Freiheit in Krähwinkel

Liebe Nestroy-Freunde!

Mit Freiheit in Krähwinkel zeigen wir Ihnen bei den Nestroy-Spielen in Schwechat einen weiteren wichtigen Aspekt aus Nestroys vielseitigem Schaffen. Wir hoffen, dass unser Bemühen, uns mit dem Stück aus dem Blickwinkel unserer Zeit heraus, aber im Nestroy'schem Geist auseinandersetzen, Ihnen – wie auch in den vorangegangenen Jahren – einen vergnüglichen Abend bereiten wird.

Peter Gruber 

8. NESTROY Spiele Schwechat
Freiheit in Krähwinkel

Regie

Peter Gruber

Musik

Die Ultronics

Bühne

Karl Martin Sukopp

Kostüme

Herta Mock

Hüte

Gertrude Pfertner

Masken und Frisuren

Andrea Steiner

Requisiten

Robert Herret

Technische Leitung und Beleuchtung

Alfred Stepan, Franz Schulscik

Souffleuse

Brigitte Schwetz
BÜRGERMEISTER UND OBERÄLTESTER VON KRÄHWINKEL
Willibald Mürwald
SPERLING EDLER VON SPATZ
Georg Wertnik
RUMMELPUFF Kommandant der Krähwinkel Stadtsoldaten
Fritz Pfertner
PFIFFSPITZ Redakteur der Krähwinkel Zeitung
Rudolf Kaltenbrunner sen.
EBERHARD ULTRA dessen Mitarbeiter
Robert Herret
REAKZERL EDLER VON ZOPFEN geheimer Stadtsekretär
Werner Schwetz
FRAU VON FRANKENFREY eine reiche Witwe
Mariëtte Michielsen
SIEGMUND SIEGL subalterner Beamter
Rudolf Kaltenbrunner jun.
WILLIBALD WACHS subalterner Beamter
Franz Steiner
FRAU KLÖPPL Witwe
Margarete Seitl
FRANZ Kellner
Leopold Selinger
KLAUS Ratsdiener
Horst Kummerfeld
EMERANZIA dessen Gattin
Gertrude Pfertner
CÄCILIE dessen Tochter
Brigitte Ziegler
DER NACHTWÄCHTER
Peter Wittberger
WALPURGA dessen Tochter
Susanne Urban
PEMPERL Klempnermeister
Walter Mock
SCHABENFELLNER Kürschner
Siegfried Kieberl
FRAU PEMPERL
Traude Selinger
FRAU SCHABENFELLNER
Marisa Travnik
BABETTE Pemperls Tochter
Gabriele Altrichter
FRAU VON SCHNABELBEISS Geheimrätin
Victoria Posch
ADELE ihre Tochter
Maria Hoffmann
EDUARD Bedienter der Frau von Frankenfrey
Leopold Selinger
SOLDAT
Armin Kraft

1. Akt
Chor I, 1. – In Krähwinkel regt sich, wie in weiten Teilen Europas, die Revolution. Immer offener stellen sich einige Bürger gegen die Staatsgewalt, die vor allem durch den Bürgermeister Klaus und Rummelpuff vorgestellt wird. Mit Mißfallen hört Klaus die freimütigen Reden im Wirtshaus. Besonders Nachtwachter versucht Klaus durch offene Worte zu ärgern und läßt sich auch durch Drohungen nicht beeindrucken. So wie er in der Politik nicht die Zeichen der Zeit erkennt, bemerkt Klaus auch nicht die Beziehung zwischen seiner Tochter Cecilie und Siegmund. Statt dessen ist er der festen Überzeugung, Siegmund sei in Walpurga verliebt und damit ein Nebenbuhler von Willibald. Bereits vor vielen Jahr hat Klaus gelobt, Cecilie in ein Kloster zu schicken, und glaubt sie deshalb über jeden Verdacht erhaben. – Auftrittslied Ultra I, 7 über das „Zopfensystem“. – Als Verfechter der Revolution kommt Ultra nach Krähwinkel. Er zählt die vielen kleinen sogenannten „Freiheiten“ auf, die es vor der Revolution gab. Doch mit der tatsächlichen Freiheit können viele Menschen nicht umgehen und fordern deshalb bereits wieder die Herstellung der alten Verhältnisse. Trotzdem will sich Ultra auch in Krähwinkel für die Revolution einsetzen. Als Pfiffspitz und Ultra sich gerade über die Artikel ihrer nächsten Ausgabe beraten, kommt Klaus hereingestürzt. Das Volk hat ihm seinen Stock, das Zeichen der Prügelstrafe, zerbrochen. Draußen herrscht großer Aufruhr. Sogleich stellt Ultra sich an die Spitze der Menge. Umden unbequemen Ultra still zu stellen, rät Reakzerl, der Bürgermeister solle dem Aufmüpfigen den Posten eines Zensors, verbunden mit einer sehr guten Bezahlung anbieten. Empört lehnt Ultra, der von sich selbst sagt „Ich bin Freiheit durch und durch“, das Angebot ab. Zur Begründung erklärt er: „Ein Censor is ein Menschgewordener Bleysteften oder ein Bleistiftgewordener Mensch.“ Im Büro des Bürgermeisters trifft Ultra auf Frau von Frankenfrey, die ihm offene Sympathie entgegenbringt, sehr zum Entsetzen des Bürgermeisters, der sie als seine Braut auserkoren hat. Frau von Frankenfrey ist in einer Testamentsangelegenheit beim Bürgermeister. Der Prior des Klosters hat das Testament ihres verstorbenen Mannes in den Händen. Sie hofft, der Bürgermeister könne ihr helfen, wieder in den Besitz des Dokumentes zu kommen. Willibald glaubt nicht an einen Erfolg, da sich der Bürgermeister und der Prior gemeinsam bereichern könnten. Verärgert über das aufsässige Benehmen veranlaßt der Bürgermeister, daß Ultra innerhalb von zwei Stunden aus Krähwinkel ausgewiesen wird. Doch Ultra beschließt, den Bürgermeister zu stürzen, zumal er sich in Frau von Frankenfrey verliebt hat. Von Siegmund erfährt Ultra, daß der Bürgermeister auf Klaus und der wiederum den Ligorianern vertraut. Zum Glück kann Ultra dank Willibalds Hilfe auf eine einst gepfändete Theatergarderobe zurückgreifen. Klaus sitzt mit Emerenzia zu Hause. Beide fürchten, die Freiheit könnte über sie hereinbrechen. Als Ligorianer verkleidet tritt Ultra ein. Er gibt vor, der Prior wolle den Bürgermeister kontrollieren. Klaus solle ihm deshalb das erzählen, was der Bürgermeister dem Prior verschwiegen habe. Leutselig berichtet Klaus von einer Anordnung, die, von mehreren Ländern unterschrieben, in der letzten Woche in Krähwinkel eingetroffen sei. Darin würde gefordert, sofort eine Verfassung für Krähwinkel zu proklamieren. Selbstverständlich sei der Bürgermeister dieser Forderung nicht nachgekommen. Stolz weist Klaus darauf hin, daß ihm sofort die fehlende Unterschrift Rußlands aufgefallen sei. Als draußen Unruhe laut wird, verschwindet Ultra. Angsterfüllt kommt der Bürgermeister zu Klaus. Er glaubt, der „Krähwinkler- Jüngstetag“ sei angebrochen, und bittet um ein sicheres Nachtquartier. Während der Nacht wird er von Revolutionsträumen geplagt. Erst mit einer „Wienerzeitung“ unter dem Kopfkissen kann er ruhig schlafen.

2. Akt
Ultra hat sich als russischer Fürst verkleidet. Willibald gibt sich als sein Dolmetscher aus, während Nachtwachter einen Leibeigenen mimt. Freudig wird Ultra durch den Bürgermeister empfangen. Willibald erklärt, der Zar habe von der eingegangenen Anordnung gehört. Um auszuschließen, daß sie in Krähwinkel Anwendung findet, verlangt er die Aushändigung des Papiers. Ultra. Auf der Straße treffen sich Klaus und Siegmund. Klaus rät dem Niedergeschlagenen, endlich zu heiraten. Da er der felsenfesten Überzeugung ist, Walpurga sei Siegmunds Auserwählte, empfiehlt er ihm dringend, mit der Geliebten durchzugehen und so den väterlichen Willen zu brechen. Er selbst wolle bei der Sache behilflich sein. Es wird vereinbart, daß Siegmund das Mädchen an einen Ort bestellt, von dem Klaus es abholen und zu Frau von Frankenfrey bringen wird. Unterdessen ist ein Aufstand der Krähwinkler durch Rummelpuff niedergeschlagen worden. – Chor der Verwundeten II, 13. – In einer Rede bittet der Bürgermeister, „daß das beklagenswerthe Mißverständniß zwischen mir und meinen lieben Krähwincklern baldigst vergessen werde, und die alte Ordnung und Eintracht und Ruhe zurükkehren thuen möge.“ In diesem Moment erscheint Ultra erneut. Dieses Mal ist er als „Abgesandter von der Europäischen Freyheits- und Gleichheits-Commission“ verkleidet. Unter dem Jubel des Volkes verkündet Ultra für Krähwinkel „Rede-Preß- und sonstige Freyheit; Gleichgiltigkeit aller Stände.“ Vor Schreck fällt der Bürgermeister in Ohnmacht.

3. Akt
Bei Frau von Frankenfrey hat sich eine Gesellschaft versammelt, die die neuen Verhältnisse diskutiert. Überraschend tritt Ultra ein. Durch die gewonnene Freiheit kann er sich wieder frei bewegen. Auch der Bürgermeister erscheint. Siegessicher kündigt er noch für denselben Tag die Niederschlagung der Revolution an. Für den nächsten Tag avisiert er seine Hochzeit mit Frau von Frankenfrey, obwohl diese deutlich macht, daß sie ihn keineswegs heiraten wolle. Als der Bürgermeister ihr deutlich macht, daß sie im Fall einer Weigerung ihr Erbe verlieren werde, unterbricht Ultra das Gespräch. Zu aller Staunen überreicht er Frau von Frankenfrey das Testament. Ultra hatte dem Prior die Flucht vor den Aufständigen ermöglicht und dafür das Testament als Dank erhalten. Wütend eilt der Bürgermeister hinaus, um sich um die Niederschlagung der Unruhen zu kümmern. Ultra sorgt sich um den weiteren Verlauf der Revolution. Als besonders schmerzlich wird das Fehlen von Studenten zur Unterstützung des Aufstandes empfunden. Allerdings hat Frau von Frankenfrey bereits eine Idee. Um Zeit zu gewinnen, bittet sie Ultra, dafür zu sorgen, daß der Bürgermeister erst am Abend losschlage. – Chor III, 12. – Erneut verkleidet sich Ultra und tritt dem Bürgermeister als Metternich entgegen. Den Befehlen des berühmten Mannes will sich der Bürgermeister nicht widersetzen und verspricht, nicht vor Einbruch der Dunkelheit aktiv zu werden. Nachtwachter und Willibald bauen gemeinsam Barrikaden. Dabei findet Nachtwachter den verhaßten Beamten so sympathisch, daß er in eine Hochzeit mit Walpurga einwilligt. Am verabredeten Treffpunkt holt Klaus die verschleierte Cecilie ab, die er nach wie vor für Walpurga hält. – Lied, Ultra III, 22 (R: „Is die Gährung auch groß, / Es geht überall los.“). – An den Barrikaden hat sich die Krähwinkler Bevölkerung versammelt. Wütend tritt ihnen der Bürgermeister mit Klaus und den Wächtern an seiner Seite entgegen. Überraschend zeigen sich jedoch die als Studenten verkleideten Frauen auf den Barrikaden und fordern zum Kampf. Geschlagen verkündet der Bürgermeister: „’s is nichts mit der Reaction.“ Freudig reicht Frau von Fran-kenfrey Ultra als ihrem künftigen Ehemann die Hand. Nun erkennt auch Klaus erschrocken, daß er selbst seine Tochter zu Frau von Frankenfrey geführt hat. Resigniert gibt er seine Einwilligung zu der Hochzeit mit Siegmund, will aber vor der ersten Kindstaufe nicht mehr nach Krähwinkel kommen. 

Aus dem „Nestroy-Schauspielführer“ von Jürgen Hein und Claudia Meyer, Verlag Lehner

Original-Stückfassung | Historisch-kritische Ausgabe (HKA 26/I John R.P. McKenzie)

Profil: Bissig und verbissen

Im Schloß Rothmühle bei Schwechat wird Nestroy seit Jahren unorthodox inszeniert: böse, puritanisch und unverblümt.

Er schrieb nur Wiener Lokalstücke und im Dialekt. Trotzdem ist es heute einer der meistgespielten Bühnenautoren in der Bundesrepublik. In Italien werden seine Komödien ab und zu im Spaghetti-Stil inszeniert. Sogar Japaner lächeln über seine Pointen – quasi als Österreich-Exotik in Tokio. Und hierzulande vermag sein Name selbst mieselsüchtige Theatermuffel zu ermuntern. Allerdings werden Johann Nestroys beißende Possen an heimischen Bühnen am liebsten verharmlost, verzuckerlt, verbiedermeiert serviert.

Nicht so in Schwechat. Dort betreibt die Laienspielgruppe St. Jakob ihre Nestroy-Idee zwar spaßhalber, aber ernsthaft. Derzeit beschwört sie dreimal pro Woche die Revolutionsposse aus dem Jahre 1848, „Freiheit in Krähwinkel“ herauf. Verbissen und bissig. Aktualisiert – „böse“, hofft Regisseur Peter Gruber, „politisch, damit sie wieder trifft“ – und mit jener Respektlosigkeit, mit der sich der Vorstadtschreiber vormals Respekt verschafft haben mag.

Wenn abends die weniger perfekten als direkten Spieler in schwarzweißen Biedermeierkostümen, mit grellweißen Biedermeierkostümen, mit grellweiß geschminkten Gesichtern so emsig wie die Gelsen über ihre selbsgehämmerte Freilichtpawlatsche schwirren, dann offerieren sie weder patzig-primitive Schmiere noch artifizielle Schauspielerselbstherrlichkeit.

„Dank ihrer amateurhaften Anonymität“, weiß Profi Gruber, „können sie Nestroy-Szenen viel besser und klarer vermitteln.“

Folglich entwickelten sie innerhalb von acht Jahren jenen naiv-puritanischen Vorstadttheaterstil, der selbst Bundesbühnen-Rezensenten imponiert: „Was Nestroy betrifft, ist Wien eine Vorstadt von Schwechat.“ („Kurier“)

Ursprünglich hätte Schloß Rothmühle, ehemals Wohnsitz des Magnetiseurs F. A. Mesmer, später Jagdschloß, Wäscherei, schließlich im Besitz einer Bierbrauerei und 1972 von der Gemeinde Schwechat für 8 Millionen Schilling als Kulturzentrum renoviert, Sommerdependance für abgeschlaffte Stadttheater- oder unausgelastete Burgschauspieler werden sollen. Denn auf der Suche nach einem geeigneten Ort für Nestroy-Spiele im originalen Vorstadtmilieu für Touristen hatten Burgschauspieler Bruno Dallansky und Schriftsteller György Sebestyen den romantischen Schloßhof für „geeignet“ befunden.

Auch war das Engagement der Laienspielgruppe St. Jakob und des Jungregisseurs Peter Gruber für die beiden Einakter „Frühere Verhältnisse“ und „Zeitvertreib“, 1973, lediglich zum Ankurbeln der Nestroy-Spiele gedacht.

Doch mit dem ersten Erfolg hat sich die Gruppe inzwischen selbst etabliert: mit einer Subvention von rund 700.000 Schilling – davon 230.000 von Land, Gemeinde und Bund, der Rest privat –, mit zwölf Vorstellungen pro Saison, in der sie bis zu 6000 Besucher zählt, und mit ihrer Originalität.

Sie wagte es im Spielplankonzept sogar, zwischen ungewöhnlich inszenierten Populärpossen, wie „Lumpazivagabundus“ oder „Einen Jux will er sich machen“, und unbekannten Feinschmeckerstücken abzuwechseln. So etwa „Weder Lorbeerbaum noch Bettelstab“, die Parodie auf ein sentimentales Rührstück über ein Dichterdasein zwischen Simmering und Fischamend, publikumsmäßig ein Wagnis.

Inzwischen hat sich das verträumte Schlößchen Rothmühle mit Hilfe des Spielgruppenleiters Walter Mock überhaupt zur Nestroy-Hochburg gemausert: Die Internationale Nestroy-Gesellschaft hält dort ihre Tagung ab. Jetzt pilgern gedankenschwangere Nestroy-Forscher – aus Washington bis Wien – in die kulturbeflissene Brauerei-Kleinstadt, um allsommerlich (seit sechs Jahren) in Konnex mit den Spielen „Internationale Nestroy-Gespräche“ abzuführen. Diesmal zum Thema „Der politische Nestroy“.

Obwohl der Volkskomiker des Vorstadttheaters und Autor von 83 burlesken, grotesken und realistischen Possen die „angeborene Feindschaft zwischen arm und reich“ gestaltet hat und Sozialkritik an seiner eigenen, der bürgerlichen Klasse übte, sei er, so Nestroy-Spezialist Johann Hüttner vom Institut der Theaterwissenschaft, „doch kein politischer Dichter gewesen. Auch kein Linker, nur liberal“. Er habe, wie alle, unter falschen Fahnen gekämpft, und seine Gesellschaftskritik möglichst vermummt und verschleiert.

Im übrigen betrieb er Selbstzensur, indem er jene Stellen, die den Zensor ärgern könnten, auf seinem Manuskript mit einem Kreuz bekritzelte. Für Nestroy-Forscher mit dem Ergebnis: Sexuelle Anspielungen entferntester Art (so etwa die Formulierung „sie spreizte sich“ statt sie weigerte sich), Hinweise auf den sozialen Unterschied („Liebe ist Demokratie des Herzens. Sie schaut nicht nach dem Stand“) und Kirchenkritik wurden radikal eliminiert.

Mit einer Ausnahme: Als im Jahre 1848 während der Wiener Revolution eine Zeitlang Zensurfreiheit herrschte, wurde am 1. Juli am Carltheater „Freiheit in Krähwinkel“ uraufgeführt: Ein anarchistisch angehauchter Journalist, Ultra, verirrt sich in eine „verzopfte“ Kleinstadt (Wien), die anscheinend die letzte hundert Jahre verschlafen hat, und mischt beim Aufstand der Kleinbürger mit.

Nestroy zeichnete solcherart Wiener Mißstände gleichermaßen wie die revolutionären Ereignisse nach, analysierte die führungslose, laxe Grundhaltung der Bevölkerung und warnte zugleich vor der Reaktion.

Weil die Revolte wider die Diktatur des Krähwinkler Bürgermeisters (Symbolfigur für Metternich) und jede Szene so eng mit der Revolution verwoben und voller zeitgebundener Anspielungen war, wurde das Stück später kaum mehr gespielt.

Mit einem neuen Titel, „Revolution in Krähwinkel“, kam die Posse 1939 im Wiener Theater in der Scala, inhaltlich im Dienste des Naziregimes zurechtgetrimmt, wieder auf die Bühne. Der Bürgermeister wurde zur Figur des Exbundeskanzlers Schuschnigg, und das Wörtchen „Freiheit“ in den Couplets ersetze man vielfach durch „Führer“.

Während das Wiener Cafétheater genauso wie das Volkstheater der siebziger Jahre an der Inszenierung selbst Schiffbruch erlitt, scheiterte 1976 ein BRD-Regisseur am Krähwinkler Geist der Kleinstadt Memmingen, wo blitzsaubere Fassaden von Fachwerkbauten örtliches Aushängeschild für Zucht und Ordnung sind: Als der dortige Bürgermeister die Posse sah, fühlte er sich persönlich betroffen und erteilte dem Regisseur Berufsverbot – in Memmingen.

In Schwechat hingegen nimmt sich „Krähwinkel“-Regisseur Gruber die Freiheit, den Journalisten als einen Mann der kreiskyanischen Ära zu skizzieren, der sich in die Metternichsche Diktatur verirrt. Da dieses Nestroy-Produkt „weniger literarisch wertvoll als politisches Kabarett aus dem Jahre 1848“ sei, ergänzte Gruber den Text zum Teil mit aktueller Innen- und Außenpolitikkritik, zum Teil mußte er lediglich Namen und Begriffe austauschen.

Was, meint der Regisseur, bedeute, daß sich seit Nestroy nicht allzuviel Grundsätzliches verändert hat. „Mir ist“, singt folglich der Jetztzeit-Ultra, „nicht geheuer. Gibt’s a neues Biedermeier? Mir brauch’n nix denken. Der Bruno tut’s lenken.“