erklärt, er wolle das Fest so lange hinauszögern, bis Hermann zurückkehre. Freudig verkündet dagegen der Marquis, daß die Hochzeit auf der Stelle stattfinde, da der Kommandant keinerlei Aufschub gewähre. Erschrocken sinkt Kilian auf einen Stuhl. Im selben Augenblick eilen Sturm, Wetter und Schlag herein, verlangen dringend die Uniform und verschwinden, ehe Kilian begreift, was passiert. Hermann war bei seiner Geliebten von deren Ehemann überrascht worden und hatte die ganze Zeit versteckt in einem Garderobekasten gesessen. Da er jedoch in der Zwischenzeit auch den gefürchteten Räuberhauptmann im Zweikampf besiegt hat, verzeiht der Kommandant das Ausbleiben und die Verwechslung. Auch die Beförderung darf Hermann behalten. Um sein Glück nicht herauszufordern, beschließt Hermann, solide zu werden und Cordelia zu heiraten. Mit wachsendem Entsetzen beobachtet Roserl, die die Rückkehr Hermanns nicht bemerkt hat, die Hochzeitszeremonie. Umso glücklicher ist sie, als Kilian, wieder in seinem Färbergewand, vor ihr steht, um sie sogleich zu ihrer eigenen Hochzeit zu führen, allerdings nicht ohne vorher seinen Bruder in die Arme geschlossen zu haben. – Chor der Gesellschaft III, 26.

Aus dem „Nestroy-Schauspielführer“ von Jürgen Hein und Claudia Meyer, Verlag Lehner

Original-Stückfassung | Historisch-kritische Ausgabe (HKA 16/I Adey Huish)

Die Presse, 20. Juli 1987

In Schwechat ist Nestroys „Der Färber und sein Zwillingsbruder“ zu sehen, ein Stück, das im gleichen Jahr wie „Der Talisman“ geschrieben wurde. Daß Tarnen und Täuschen der Inhalt des heiteren Spiels um einen ängstlichen und einen draufgängerischen Zwilling ist, läßt sich bereits am Bühnenbild ablesen, für das das Bundesheer zum Teil die Requisiten zur Verfügung stellte.

Da Franz Steiner die beiden Zwillinge Herbert und Kilian Blau ziemlich hölzern und sehr auf Äußerlichkeiten bedacht spielt, können die von früheren Aufführungen bekannten Nebendarsteller umso mehr brillieren, allen voran Robert Herret als Bedienter und unglücklicher Schwärmer, der das „überwuzelte“ Fräulein Cordelia (Hilde Lerner) aus dem Hause derer von Löwenschlucht am Ende doch nicht bekommt. Der Hof der Rothmühle ist mit heiter gestimmten Sonn- und Feiertagsbesuchern gefüllt, es gibt Würsteln und Bier und in der Pause mischen sich die Akteure ins Publikum: so kommt’s Theater unter die Leut’.(Regina Petsch)

Kurier, 10. Juli 1987: Einspringer in der Schlacht und in Amouren

Zwillinge existieren auf dem Theater lediglich, um miteinander verwechselt zu werden. In Johann Nestroys Posse „Der Färber und sein Zwillingsbruder“, nach einer Opernvorlage verfertigt, ist es nicht anders. Der schüchterne Färbermeister Kilian Blau muß für seinen draufgängerischen Bruder Hermann, einen Sergeanten, einspringen, als dieser eines Rendezvous wegen eine Schlacht versäumt.

Die Geschichte wirkt umso mehr an den Haaren herbeigezogen, als der Zensur zuliebe aus Soldaten Gendarmen gemacht werden mußten, so daß die Grenze, um die es geht, sich im Nebel auflöst. Wichtig ist sowieso nur, daß einer, der sich im Frieden duckt, zum Heros stilisiert wird, sobald er für einen couragierten Sprüchemacher suppliert. Daß er auch zum Einspringer im amourösen Bereich wird, erhöht den Spaß noch.

Um diesen geht es den Amateuren, die das Stück heuer an den Wochenenden vorm Schloß Rothmühle aufführen. Peter Grubers Inszenierung baut die Handlung einleitend in stummen Szenen aus, die vermuten lassen, daß es um die akrobatische Fertigkeiten des Ensembles besser bestellt sei als um die schauspielerischen.

Immerhin ist Franz Steiner in der Doppelrolle der Komik der Situationen durchaus gewachsen. Mit dem Charme eines erwachenden Peter Alexander zieht er die Lacher auf seine Seite. Auch Robert Herret und Susanne Urban profitieren vom witzigen Text, die übrigen lassen ihn wenigstens zu.

Der Abend war mild, die Gelsen waren gnädig – wie sollte es der Rezensent da nicht sein! Die Luft ist gut in Schwechat-Rannersdorf. (Kurt Kahl)

Neue Kronenzeitung, 5. Juli 1987: Ein Held wider Willen

Der Hof des Schwechater Rothmühle-Schlößchens ist genau die richtige Spielstätte. Nestroys Posse „Der Färber und sein Zwillingsbruder“ zündet durch Wortwitz und Aktionen. Und die Akteure der Nestroy-Spiele sind mit Feuereifer bei ihrer Sache. Volkstheater im guten Sinn!

Es sind Laienschauspieler, die von Regisseur Peter Gruber nun schon im 15. Jahr geleitet werden. Manches wirkt schülerhaft, wie der Gesang oder die Sprechkünste einiger Chargen. Aber das Spiel bereitet allen viel Spaß.

„Die Mühen sind enorm, die Kraft von fünf, sechs Leuten steckt dahinter“, kommentiert Gruber. „Die Stadtväter unterstützen wohl, sind aber nicht sehr interessiert. Dabei ist das Unternehmen der einzige Kulturträger in Schwechat.“ – Franz Steiner, Lehrer in Schwechat, glänzt in der Paraderolle des biederen Färbers, des Helden wider Willen. Einmal in Fahrt gekommen – das heißt: in die k. und k. Montur geschlüpft, um den Zwillingsbruder aus drohender Gefahr zu retten –, führt er als trefflicher Komödiant das Ensemble an. „Schauspielerische Eitelkeit steht nicht so im Vordergrund“, lobt Gruber, „Man spricht nach den Proben nächtelang über das Stück.“ (MR)

Niederösterreichische Nachrichten, 8. Juli 1987: Auch Nestroy hätte mit den Schwechatern eine Freude

Freitag begannen die 15. Nestroy-Spiele Schwechat mit „Der Färber und sein Zwillingsbruder“. Vor ausverkauftem Haus (Hof) wußte das Ensemble St. Jakob einmal mehr zu begeistern.

Das Entstehungsjahr 1840 zeigt die Monarchie schon krisengeschüttelt, die Revolutionen 1848 keimen bereits. Nestroy gelingt es mit seinem „Färber“, die zartgesponnene Kritik als Art Zeitgeist in seine Person einzubauen. Da ist auf der einen Seite der Färbermeister Kilian Blau, der von sich selbst sagt: „an mir ist jeder Zoll Zivil!“, als Vertreter des sich im Aufwind befindenden Bürgertums mit seiner Braut Roserl, die sich anfangs als „Angeschmierte“ sieht, die aber in den Augen Kilians auf jeden Fall der Heirat zustimmen muß („Ich bin ein Färber und hab ein Geld “). Dem Paar gegenüber steht der Zwillingsbruder Hermann als draufgängerischer Sergeant der Grenzgendarmerie mit seiner Cordella, Schwester des Verwalters Von Löwenschlucht.

Eigentlich ist es nur die Geschichte des Färbers, der da plötzlich gegen seinen Willen die Rolle seines Zwillingsbruders übernehmen muß, und überrascht im scheinbar so weit auseinanderklaffenden Leben zwischen Militär und Zivil Parallelen findet. Es genügt, nur nicht vom Pferd zu fallen.

Hauptdarsteller Steiner alias Kilian und Hermann Blau personifiziert sich mit den Zwillingen vortrefflich. Großartig im künstlerischen Ausdruck, besonders begeisternd in seiner Mimik, versteht er es, glaubwürdig in die Rolle der Brüder zu schlüpfen. Gelungen auch seine Komik in amourösen Situationen.

Um nichts nach stehen ihm Willibald Mürwald als meist grimmiger, ihn stets pistolenbeladen verfolgender Rächer seiner Schwester Cordella – ein überzeugender Von Löwenschlucht! – und Robert Herret als Löwenschluchts Bediensteter Peter, dem es gelingt, aufgrund seiner individuell köstlich zum Ausdruck gebrachten Komik die Leute zu Szenenapplaus hinzureißen.

Hervorzuheben auch noch Susanne Urban als teils schüchternes, teils energisches Roserl, Traude Selinger als Marketenderin Gertrud und vor allem der ungestüme Andreas Bauer in der Rolle der Schützen Sturm.

Ein Kompliment Peter Gruber und dem ganzen Ensemble St. Jakob für einen neuerlich herzerfrischenden, mit viel Schwung (Lichteffekte, Saltis auf der Bühne) und originellen Ideen gespickten Nestroy. Der Dichter hätte mit der Schwechater Aufführung trotz weniger schwach besetzter Rollen (zu leise) seine Freude. Ganz im Sinne Nestroys auch die zarten Anspielungen auf Lokales, wie z.B. Die Renovierungen des Schlosses gerade jetzt während der Nestroy-Spiele. Zusammenfassend wirklich eine Aufführung, die empfohlen werden kann. (Hans Kähsmayer)

Badener Rundschau, 16. Juli 1987: „Nestroy-Spezialisten“ laden ein

Wenn Schloß Rothmühle in Schwechat (Rannersdorf) in den letzten 15 Jahren zu besonderem Ruhm gelangte, dann ist dies der Amateurtheatergruppe Sankt Jakob zuzuschreiben. Seit 1973 veranstaltet diese Spielgemeinschaft im Hof des Schlosses, allsommerlich, mit viel Elan und komödiantischen Ambitionen Nestroy-Spiele, die stets starke Resonanz in den Medien und Publikum finden, obwohl sie ungerechterweise im offiziellen nö. Theatersommerprogramm nicht erwähnt werden.

Die heuer vom Regisseur Peter Gruber (dem einzigen Profi) und dem Ensemble, mit viel Laune und Temperament auf die Pawlatschenbühne gebrachte Inszenierung der Posse „Der Färber und sein Zwillingsbruder“ wurde dem sarkastischen Spötter Nestroy wieder voll gerecht.

Es ist ihnen gelungen, den sozialkritischen Gehalt des Stücks – hier der Färbermeister Kilian Blau, ein Zivilist aus Überzeugung und da sein Zwillingsbruder Hermann, der das Soldatentum als Ausbruch aus der Bürgerwelt versteht – weitaus Nestroy-gerechter auf die Bühne zu bringen, als dies oft an Wiener Theatern gelingt. Dies liegt sicher nicht zuletzt auch in der Begeisterung, mit der die „Jakobiner“ ans Werk gehen und die vergessen machen läßt, daß sie im Grund „nur“ Amateure sind. Vom Theaterspiel besessene Menschen jedoch, die ihren „Hausautor“ Johann Nestroy von jeher nicht nur als urigen Spaßmacher, sondern immer auch als grimmigen Satiriker und Zeitkritiker begriffen haben.

Nicht nur Liebhaber Nestroyscher Couplets und aktueller Extempores werden von der Aufführung entzückt sein. Ein Theater-Ausflug, der sich lohnt. (Leo Willner)