38 Jahre Nestroy-Gespräche in Schwechat

  • 1975 Nestroys Wirkung auf dem Theater und in der Literatur
  • 1976 Nestroy, ein Europäer
  • 1977 Nestroy und das Biedermeier
  • 1978 Wie inszeniere ich Nestroy?
  • 1979 Vom Vorläufer des Jux bis zu Hello Dolly
  • 1980 Der politische Nestroy
  • 1981 Nestroy, ein Philosoph und Denker?
  • 1982 Nestroy und das Rollenbild – im Speziellen der Frau
  • 1983 Nestroy: Parodie und Operette
  • 1984 Nestroyverständnis 1848–1984
  • 1985 Nestroy und die Zeitgenossen
  • 1986 Nestroy – ein Klassiker (Literarische Tradition – Schule – Bühne – öffentliches Bewusstsein)
  • 1987 Militär und Militanz auf dem (Volks-)Theater; Zwillinge und Doppelgänger auf dem Theater
  • 1988 „’s is wirklich famos, wie der Fortschritt so groß!“: Politische, ökonomische und soziale Krise im Vormärz und ihre Spiegelung in den Medien
  • 1989 „Es sind gewiß in unsrer Zeit die meisten Menschen Handelsleut“: Ökonomie und Konsum in Leben und Werk
  • 1990 Das Böse, Magische und Irrationale bei Raimund und Nestroy
  • 1991 „… da kann man doch rauchen dabey“: Theatralisches von Mozart bis Grillparzer und Nestroy
  • 1992 Theater, magische Künste; Landschaft und Reisen bei Nestroy
  • 1993 Zu ebener Erde und erster Stock: Oben und Unten, Diener und Herren, Geld und Glück
  • 1994 Nestroy und die Geschichte
  • 1995 Nestroys Wien und anderswo
  • 1996 „Sie wird schöne Geschichten sehen“: Österreichisches und Fremdes bei Nestroy und Zeitgenossen
  • 1997 „Das wär‘ so a Stoff jetzt, allein ich verschluck’s –“
  • 1998 „Es stelln sich gar Manche wie d’Lamperln so frumm“
  • 1999 „Nur der geistlose Mensch kann den Harm übersehn, der überall durch die fadenscheinige Gemütlichkeit durchblickt“
  • 2000 „Bis zum Lorbeer versteig’ ich mich nicht …“
  • 2001 In anderen Welten
  • 2002 Aus der Vorstadt in die Welt oder „Na, laßt man ein Jedn sein Freud“
  • 2003 „’s is jetzt schön überhaupt, wenn m’r an etwas noch glaubt“
  • 2004 „Nur Keck!“ oder Zwei vor und Eins zurück?
  • 2005 Raimund und Nestroy im kulturellen Gedächtnis
  • 2006 Raimund und Nestroy im Kontext internationaler Lachkultur
  • 2007 Raimund und Nestroy: Kanon, Kontext, Inszenierung
  • 2008 Raimund und Nestroy: Korrespondenzen, theatrale Räume und Traditionen
  • 2009 „… nur alles ohne Leidenschaft …“ – Gelebte Konventionen, gespielte Gefühle
  • 2010 Spiegelung und Potenzierung bei Raimund und Nestroy
  • 2011 Routine und Experiment bei Raimund und Nestroy
  • 2012 Tod und Überleben bei Raimund und Nestroy

Die Internationalen Nestroy-Gespräche, 1975 von Professor Walter Mock († 1985) gegründet, werden vom Nestroy-Zentrum Schwechat und der Internationalen Nestroy-Gesellschaft veranstaltet. Bis 2011 fanden sie auf Schloss Rothmühle statt, nach einem Zwischenspiel bis 2004 in Felmayers Garten, und haben seit 2005 ein neues Zuhause auf Schloss Altkettenhof (Justiz-Bildungszentrum) gefunden. Die Konferenzen bieten ein Forum für alle Theaterliebenden und Nestroybegeisterten, darüber hinaus für alle am Wiener Volkstheater Interessierten, und verbinden Wissenschaft und Forschung mit Theaterpraxis und Bildungsarbeit.

In den ersten Jahren standen sowohl allgemeine Themen und Überblicke im Mittelpunkt als auch konkrete Themen und exemplarische Betrachtungen. So ging es um Nestroy in seiner Zeit, sein Verhältnis zu den Zeitgenossen, um seine Rezeption und Wirkung bis ins heutige Theater, weiters um ästhetische Strukturen und Inszenierungsfragen, um die philosophische, soziale und politische Dimension. Nestroy wurde auf sein Geschichts- und Weltbild befragt, nach seinem Ort im internationalen komödiantischen Theater und in der europäischen Lachkultur, worin seine Originalität liegt, ob und wie er zum (Volkstheater-)‚Klassiker‘ geworden ist.

In den folgenden Jahren rückten, wie die Themenliste zeigt, neben Revision überholter und einseitiger Urteile verstärkt Einzelfragen und mehrperspektivische Interpretationen in den Vordergrund, wurden die Betrachtungen differenzierter, wobei auch der soziokulturelle Kontext erörtert wurde, wie die ökonomischen, sozialen und politischen Veränderungen die Produktion und Rezeption der Possen beeinflussten. Parodie, Satire, Sprach- und Zeitkritik erschienen in neuem Licht, ebenso Ausprägungen des bürgerlichen Lachtheaters in Vor- und Nachmärz und die veränderte Rolle des „Spaßmachers“, ferner Aspekte des Kanons und des kulturellen Gedächtnisses sowie des Medienwechsels: Übersetzung in andere Sprachen und Kulturen, in neue Medien, in unsere Zeit.

Die Gespräche waren ein wichtiger Begleiter während der Arbeit an der neuen Nestroy-Edition (1977–2010) und bleiben das wesentliche Forum auch für die Zukunft, für den Austausch der Erkenntnisse und Meinungen – in der Forschung wie auf dem Theater. Die durch die Edition gewonnenen Einsichten in Nestroys Werkstatt, seinen Umgang mit den Vorlagen, seine Anspielung auf die aktuelle Wirklichkeit usw. förderten neue und andere interpretatorische Wahrnehmung. Umgekehrt gaben – auch spekulative – Thesen ebenso wie sprachliche, mentalitäts- und sozialgeschichtliche Kommentierung der Editionsarbeit wertvolle Impulse. Nicht selten verdankten Vorträge und Diskussionen wichtige Anregungen den Inszenierungen Peter Grubers, wurde sichtbar, wie viel Vormodernes, Modernes und Spätmodernes bei Nestroy zu entdecken ist, wie sich seine Welt von der Vorstadt ins Universum weitete. Dabei blieb seine Biographie häufig im Hintergrund, kein Wunder, bei einem Theatermann, der nur wenige Tage seines aktiven Künstlerlebens nicht mit dem Theater befasst war. Dennoch konnten auch hier bislang weniger entdeckte Stationen begangen und neue Erkenntnisse erzielt werden, auch in der Synthese biographischer, historischer und poetologischer Betrachtung: Nestroy gibt im potenzierten theatralen Spiel mit sozialkritischer Dimension Antworten auf Probleme der Entfremdung, Täuschung und Selbsttäuschung – seiner damaligen Mitwelt wie heute seiner „Nachwelt“, 150 Jahre nach seinem Tod.